Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.04.1991, Az.: 5 TaBV 73/90

Streitigkeit über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates eines regionalen privaten Rundfunksender bei der Festlegung des Endes der täglichen Arbeitszeit bestimmter Redakteurinnen und Redakteure; Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes auf Rundfunkunternehmen; Voraussetzungen einer Beeinträchtigung der Rundfunkfreiheit; Gefährdung einer Tendenzentscheidung durch das Eingreifen betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
29.04.1991
Aktenzeichen
5 TaBV 73/90
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1991, 15301
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1991:0429.5TABV73.90.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover 09.07.1990 - 8 BV 4/90
nachfolgend
LAG Hannover 29.04.1991 - 5 TaBV 73/90
BAG - 11.02.1992 - AZ: 1 ABR 49/91

Fundstelle

  • AfP 1991, 662-663

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Redaktioneller Leitsatz

§ 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG schirmt die Rundfunkfreiheit vor einer Beeinträchtigung durch betriebliche Mitbestimmungsrechte ab. Die Entscheidung des Rundfunkunternehmers, in der Programmgestaltung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben ein Höchstmaß an Aktualität zu verwirklichen, um in der Konkurrenz mit anderen Rundfunkbetreibern existieren zu können, ist eine Tendenzentscheidung, die durch das Eingreifen betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte nicht gefährdet werden darf. Es liegt auf der Hand, daß eine Mitbestimmung des Betriebsrats über das Ende (und damit mittelbar auch über den Beginn) der täglichen Arbeitszeit von Redakteurinnen und Redakteuren die Aktualität der Berichterstattung gefährden würde.

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht ... und
der ehrenamtlichen Richter ...
nach Anhörung der Beteiligten am 29. April 1991
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 9. Juli 1990 - 8 B V 4/90 - geändert.

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten vor dem Hintergrund, daß es sich bei der Antragsgegnerin um ein Unternehmen, das unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel a Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet, handelt, darüber, ob der Antragsteller bei der Festlegung des Endes der täglichen Arbeitszeit der in der Frühredaktion in den Regional Studios tätigen Redakteurinnen und Redakteure mitzubestimmen hat.

2

Die Antragsgegnerin (vom Arbeitsgericht als Beteiligte zu 2) bezeichnet) betreibt einen regionalen privaten Rundfunksender mit einer Zentrale in ... mit ca. 90 Beschäftigten und 6 Regionalstudios mit 70 Beschäftigten in

3

Der Antragsteller (vom Arbeitsgericht als Beteiligter zu 1) bezeichnet) ist der bei der Antragsgegnerin gewählte Betriebsrat.

4

Bis zum 1. Februar 1990 hatten die Redakteurinnen und Redakteure in den Regionalstudios entsprechend der betrieblichen Übung eine regelmäßige tägliche Arbeitszeit von 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr inklusive einer einstündigen Pause. Ausdrückliche einzelvertragliche Regelungen über den Umfang der Wochenarbeitszeit gibt es nicht. Die Tarifvertragsparteien verhandeln derzeit über eine tarifliche Regelung bezüglich des Umfangs der Wochenarbeitszeit. Bis zum 1. Februar 1990 galten für die Regionalstudios folgende Sendezeiten, in denen die Redakteure auch Moderatorenfunktionen übernahmen:

5

13.30 Uhr bis 13.36 Uhr

6

18.03 Uhr bis 18.17 Uhr.

7

Zum 1. Februar 1990 änderte die Antragsgegnerin durch die Entscheidung der Regionalkonferenz vom 13. Januar 1990 die direkten Sendezeiten der Regionalstudios wie folgt:

8

6.28 Uhr bis 6.30 Uhr

9

7.28 Uhr bis 7.30 Uhr

10

8.28 Uhr bis 8.30 Uhr

11

18.03 Uhr bis 18.15 Uhr.

12

Durch diese Änderung sind Früh- und Tagesschichten notwendig geworden, da ein Redakteur nicht die gesamten Sendezeiten erfüllen kann. Die Antragsgegnerin legte den Beginn der Frühschicht auf 4.30 Uhr bzw. 5.00 Uhr und das Ende der Frühschicht auf 11.30 Uhr bzw. 12.00 Uhr fest.

13

Die Aufgabe der Frühschicht besteht darin, die Sendezeiten zu gestalten und der Zentrale über aktuelle Fragen aus der Region zuzuarbeiten.

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Dagegen hat die Tagesschicht (auch Spätschicht bzw. Abendschicht genannt) im wesentlichen den Tischdienst zu erledigen, Beiträge zu organisieren, freie Mitarbeiter einzusetzen, Nachrichten zu sammeln, Termine wahrzunehmen, der Zentrale zuzuarbeiten und die regionale Presseschau vorzubereiten.

15

Zwischen der Frühschicht und der um 10.00 Uhr beginnenden Tagesschicht erfolgt entsprechend der Anordnung der Antragsgegnerin eine persönliche mündliche Schichtübergabe und Tagesbesprechung. Dadurch soll verhindert werden, daß Informationen verloren gehen. Dem Redakteur der Tagesschicht soll es überlassen sein, gegebenenfalls noch weitere Informationen einzuholen. Der Zeitbedarf für die Übergabe ist in der Regel wesentlich kürzer als 1 1/2 Stunden, jedoch regional und fast täglich unterschiedlich. Oftmals reichen bereits 20 Minuten für die Übergabe aus.

16

Die Personaleinteilung wird durch Dienstpläne vorgenommen, die von den Studioleitern für jeweils 4 Wochen erstellt werden. In einem weiteren Wochenplan werden sämtliche Termine, die zur Wahrnehmung der Aktualität wahrzunehmen sind, eingetragen und eine personelle Zuordnung vorgenommen.

17

Der Antragsteller meint, ihm stehe für die Festlegung des Arbeitszeitendes der Frühschicht in den Regionalstudios ein Mitbestimmungsrecht zu. Dies gelte auch für eine Festlegung durch die jeweiligen Studioleiter. In die redaktionelle Entscheidung einer Verlagerung der Sendezeiten werde durch ein Mitbestimmungsrecht beim Ende der täglichen Arbeitszeit nicht eingegriffen. Bei der Festlegung des Arbeitszeitendes Könne auch ein optimales Erfassen und Verarbeiten aktueller Informationen sichergestellt werden. Bei aktuellen unvorhergesehenen Ereignissen sei dem Einsatz der Redakteure durch eine Festlegung des Endes der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit Keine Grenze gezogen.

18

Der Antragsteller behauptet, von der Regelung des Endes der Arbeitszeit in der Frühschicht seien 31 Redakteure in den Regionalstudios betroffen. Nach wie vor gelte die Arbeitszeitregelung vom 1. Februar 1990.

19

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, daß die seitens der Antragsgegnerin zum 1. Februar 1990 vorgenommene Festlegung des Endes der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Redakteurinnen und Redakteure in den Regional Studios, die in der Frühschicht eingesetzt werden, auf 11.30 Uhr bzw. 12.00 Uhr, dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unterliegt, hilfsweise festzustellen, daß die seitens der Beteiligten zum 1. Februar 1990 vorgenommene Festlegung des Endes der täglichen Arbeitszeit der Redakteurinnen und Redakteure in den Regional Studios dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unterliegt.

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Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

21

Die Antragsgegnerin meint, aus dem Tendenzschutz des § 118 BetrVG ergebe sich eine mitbestimmungsfreie Festlegung der Arbeitszeit. Nur so Könne eine an höchstmöglicher Aktualität orientierte regionale Berichterstattung im Hörfunk ermöglicht werden. Das Medium Hörfunk sei deshalb auch nicht mit den Printmedien zu vergleichen. Die Tendenzentscheidung einer umfassenden Übergabe der Frühschicht an die Tagesschicht und Tagesbesprechung erfordere einen Verzicht auf eine generelle Regelung. Die Frühschicht sei erst zu Ende, wenn eine nach den journalistischen Erfordernissen im Rahmen verantwortlicher journalistischer Arbeit ausreichende Schichtübergabe erfolgt sei. Dies werde auch durch unterschiedliche regionale Besonderheit in punkto Informationsbeschaffung in den verschiedenen Regionalstudios deutlich. Es seien somit ausschließlich tendenzbedingte Gründe für die Bestimmung des Endes der täglichen Arbeitszeit bei den Redakteuren in den Regionalstudios maßgebend.

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Die Antragsgegnerin behauptet, es seien in der Regel nur insgesamt 6 Redakteure (pro Regionalstudio einer) in der Frühschicht eingesetzt. Nach einer Phase der Erprobung entsprechend der Hausmitteilung vom 9. Januar 1990 gebe es ab Mai 1990 keine generelle Festlegung des Endes der täglichen Arbeitszeit für die Frühschicht in den Regional Studios mehr. Das Ende der täglichen Arbeitszeit unterliege letztendlich der Entscheidung der einzelnen Studioleiter.

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Zur Darstellung weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im ersten Rechtszug wird auf den Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 9. Juli 1990 (Bl. 167-183 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß die seitens der Beteiligten zu 2) (Antragsgegnerin) zum 1. Februar 1990 vorgenommene Festlegung des Endes der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Redakteurinnen und Redakteure in den Regionalstudios, die in der Frühschicht eingesetzt werden, auf 11.30 Uhr bzw. 12.00 Uhr dem Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1) (Antragstellers) unterliegt.

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Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgeführt, dem Antragsteller stehe ein Mitbestimmungsrecht bei der Regelung des Endes der täglichen Arbeitszeit aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu. Es komme nicht darauf an, ob üblicherweise eine Regelung durch Tarifvertrag erfolge. Darüber hinaus bestehe eine gesetzliche oder tarifliche Regelung bezüglich des regelmäßigen Endes der täglichen Arbeitszeit nicht. Ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung des regelmäßigen Arbeitszeitendes führe nicht zu einer Mitbestimmung über die Dauer der Arbeitszeit der Redakteure überhaupt. Lediglich die zeitliche Lage unterfalle dem Mitbestimmungsrecht. Die Dauer der Arbeitszeit richte sich nach wie vor nach der betrieblichen Übung unter Berücksichtigung der Arbeitszeitordnung.

25

Einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats stehe auch nicht der Einwand entgegen, daß sich das Ende der Frühschicht nicht, bestimmen lasse. Dies möge auf einzelne Tage zutreffen. Der Umstand, daß allein an einem bestimmten Tag wegen aktueller Anlässe noch nicht alles der Tagesschicht, habe mitgeteilt werden Können, möge die Antragsgegnerin berechtigen, die Frühschicht an diesem Tag auszudehnen. Die Notwendigkeit und Zulässigkeit solcher Überarbeit im jeweiligen Einzelfall schließe aber nicht aus, daß generell auch das Ende der Arbeitszeit für die Frühschicht festgelegt werde.

26

Auch bei den bislang geltenden und von der Antragsgegnerin festgelegten Dienstplänen sei eine regelmäßige Arbeitszeit zugrunde gelegt worden. Im übrigen sei es ausschließlich eine Frage des konkreten Inhalts der zwischen den Beteiligten zu treffenden künftigen Regelung, ob bezüglich des Endes der Arbeitszeit der Frühschicht eine starre Uhrzeit oder eine flexible Bestimmung vereinbart werde.

27

Dem Mitbestimmungsrecht stehe auch nicht der sich aus § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ergebende Tendenzschutz entgegen. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates müßten nur dann zurücktreten, wenn der Wahrnehmung dieser Mitbestimmungsrechte die Eigenart des Unternehmens entgegenstehe. Damit sei § 118 Abs. 1 BetrVG die Ausnahme von der Beteiligungspflicht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Daraus ergebe sich jedoch noch nicht eine restriktive Auslegung des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, da diese Bestimmung unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts so auszulegen sei, daß die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit nicht eingeschränkt werde. Die Pressefreiheit werde nur in den Grenzen des Artikels 5 Abs. 1 Grundgesetz verfassungsrechtlich gewährleistet. Der verfassungsrechtliche Schutz der Rundfunkfreiheit diene der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung. Dabei obliege dem Rundfunk eine möglichst breite und vollständige Information. Rundfunkfreiheit sei Programmfreiheit ohne staatliche oder sonstige fremde Einflußnahme auf Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung der Rundfunkprogramme.

28

Die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes stehe dem Beteiligungsrecht des Betriebsrates nur dann entgegen, wenn die Maßnahme auch Mitarbeiter betreffe, für deren konkrete Tätigkeit die in § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG genannten Zwecke prägend sind (Tendenzträger). Auch für diese Tendenzträger würden die Rechte aus § 87 Abs. 1 BetrVG nur ausnahmsweise und in dem Maße eingeschränkt oder ausgeschlossen, wie ihnen die Tendenzeigenart entgegenstehe. Dazu reiche es nicht aus, wenn die geistig-ideelle Zielsetzung irgendwie tangiert werde, vielmehr müsse die Ausübung des betreffenden Mitbestimmungsrechts die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung verhindern oder zumindest ernstlich beeinträchtigen und damit das Grundrecht der Pressefreiheit verletzen können. Das Mitbestimmungsrecht zur Lage der Arbeitszeit sei grundsätzlich nicht tendenzbedingt. Zur Festlegung der Arbeitszeit in Anpassung an den technisch-organisatorischen Ablauf des Herstellungsprozesses einer Zeitung habe das Bundesarbeitsgericht (AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972) darauf abgestellt, daß keine besonderen tendenzbedingten Gründe vorgelegten hätten, die eine Entziehung des Mitbestimmungsrechts gerechtfertigt hätten. Die Umsetzung einer Arbeitszeitverkürzung innerhalb des Betriebes sei eine rein betriebsorganisatorische Frage, die die Tendenzverwirklichung nicht berühre. Nur im Einzelfall könne eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit die Aktualität der Berichterstattung gefährden (BAG Beschluß vom 30.01.1990 - 1 ABR 101/88< SAE 1990, 281 >). Eine gleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage berühre ebensowenig die Tendenzverwirklichung wie eine unterschiedliche Verteilung auf die verschiedenen Wochentage. Das Bundesarbeitsgericht lasse offen, ob eine Tendenzverwirklichung ausgeschlossen sein könnte, wenn der Betriebsrat verlangen würde, daß an bestimmten Tagen bestimmte Stunden gearbeitet werde. Daraus könne aber nicht der Schluß gezogen werden, daß bei Festlegung des Arbeitszeitendes stets ein Eingriff in die Presse- bzw. Rundfunkfreiheit stattfinde. Vielmehr sei hierin die Begründung zu sehen, daß ein Betriebsrat, der noch nicht einmal eine solche Festlegung für sich in

29

Anspruch nehme, jedenfalls nicht die geistig-ideelle Zielsetzung tangiere. Der Betriebsrat habe die aus Gründen der Erscheinungsweise und Ausgestaltung des Presseorgans getroffenen Zeiteinteilungen des Verlegers und damit auch die Entscheidung über die Redaktionszeiten bei der Regelung der Arbeitszeit der Redakteure als Vorgabe hinzunehmen. Im Rahmen dieser durch Tendenzmaßnahmen vorgegebenen Grenzen stehe ihm ein Mitbestimmungsrecht zu.

30

Auf der Grundlage dieses Beurteilungsmaßstabes sei die Festlegung des Endes der Arbeitszeit der Redakteure in den Regional Studios auf 11.30 Uhr und 12.00 Uhr mitbestimmungspflichtig, da die Eigenart des Unternehmens der Mitbestimmung bei der Festlegung nicht entgegenstehe. Zwar sei die Antragsgegnerin als Betreiberin eines privaten Rundfunksenders ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, und ihre Redakteure seien Tendenzträger. Daraus folge aber nicht, daß alle auf den Personenkreis bezogenen Maßnahmen der Antragsgegnerin mitbestimmungsfrei seien.

31

Die 24stündige Aktualität werde durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beeinträchtigt. Eine ständige Aktualität sei auch dann gewährleistet, wenn die Belange der Arbeitnehmer entsprechend § 87 BetrVG bei der Festlegung des Arbeitszeitendes berücksichtigt würden. Bei einem nur rahmenmäßig festgelegten Ende der regelmäßigen Arbeitszeit erfolge keine Einflußnahme auf die Tendenz des Rundfunksenders.

32

Das Grundrecht aus Artikel 5 Grundgesetz in seiner Konkretisierung durch § 118 BetrVG schütze den Betreiber lediglich vor einer Einflußnahme durch den Betriebsrat auf Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung der Programme. Insoweit hätten Printmedien und Rundfunksender gleichermaßen immer dann die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten, wenn ihre Tendenz nicht beeinträchtigt werde. Sie könnten durch geeignete Maßnahmen, wie z.B. das Aufstellen von Dienstplänen, sicherstellen, daß die gewünschte Aktualität durch ausreichend viele Redakteure sichergestellt werde.

33

Die Antragsgegnerin habe durch ihre Tendenzentscheidung der Verlagerung der Sendezeiten der Regionalstudios bereits Vorgaben für eine mögliche Gestaltung des Arbeitszeitendes gemacht. Unter Berücksichtigung dieser Eckdaten bleibe für die Beteiligten jedoch ein Spielraum für die Ausgestaltung des regelmäßigen Endes der Arbeitszeit. Solange hier eine Möglichkeit für mehrere verschiedene, gleichermaßen den Tendenzschutz gewährleistende Regelungen bestehe, sei es nicht der Antragsgegnerin allein überlassen, welche möglichen Regelungen sie treffe.

34

Die Antragsgegnerin habe auch nicht dargelegt, daß es zum 1. Februar 1990 ausschließlich die von ihr festgelegten Zeiten gewesen seien, die zu einer aktuellen Berichterstattung unbedingt notwendig gewesen seien.

35

Die Möglichkeit verschiedener Regelungen werde zwar auch durch die tendenzbestimmte Anordnung einer "Übergabe" der Frühschicht an die Tagesschicht begrenzt. Aber auch nach Berücksichtigung dieser Vorgabe einer Überschneidung der beiden Schichten bleibe noch Raum für verschiedene Regelungsmöglichkeiten. Es reiche bereits eine Überschneidung von weit weniger als 1 1/2 Stunden aus, um eine ausreichende Information der Tagesschicht zu gewährleisten. Diesem Informationsfluß stehe auch nicht eine Regelung des regelmäßigen Endes der täglichen Arbeitszeit entgegen. Bei der Übergaberegelung gehe es nicht um die inhaltliche Gestaltung der Beiträge, sondern lediglich um die organisatorische Gestaltung der entsprechenden Zusammenarbeit zwischen der Früh- und der Tagesschicht.

36

Darüber hinaus seien die Tendenzbelange der Antragsgegnerin im Mitbestimmungsverfahren zu berücksichtigen. Die Einräumung eines Mitbestimmungsrechts bedeute nicht ein Diktat des Betriebsrats bezüglich des Arbeitszeitendes. Vielmehr seien in dem nach dem Betriebsverfassungsgesetz geregelten Verfahren mit möglicher Einigungsstelle die tendenzbedingten Entscheidungen zu berücksichtigen. Der Tendenzschutz werde insoweit zweifach berücksichtigt. Weiterhin sei es der Antragsgegnerin auch nach einer Festlegung des Endes der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Frühschicht bei aktuellen Anlässen unbenommen, einzelne Redakteure zu Mehrarbeit aus Tendenzgründen heranzuziehen.

37

Gegen diesen Beschluß, der ihr am 2. August 1990 zugestellt worden ist, hat die Antragsgegnerin mit einem am 31. August 1990 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihres verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt, die sie mit einem am 1. Oktober 1990, einem Montag, beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten begründet hat.

38

Die Antragsgegnerin meint, das Arbeitsgericht habe die Streitigkeit der Beteiligten unzutreffend entschieden, weil es die Bedeutung des § 118 BetrVG unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines privaten Rundfunkveranstalters verkannt habe. Das Arbeitsgericht habe den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Januar 1990 (SAE 90, 281) nicht richtig verstanden. Das Bundesarbeitsgericht habe festgestellt, daß ein Mitbestimmungsrecht für das Arbeitsende durchaus die geistig-ideellen Zielsetzungen eines Presseunternehmens beeinträchtigen könne. Diese schon für den Bereich der Printmedien Zeitungen und Zeitschriften zutreffende Rechtsauffassung müsse umsomehr für die Antragsgegnerin gelten, die an die im Verhältnis zu den Pressegesetzen sehr viel schärferen gesetzlichen Bestimmungen des niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes (LRG Nds.) gebunden sei. Insbesondere in den §§ 11 bis 15 LRG Nds. würden Grundsätze für das Programm aufgestellt, an die der Privatrundfunkunternehmer in Niedersachsen sich bindend zu halten habe. Insbesondere führe § 11 Abs. 2 LRG Nds. aus:

"Die Programme dürfen

1.
die Würde des Menschen sowie die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung nicht verletzen,

2.
die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Ehe und Familie sowie vor dem Glauben und der Meinung anderer nicht beeinträchtigen und

3.
sich nicht gegen die internationale Verständigung, den Frieden, die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit sowie die soziale Gerechtigkeit wenden.

39

In Absatz 3 werde verbindlich ausgeführt:

"Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre sind einzuhalten."

40

Besondere Bedeutung wachse den Bestimmungen des § 13 LRG Nds. (Programmgestaltung) zu. Dort werde bestimmt:

"(1)
Jeder Veranstalter ist in seinen Sendungen zur Wahrheit verpflichtet.

(2)
Jeder Veranstalter hat sicherzustellen, daß in seiner Berichterstattung die Auffassung der wesentlich betroffenen Personen, Gruppen oder Stellen angemessen und fair berücksichtigt werden, wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairneß zu entsprechen. Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Bürger beizutragen.

(3)
Alle Sendungen mit Bedeutung für die Information und Meinungsbildung sind gründlich und gewissenschaft zu recherchieren. Tatsachenbehauptungen sind zu überprüfen. Kommentare sind deutlich von Nachrichten zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen."

41

Auf die weiteren Bestimmungen der §§ 11 bis 15 LRG Nds., soweit sie nicht zitiert worden seien, werde ausdrücklich Bezug genommen.

42

Im Gegensatz zu den Bestimmungen des Landespressegesetzes seien diese weitgehenden Verpflichtungen nicht sanktionslos. Vielmehr könne ihre Nichtbeachtung für die Antragsgegnerin existenzvernichtende Konsequenzen haben. Dies ergebe sich aus § 28 LRG Nds. Nach dieser Bestimmung überwache der Landesrundfunkausschuß die Einhaltung der Vorschriften der §§ 11 bis 15 sowie weiterer dort genannter den Inhalt des Programms betreffenden Bestimmungen.

43

Sofern der Landesrundfunkausschuß Verstöße gegen die genannten Bestimmungen förmlich feststelle, könne er den Veranstalter zur Unterlassung anweisen. Bei mehrfachen schwerwiegenden Verstößen, die der Landesrundfunkausschuß zum Anlaß einer solchen Anweisung genommen habe, könne der Widerruf der Erlaubnis angedroht und schließlich veranlaßt werden.

44

Die insoweit bindenden und mit existenzvernichtenden Sanktionen bewehrten Bestimmungen der §§ 11 bis 15 LRG Nds. träfen den Kernbereich der Tendenzwahrnehmung des Rundfunkunternehmers. Sie beträfen auch den Kernbereich der Tätigkeit, die der Rundfunkunternehmer - hier die Antragsgegnerin - durch die Redakteure wahrnehmen lasse, um deren Arbeitszeitfestlegung es in diesem Verfahren gehe.

45

Die Einhaltung der in "Abschnitt II - Inhalt der Programme -" des LRG Nds. für den Rundfunkunternehmer verbindlich festgelegten Bestimmungen könne dieser nur mit Mitteln der Arbeitsorganisation gewährleisten.

46

Er müsse nämlich dafür Sorge tragen, daß zur Erreichung des Ziels aktueller Berichterstattung in dem in der Vorinstanz in den in Bezug genommenen Schriftsätzen beschriebenen Sinne unter Beachtung der zwingenden Inhaltsbestimmungen des Landesrundfunkgesetzes zu den jeweiligen Zeiten ausreichend Redakteure zur Verfügung stünden, damit die sorgfältige Recherche für die inhaltlichen Anforderungen gewährleistet sei. Hierzu müsse er auch in der Lage sein, Schwerpunkte in der Arbeitszeitverteilung zu setzen, um die inhaltliche Sorgfalt verantwortlich gewährleisten zu können. Wie er dies tue, sei nach der klaren Gesetzeslage eine auf den Inhalt der Programme bezogene Tendenzentscheidung. Diese erhalte für den Rundfunkunternehmer im Gegensatz zu den Presseunternehmern ihre Brisanz dadurch, daß eine falsche Arbeitszeitverteilung eine inhaltlich sorgfältige Recherche und Gestaltung der Programme für die - auch nach Auffassung des Arbeitsgerichts - eindeutig tendenzbezogenen festgelegten Sendeplätze nicht mehr gewährleiste. Dieses vordergründig nur arbeitsorganisatorisch erscheinende Risiko trage der Rundfunkunternehmer allein mit möglicherweise existenzvernichtender Konsequenz. Dies sei der entscheidende Unterschied zu den Presseunternehmen. Insofern folge zwingend, daß gerade bei Privatrundfunkunternehmen die zeitliche Einteilung der Redakteure einen Kernbereich der Tendenzwahrnehmung darstelle, in den das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG nicht hineinwirken dürfe.

47

Zur Darstellung weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Antragsgegnerin wird auf die Beschwerdebegründung vom 1. Oktober 1990 (Bl. 190 f.d.A.) Bezug genommen. Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 9. Juli 1990 zu ändern und die Anträge zurückzuweisen.

48

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß festgestellt wird, daß die seitens der Antragsgegnerin anläßlich der Einführung der Frühredaktion zum 1. Februar 1990 vorgenommene Festlegung des Endes der täglichen Arbeitszeit der Redakteurinnen und Redakteure in den Regionalstudios dem Mitbestimmungsrecht des Antragsteilers unterliegt,

hilfsweise festzustellen, daß die seitens der Antragsgegnerin zum 1. Februar 1990 vorgenommene Festlegung des Endes der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Redakteurinnen und Redakteure in den Regionalstudios, die in der Frühschicht eingesetzt werden, auf 11.30 Uhr bzw. 12.00 Uhr dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unterliegt.

49

Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluß als der Rechtslage entsprechend. Es sei zwar richtig, daß das Pressegesetz nicht eine solche Verpflichtung wie die des § 13 Abs. 2 LRG Nds. beinhalte, wonach etwa bei der Berichterstattung die Auffassung der wesentlich betroffenen Personengruppen oder Stellen angemessen und fair berücksichtigt werden müsse. Insoweit gehe die gesetzliche Verpflichtung von Rundfunkanstalten weiter.

50

Dieser gesetzlichen Verpflichtung entspreche aber bei der Antragsgegnerin keine betriebsorganisatorische Umsetzung. Es hätte nahe gelegen, wenn die Antragsgegnerin mit der Sanktion bis hin zum Widerruf der Erlaubnis Konfrontiert sei, wenn sie real damit rechnen müßte, daß sie sich auf einem sehr gefährlichen Gebiet bewege, daß die Antragsgegnerin dann durch entsprechende Organisations- oder Betriebsanweisungen die Umsetzung und Einhaltung der Vorschriften des Landesrundfunkgesetzes sicherzustellen versucht hätte. Eine solche generelle Betriebsanweisung zur Sicherstellung, wie etwa die Verpflichtung des § 13 LRG Nds. eingehalten werden solle, existiere nicht.

51

Die Antragsgegnerin komme ihrer Verpflichtung möglicherweise dadurch nach, daß sie bei der Einstellung von Redakteuren und dem Abschluß der entsprechenden Arbeitsverträge darauf achte, daß die Redakteure persönlich und fachlich in der Lage seien, den Anforderungen des § 13 LRG NDS. zu genügen. Durch betriebsorganisatorische Maßnahmen werde jedoch ausdrücklich die Einhaltung der Verpflichtung des § 13 LRG Nds. nicht sichergestellt.

52

Die Behauptung der Antragsgegnerin, nur mit den Mitteln der Arbeitsorganisation könne die Einhaltung der in "Abschnitt U - Inhalt der Programme" verbindlich festgelegten Bestimmungen gewährleistet werden, sei unzutreffend. Die Antragsgegnerin müsse durch ihre gesamte Tätigkeit, die weit über den Bereich der Arbeitsorganisation hinausgehe, versuchen, diese gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten. Entscheidend sei hier abzustellen auf ausreichende Personalkapazität und Schaffung von Arbeitsbedingungen für die Redakteurinnen und Redakteure, die es diesen ermöglichten, der gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.

53

Im übrigen sei abzustellen auf das, was konkreter Gegenstand des Antrags sei, nämlich die Festlegung des Arbeitszeitendes auf 11.30 Uhr bzw. 12.00 Uhr. Nach der erstinstanzlich überreichten Planung "redaktioneller Tagesablauf und Aufgabenverteilung" stehe für den Frühredakteur nach dem Zeitpunkt 8.30 Uhr nicht mehr die Aufgabe, unmittelbar einer bevorstehenden Sendung, die er selber zu verantworten habe, zuzuarbeiten. Als Aufgaben des Redakteurs sei vielmehr dann in der Planung angegeben

  • "Anschließend bearbeitet der Frühredakteur die Termine/Terminmappe, sichtet die Post,
  • plant den Tag: erste Vorbereitungen für die Abendsendung,
  • verabredet gegebenenfalls bereits Termine für seine Kollegen/teilt dem (festen) Tagesreporter eventuell schon ein und schickt ihn (oder einen freien) schon telefonisch los,
  • bereitet eine gründliche Übergabe an seinen Spätkollegen vor."

54

Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats sei dahin zu überprüfen, ob es, wenn es denn ausgeübt werden könne, in Arbeitsvorgänge eingreife, die ihrerseits eine starke Tendenznähe haben. Konkret sei also zu überprüfen, ob das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Frage, ob die Arbeitszeit um 11.30 Uhr, um 11.00 Uhr oder 12.00 Uhr endet, Auswirkungen auf die von der Antragsgegnerin dargelegte Tendenz habe.

55

Die Arbeitsvorgänge, die nach 8.30 Uhr von den Frühredakteuren zu bearbeiten seien, seien lediglich und schwerpunktmäßig organisatorische und Verwaltungsvorgänge. Sie hätten mit unmittelbarer journalistischer Arbeit nichts zu tun. Dies jedenfalls nicht in dem Sinne, daß bestimmte Arbeiten, die nach 8.30 Uhr erledigt werden, auf die durch eine mitbestimmte Arbeitszeitfestlegung eingewirkt würde, unmittelbar für die Sendung, die der Frühredakteur zu verantworten habe, Auswirkungen hätte.

56

Der Antrag richte sich auf die Festlegung des Endes der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, von diesem Antrag nicht betroffen sei eine Abweichung von der regelmäßigen Arbeitszeit, wie sie ja auch in § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vorgesehen sei.

57

Die Antragsgegnerin, hält auch die neu formulierten Anträge, gegen deren Sachdienlichkeit sie keine Bedenken hat, für unbegründet.

Gründe

58

Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

59

Die Beschwerde ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat die betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit der Beteiligten unzutreffend entschieden. Ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Festlegung des Endes der täglichen Arbeitszeit der in der Frühredaktion eingesetzten Redakteurinnen und Redakteure in den Regional Studios der Antragsgegnerin besteht nicht. Sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag sind deswegen unbegründet, so daß der angefochtene Beschluß zu ändern und die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen waren.

60

Zwar hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, daß es sich bei der Antragsgegnerin um ein Unternehmen handelt, das unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG Anwendung findet, handelt. Darüber besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit. Nach § 118 Abs. 1 BetrVG finden auf derartige Unternehmen die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens dem entgegensteht. § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG schirmt die Rundfunkfreiheit vor einer Beeinträchtigung durch betriebliche Mitbestimmungsrechte ab (vgl. BVerfG NJW 1980, 1093). Die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes können daher nur dann Anwendung finden, wenn durch die Ausbübung der dort normierten Mitbestimmungsrechte die Rundfunkfreiheit nicht beeinträchtigt werden kann. Rundfunkfreiheit ist Programmfreiheit ohne staatliche oder sonstige fremde Einflußnahme auf Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung der Rundfunkprogramme. Die Entscheidung des Rundfunkunternehmers, in der Programmgestaltung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben ein Höchstmaß an Aktualität zu verwirklichen, um in der Konkurrenz mit anderen Rundfunkbetreibern existieren zu können, ist eine Tendenzentscheidung, die durch das Eingreifen betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte nicht gefährdet werden darf. Es liegt auf der Hand, daß eine Mitbestimmung des Betriebsrats über das Ende (und damit mittelbar auch über den Beginn) der täglichen Arbeitszeit von Redakteurinnen und Redakteuren die Aktualität der Berichterstattung gefährden würde. Das hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluß vom 30. Januar 1990 (- 1 ABR 101/88 - SAE 1990, 281 -) verdeutlicht, indem es für ein Presseunternehmen, welches die wöchentlich (freitags) erscheinende "Wirtschaftswoche" herausgibt, ausgeführt hat, die Tendenz Verwirklichung des Arbeitgebers sei solange nicht ernsthaft beeinträchtigt, wie der Arbeitgeber die konkrete Arbeitszeit seiner Redakteure allein festlegen könne.

61

"Entscheidend ist, daß der Arbeitgeber die konkrete Arbeitszeit seiner Redakteure allein festlegen kann". Diese Feststellung des Bundesarbeitsgerichts gilt in ungleich höherem Maße für die Festlegung des (Beginns und) Endes der täglichen Arbeitszeit von Redakteurinnen und Redakteuren eines privaten Rundfunkunternehmens, welches sich zum Ziel gesetzt hat, durch die Gewährleistung einer größtmöglichen Aktualität seiner Sendungen möglichst viele Hörer zu gewinnen.

62

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, auf jeden Fall durch die Festlegung des Endes der täglichen Arbeitszeit der in der Frühredaktion tätigen Redakteurinnen und Redakteure eine ordnungsgemäße "Übergabe" an die in der Tagesschicht tätigen Redakteurinnen und Redakteure zu gewährleisten, ist ersichtlich geeignet, der Tendenzentscheidung einer größtmöglichen Aktualität der Sendungen zur Verwirklichung zu verhelfen. Sie würde durch die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts des Antragstellers aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG empfindlich gestört werden können.

63

Die Rechtsbeschwerde ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden (§ 92 Abs. 1 ArbGG).