Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 09.10.1991, Az.: 3 U 115/88

Zulässigkeit eines auf die Zukunft gerichteten Feststellungsantrags; Unmittelbarer Anspruch des Rübenanbauers gegenüber dem Produzenten ; Erstreckung der Marktordnung auf die Beziehungen zwischen Zuckerherstellern und Zuckerrübenerzeugern ; Anspruch des Rübenbauers gegen den Zuckerproduzenen auf Einhaltung einer bestimmten Liefermenge; Verhältnis zwischen Akionären einer Zuckerfabrik und Vertragslieferanten

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
09.10.1991
Aktenzeichen
3 U 115/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 16217
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1991:1009.3U115.88.0A

Verfahrensgegenstand

Zahlung aus Rübenlieferungsverträgen sowie Feststellung

Prozessführer

Herr ...

Prozessgegner

die ...
vertreten durch den Vorstand, dieser bestehend aus ...

Redaktioneller Leitsatz

Die Verordnung Nr. 1785/81/EWG regelt zwar die unmittelbare Beziehung zwischen dem Zuckererzeuger (Zuckerfabrik) und dem Rübenlieferanten (Landwirt) im einzelnen nicht. Wegen des mit der Verordnung verfolgten Ziels der Stabilisierung des Zuckermarktes sowie im Hinblick auf die Beschäftigungslage und den Lebensstandard bei den Zuckerrübenerzeugern ist es jedoch zur Vermeidung von Überproduktion naheliegend, daß die Verordnung eine Mindestregel aufstellt, neben der Branchenvereinbarungen und Regelungen der Mitgliedsstaaten stehen können.

In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. September 1991
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Aufgrund der Berufung des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts ... vom 11.05.1988 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.832,54 DM zzgl. 4 % Zinsen auf 8.201,66 DM seit dem 04.02.1988 sowie auf 630,88 DM seit dem 10.11.1988 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die von der Beklagten getroffenen Festlegung der A-Quote auf 5.507 dt für den Kläger unwirksam ist und daß die Beklagte bei unveränderten Verhältnissen verpflichtet ist, dem Kläger Rübenlieferverträge mit (zumindest) 6.309 dt Rüben bei einem Zuckergehalt von 16 % bei der Anlieferung anzubieten.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in der I. Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Von den in der Berufungsinstanz entstandenen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 16 % und die Beklagte 84 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte ist mit 20.926,70 DM beschwert.

Tatbestand

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

2

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Nach dem Grundgedanken von Art. 30 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 1785/81 i.V.m. verwaltungsprivatrechtlichen Verpflichtungen muß die Beklagte dem Kläger für alle in den Jahren 1986 und 1987 gelieferten Rüben den Grundpreis für A-Rüben bezahlen; für die Folgejahre muß sie ihm jeweils Lieferverträge auf der Grundlage einer A-Quote von zumindest 6.309 dt anbieten.

3

I.

1.

Mit den Klageanträgen zu 1. und 2. verlangt der Kläger die Zahlung des Differenzbetrages für die 1986 und 1987 von ihm gelieferten Rüben zwischen dem von der Beklagten gezahlten Betrag und dem vollen A-Preis. Er ist insoweit der Ansicht, die Beklagte habe für die gesamte Rübenmenge den A-Preis zu zahlen, da die entsprechenden Lieferverträge erst nach dem 01. Mai geschlossen worden seien. Der Kläger hält außerdem die konkrete Kürzung seines Lieferrechts für A-Rüben für unwirksam und meint, an die Stelle einer Reduzierung um linear 6 % - für ihn nach der tatsächlichen Lieferung (Basislieferung) der letzten zehn Jahre - müsse die Rückführung von schlicht 10 % auf die letzte ausgegebene Quote treten; sein bisheriges Lieferrecht von 7.010 dt A-Rüben verkürze sich dann auf 6.309 dt (statt 5.507 dt). Eine dementsprechende Feststellung begehrt der Kläger mit seinem Klageantrag zu 3. seit der mündlichen Verhandlung des Senats vom 27.06.1990. Dieser Antrag ist im Anschluß an die Anträge zu 1. und 2. in die Zukunft gerichtet.

4

Soweit der Kläger nach Vorlage der Abrechnung vom 15.02.1988 mit der Berufung auf die Bezifferung seines ursprünglich als Feststellungsantrag formulierten Begehrens bzgl. der im Jahr 1987 gelieferten Rüben übergegangen ist, bestehen dagegen keine Bedenken. Eine Klageänderung liegt nach § 264 Nr. 3 ZPO nicht vor.

5

Auch der Feststellungsantrag in der jetzt vorliegenden Form ist zulässig. Das Feststellungsinteresse steht insbesondere nicht im Hinblick auf eine mögliche Bezifferung für die Jahre 1988 bis 1990 infrage. Unabhängig von dem Umstand, daß der Rechtsstreit bereits seit Anfang 1988 rechtshängig ist, ist zu berücksichtigen, daß unter dem Begriff des Rechtsverhältnisses i.S.v. § 256 ZPO auch einzelne Folgen von Rechtsbeziehungen fallen und daß wegen dieser fortdauernden Wirkungen die Grundsätze wie bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung (zu § 259 ZPO) anzuwenden sind: Eine Aufspaltung ist insoweit zwar möglich, aber nicht unbedingt notwendig (BGH NJW-RR 1988, 445 [BGH 21.09.1987 - II ZR 20/87]; NJW 1984, 1552). Im Hinblick auf die weiteren Geschäftsbeziehungen der Parteien ist dem Kläger ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung insgesamt zuzubilligen, da seinem Recht eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und da das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen.

6

Der Feststellungsantrag ist auch insoweit zulässig, insbesondere nicht zu unbestimmt, als der Kläger begehrt, "bei unveränderten Verhältnissen" eine A-Quote von zumindest 6.309 dt Zuckerrüben eingeräumt zu bekommen. Streitgegenstand ist insoweit lediglich die von der Beklagten im Februar 1986 vorgenommene Reduzierung der Mehrquote von 110 % auf 100 %. Die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme betrifft eine einmalige Situation und schließt nicht aus, daß künftig aus anderen Gründen eine Herab- oder Heraufsetzung erfolgen kann. Insoweit kann durch eine Entscheidung über den Feststellungsantrag nichts abschließend für die Zukunft geregelt, sondern nur eine Feststellung getroffen werden, die mit dem Vorstandsbeschluß 1986 zusammenhängt. Dieser Rechtslage trägt die Formulierung des Feststellungsantrags Rechnung.

7

Da die Parteien in der letzten Senatsverhandlung übereinstimmend erklärt haben, daß die in Aussicht genommene Fusion der Beklagten mit einem anderen Zuckerhersteller bisher noch nicht zustandegekommen sei, ergeben sich auch insoweit gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags keine Bedenken.

8

II.

Die Zahlungsanträge zu 1. und zu 2. sind begründet. Das ergibt sich bei einer Würdigung der Bestimmungen der VO (EWG) Nr. 1785/81 sowie der Satzung und der verwaltungsprivatrechtlichen Verpflichtungen der Beklagten.

9

1.

Die für 1986 und 1987 zwischen den Parteien geschlossenen Rübenlieferverträge rechtfertigen die Zahlungsansprüche nach dem Preisniveau für A-Rüben nicht. Sie weisen die Begrenzung hinsichtlich A-Rüben auf 5.507 dt reine Rüben aus und stehen dem Begehren des Klägers insofern entgegen.

10

2.

Ein Zahlungsanspruch steht dem Kläger auch nicht mit der Begründung zu, in einem allgemeinen schuldrechtlichen Rahmenvertrag zwischen den Parteien sei das Recht zur Lieferung einer bestimmten Grundquote von Rüben festgelegt. Für den Abschluß eines derartigen Vertrages sind keine Anhaltspunkte vorhanden. Eine Dauerbeziehung zwischen den Parteien ergibt sich allenfalls daraus, daß jährlich ein neuer Liefervertrag abgeschlossen worden ist. Aus diesem Grund dürfte die Beklagte künftig nicht ohne weiteres davon absehen können, dem Kläger ein bestimmtes Lieferrecht einzuräumen. Um diese Frage geht es im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits aber nicht. Denn die Beklagte beabsichtigt nicht, den Kläger als Rübenanlieferer auszuschließen.

11

Aus der bestehenden Dauerbeziehung heraus ist die Beklagte auch nicht nach Kriterien, wie sie etwa im Arbeitsrecht als betriebliche Übung anerkannt sind, nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung über eine lange Zeit verpflichtet, mit dem Kläger nach dem Lieferrecht von 7.010 dt A-Rüben abzurechnen. Um einen derartigen Anspruch annehmen zu können, müßte zumindest festzustellen sein, daß sich der Kläger darauf hat einrichten dürfen, es würde ihm jährlich stets dasselbe Lieferrecht gewährt werden. Das ist nicht der Fall. Zwar hat die Beklagte in den schriftlichen Vertragsentwürfen seit 1979 jeweils die Lieferung von 7.010 dt A-Rüben vorgesehen. In diesem Zusammenhang ist indessen bedeutsam, daß dem Kläger zuvor in den Jahren von 1975 bis 1978 ein Lieferrecht von jeweils 7.540 dt eingeräumt war, ohne daß der Kläger dies als quotenmäßige Festlegung für die Zukunft angesehen hätte. Der Kläger hat also aus einer Mehrzahl von Einzelverträgen keineswegs das dauerhafte Bestehen einer bestimmten Grundquote für sich abgeleitet und kann mit dieser Begründung daher keinen Vertrauensschutz auf eine bestimmte Quote für sich beanspruchen. Außerdem kannte er die Abhängigkeit der Beklagten von der Verteilung der Erzeugerquoten betreffend Zucker mit den Grundmengen A und B auf die Einzelstaaten und von diesen weiter auf die Zuckerproduzenten. Der Kläger mußte und muß sich deshalb stets darauf einrichten, daß Veränderungen der A- und B-Zuckerquoten für die Beklagte auch Einfluß auf sein Lieferrecht haben können. Dies stellt der Kläger letztlich auch nicht infrage, weil er die Kürzung auf 6.309 dt A-Rüben hinnimmt. Daß konkret nur die Reduzierung der Mehrquote von 110 % auf 100 % betroffen ist, ändert daran nichts. Dieser Veränderung paßt sich der Kläger an, indem er nunmehr eine A-Quote von 6.309 dt akzeptiert. Entsprechende Veränderungen sind auch in der Vergangenheit bereits erfolgt.

12

3.

Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil sprechen gewichtige Umstände dafür, aus Art. 30 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1785/81 einen unmittelbaren Anspruch des Rübenanbauers gegenüber dem Produzenten herzuleiten. Die Verordnung regelt zwar die unmittelbare Beziehung zwischen dem Zuckererzeuger (Zuckerfabrik) und dem Rübenlieferanten (Landwirt) im einzelnen nicht. Wegen des mit der Verordnung verfolgten Ziels der Stabilisierung des Zuckermarktes sowie im Hinblick auf die Beschäftigungslage und den Lebensstandard bei den Zuckerrübenerzeugern ist es jedoch zur Vermeidung von Überproduktion naheliegend, daß die Verordnung eine Mindestregel aufstellt, neben der Branchenvereinbarungen und Regelungen der Mitgliedsstaaten stehen können. Grages (Die Lieferrechte der Zuckerrübenanbauer, 1989) weist auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 16.01.1979 hin, demzufolge sich die Marktordnung offenkundig auf die Beziehungen zwischen Zuckerherstellern und Zuckerrübenerzeugern erstrecke (S. 86). Aus diesem Grund gehöre die Materie, soweit sie in spezifischer Weise die Zuckerherstellung betreffe, in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft. Die Annahme, daß Art. 30 Abs. 2 der Verordnung eine zwingende Regelung ist - auch Grages selbst vertritt diesen Standpunkt (a.a.O. S. 142 f.) -, drängt sich schon deshalb auf, weil Abs. 3 der Vorschrift ausdrücklich lautet, daß im Rahmen eines Branchenübereinkommens mit Genehmigung des betreffenden Mitgliedsstaats von den Absätzen 1. und 2. abgewichen werden könne; in anderen Fällen ist ein Abweichen also nicht zulässig. Die Beklagte kann sich weder auf ein derartiges Branchenübereinkommen noch eine Genehmigung berufen. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 19.05.1987 mitgeteilt, daß keine entsprechenden Anträge gestellt worden sind, Ausnahmegenehmigungen zur Vereinbarung und Zahlung von sog. Mischpreisen zu erteilen. Daß sich die Beklagte selbst an Art. 30 Abs. 2 der Verordnung halten wollte, ergibt sich schon daraus, daß in den Jahresverträgen das Datum 30. April bzw. Ende April verwendet worden ist. Die ständige Übung, von der die Beklagte spricht (vom Kläger allerdings bestritten), soll bedeuten, daß nach der Verwaltungspraxis und ständigen Übung Verträge, die vor dem 01. Mai eines Jahres abgeschlossen werden, als rechtzeitig gelten.

13

Dennoch kann der Kläger vorliegend sein Zahlungsbegehren - jedenfalls soweit es 1986 betrifft - nicht auf Art. 30 Abs. 2 der VO Nr. 1785/81 stützen. Daß er den Vertrag für 1986 später ohne Zusatz unterzeichnete, besagt allerdings schon deshalb nichts, weil er den Vertrag zunächst unter dem Vorbehalt unterschrieben hatte, daß die von der Beklagten festgesetzte Kürzung rechtmäßig erfolgt sei. Damit waren für die Beklagte der Widerspruch des Klägers und sein Standpunkt klar. Dem Kläger ging es bei seiner zweiten Unterschrift nur darum, überhaupt Zahlungen zu erhalten. Dem mußte die Beklagte Rechnung tragen. Die Parteien streiten letztlich nicht um die Frage, ob der Kläger überhaupt Rüben liefern darf und dementsprechend auch zum A-Preis bezahlt werden muß. Es geht um die Differenzlieferungen, die die von der Beklagten neu festgesetzte A-Quote des Klägers übersteigen.

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Der Kläger kann sich auf den Wortlaut von Art. 30 Abs. 2 der Verordnung deshalb nicht berufen, weil die Parteien in der Vergangenheit übereinstimmend einen bestimmte Daten oder Ereignisse berücksichtigenden frühen Vertragsschluß nicht für geboten gehalten haben. Sie haben Vertragsabschlüsse und Vertragsentwürfe in den Senatsverhandlungen letztlich als nachrangig bezeichnet; abgerechnet wurde zwischen ihnen auch ohne ausdrückliche Verträge. Nachdem die Beklagte die Vertragstexte für 1986 und 1987 jeweils erst frühestens Mitte April zugeschickt hatte - die genauen Daten sind streitig -, hat sie den Liefervertrag für 1988 dem Kläger bereits im März übersandt, ohne daß sie dieses geänderte Verhalten erläutert hätte. Dies deutet darauf hin, daß die Beklagte im Jahr 1988 nunmehr in aktuellem Bewußtsein der einschlägigen Vorschriften im Zusammenhang mit dem gerade begonnenen Rechtsstreit mit dem Kläger erstmals selbst darauf achtete, Verträge möglichst frühzeitig zu schließen. Da es auch aus der Sicht des Klägers in den vergangenen Jahren nicht auf einen Vertragsabschluß vor Beginn der Aussaat und vor dem 01. Mai angekommen ist, scheidet eine unmittelbare Anwendung von Art. 30 Abs. 2 der Verordnung aus.

15

4.

Der Zahlungsanspruch des Klägers für das Jahr 1986 ergibt sich vielmehr aus dem Grundgedanken der genannten Vorschrift sowie aus verwaltungsprivatrechtlichen Verpflichtungen der Beklagten unter Berücksichtigung ihrer Stellung im Rahmen einer Dauerschuldbeziehung zum Kläger.

16

Der Beklagten blieb es im Januar 1986 unbenommen, ihre eigene betriebswirtschaftliche Kalkulation zu verändern, obwohl die im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft zugeteilte Fabrikgrundquote gleich geblieben war. Dies akzeptiert der Kläger selbst, indem er die Reduzierung der ausgegebenen Mehrquote von 110 % auf 100 % für statthaft hält. Allerdings streiten die Parteien um die Frage, auf welche Weise und ggfls. mit welchen Übergangsfristen die Neuquote für den Kläger festzusetzen ist.

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Die Beklagte hat es im Rahmen ihrer eigenen betriebswirtschaftlichen Kalkulation indessen versäumt, hinreichend auch die Belange des Klägers und dessen Wirtschaftsplanung zu berücksichtigen. Die Beklagte weist selbst darauf hin, daß im Herbst/Winter der Anbau für das nächste Jahr geplant werden muß. Unter diesen Umstände genügte schon die erste Ankündigung im Dezember 1985 den berechtigten Belangen des Klägers als Anbauers nicht, um von 1985 auf 1986 eine derart deutliche Kürzung der A-Quote von 7.010 auf 5.507 dt durchzuführen, mithin um 21,44 % (!). Die Bekanntgabe der Quotenkürzung für alle Anlieferer erfolgte dann unter dem 13.01.1986, die Information des Klägers über die Höhe seines genauen künftigen Lieferrechts unter dem 28.02.1986.

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Wie sich eine Kürzung der EG-Fabrikgrundquote auswirkt, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben. Vorliegend handelt es sich lediglich um Kalkulationen der Beklagten, die langfristiger möglich sind. Nach jahrelanger Beibehaltung einer Mehrquote von 110 % seit 1978 konnte die Beklagte über einen längeren Zeitraum kalkulieren. Andererseits mußte sie indessen auch auf die Kalkulation des Klägers und der anderen Rübenlieferanten Rücksicht nehmen. Eine derartige Rücksichtnahme nur im Hinblick auf das jeweils kommende Jahr, die die Beklagte selbst mehrfach anspricht, genügt allerdings unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht. Die Verordnung Nr. 1785/81 enthält - soweit ersichtlich - keine vom Zuckerhersteller zu beachtenden Regelungen, wenn dieser nur seine eigene Überproduktion verändern will. Seit 1979 war die Beklagte daran interessiert und richtete ihre Handlungsweise dementsprechend ein, sog. Luftkontingente abzubauen, und zwar unter Berechnung einer entsprechenden individuellen Quote nach einem 3-Jahres-Rhythmus. Da der Kläger in der Regel weniger Rüben anlieferte, als seiner A-Quote entsprach, trug er gerade diesen Interessen der Beklagten Rechnung, worauf er sich einrichten durfte. Die Beklagte hätte eine andere Regelung zur Reduzierung der Luftkontingente und vor allem Übergangsfristen für den Kläger wählen müssen. Immerhin ist der Kläger bereit, statt einer Verminderung der A-Quote um 21,44 % eine solche von 11,44 % (6.309 dt statt 7.010 dt) hinzunehmen. In diesem Zusammenhang ist von maßgeblicher Bedeutung, daß der Kläger, als seine A-Quote 1978 von 7.540 dt um rd. 7 % auf 7.010 dt gekürzt wurde, seinen Betrieb nicht dahin ausrichten konnte, daß eines Tages auch nach mehrmonatiger Ankündigung zuvor (Dezember 1985 vor der Saatausgabe im März 1986) eine derart drastische Kürzung vorgenommen werden würde. Die Ankündigung im Dezember 1985 hätte also nicht bereits zu einer Kürzung für das Folgejahr führen dürfen.

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Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß der Kläger in den Jahren zuvor tatsächlich lediglich 5.859 dt A-Rüben im Schnitt lieferte, die dann um 6 % auf 5.507 dt gekürzt wurden. Zwar ergibt sich daraus, daß der Kläger betriebswirtschaftlich gesehen sich durchschnittlich über einen 10-Jahres-Zeitraum lediglich an einer Lieferung von 5.859 dt orientierte, dem Zeitraum, den die Beklagte bei ihren Berechnungen zugrundelegte. Der Kläger konnte aber jeweils über drei Jahre kalkulieren - dieser Zeitraum ist für die jährliche Berechnung der nationalen Grundquoten bedeutsam -, ohne daß er sich auf eine 10-Jahres-Sicht einzustellen hatte, die ihm nicht bekannt war.

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Auch Ziff. IX "Schlußbestimmungen und Allgemeines" der jährlichen Lieferverträge enthält deutliche Hinweise auf eine gegenseitige Pflicht der Parteien zur Rücksichtnahme. In diesem Abschnitt der Verträge ist davon die Rede, daß sich die Vertragsschließenden zu einer Anpassung bzw. Änderung des Vertrages verpflichten, wenn sich aufgrund der Bestimmungen zur EG-Grundordnung bzw. deren Auslegung zwingende Abweichungen gegenüber dem Rübenlieferungsvertrag ergeben. Dieser Formulierung des Vertrages ist zugleich zu entnehmen, daß bei einschneidenden Änderungen, etwa einem neuen Quotensystem, die Rübenanbauer langfristig vorbereitet werden müssen, um sich einrichten zu können, und zwar auch unter Berücksichtigung unterschiedlicher Wirtschaftsplanungen einzelner Landwirte (vgl. z.B. den Gemüseanbau durch den Kläger). Dem einzelnen Rübenanbauer müssen derartige Veränderungen durch die Zuckerfabrik so rechtzeitig angekündigt werden, daß sie hinreichend Gelegenheit haben, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen.

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Unter Berücksichtigung aller dieser Gesichtspunkte muß der Beklagten bescheinigt werden, daß sie die Interessen des Klägers entgegen ihrer Verpflichtung nicht hinreichend berücksichtigte, als sie sein A-Rübenlieferrecht ab dem Jahr 1986 einschneidend kürzte und ihm dies ohne die erforderliche Vorlaufzeit kurzfristig mitteilte. Entsprechend dem Klageantrag zu 1. kann der Kläger für die im Jahr 1986 gelieferten 6.176,55 dt Rüben, mit denen er sich im Rahmen seiner bisherigen durchschnittlichen Lieferungen und innerhalb seiner A-Quote hielt, den A-Zuckerrübenmindestpreis von 11,37 DM je Dezitonne und dementsprechend noch 8.201,66 DM verlangen.

22

5.

Aus den gleichen Erwägungen ist auch der Antrag zu 2. (für das Jahr 1987) begründet. Zwar haben die Maßnahmen der Beklagten zu Beginn des Jahres 1986 dem Kläger, wie dieser eingeräumt hat, ausreichende Klarheit für das Wirtschaftsjahr 1987 verschafft, so daß ihm insoweit eine genügende Vorbereitungszeit zur Verfügung stand. Unter Berücksichtigung der Meinungsverschiedenheiten der Parteien im Jahr 1986 ist aber zu beachten, daß die Parteien nunmehr - im Gegensatz zu ihrem langjährigen früheren Verhalten, als die Lieferquoten unverändert blieben - für 1987 die einschlägigen Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft beachten mußten, also insbesondere die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1785/81 sowie der ergänzenden Verordnung Nr. 246/68. Da die Beklagte das nicht hinreichend tat, kann der Kläger auch für 1987 für alle von ihm gelieferten Rüben den A-Mindestpreis verlangen.

23

Dieser Anspruch ergibt sich in Anwendung des Art. 30 Abs. 2 der VO Nr. 1785/81. Nach dem Vortrag des Klägers soll die Aussaat am 11.04.1987 begonnen haben. Die Beklagte gibt für die Aussaat die Zeit vom 14. bis 24.04.1987 an. Die Beklagte behauptet, den Liefervertrag an den Kläger am 13.04.1987 abgesandt zu haben, was der Kläger mit Nichtwissen bestreitet. Die Unterzeichnung des Vertragsformulars durch den Kläger und der Eingang bei der Beklagten am 24.04.1987 konnte dann schon nicht mehr rechtzeitig sein, wobei der Kläger außerdem behauptet, daß die Aussaat bereits am 14.04.1987 beendet gewesen sei. Allerdings ist auch nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten (Beginn der Aussaat am 14.04.) die Übersendung des Vertragsformulars nur einen Tag vorher so spät erfolgt, daß der Liefervertrag über das reduzierte Rübenlieferrecht nicht mehr "vor der Aussaat" abgeschlossen war. "Vor der Aussaat" kann sinnvoller Weise nur dahin verstanden werden, daß der Beginn der Aussaat gemeint ist. Sollte sich die Beklagte darauf berufen wollen, daß der Kläger das Vertragsformular nicht unverzüglich nach Erhalt und vor der am 14.04.1987 beginnenden Aussaat unterzeichnete, also am 13.04. abends oder am 14.04. morgens, müßte sie sich die Vorschrift des § 162 BGB entgegenhalten lassen.

24

Die ausgesprochene Zinsforderung ergibt sich aus § 291 BGB. Der Kläger hat weder die Voraussetzungen des Verzuges (bzgl. Klageantrag zu 2.) noch die Höhe des behaupteten Bankkredits bewiesen (beide Klageanträge).

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III.

Auch der Feststellungsantrag zu 3. in der geänderten Fassung ist begründet. Ausgehend von dem früheren A-Rübenlieferrecht von 7.010 dt steht dem Kläger bis auf weiteres ein um 10 % gekürztes Lieferungsrecht von 6.309 dt zu. Die Entscheidung des Vorstands der Beklagten, dem Kläger lediglich ein Lieferrecht von 5.507 dt einzuräumen, ist unbillig.

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Nach § 15 der Satzung der Beklagten hat jeder Aktionär Anspruch auf Bezahlung der von ihm gelieferten Rüben zu dem vom Vorstand festgesetzten Rübenpreis. Diese Festsetzung hat, da die Rübenlieferanten an dieser Entscheidung nicht unmittelbar beteiligt sind, entsprechend § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen. Dabei hat der die Leistung Bestimmende darzulegen und zu beweisen, daß die von ihm getroffene Bestimmung der Billigkeit entspricht (BGHZ 41, 271, 279[BGH 02.04.1964 - KZR 10/62]; BGH NJW-RR 1991, 825, 826 [BGH 13.11.1990 - KZR 25/89] zu § 26 II GWB). Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, daß die von ihr für die Entscheidung zugrundegelegten Kriterien sachgerecht wären; insbesondere ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53 a AktG) genügend Rechnung getragen hätte.

27

Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen im Rahmen des § 315 BGB, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. In die Abwägung der Interessenlage der Parteien muß einfließen, daß es um Rechte des Klägers i.S.v. § 2 b HöfeO (Mitgliedschaftsrechte, die dem Hof dienen) geht, daß die Nutzung des Eigentums des Klägers infrage steht, seine Erwerbschancen betroffen sind und Grundsätze des Vertrauensschutzes beachtet werden müssen. Bei der Gleichbehandlung der Aktionäre geht es nicht um eine schematische Gleichberechtigung, sondern um eine solche bei gleichen Voraussetzungen (vgl. OLG Frankfurt WPM 1986, 1144).

28

Das Ausgangsproblem bestand für den Vorstand der Beklagten darin, intern die ausgegebene Mehrquote von 110 % über die EG-Grundquote von 100 % wegen der geänderten Marktsituation gerecht zu reduzieren. Während die Beklagte auf die durchschnittliche Lieferung während der letzten zehn Jahre abstellte und die individuelle A-Quote bzw. die durchschnittlich gelieferte A-Rübenmenge sodann linear um 6 % kürzte, möchte der Kläger auf eine allgemeine 10 %ige Kürzung der A-Quoten abstellen.

29

Die bisher von der Beklagten für allein richtig gehaltene Behandlung aller Lieferanten einschließlich der Fremdlieferanten - wobei deren Lieferrechte u.U. sogar prozentual geringer gekürzt werden können als diejenigen der Aktionäre -, ist sachlich nicht zu rechtfertigen und damit unbillig. Eine Differenzierung zwischen Aktionär und Vertragslieferant ist dabei schon wegen § 55 AktG geboten. Wenn nämlich den Aktionären einer Zuckerfabrik besondere Verpflichtungen auferlegt werden können, müssen sich wegen dieses besonders engen Verhältnisses der Aktionäre zu ihrer Gesellschaft auch weitergehende Rechte der Gesellschafter ergeben, als es sonst der Fall ist. Unter Berücksichtigung von § 53 a AktG ist auch nicht ersichtlich, daß die unterschiedliche Behandlung der Aktionäre einerseits, die ihr Rübenlieferrecht jeweils erfüllt haben und derjenigen andererseits, die dies nicht getan haben, sachlich gerechtfertigt wäre. Als naheliegende Lösung zur Reduzierung der Mehrquote von 110 % auf 100 % bietet es sich geradezu an, die Lieferrechte aller Aktionäre um eben 10 % zu kürzen. Dem Kläger verbliebe dann ein Lieferrecht von 6.309 dt, wie er es auch akzeptiert. Zu berücksichtigen ist insoweit nämlich auch, daß die Rübenlieferanten, die in den vergangenen Jahren ständig mehr Rüben angebaut haben, als es den ihnen zugeteilten Quoten entsprach, bei dem von der Beklagten gewählten Weg gegenüber denjenigen bevorzugt würden, die sich aus heutiger Sicht marktkonform verhalten haben. Der Vorstandsbeschluß der Beklagten bewirkt im Ergebnis also eine Besserstellung der Landwirte, die die Überproduktion, die reduziert werden soll, maßgeblich verursacht haben. Denn ihre Quoten werden prozentual weniger stark gekürzt als diejenigen der anderen Rübenanbauer. Daß ein derartiges Ergebnis sachgerecht i.S.v. § 53a AktG und im Hinblick auf § 315 BGB billig wäre, hat die Beklagte nicht dargetan. Demgegenüber erscheint eine abstrakte Kürzung aller Lieferrechte um 10 % als gerechter Lösung des Problems.

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IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Beklagte ist mit 20.926,70 DM beschwert.