Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 26.11.2013, Az.: 3 A 193/12

Entwässerung; Erschließungsbeitrag; Seitenstreifenentwässerung; Straßenausbaubeitrag; vorhandene Entwässerung; vorhandene Straße

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
26.11.2013
Aktenzeichen
3 A 193/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64488
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Sieht die Erschließungsbeitragssatzung nur allgemein vor, dass die öffentlichen Straßen mit einer Entwässerung versehen sein müssen, ohne dass ein bestimmtes Entwässerungssystem vorgeschrieben ist, können auch unterschiedliche Entwässerungssysteme in einer Straße eingesetzt werden, solange diese Systeme gleichwertig sind und die Entwässerung der Straße vergleichbar effektiv gewährleistet ist. Letztlich ist entscheidend, dass die Beseitigung des Niederschlagswassers von der Straßenfläche gleichmäßig gesichert ist.

2. Eine Entwässerung über den Straßenseitenraum ohne besondere weitere bauliche Maßnahmen - etwa den Bau von Rinnen, Einläufen, unterirdischen Sammlern - ist ein anerkanntes System, das mit den geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Technik und Baukunst übereinstimmt. Erfüllt die Seitenraumentwässerung unter Ausnutzung der natürlichen Bodenverhältnisse und Neigungsverhältnisse am Fahrbahnrand außerbeitragsrechtliche Vorschriften, sind also schon aufgrund der vorgefundenen Verhältnisse der Erdoberfläche die anerkannten Regeln der Technik zur Entwässerung eingehalten, so wäre es nicht nachvollziehbar, das Vorhandensein einer funktionierenden Straßenentwässerung zu verneinen, nur weil die natürlichen Verhältnisse ausgenutzt werden und eine künstliche Veränderung der Erdoberfläche nicht vorgenommen worden ist.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für die D. Straße in E.. Die Klägerin meint, es dürften nur Straßenausbaubeiträge erhoben werden.

Die D. Straße geht ab von der F., sie führt von dort nach Nordosten, geht auf Höhe der G. in den Außenbereich über und endet namensmäßig an der K 6 (H.). Für den Bereich südlich der D. Straße wurde durch Bebauungsplan von 1971 ein Gewerbegebiet festgesetzt, das sich von der F. bis zur G. erstreckt. Nördlich der D. Straße liegt lediglich ein einziges bebautes Grundstück, in dem früher die Möbelfirma I. ihre Produktionsstätte hatte. Die Straße wurde im Februar 1985 gewidmet.

Der erste Bereich der D. Straße in einer Länge von rund 300 m bis knapp zur G. wurde einer Ausbaumaßnahme unterworfen. Der weitere Bereich bis zur K 6 war bereits zuvor durch die Samtgemeinde ausgebaut worden. In einem im Jahre 2011 aufgestellten Erläuterungsbericht zum Ausbau der Straße ist festgehalten, die Fahrbahn sei in der Mitte 6,10 m breit und asphaltiert. Es habe sich ursprünglich um einen mit Schotter ausgebauten Wirtschaftsweg gehandelt, der in den 1960er Jahren mit Teer überbaut worden sei. Nach den Bohrkernentnahmen sei der unter der Schottertragschicht vorhandene Sand mit Schluffbestandteilen durchsetzt und sei nicht frostsicher. Rissbildungen und Setzungen seien zu beobachten. Die Entwässerung erfolge bis zur Station 225 m über Abläufe in den vorhandenen Regenwasserkanal. Der Regenwasserkanal habe nur eine Länge von rund 148 m. Auf der weiteren Strecke werde das Niederschlagswasser über Grünflächen versickert. Im gesamten Bereich sei nur eine einzige Straßenlampe vorhanden, die nicht ausreichend sei.

Der durchgeführte Ausbau betrifft nach der Kostenzusammenstellung Fahrbahn mit Parkflächen, Beleuchtung, Kanalisation und Bepflanzung. Durch den Ausbau wird der Schmutzwasserkanal durchgehend angelegt, die Fahrbahn wird einheitlich 5,90 m breit zzgl. 50 cm Gossenbereich, am nördlichen Fahrbahnrand werden weitere 10 Parkplätze gebaut, es werden Buchen gepflanzt und vier Straßenlampen neu aufgestellt.

Mit Bescheid vom 6. September 2012 wurde die Klägerin zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der D. Straße herangezogen. Die Beklagte führte aus, der gesamte Erschließungsaufwand belaufe sich auf rund 310.000,00 EUR, rund 57.000,00 EUR seien für Abbruch- und Entsorgungskosten nicht berücksichtigungsfähig. Nach Abzug eines 10 %igen Gemeindeanteiles und einer Umlage nur von 70 % der verbliebenen Kosten im Wege der Vorausleistungen seien knapp 160.000,00 EUR auf die Anlieger zu verteilen. Es erging ein Bescheid über 6.265,80 EUR (Flurstücke 163/3 sowie 163/4).

Die Klägerin hat Klage erhoben und trägt vor: Es dürften nur Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Die nördlich der D. Straße gelegenen landwirtschaftlichen Grundstücke müssten einbezogen werden. Es habe sich schon immer um eine Anbaustraße und nicht um einen Wirtschaftsweg gehandelt, so habe die Möbelfabrik nördlich der D. Straße ihr Grundstück bereits 1961 bebaut. Die Straße habe damals bereits eine Fahrbahn mit Kopfsteinpflaster gehabt. Der Unterbau mit Schotter habe den rechtlichen Anforderungen genügt. Auch die Straßenentwässerung habe ausgereicht. Es hätten mindestens drei Straßenlampen in der D. Straße gestanden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 6. September 2012 aufzuheben, soweit mehr als 4.386,06 EUR festgesetzt worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die D. Straße sei zu Beginn der 1960er Jahre als Wirtschaftsweg hergestellt worden, teilweise unbefestigt, teilweise in Kopfsteinpflasterbauweise. In den Jahren 1963/1964 sei die Strecke lediglich mit einer Teerschicht überzogen worden, die eine Stärke von 2 bis 5 cm gehabt habe. Ein frostfreier Untergrund sei nicht vorhanden gewesen. Mangels vorhandener Unterlagen sei nicht nachweisbar, dass diese Arbeiten überhaupt von der Gemeinde durchgeführt worden seien, möglicherweise sei die Überteerung auch von der Möbelfirma beauftragt und bezahlt worden. Der Bebauungsplan für den Bereich südlich der Straße sei erst 1971 rechtskräftig geworden. Eine vollständige Straßenbeleuchtung habe es nicht gegeben, lediglich Anfang der 2000er Jahre sei eine gebrauchte Straßenlampe wegen des neu errichteten Fitnessstudios errichtet worden. Die damalige J. GmbH habe 2011 eine Bestandsaufnahme durchgeführt, wobei lediglich diese eine Straßenlampe aufgeführt worden sei. Sonst seien keine Lampen vorhanden gewesen. Es sei im Jahre 2007 lediglich ein Beleuchtungskabel im Seitenraum verlegt worden. Es habe auch keine vollständige Entwässerungsanlage gegeben: Lediglich auf einer Teillänge von maximal 2/3 habe eine Verrohrung des südlichen Seitenbereiches festgestellt werden können, möglicherweise habe es sich lediglich um eine Grabenverrohrung gehandelt. Deshalb sei die Straße erst jetzt durch die Ausbaumaßnahme erstmalig hergestellt worden. Die Straße sei zudem erst 1985 gewidmet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der der Klägerin gegenüber ergangene Bescheid über die Festsetzung von Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag ist rechtswidrig. Der Bescheide ist deshalb, soweit er angefochten worden ist, nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

Maßgebliche Straße, die der Abrechnung unterliegt, ist die D. Straße von der
F. bis zur G.. Für die Ausbaumaßnahmen in diesem Bereich können lediglich Straßenausbaubeiträge und keine Erschließungsbeiträge erhoben werden. Der im vorliegenden Verfahren angefochtene Bescheid über die Festsetzung von Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag kann jedoch nicht als Bescheid über die Festsetzung von Vorausleistungen auf den Straßenausbaubeitrag „gehalten“ werden, was im Ergebnis dazu führt, dass dieser Bescheid aufzuheben ist, soweit er angefochten worden ist.

1. Maßgebliche Straße, die der Abrechnung unterliegt, ist die D. Straße von der F. bis zur G..

Für das Erschließungsbeitragsrecht und das Straßenausbaubeitragsrecht gilt grundsätzlich eine identische Betrachtungsweise: Straße ist jeder Straßenzug, den der unbefangene Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise als selbständiges Element des gemeindlichen Straßenverkehrs ansieht (vgl. etwa Nds. OVG, Urt. v. 23.9.2009 - 9 LC 320/07 -). Tritt eine Straße endgültig in den Außenbereich ein, endet sie hier aus der Sicht des Erschließungsbeitragsrechtes, weil sie hier die „Anbaubestimmung“ im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB verliert. Auch im Sinne des Straßenausbaubeitragsrechts endet eine Straße beim endgültigen Übergang vom Innen- in den Außenbereich, weil Ortsstraßen und Außenbereichsstraßen verschiedene Straßentypen im Sinne des § 47 NStrG sind (Nds. OVG, Beschl. v. 12.1.2006 - 9 ME 245/05 -; ebenso Beschl. v. 19.12.2008 - 9 LA 99/06 -).

Da die D. Straße aufgrund des Bebauungsplanes Aschhopsberg III im südlichen Bereich zwischen der F. und G. bebaubar ist - hier ist ein Gewerbegebiet ausgewiesen -, endet die Anbaubestimmung der D. Straße an der G., sodass westlich und östlich der G. verschiedene Straßen im Rechtssinne anzunehmen sind.

2. In dem so umschriebenen Bereich der D. Straße zwischen F. und G. können für die Ausbaumaßnahmen lediglich Straßenausbaubeiträge und keine Erschließungsbeiträge erhoben werden.

Erschließungsbeiträge werden für die „erstmalige Herstellung“ einer Straße erhoben (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Straßenausbaubeiträge demgegenüber werden erhoben in erster Linie für die Erneuerung und Verbesserung von Straßen (vgl. § 6 Abs. 1 NKAG). Ist eine Straße im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts erstmalig hergestellt, kann die Straße nicht mehr „in den Zustand der Unfertigkeit zurückfallen“. Dies gilt nicht nur für die Straße insgesamt, sondern auch für die einzelnen Teileinrichtungen der Straße (BVerwG, Urt. v. 13.12.1985 - 8 C 66.84 -; Urt. v. 15.5.2013 - 9 C 3.12 -). Der Aufwand, der durch Ausbauarbeiten an einer bereits erstmalig hergestellten Straße entsteht, kann deshalb nicht mehr nach dem Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet werden, sondern - wenn die weiteren Voraussetzungen gegeben sind - nur nach dem Ausbaubeitragsrecht nach dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz.

Für den vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die D. Straße in dem bezeichneten Bereich spätestens 1971 im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts erstmalig hergestellt gewesen ist. In diesem Zusammenhang ist zwischen den einzelnen Teileinrichtungen zu differenzieren:

a) Fahrbahn mit Parkflächen

Die Fahrbahn ist im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplanes 1971 endgültig hergestellt gewesen. Mit dem Bebauungsplan ist die Straße - spätestens - zu einer Anbaustraße geworden.

Der endgültigen Herstellung in diesem Zeitpunkt steht nicht entgegen, dass die Straße erst 1985 gewidmet worden ist. Entspricht die Erschließungsanlage oder entsprechen einzelne Teileinrichtungen wie Fahrbahn und Parkflächen den Merkmalen der endgültigen Herstellung, die gem. § 132 Nr. 4 BauGB in der Erschließungsbeitragssatzung festgelegt sind, so ändert an der endgültigen erstmaligen Herstellung auch eine später ergehende Widmung der Straße nichts (BVerwG, Urteil v. 22.08.1975 - 4 C 11/73 -, juris, Rdnr. 28 und 29).

Der endgültigen erstmaligen Herstellung von Fahrbahn und Parkflächen spätestens 1971 steht auch nicht entgegen, dass der Unterbau nicht im vollen Umfang den technischen Erfordernissen entsprochen haben mag. Gleichwohl ist nach dem für das Jahr 1971 geltenden Satzungsrecht die Fertigstellung der Fahrbahn und der Parkplätze anzunehmen. Nach § 15 Abs. 1 der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde E. vom 12. Mai 1964 sind Straßen endgültig hergestellt, wenn sie u.a. mit einer den Verkehrsbedürfnissen entsprechenden Straßendecke versehen sind. Nach Absatz 2 der Vorschrift entspricht eine Straßendecke den Verkehrserfordernissen, wenn sie mit einer Pflasterung, Asphalt-, Teer-, Beton- o.ä. neuzeitlichen Decke versehen ist. Das Erfordernis eines Unterbaues ist in die Satzung nicht aufgenommen worden. Für Parkflächen ist im Ergebnis nichts Abweichendes anzunehmen.

Die D. Straße hatte bereits in den Jahren 1963/1964 eine Teerüberdeckung von 2 - 5 cm Stärke erhalten. Unerheblich für die Annahme einer erstmaligen Herstellung ist, wie der Untergrund im Einzelnen beschaffen gewesen ist. Nach dem Vortrag der Beteiligten bestand der Unterbau teilweise aus Kopfsteinpflaster, teilweise aus Schotter. Aus dem Erläuterungsbericht aus dem Jahre 2011 geht hervor, dass die Schotterdicke zwischen 15,5 und 18,4 cm betrug (bei den beiden Entnahmestellen). Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, ein Unterbau sei überhaupt nicht vorhanden gewesen. Angesichts der Verkehrsbedeutung der D. Straße und der damaligen Nutzung kann auch nicht davon ausgegangen werden, der Unterbau wäre nach jeder Betrachtung nicht mit damaligen technischen Erfordernissen vereinbar gewesen und hätte ihnen für jedermann erkennbar widersprochen. Abgesehen davon kommt dem Unterbau, also den unterhalb der Oberflächenbefestigung hergestellten Tragschichten, für die Beantwortung der Frage nach der endgültigen Herstellung der Teileinrichtungen Fahrbahn und Parkflächen ohnehin keine eigenständige Bedeutung zu. Ob eine Straße einen Unterbau haben muss oder nicht, bedarf auch keiner Regelung in einer Satzung (BVerwG, Urteil v. 29.10.1969 - 4 C 78.68 -). Denn ob eine Abschlussdecke auf einem Unterbau aufgebracht worden ist, der den dafür aufgestellten technischen Anforderungen entspricht, können die Bürger, auf die das Ausbauprogramm in besonderer Weise ausgerichtet ist, in der Regel nicht ohne Weiteres erkennen. Dementsprechend ist eine Fahrbahn in dem Zeitpunkt endgültig hergestellt, in dem sie mit einer ordnungsgemäßen Decke befestigt ist (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 11 Rdnr. 63). Dementsprechend kommt dem Umstand, inwieweit der Unterbau der D. Straße möglicherweise mit den damals geltenden Richtlinien für die Befestigung von Verkehrsflächen vereinbar gewesen ist, keine Bedeutung zu. Selbst wenn eine Gemeinde berechtigt sein sollte, für die Herstellung des Unterbaus konkrete technische Ausbaustandards festzulegen, hätte eine solche Festsetzung jedenfalls in der Satzung vorgenommen werden müssen - was hier eben gerade nicht geschehen ist. Auch ein möglicherweise vorhandener Wille der Gemeinde, die Herstellung von Fahrbahn und Parkflächen im Einzelfall nur als Provisorium anzusehen, reicht nicht, um die endgültige Herstellung zu verneinen. Will die Gemeinde die Rechtsfolge der endgültigen Herstellung verhindern, kann sie dies nur durch eine darauf gerichtete spezielle Satzungsregelung erreichen (vgl. zu alledem auch BVerwG, Urteil v. 15.05.2013 - 9 C 3.12 -). An solcher speziellen Satzungsregelung fehlt es.

b) Entwässerung

Auch die Entwässerung der Straße ist bereits früher erstmalig hergestellt gewesen. In tatsächlicher Hinsicht ist die Straße nach dem Vortrag der Beklagten lediglich auf einer Teillänge von maximal 2/3 verrohrt gewesen, und in dem Erläuterungsbericht vom September 2011 zum Ausbau ist festgehalten worden, dass das Niederschlagswasser über Abläufe in den vorhandenen Regenwasserkanal geleitet worden sei, ab der Station 225 m hingegen sei das Niederschlagswasser über Grünflächen versickert worden. Diese unterschiedlichen Entwässerungssysteme - Kanal und Grünflächenversickerung - stehen der Annahme nicht entgegen, die Entwässerung sei bereits auf voller Länge vorhanden gewesen.

Grundsätzlich setzt die Beitragsfähigkeit voraus, dass eine Teileinrichtung auf voller Länge einheitlich entsprechend den Anforderungen des Satzungsrechtes ausgebaut wird (Nds. OVG, Beschl. v. 20.12.1989 - 9 M 109/98 und 110/89 -). Im vorliegenden Fall besteht allerdings die Besonderheit, dass das Satzungsrecht keine speziellen Regelungen über die Gestaltung der Straßenentwässerung aufstellt. § 15 der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde E. vom 12. Mai 1964 sieht nur allgemein vor, dass die öffentlichen Straßen mit einer „Entwässerung“ versehen sein müssen, ohne dass ein bestimmtes Entwässerungssystem vorgeschrieben ist. In einem solchen Ausnahmefall können nach Auffassung der Kammer auch unterschiedliche Entwässerungssysteme in einer Straße eingesetzt werden, solange diese Systeme gleichwertig sind und die Entwässerung der Straße vergleichbar effektiv gewährleistet ist. Letztlich ist entscheidend, dass die Beseitigung des Niederschlagswassers von der Straßenfläche gleichmäßig gesichert ist. In einem solchen Fall ist ein zwingend gleichartiger Ausbau mit nur einem System nicht erforderlich. Dies alles setzt aber - wie dargelegt - voraus, dass in der Satzung besondere Vorschriften über die technische Ausgestaltung der Entwässerung - etwa Entwässerung über Rinnen, Einläufe und unterirdische Sammler - nicht vorhanden sind.

Hiervon ausgehend ist es ausreichend, wenn die D. Straße streckenweise durch Einläufe in den Regenwasserkanal und streckenweise über eine Seitenraumversickerung entwässert wird. Beide Systeme gewährleisten vergleichbar effektiv die Entwässerung der Straße. Auch ist eine Entwässerung über den Straßenseitenraum nicht regelwidrig:

Eine Entwässerung über den Straßenseitenraum ohne besondere weitere bauliche  Maßnahmen - etwa den Bau von Rinnen, Einläufen, unterirdischen Sammlern - ist ein anerkanntes System, das mit den geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Technik und Baukunst übereinstimmt. Insoweit kann zurückgegriffen werden auf das allgemeine Regelwerk, und zwar auf die Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Entwässerung - RAS-Ew 1987 - und das zeitlich davor gültige Merkblatt für die Entwässerung von Straßen aus dem Jahre 1971. Das Merkblatt, das - wegen des Merkmals der erstmaligen endgültigen Herstellung der Teileinrichtung Entwässerung - hier maßgeblich heranzuziehen ist, enthält allgemein anerkanntes Wissen und befolgte Praxis bei der Frage, ob eine Straße eine regelkonforme Straßenentwässerung hat.

In den RAS-Ew 1987 heißt es unter Ziffer 2.0: "Straßenoberflächen werden durch ihre Neigung entwässert. In der Regel sollte das Niederschlagswasser ungesammelt, breitflächig über Seitenstreifen und Böschungen abfließen. Wird eine Längsentwässerung erforderlich, ist das Wasser seitlich in Straßenmulden, -gräben oder -rinnen, die auch zwischen den verschiedenen Verkehrsflächen liegen können, zu sammeln und zur Vorflut weiterzuleiten. Wo es die örtlichen Verhältnisse zulassen, sollte man das Wasser nicht fassen, sondern versickern lassen“. Auch schon im Merkblatt von 1971 ist unter Ziffer 3.1.1 darauf hingewiesen worden, dass Straßenoberflächen durch ihre Neigung entwässert werden, wobei das Wasser dann an den Rändern der Flächen ungeregelt ins Gelände abfließt oder etwa seitlich in Straßenmulden gesammelt und zur Vorflut weitergeleitet wird. Beide Regelwerke sehen eine Entwässerung über Seitenstreifen (Bankette) als ausreichend und nicht regelwidrig an. Die Seitenstreifen sind danach etwa 3 cm tiefer an den Rand der befestigten Flächen anzuschließen und mit einer Querneigung von 12 % nach außen anzulegen. Wird die Fahrbahn nicht über den Seitenstreifen entwässert,  kann die Querneigung auf 6 % ermäßigt werden. Nach den RAS-Ew 1987 soll das von Dammböschungen abfließende Wasser möglichst ungebündelt in das angrenzende Gelände gelangen. Das Merkblatt 1971 sieht ergänzend vor, dass das Wasser möglichst als „ungeregelt abfließendes Wasser dem Unterlieger übergeben werden“ sollte. Erst wenn das nicht möglich oder zumutbar ist, sind Einrichtungen für die Längsentwässerung vorzusehen, nämlich Mulden, Gräben, Rinnen (so auch RAS-Ew 1987 Ziff. 2.0, s.o.). Sind Seitenstreifen oder Böschungen damit anerkannte Entwässerungsmöglichkeiten, liegt eine kunstmäßige Entwässerung auch schon dann vor, wenn wegen der Anlage der Straße auf einem erhöhten Untergrund oder Damm die natürlichen Geländeverhältnisse links und rechts der Straße eine Entwässerung auf diese Weise zulassen und sicherstellen. Gerade bei sandigen Böden, wie sie in der Heide anzutreffen sind, kann damit eine kunstmäßige Entwässerung vorliegen, ohne dass gesonderte Baumaßnahmen links und rechts der Straße erforderlich sind.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 2007 entschieden hat, dass ein Fortleiten des anfallenden Regenwassers durch bloßes Ausnutzen der natürlichen Gegebenheiten (Versickernlassen im unbefestigten Seitenraum des Straßenkörpers) einen mindestens erforderlichen Grundbestand an kunstmäßigem Ausbau nicht erkennen lasse und dementsprechend nicht beitragsfähig sei (so BVerwG, Urteil vom 11.7.2007 - 9 C 5/06 -, juris), so kann dem für den Fall nicht gefolgt werden, in dem das Versickernlassen mit den technischen Regeln vereinbar und demgemäß nicht vorschriftenwidrig ist, und - mangels besonderer Satzungsregelungen - dieses Versickernlassen den örtlichen Gepflogenheiten und einem bewussten und gewolltem Verhalten der Gemeinde bei der Entwässerung einer Straße entspricht. Erfüllt die Seitenraumentwässerung unter Ausnutzung der natürlichen Bodenverhältnisse und Neigungsverhältnisse am Fahrbahnrand außerbeitragsrechtliche Vorschriften, sind also schon aufgrund der vorgefundenen Verhältnisse der Erdoberfläche die anerkannten Regeln der Technik zur Entwässerung eingehalten, so wäre es nicht nachvollziehbar, das Vorhandensein einer funktionierenden Straßenentwässerung zu verneinen, nur weil die natürlichen Verhältnisse ausgenutzt werden und eine künstliche Veränderung der Erdoberfläche nicht vorgenommen worden ist. Vielmehr entspricht es wirtschaftlichem Verhalten der Gemeinde, auf kostenverursachende maschinelle Bauarbeiten zu verzichten, um den Aufwand auch im Interesse der Beitragspflichtigen gering zu halten.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf vorstehende Ausführungen zur Entwässerungssituation in der D. Straße geht die erkennende Kammer daher von einer hinreichend vorhandenen und funktionsfähigen Straßenentwässerung entsprechend dem damals gültigen Satzungsrecht aus, das auch mit den technischen Regeln vereinbar gewesen ist. Dass die Entwässerung teilweise über ein Rohrsystem und teilweise über die Straßenneigung erfolgte, ist angesichts dessen, dass beide Systeme die Entwässerung vergleichbar effektiv gewährleisten, und in der Satzung besondere Anforderungen an den technischen Ausbau nicht enthalten sind, dementsprechend unerheblich. Diesem Ergebnis entgegenstehende tragfähige Anhaltspunkte, etwa, dass - damals - lediglich ein unkontrollierter Ablauf des Oberflächenwassers von der Straße mit Versickerung auf den angrenzenden Grundstücken - und nicht im öffentlichen Straßenraum - erfolgte, sind nicht ersichtlich. Über Pfützenbildung, die Hinweis auf eine nicht ordnungsgemäß funktionierende Entwässerung der Straße sein könnten, liegen keine Anhaltspunkte vor. Auch wenn die Beklagte den früheren Ausbauzustand der Straßenentwässerung in der D. Straße - aus heutiger Sicht - nur als vorläufig betrachtet, ändert dies nichts an der Annahme, dass die Straßenentwässerung satzungskonform hergestellt war. Denn der Wille einer Gemeinde allein, eine der satzungsmäßigen Ausbauweise entsprechende Herstellung im Einzelfall nur als Provisorium anzusehen, reicht nicht, um die endgültige Herstellung zu verneinen. Will die Gemeinde diese Rechtsfolge verhindern, kann sie dies nur durch eine darauf gerichtete spezielle Satzungsregelung erreichen (so BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2013 - 9 C 3/12 -, juris zur Oberflächenbefestigung einer Straße), an der es hier fehlt. Dies zu Grunde gelegt, ist die nunmehrige Anlegung einer dem heutigen Stand der Technik und Rechtslage entsprechenden Straßenentwässerung keine erstmalige Herstellung im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts, vielmehr stellt dies eine grundsätzlich nach § 6 Abs. 1 NKAG abrechenbare Verbesserung dar.

c) Straßenbeleuchtung

Letztlich ist auch die Straßenbeleuchtung früher bereits endgültig hergestellt gewesen. In tatsächlicher Hinsicht ist die Kammer davon überzeugt, dass in der D. Straße mindestens zwei Laternen gestanden haben, und zwar auf der Höhe der ehemaligen Möbelfabrik. Vom Bevollmächtigten der Klägerin sind insoweit Lichtbilder vorgelegt worden, die während der Ausbaumaßnahme im Juli 2012 gefertigt worden sind. Auf den Lichtbildern ist zum einen die vorhandene und wieder verwendete Erdverkabelung sowie der abgeschnittene Stumpf einer Straßenlaterne inklusive Betonfundament zu erkennen. Dem Zustand des freigelegten Lampenstumpfes kann nach Auffassung der Kammer entnommen werden, dass sich die Straßenlaterne über Jahrzehnte dort befunden haben muss. Die Beklagte bestreitet das Vorhandensein der beiden Lampen nur unsubstantiiert. Ob zu den beiden bereits vorhandenen Lampen die Anfang der 2000er Jahre gebrauchte Straßenlampe wegen des neu errichteten Fitnessstudios (vgl. Schriftsätze der Beklagten vom 29.1.2013) als „dritte“ Lampe angesehen werden muss, oder ob die beiden Lampen auf der Höhe der ehemaligen Möbelfabrik bereits vorher entfernt worden sind, mag im Ergebnis offen bleiben. Bereits die beiden Lampen auf Höhe der ehemaligen Möbelfabrik haben ausgereicht, um von einer erstmaligen Herstellung der Beleuchtungsanlage auszugehen. Dies ergibt sich angesichts der Verkehrssituation und der Verkehrsbelastung der Straße. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Beleuchtung nur um ein Provisorium gehandelt hat, das mit technischen Mindestanforderungen in keiner Weise vereinbar gewesen ist. Die Teileinrichtung Beleuchtung im Übrigen kann nicht dadurch wieder in den Zustand der Unfertigkeit zurückfallen, dass die beiden Lampen später wieder entfernt worden sind.

3. Damit stellt sich die Ausbaumaßnahme insgesamt dar als Erneuerung und Verbesserung der D. Straße zwischen der F. und der G.. Bei einer Abrechnung nach Straßenausbaubeitragsrecht verändern sich die Kostenanteile für die Gemeinde und die Anlieger, der Anliegeranteil richtet sich nach der Verkehrsbedeutung der Straße. Weiterhin verändern sich die einzubeziehenden Flächen. Während dem Erschließungsbeitragsrecht nur die Grundstücke unterfallen, die bebaut oder gewerblich genutzt werden können (§ 133 Abs. 1 BauGB), werden nach dem Straßenausbaubeitragsrecht auch Außenbereichsgrundstücke bevorteilt, da es nach § 6 Abs. 1 NKAG nur darauf ankommt, dass von den Grundstücken aus die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung (Straße) besteht. Damit sind etwa auch die Außenbereichsgrundstücke Flurstücke 118/1 und 115/1 nördlich der D. Straße in die Abrechnung einzubeziehen.

4. Der Vorausleistungsbescheid auf den Erschließungsbeitrag, der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist, kann nicht als Vorausleistungsbescheid auf den Straßenausbaubeitrag gehalten werden. Allerdings: Kommt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, ein Heranziehungsbescheid sei zu Unrecht auf das Erschließungsbeitragsrecht gestützt, ist das Gericht gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang der Bescheid mit Blick auf das Straßenausbaubeitragsrecht aufrechterhalten werden kann (u.a. BVerwG, Urt. v. 9.12.1988 - 8 C 72.87 -). Dies gilt für endgültige Heranziehungsbescheide, bei denen es sich um gesetzlich gebundene Entscheidungen handelt. Bei Vorausleistungsbescheiden handelt es sich jedoch um Ermessensentscheidungen (vgl. § 6 Abs. 7 Satz 1 NKAG „können“). Da nach der zitierten gesetzlichen Vorschrift auch nur „angemessene“ Vorausleistungen erhoben werden können, sieht sich das Gericht wegen des Ermessensspielraums der Beklagten - hinsichtlich der Frage, ob überhaupt Vorausleistungen erhoben werden und hinsichtlich der weiteren Frage, in welcher Höhe Vorausleistungen angemessen sind - daran gehindert, seinerseits das eigene Ermessen anstelle des Ermessens der Beklagten zu setzen und darüber zu befinden, ob und in welcher Höhe Vorausleistungen auf den Straßenausbaubeitrag erhoben werden sollen. Wegen des vom Gericht zu respektierenden Ermessens der Beklagten ist deshalb im Ergebnis der Bescheid aufzuheben, soweit er angefochten worden ist. Die Beklagte muss selbst darüber befinden, ob und ggf. in welcher Höhe sie Vorausleistungen auf den Straßenausbaubeitrag erhebt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.