Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 19.02.2014, Az.: 5 B 12/14

Dublin II VO; Fristenregelung; Grundrechtsverletzung; Subjektive Rechte; Verfahrensvorschriften

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
19.02.2014
Aktenzeichen
5 B 12/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42682
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Dublin II VO verleiht nur insoweit subjektive Rechte, als dass Grundrechtsverletzungen geltend gemacht werden. Daraus folgt, dass sich der Asylbewerber nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Fristenregelungen aus Art. 16 ff. Dublin II VO oder andere Verfahrensvorschriften der Dublin II VO berufen kann.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Der Antrag, mit dem sich die aus der Ukraine stammenden Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.01.2014, mit dem unter Feststellung der Unzulässigkeit ihres Asylantrages die Abschiebung nach Schweden angeordnet wird, wenden, hat keinen Erfolg. Im Wesentlichen machen die Antragsteller eine unangemessen lange Verzögerung des Verfahrens (hier: 7,5 Monate zwischen Asylantragstellung und Übersendung des Wiederaufnahmegesuchs an Schweden) sowie eine mit der Abschiebung einhergehende Trennung der Antragstellerin zu 1. von ihrem Verlobten - ein Asylantragsteller aus Georgien, der ebenfalls nach Schweden abgeschoben werden soll (vgl. Beschluss der Kammer v. 28.01.2014, 5 B 7/14) geltend.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Ein solcher Antrag ist in materieller Hinsicht begründet, wenn das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung eines belastenden Bescheides das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei der Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig, so überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Umgekehrt geht die Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus, wenn die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier zu Lasten der Antragsteller aus, weil der angegriffene Bescheid vom 17.01.2014 nach der sich dem Gericht derzeit darbietenden Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach rechtmäßig ist.

Die Abschiebungsanordnung findet ihre rechtliche Grundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Anhörung bedarf es nicht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dabei gelten angesichts des vorherigen Aufenthalts der Antragsteller in Schweden weiterhin die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO). Diese ist zwar durch Art. 48 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (Dublin III-VO) aufgehoben worden; gemäß Art. 49 der letztgenannten Verordnung gelten jedoch die Bestimmungen der Dublin II-VO für alle Verfahren, in denen sowohl der Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz als auch das Wiederaufnahmeersuchen - wie im hiesigen Fall - , vor dem 01.01.2014 gestellt werden. Aufgrund der Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, nach der bei der Bestimmung des nach den Kriterien der Dublin II-VO zuständigen Mitgliedstaates von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem die Asylbewerber ihren Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellen, ist Schweden zuständig.

Diese Zuständigkeit ist auch nicht wieder entfallen. Denn entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Zuständigkeit nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen.

Die Antragsteller können sich zunächst nicht auf eine unangemessen lange Verfahrensdauer berufen.

Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO legt fest, dass der Asylantrag eines Drittstaatsangehörigen im Grundsatz nur in dem für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat geprüft wird. Daraus wird abgeleitet, dass der Ausländer keinen Anspruch auf Prüfung seines Asylantrags in einem Mitgliedsstaat seiner Wahl hat. Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates bestimmt sich nach den Kriterien des Kapitel III (Art 5 - 14) der Dublin II-VO.

Der Mitgliedsstaat muss diese Kriterien nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung in der in diesem Kapitel aufgeführten Rangordnung anwenden (Urteile des EuGH  Urt. v. 21.12.2011, N.S. u. a., - C-411/10 und C-493/10 -, juris, Urt. vom 10.12.2013 – Abdullahi gegen Bundesasylamt,  C-394/12 – und vom 14.11.2013 – Bundesrepublik Deutschland gegen Puid - C 4/11 –).

Auf die Einhaltung dieser Kriterien durch die Mitgliedsstaaten kann sich der Asylbewerber nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 10.12.2013 –Abdullahi gegen Bundesasylamt,  C-394/12 – und vom 14.11.2013 – Bundesrepublik Deutschland gegen Puid - C 4/11 –) im Rahmen seines Rechtsbehelfs gem. Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin II-VO bzw. § 34 a AsylVfG allerdings nur mit der Begründung berufen, dass er in seinen Grundrechten verletzt wird.

Dazu hat der EuGH ausgeführt (Urteil vom 10.12.2013, Abdullahi gegen Bundesasylamt,  - C-394/12 – , Rnrn. 49 bis 60 des amtlichen Entscheidungsabdrucks, InfAuslR, 2014, S. 69, nur Leitsatz):

„49      Es ist zu klären, in welchem Umfang die Bestimmungen in Kapitel III der Verordnung Nr. 343/2003 tatsächlich Rechte der Asylbewerber begründen, die die nationalen Gerichte schützen müssen.

50      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 343/2003 nur einen Rechtsbehelf in ihrem Art. 19 Abs. 2 vorsieht. Nach dieser Bestimmung kann der Asylbewerber einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einlegen, einen Antrag nicht zu prüfen und den Asylbewerber in den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen. Im Übrigen wird im 29. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/85, die insbesondere in ihrem Kapitel V die Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit der Prüfung von Asylanträgen regelt, hervorgehoben, dass diese Richtlinie nicht die Verfahren im Rahmen der Verordnung Nr. 343/2003 betrifft

51      Was die Reichweite des in Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 vorgesehenen Rechtsbehelfs angeht, so sind bei der Auslegung dieser Verordnung nicht nur der Wortlaut ihrer Bestimmungen, sondern auch ihr allgemeiner Aufbau, ihre Ziele und ihr Kontext zu berücksichtigen. Dazu gehört insbesondere die Entwicklung, der sie im Zusammenhang mit dem System, in das sie sich einfügt, unterworfen war.

52      Unter diesem Aspekt ist zum einen zu beachten, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in einem Kontext entworfen wurde, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (Urteil N. S. u. a., Randnr. 78).

53      Gerade aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Verordnung Nr. 343/2003 erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (Urteil N. S. u. a., Randnr. 79).

54      Zum anderen wurden die für Asylanträge geltenden Regelungen in weitem Umfang auf Unionsebene harmonisiert, so insbesondere jüngst durch die Richtlinien 2011/95 und 2013/32.

55      Der von einem Asylbewerber gestellte Antrag wird daher weitgehend nach den gleichen Regelungen geprüft werden, welcher Mitgliedstaat auch immer für seine Prüfung nach der Verordnung Nr. 343/2003 zuständig ist

56      Im Übrigen bezeugen verschiedene Bestimmungen der Verordnungen Nr. 343/2003 und 1560/2003 die Absicht des Unionsgesetzgebers, für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats organisatorische Vorschriften festzulegen, die die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln, so wie dies im Dubliner Übereinkommen geschehen war (vgl. entsprechend Urteile vom 13. Juni 2013, Unanimes u. a., C-671/11 bis C-676/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 28, und Syndicat OP 84, C-3/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 29

57      So sollen Art. 3 Abs. 2 (sogenannte Souveränitätsklausel) und Art. 15 Abs. 1 (humanitäre Klausel) der Verordnung Nr. 343/2003 die Prärogativen der Mitgliedstaaten wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig ist. Da es sich dabei um fakultative Bestimmungen handelt, räumen sie den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein (vgl. in diesem Sinne Urteile N. S. u. a., Randnr. 65, und vom 6. November 2012, K, C-245/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 27).

58      Im gleichen Sinne gestattet es Art. 23 der Verordnung Nr. 343/2003 den Mitgliedstaaten, untereinander bilaterale Verwaltungsvereinbarungen bezüglich der praktischen Modalitäten der Durchführung der Verordnung zu treffen, die insbesondere die Vereinfachung der Verfahren und die Verkürzung der Fristen für die Übermittlung und Prüfung von Gesuchen zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme von Asylbewerbern zum Gegenstand haben können. Weiter sieht Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1560/2003 – jetzt Art. 37 der Verordnung Nr. 604/2013 – vor, dass die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen, in denen sie über die Anwendung der Verordnung Nr. 343/2003 nicht einig sind, ein Schlichtungsverfahren in Anspruch nehmen können, an dem Mitglieder eines Ausschusses, die drei nicht an der Angelegenheit beteiligte Mitgliedstaaten vertreten, beteiligt sind, aber in dessen Rahmen eine Anhörung des Asylbewerbers nicht vorgesehen ist.

59      Schließlich besteht einer der Hauptzwecke der Verordnung Nr. 343/2003, wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden.

60      Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der angefochtenen Entscheidung um die von dem Mitgliedstaat, in dem die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens ihren Asylantrag gestellt hat, getroffene Entscheidung, diesen Antrag nicht zu prüfen und die Betroffene in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen. Dieser zweite Mitgliedstaat hat der Aufnahme der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 festgelegten Kriteriums zugestimmt, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens in das Unionsgebiet. In einer solchen Situation, in der der Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, kann unter Berücksichtigung der oben in den Randnrn. 52 und 53 wiedergegebenen Erwägungen der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteile N. S. u. a., Randnrn. 94 und 106, und vom 14. November 2013, Puid, C-4/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 30).“

Daraus folgt, dass eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Übernahme- bzw. Wiederaufnahmebegehrens der Antragsgegnerin durch die Verwaltungsgerichte nicht vollständig, sondern nur insoweit zu erfolgen hat, als der Asylbewerber geltend machen kann, in seinen Grundrechten verletzt zu sein. Das bedeutet wiederum, dass sich der Asylbewerber nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Fristenregelungen aus Art. 16 ff. Dublin II-VO oder andere Verfahrensvorschriften der Dublin II-VO berufen kann. Insoweit werden nämlich keine subjektiven Rechte geltend gemacht.

Die Antragsteller machen im vorliegenden Fall eine überlange Verfahrensdauer geltend, da sie am 25.03.2013 einen Asylantrag bei der Antragsgegnerin gestellt hatten und diese am 11.11.2013 ein Wiederaufnahmegesuch an Schweden übersandten, welchem am 15.11.2013 entsprochen wurde. Die Antragsteller hatten in ihrer Anhörung am 25.03.2013 mitgeteilt, dass sie in Schweden bereits einen Asylantrag gestellt hätten. Dies wurde durch einen Eurodac-Treffer am 28.03.2013 bestätigt. Der ablehnende Bescheid vom 17.01.2014 ist den Antragstellern am 23.01.2014 zugestellt worden. Wenn sich die Antragsteller aufgrund des Zeitraumes zwischen Asylantragstellung und Wiederaufnahmegesuch (ca. 7,5 Monate) auf den vierten Erwägungsgrund der Dublin-II-VO, d.h. auf eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates, berufen, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich dabei um Regelungen handelt, die der gerichtlichen Kontrolle entzogen sind, da sie keine Grundrechte betreffen. Sie regeln vielmehr das Verfahren und richten sich an die Mitgliedstaaten. Eine Kontrolle durch den Einzelnen erfolgt nicht (vgl. EuGH, Urt. vom 10.12.2013 –Abdullahi gegen Bundesasylamt,  C-394/12 – und vom 14.11.2013 – BRD gegen Puid - C 4/11 –).

Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass eine überlange Verfahrensdauer bei 7,5 Monaten wohl nicht gegeben ist. Denn die Antragsteller können sich - selbst wenn hier subjektive Regelungen betroffen wären - auch nicht auf Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO berufen. Nach dieser Vorschrift hat der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, der einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig hält, diesen in jedem Fall innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrages zu ersuchen, den Asylbewerber aufzunehmen. Nach Satz 2 dieser Regelung geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat über, wenn das Gesuch um Aufnahme nicht innerhalb von drei Monaten unterbreitet wurde. Zwar ist vorliegend diese Frist überschritten worden. Gleichwohl ist die Zuständigkeit nicht auf Schweden übergegangen, weil die in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO enthaltene Regelung für den vorliegenden Fall nicht gilt. Denn dieser Zuständigkeitsübergang betrifft nur Aufnahmeersuchen, nicht jedoch den hier vorliegenden Fall eines Wiederaufnahmeersuchens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e) Dublin II-VO (vgl. dazu: Stattgabe des Übernahmegesuchs Schwedens vom 15.11.2013, Bl. 60 VV).

Die Dublin II-VO unterscheidet nicht nur in der Überschrift des Kapitels V sowie in Art. 16 Abs. 1 lit. a), c), d) und e) zwischen der Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren gemäß den Art. 17 bis 19 der Dublin II-VO und einer Überstellung des Asylsuchenden im Wiederaufnahmeverfahren gemäß Art. 20 Dublin II-VO. Durch Art. 16 Dublin II-VO wird der Anwendungsbereich der nachfolgenden Art. 17 bis 20 bestimmt. Art. 17 bis 19 Dublin II-VO betreffen schon dem Wortlaut nach nur das Aufnahmeverfahren, während Art. 20 Dublin II-VO das in der Überschrift zu Kapitel V an zweiter Stelle genannte Wiederaufnahmeverfahren behandelt. Zudem enthält Art. 20 Abs. 1 lit. a) Dublin II-VO eine Regelung, die der in Art. 17 Abs. 3 Dublin II-VO entspricht. Gleiches gilt für die Regelung in Art. 20 Abs. 1 lit. e) Dublin II-VO und Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO, Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO und Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO sowie Art. 20 Abs. 4 Dublin II-VO und Art. 19 Abs. 5 Dublin II-VO. Da der Verordnungsgeber also in jeweils eigenständigen Vorschriften für die Aufnahme und das Wiederaufnahmeverfahren jeweils inhaltliche eigene Regelungen erlassen hat, geht die Kammer davon aus, dass zwischen dem Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren sorgfältig unterschieden wurde und die ihrem Wortlaut sich auf einen Aufnahme- bzw. einen Wiederaufnahmeantrag beziehenden Vorschriften jeweils abschließend sind. Insofern ist es schon aus systematischen Gründen ausgeschlossen, dass die in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO enthaltene Fristenregelung für den Zuständigkeitsübergang über den ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift („Aufnahme“) hinaus auch für Wiederaufnahmegesuche - hier gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c) Dublin II-VO, für den lediglich Art. 20 Dublin II-VO Beachtung finden soll - gilt. Vor dem Hintergrund, dass für ein solches Wiederaufnahmeverfahren eine entsprechende Frist nicht vorgesehen ist, kommt ein Zuständigkeitsübergang aufgrund eines Fristablaufs vorliegend nicht in Betracht (vgl. Urteil der Kammer vom 20.01.2014 - 5 A 25/13 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.04.2013 - 17 K 1506/12 - juris, Rdnr. 31 ff. m.w.N.; VG Augsburg, Gerichtsbescheid vom  09.05.2011 - Au 3 K 10.30468 - juris, Rdnr. 21).

Eine Gefahr der Verletzung von Grundrechten, z.B. von Art. 8 EMRK (EuGH, Urteil vom 06.11.2012 – C-245/11 -, InfAuslR 2013, S. 40ff) oder Art. 3 EMRK bei systemischen Mängeln des Asylverfahrens (EuGH, Urteil N.S. a.a.O.) ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Insofern besteht auch kein Selbsteintrittsrecht der Antragsgegnerin aus humanitären Gründen (Art. 15 Abs. 1 Dublin-II-VO). Denn die Behauptung der Antragsteller, die zwischen der Antragstellerin zu 1. und ihrem Verlobten - der sich  als georgischer Asylbewerber nach Aufenthalt in Schweden ebenfalls in Deutschland aufhält (vgl. zu der Ablehnung seines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich einer Überstellung nach Schweden: Beschluss der Kammer vom 28.01.2014, 5 B 7/14) - bestehende Lebensgemeinschaft würde durch ihre Abschiebung nach Schweden aufgehoben, da die Antragsteller im Anschluss in die Ukraine abgeschoben werden würden und der Verlobte „aufgrund seines Verfolgungsschicksals“ in Schweden verbleiben könnte, ist zum einen nicht glaubhaft gemacht worden und nicht substantiiert. Zum anderen wären für die Prüfung einer eventuellen Trennung einer nach Art. 8 EMRK geschützten Lebensgemeinschaft die schwedischen Behörden gem. Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO zuständig. Die der Dublin-II-VO zugrunde liegende gemeinsame Asylpolitik sowie das damit einhergehende Prinzip des gegenseitigen Vertrauens führen dazu, dass auch diese Prüfung dem zuständigen Mitgliedstaat überlassen wird. Denn Gegenstand des hiesigen Vorbringens ist keine Trennung der Antragsteller von dem Verlobten der Antragstellerin zu 1. durch die nunmehr anstehende (gemeinsame) Abschiebung nach Schweden, die hier streitgegenständlich ist, sondern erst durch die möglicherweise im Anschluss folgende (alleinige) Abschiebung aus Schweden in die Ukraine. Ob ggf. ein gemeinsamer Aufenthalt in der Ukraine möglich sein könnte, ist zumindest nicht in diesem Verfahren Streitgegenstand.

Die Antragsgegnerin ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO zur Ausübung des eigenen Prüfrechts (sog. Selbsteintrittsrecht) verpflichtet. Denn die Antragsteller haben weder vorgetragen, noch bestehen für die erkennende Kammer Anhaltspunkte, dass in Schweden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - V-411/10 und C-493/10 -, InfAuslR 2012, S. 108 ff, zitiert nach juris) bestehen (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 13.04.2011 - A 3 K 2110/10 -, zitiert nach juris, Rdnr. 32 m.w.N.).

Außerdem muss feststehen, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht - wenn auch nur vorübergehend - aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist (vgl. dazu: Nds. OVG, Beschl. v. 02.05.2012 - 13 MC 22/12 - zitiert nach juris, Rdnr. 27). Anhaltspunkte dafür liegen nicht vor.

Die Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Gem. § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen - wie ausgeführt - vor.

Gemäß §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer in der Hauptsache anhängigen Klage hat aus den vorstehenden Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).