Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.08.1991, Az.: 13 Sa 632/91

Zuständigkeit der Schiedsstellen für Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus der Tätigkeit als Mitglied der Mitarbeitervertretung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
20.08.1991
Aktenzeichen
13 Sa 632/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 10564
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1991:0820.13SA632.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 13.02.1991 - AZ: 3 Ca 627/90
nachfolgend
BAG - 09.09.1992 - AZ: 5 AZR 456/91

Verfahrensgegenstand

Ordnung für Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Amtlicher Leitsatz

Für Ansprüche auf Aufwendungsersatz, die auf der Tätigkeit als Mitglied der Mitarbeitervertretung beruhen, sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig, sondern die nach der Mitarbeitervertretungsordnung gebildeten Schiedsstellen.

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 1991
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 13.02.1991, 3 Ca 627/90, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 237,94 DM, die er für die Durchführung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens bezahlt hat.

2

Der Beklagte, Arbeitgeber des Klägers, ist eine Einrichtung, die dem ... der EKD angeschlossen ist. Er wendet die Ordnung für Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen vom 24.09.1973 in der Fassung vom 10.06.1988 (im folgenden MVO) an. Der Kläger ist Arbeitnehmer des Beklagten und stellvertretender Vorsitzender der Mitarbeitervertretung. Für die Mitarbeitervertretung beauftragte er seinen jetzigen Prozeßbevollmächtigten mit der Durchführung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens mit dem Ziel seiner Freistellung für eine Fortbildungsveranstaltung. (Arbeitsgericht Oldenburg 5 BV Ga 1/90). Der Beklagte verweigert die Erstattung der Anwaltskosten. Auf Antrag der Mitarbeitervertretung wurde das Schiedsverfahren nach MVO durchgeführt, das Verfahren wurde eingestellt, nachdem der Vorsitzende erklärt hatte, ein Rechtsschutzinteresse sei kaum zu bejahen, und die Beteiligten keine Anträge gestellt hatten.

3

Der Kläger verlangt im vorliegenden Urteilsverfahren Erstattung der ausgelegten Anwaltskosten vom Beklagten. Er hat unter anderem vorgetragen, der Anspruch sei als Aufwendungsersatzanspruch aus dem Arbeitsverhältnis begründet, demnach sei die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte im Urteilsverfahren gegeben.

4

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 237,94 DM zu zahlen.

5

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Er hat geltend gemacht, eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen sei nicht gegeben, der Anspruch, den der Kläger geltend mache, resultiere allein aus seiner Tätigkeit als Mitglied der Mitarbeitervertretung. Im übrigen bestehe keine Kostenerstattungspflicht, weil die Hinzuziehung des Anwaltes nicht vorher gemäß § 28 Abs. 2 MVO anerkannt worden sei.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht gegeben sei. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

8

Mit Berufung macht der Kläger geltend, die MVO sei kein Kirchengesetz, es handele sich lediglich um den Beschluß eines Organs eines eingetragenen Vereins. Zwischen Mitarbeitervertretung und Arbeitgeber wurden keine rechtlichen Beziehungen begründet, rechtliche Beziehungen bestünden allein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Aufwendungsersatzanspruch sei deshalb dem Arbeitsvertragsrecht zuzuordnen. Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Klägervorbringens Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 07.06.1991, Bl. 56 f. d. A.

9

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichtes Oldenburg vom 13.02.1991 (3 Ca 627/90) zur Zahlung von DM 237,94 an den Kläger zu verurteilen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Er verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 15.07.1991 (Bl. 66 f. d. A.) das erstinstanzliche Urteil.

Entscheidungsgründe

12

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO). Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit verneint und den Kläger auf die Anrufung der Schiedsstelle nach MVO verwiesen.

13

Das BAG hat in den Entscheidungen AP Nr. 25 und AP Nr. 34 zu Art. 140 GG ausgeführt, daß für Streitigkeiten nach dem kirchenlichen Mitarbeitvertretungsrecht eine Zuständigkeit staatlicher Gerichte zumindest dann nicht gegeben ist, wenn eine Schlichtungsstelle vorgesehen ist, die den Mindestanforderungen an ein Gericht entspricht. Die Entscheidungen betrafen zum einen Wählbarkeitsvoraussetzungen für die kirchliche Mitarbeitervertretung, zum anderen Umfang der Mitbestimmungsrechte nach Mitarbeitervertretungsrecht. Zugrunde lag das Mitarbeitervertretungsrecht des EKD. Das BAG führt zusammengefaßt aus, nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung sei den Kirchen als eigene Angelegenheit gewährleistet, selbst darüber zu bestimmen, wie die innerbetriebliche Beteiligung der Arbeitnehmer ausgestaltet sei. Regelungen über die Mitbestimmung gehörten zum Organisationsrecht, das der Selbstgestaltungsmacht der Kirche unterliege. Im Rahmen dieses Selbstgestaltungsrechts könnten die Kirchen auch eigene Gerichte für Streitigkeiten aus dem Mitarbeitervertretungsrecht einrichten, der Zugang zu den staatlichen Gerichten sei dann nicht gegeben. Auch eine subsidiäre Zuständigkeit staatlicher Gerichte für Streitigkeiten aus dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht scheide aus, wenn die Zuständigkeit von Schlichtungsstellen gegeben sei, die den Mindestanforderungen an ein Gericht entsprachen. Diese Mindestanforderungen seien für die Schlichtungsstelle nach MVO gegeben. Ergänzend wird Bezug genommen auf den Beschluß des BAG. AP Nr. 34 zu Art. 140 GG.

14

Der Beklagte betreibt verschiedene Sozialeinrichtungen, es handelt sich um kirchliche Einrichtungen im Sinne von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Weimarer Reichsverfassung. Die Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie gilt nicht nur für die verfaßte Kirche, sondern für alle kirchlichen Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck und ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stuck des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen. Dies trifft auf karitative Einrichtungen der evangelischen Kirche zu (BAG AP Nr. 25 zu Art. 140 GG). Streitigkeiten zwischen dem Beklagten und der bei ihm bestehenden Mitarbeitervertretung sind deshalb der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen, es besteht nach § 46 MVO allein die Zuständigkeit der Schiedsstelle.

15

Die vom BAG aufgestellten Grundsätze zu Wählbarkeitsvoraussetzungen zur Mitarbeitervertretung und zum Umfang der Mitbestimmungsrechte sind zu übertragen auf den vorliegenden Fall, in dem Aufwendungsersatz für die Tätigkeit als Mitarbeitervertretungsmitglied geltend gemacht wird. Der Kläger macht keinen arbeitsvertraglichen Kostenerstattungsanspruch geltend. Als alleinige Anspruchsgrundlage kommt § 28 MVO in Betracht, es handelt sich quasi um einen kollektivrechtlichen Anspruch. Der Kläger ist nämlich bei Beauftragung des Anwalts im Vorverfahren nicht als Arbeitnehmer tätig geworden, sondern als Vertreter der Mitarbeitervertretung. Er hat Aufwendungen gemacht nicht zur Erledigung von Arbeitsleistung, sondern zur Erfüllung von Aufgaben als Mitglied der Mitarbeitervertretung. Ein Erstattungsanspruch für die Aufwendungen kann deshalb nur gestützt werden auf § 28 MVO, ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB besteht nicht. Für den Aufwendungsersatzanspruch nach § 28 MVO besteht aber allein die Zuständigkeit der Schiedsstelle nach § 46 MVO. Das BAG hat zutreffend eine subsidiäre Zuständigkeit der staatlichen Gerichte verneint, weil die nach MVO gebildete Schiedsstelle den Mindestanforderungen an ein Gericht entspricht. Die Ausführungen des BAG gelten uneingeschränkt auch für die vorliegende Fassung der MVO, so daß auf die Ausführungen in AP Nr. 34 zu Art. 140 GG verwiesen werden kann.

16

Da die Berufung zurückzuweisen war, trägt der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens, § 97 ZPO. Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG. Die Kammer hat die Revision zugelassen, um auch für Aufwendungsersatzansprüche der vorliegenden Art. eine eindeutige Abgrenzung zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und kirchlicher Gerichtsbarkeit sicherzustellen.