Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 03.05.1996, Az.: 5 U 2/96

Hilfsaufrechnung wegen gezogener Nutzungsvorteile; Werklieferungsvertrag über die Erstellung eines unvertretbaren Werkes; Anwendung des Gewährleistungsrechts des Werkvertrages ; Einbauküche mit einem erheblichen Mangel; Farbabweichungen der Unterböden der Hängeschränke als erheblicher Mangel; Farbvereinbarung als Zusicherung einer Eigenschaft; Ausschluss der Wandelung wegen Unerheblichkeit der Wertminderung; Bemessung des mangelbedingten Minderwertes

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
03.05.1996
Aktenzeichen
5 U 2/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 18011
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1996:0503.5U2.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 06.12.1995 - AZ: 2 O 285/94

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 1996
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 06.12.1995 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 20.821,85 DM nebst 4 % Zinsen seit 21.05.1994 an die Klägerin Zug um Zug gegen Übergabe der in der Wohnung der Klägerin eingebauten ...-Küche, beschrieben in der Rechnung Nr. 002932 vom 19.11.1993, verurteilt worden ist.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges werden der Klägerin 1/10 und der Beklagten 9/10 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin ist in Höhe von 5.178,15 DM beschwert, die Beklagte in Höhe von 49.828,75 DM.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 55.006,91 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Von der Darstellung des

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Tatbestandes

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wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist nur in geringem Umfang begründet, nämlich mit einem Teil der von der Beklagten in der Berufungsinstanz erstmals geltend gemachten Hilfsaufrechnung wegen der von der Klägerin gezogenen Nutzungsvorteile; im übrigen ist sie unbegründet, weil der Klägerin, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, ein Wandlungsrecht zusteht.

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1.

Wie das Landgericht angenommen hat und die Berufung nicht in Zweifel zieht, haben die Parteien mit dem Vertrag über die Lieferung und den Einbau der Küche einen Werklieferungsvertrag über die Erstellung eines unvertretbaren Werkes abgeschlossen, auf den nach § 651 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB das Gewährleistungsrecht des Werkvertrages Anwendung findet (vgl. BGH NJW-RR 1990, 788 m.w.N.).

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2.

Der Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr der von ihr auf die vereinbarte Vergütung gezahlten Beträge ergibt sich aus § 634 i.V.m. §.§ 633 Abs. 1, 465, 467 Satz 1, 346 Satz 1 BGB.

7

a.

Die Einbauküche weist einen erheblichen Mangel i.S.d. § 633 Abs. 1 BGB auf. Unabhängig davon, ob die vom Sachverständigen monierten weiteren Unzulänglichkeiten der Küche einen von der Beklagten zu verantwortenden Mangel darstellen, liegt ein erheblicher Fehler jedenfalls in den Farbabweichungen der Unterböden der Hängeschränke, von denen fünf in sandfarben ausgeführt sind und nur einer in weiß, obgleich die Klägerin die gesamte Küche in der Farbe alpinweiß bestellt hatte. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß bei derartigen Einbauküchen im Standardprogramm stets eine einheitliche Lackierung der Korpusteile vorgesehen sei, die von der vereinbarten Frontfarbe abweichen könne. Denn die Frage, ob in der Farbabweichung ein Fehler zu sehen ist, beurteilt sich maßgeblich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Es ist keineswegs allgemeinkundig, daß bei Bestellung einer Küche in einer bestimmten Farbe damit zu rechnen ist, daß die Unterseiten der Hängeschränke unter Umständen in anderen Farben ausgeführt sind; hierauf weist auch der Sachverständige in seinem Gutachten (Bl. 6 oben) ausdrücklich hin. Die Beklagte hätte unter diesen Umständen die Klägerin auf die Farbabweichungen der Hängeschrankunterseiten hinweisen müssen. Da sie dies nicht getan hat, ist der Vertrag zwischen den Parteien aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin (§ 133 BGB) dahin auszulegen, daß die Lieferung der Küche für alle sichtbaren Möbelteile in der Farbe alpinweiß vereinbart ist.

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Die hiervon abweichende Farbgestaltung der Hängeschrankunterseiten ist ein Fehler i.S.d. § 633 Abs. 1 BGB. Nach Auffassung des Senats ist in der Farbvereinbarung die Zusicherung einer Eigenschaft zu sehen, so daß die davon abweichende Lieferung ohne weiteres einen Gewährleistungsansprüche auslösenden Fehler darstellt; im übrigen mindert aber die Fertigung der Hängeschrankunterseiten in einer anderen als der vereinbarten Farbe zwar nicht die Gebrauchstauglichkeit, wohl aber durch den optisch störenden Eindruck den Wert der Küche.

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b.

Die weiteren Voraussetzungen des § 634 BGB für die Wandlung liegen vor. Das Wandlungsrecht ergibt sich zwar nicht aus § 634 Abs. 1 BGB, da die Klägerin der Beklagten zwar eine Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt hat, ihr jedoch nicht die Ablehnung der Mangelbeseitigung nach Fristablauf angedroht hat. Die Klägerin ist jedoch nach § 634 Abs. 2 BGB zur Wandlung berechtigt, weil die Beklagte mit Schreiben vom 03.03.1994 die Mangelbeseitigung verweigert hat. Der Wortlaut dieses Schreibens ergibt, daß hierin die ernsthafte und endgültige Verweigerung weiterer Nachbesserung (außer dem angebotenen Austausch der Backofentür und dem Ersatz der beschädigten Fliese) zu sehen ist. Denn es heißt in dem Schreiben, daß sämtliche berechtigten Ansprüche erledigt seien und weitergehende Ansprüche aus der Sicht der Beklagten nicht bestünden; die gelieferte Küche sei mit den zuvor genannten Einschränkungen "endgültig mangelfrei geliefert und montiert".

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Nach Verweigerung der Mangelbeseitigung und dem Wandlungsverlangen der Klägerin steht der Beklagten nicht mehr das Recht zu, bestehende Mängel nun doch noch nachträglich zu beseitigen; hier verwirklicht sich das Risiko, das die Beklagte mit der einmal erklärten Verweigerung der weiteren Mängelbeseitigung eingegangen ist.

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c.

Die Wandlung ist nicht nach § 634 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, da der Wert des Werkes durch die Farbabweichungen nicht nur unerheblich gemindert ist; insbesondere kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, daß die Abweichungen optisch nicht störten, weil man sie in normaler Haltung gar nicht bemerke. Es ist zwar richtig, daß normal große Personen, solange sie stehen, nicht unter die Hängeschrankunterseiten blicken können. Zum einen werden aber eine Reihe von Küchenarbeiten auch in gebückter oder sitzender Haltung ausgeführt, zum anderen sind in der Küche Sitzplätze vorhanden. Auch wenn man sich bückt, um beispielsweise den Fußboden zu reinigen oder Gegenstände aus den Unterschränken zu entnehmen, rücken beim Hochkommen die Unterseiten der Hängeschränke stets ins Blickfeld, so daß die abweichende Farbe immer wieder zu einem störenden optischen Eindruck fuhrt. Bedenkt man den für die Küche vereinbarten Preis, so muß dies von der Klägerin nicht hingenommen werden. Die Behauptung der Beklagten, die Unterseitenlackierung in der Küchenfarbe hätte zu Mehrkosten geführt, ist im Hinblick auf die Vertragsauslegung und den unterbliebenen Hinweis unerheblich.

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d.

Verjährung ist unabhängig von der Frage der Abnahme in keinem Falle eingetreten, da die Verjährungsfrist nach § 638 Abs. 1 BGB fünf Jahre beträgt. Bei der Lieferung und dem Einbau der Küche handelt es sich nämlich an Arbeiten an einem Bauwerk. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 1990, 787, 788 f.) kommt es hierfür nicht auf die Frage an, ob die Einbauküche wesentlicher Bestandteil des Gebäudes i.S.d. §§ 93, 94 BGB wird, sondern auf die Zweckbestimmung, die in der Gestaltung eines Raumes mit einer speziell auf die Wohnung zugeschnittenen Kücheneinrichtung ihren Ausdruck findet. Wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall stellen die Kücheneinbauten hier nach ihrer Zweckbestimmung keine einem ständig möglichen Wechsel unterworfene Raumausstattung dar, sondern einen auf Dauer angelegten Bestandteil des Küchenraumes.

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3.

Begründet ist auch der Antrag der Klägerin auf Feststellung, daß sich die Beklagte mit der Entgegennahme der Küche im Annahmeverzug befindet. Da die Beklagte gehalten ist, die Küche selbst abzuholen, reichte ein wörtliches Angebot der Klägerin aus, um den Annahmeverzug herbeizuführen (§ 295 BGB). Das Angebot liegt beispielsweise schon in dem Schreiben vom 29.04.1994, aber auch in der Erhebung der Klage mit dem Zug-um-Zug-Antrag.

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4.

Da die Klägerin ihr Wandlungsrecht wirksam ausgeübt hat, ist der Anspruch der Beklagten auf die restliche Vergütung erloschen, so daß ihre Widerklage unbegründet ist.

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5.

Erfolg hat die Beklagte jedoch teilweise mit der von ihr im Berufungsverfahren erklärten Hilfsaufrechnung. Nach §§ 634 Abs. 4, 467 Satz 2, 347 Satz 2 i.V.m. § 987 Abs. 1, 990 BGB hat die Klägerin die von ihr gezogenen Nutzungen herauszugeben, wobei für die Zeit vor Kenntnis des Wandlungsrechtes Bereicherungsrecht Anwendung findet (vgl. BGH NJW 1992, 1965). Da die Klägerin die Gebrauchsvorteile tatsächlich gehabt hat und § 818 Abs. 3 BGB daher nicht zum Zuge kommt, macht es keinen Unterschied, ob Bereicherungsrecht oder § 347 BGB Anwendung findet. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, daß ihr die Nutzung der Küche aufgedrängt worden sei, da die Beklagte ihrer Pflicht zu Abholung der Küche nicht nachgekommen sei. Denn hätte die Beklagte frühzeitig die Küche entgegengenommen, hätte die Klägerin sich eine andere Küche beschaffen müssen, die in der seither verstrichenen Zeit abgenutzt worden wäre; demgegenüber kann sie, wenn die Beklagte nach Rechtskraft des Berufungsurteils nunmehr die Küche abholt, eine neue, noch nicht genützte Küche erwerben. Im Hinblick darauf ist es gerechtfertigt, daß die Klägerin Wertersatz für die von ihr gezogenen Nutzungen leistet. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß eine derartige Nutzungsvergütung nicht nur z.B. bei Kraftfahrzeugen, sondern auch für die Nutzung von Möbeln bis zur Durchführung der Wandlung zu entrichten ist (BGHZ 115, 47 ff. [BGH 26.06.1991 - VIII ZR 198/90] = NJW 1991, 2484 ff.).

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Der Nutzungsvorteil ist im Wege linearer Abschreibung zu ermitteln, wobei der Bruttokaufpreis zugrunde zu legen ist (BGH a.a.O.), allerdings abzüglich des mangelbedingten Minderwerts (Palandt-Heinrichs, BGB, 55. Aufl. 1996; § 347 Rdnr. 9). Als durchschnittliche Nutzungsdauer legt der Senat einen Zeitraum von 20 Jahren zugrunde. In der Berufungsverhandlung ist unstreitig geworden, daß die in der Küche enthaltenen Elektrogeräte eine übliche Lebensdauer von 10 bis 12 Jahre haben, während die Möbelteile dieser hochwertigen Küche mindestens 20 Jahre halten, aber möglicherweise durchaus auch länger. Da auf die Elektrogeräte nur der geringere Teil des Küchenpreises entfällt, schätzt der Senat nach § 287 ZPO die durchschnittliche Nutzungsdauer für die Gesamtküche unter Berücksichtigung späteren Erhaltungs- und Reparaturaufwandes auf 20 Jahre.

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Der mangelbedingte Minderwert kann nicht allzu hoch bemessen werden. Auch wenn die Farbabweichungen einen so erheblichen Fehler darstellen, daß die Klägerin sie nicht hinzunehmen braucht, so handelt es sich doch lediglich um optische Mängel, die die Gebrauchstauglichkeit der Küche nicht beeinträchtigen und sich deswegen auf den Wert der gezogenen Nutzungen nicht mit einem hohen Anteil auswirken können; auch die weiteren zwischen den Parteien streitigen Mängel haben, wie der Sachverständige festgestellt hat, die Gebrauchtauglichkeit der Küche nicht eingeschränkt. Im Hinblick darauf schätzt der Senat den zur Bemessung der Gebrauchsvorteile von dem vereinbarten Kaufpreis von 43.605,53 DM vorzunehmenden Abschlag auf 5 % = 2.180;28 DM, so daß als Bemessungsgrundlage ein Betrag von 41.425,25 DM verbleibt. Da die Küche Mitte November 1993 geliefert und montiert worden ist und da mit der Rücknahme der Küche durch die Beklagte frühestens Mitte Mai 1996, nämlich nach Verkündung des Senatsurteils, zu rechnen ist, ist der von der Klägerin zu zahlenden Nutzungsentschädigung ein Zeitraum von 2 Jahren und 6 Monaten zugrunde zu legen. Verteilt man den Betrag von 41.425,25 DM auf die angenommene Gesamtnutzungsdauer von 20 Jahren, so ergeben sich 2.071,26 DM jährlich. Für zweieinhalb Jahre stellt sich der Gesamtbetrag auf 5.178,15 DM.

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Da in Höhe dieses Betrages der Rückzahlungsanspruch der Klägerin von ursprünglich 26.000,00 DM gem. §§ 387, 389 BGB durch die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen ist, verbleiben noch 20.821,85 DM, die der Klägerin zuzusprechen sind.

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6.

Zinsen auf diesen Betrag stehen der Klägerin lediglich in Höhe von 4 % gem. § 288 Abs. 1 BGB zu. Ein weitergehender Zinsanspruch aus § 286 Abs. 1 BGB kann der Klägerin nicht zugesprochen werden, da die Beklagte die Behauptung der Klägerin, sie nehme Bankkredit in Höhe der Klagforderung zu dem geltend gemachten Zinssatz von 12 % p.a. in Anspruch, in der Klageerwiderung bestritten hat und da die Klägerin die Zinshöhe weder belegt noch hierfür Beweis angetreten hat. Verzug der Beklagten besteht aufgrund des Schreibens vom 29.04.1994 seit dem 21.05.1994, nachdem die in dem Schreiben gesetzte Frist abgelaufen war.

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7.

Die Beklagte hat trotz des Teilerfolges die Kosten des Berufungsverfahrens gem. § 97 Abs. 2 ZPO zu tragen, da sie die Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Vergütung von Gebrauchsvorteilen, aufgrund deren sie teilweise obsiegt hat, auch im ersten Rechtszug bereits hätte geltend machen können. Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei die Kostenverteilung so vorzunehmen ist, als ob die Beklagte dort die Aufrechnung erklärt hätte.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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Die Beschwer der Parteien ist gem. § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt, wobei die Feststellung des Annahmeverzuges wie im Landgerichtsurteil mit 500,00 DM bewertet wird und sich die Beschwer der Beklagten um den Betrag, in dessen Höhe sie mit ihrer Hilfsaufrechnung nicht durchdringt, erhöht, während die 834,22 DM Rechtsanwaltskosten nach § 4 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO außer Betracht bleiben.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 55.006,91 DM festgesetzt.