Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.10.2001, Az.: Ss 272/01 (I 117)

Voraussetzungen der für die Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs erforderlichen Rücksichtslosigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
04.10.2001
Aktenzeichen
Ss 272/01 (I 117)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 30705
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2001:1004.SS272.01I117.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Oldenburg - 03.07.2001

Fundstelle

  • DAR 2002, 89 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Gefährdung des Straßenverkehrs

In der Strafsache
...
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 04. Oktober 2001
durch
die Richter am Oberlandesgericht ..., ... und ...
nach § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 03. Juli 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden hat.

Gründe

1

Das Amtsgericht Oldenburg hat die Angeklagte am 03. Juli 2001 wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,00 DM verurteilt, wobei der Angeklagten gestattet wurde, die Geldstrafe in monatlichen Raten von 150,00 DM zu zahlen. Außerdem ist der Angeklagten verboten worden, für die Dauer von einem Monat im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

2

Das Amtsgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:

3

Am Mittwoch, den 14. Februar 2001, hatte die Angeklagte bei der Firma R...

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eingekauft. Sie war mit dem Pkw Audi mit dem amtlichen Kennzeichen ...

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unterwegs und wollte auf den Langenweg in Richtung O... fahren, um eine Bekannte zu besuchen. Kurz nach 19.00 Uhr herrschte Dunkelheit und Nebel. Da die Angeklagte ortsunkundig ist, steuerte sie ihren Pkw von der Parkplatzabfahrt des R... geradeaus in die Autobahnabfahrt der A 293, Abfahrt E... in entgegengesetzter Richtung. Sie übersah dabei deutlich aufgestellte Einfahrtsverbotsschilder. Sie fuhr die Einhundertachtziggradkehre der Autobahnabfahrt in entgegengesetzter Richtung und bog sodann auf die Autobahn in entgegengesetzter Richtung ein. Dabei mußte sie den Fahrstreifen der Abfahrt sowie den Hauptfahrstreifen überqueren, um auf die Überholspur zu gelangen, die sie in entgegengesetzter Richtung auf ihrer Seite rechts fahrend befuhr. Erst jetzt bemerkte sie, daß sie sich auf der Autobahn in entgegengesetzter Richtung befand, weil ihr auf beiden Fahrspuren Kraftfahrzeuge entgegenkamen. Ein unbekannt gebliebener Kraftfahrer mußte abrupt abbremsen und nach rechts lenken, weil er das von der Angeklagten gesteuerte Kraftfahrzeug entgegenkommen sah. Dieser Pkw-Fahrer war konkret gefährdet und konnte einen folgenschweren Zusammenstoß nur dadurch vermeiden, daß er abrupt nach rechts lenkte. Die Angeklagte wendete sofort ihren Pkw auf der Autobahn und verließ in entgegengesetzter Richtung, wie sie gekommen war, die Autobahn, bevor der nächste Pkw-Fahrer auf der Autobahn diese an der Abfahrt E..., hinter der Angeklagten fahrend, ebenfalls verließ.

6

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, daß sich die Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen einer fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 f., Abs. 3 Nr. 2 StGB schuldig gemacht habe, denn sie habe grob verkehrswidrig ihr Fahrzeug entgegen der Fahrtrichtung auf eine Autobahn gesteuert und dabei eine Gefahr für sich und einen anderen Kraftfahrzeugführer verursacht.

7

Die gegen das Urteil angebrachte Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge vorläufigen Erfolg. Die getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2 f., Abs. 3 StGB nicht. Zwar ist nicht zu beanstanden, daß das Amtsgericht aufgrund der getroffenen Feststellungen von einem grob verkehrswidrigen Verhalten der Angeklagten ausgegangen ist. Eine Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 f., Abs. 3 Nr. 2 StGB setzt aber zusätzlich voraus, daß der Fahrzeugführer auch rücksichtslos gehandelt hat. Nach der Rechtsprechung handelt rücksichtslos im Sinne der genannten Vorschriften, wer sich zwar seiner Pflichten als Verkehrsteilnehmer bewußt ist, sich aber aus eigensüchtigen Gründen darüber hinwegsetzt oder wer sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise gar nicht erst aufkommen läßt und unbekümmert um die Folgen seiner Fahrweise darauf losfährt (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1995, 115). Da sich das erkennende Gericht mit der Frage der Rücksichtslosigkeit nicht auseinandergesetzt hat und insoweit keine Feststellungen getroffen hat, fehlt dem Senat eine ausreichende Grundlage für die Überprüfung des Schuldvorwurfs. Das Urteil war deshalb aufzuheben und an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

8

Der Senat bemerkt ergänzend: Bei der Frage, ob die Angeklagte rücksichtslos gehandelt hat, als sie nach Erkennen ihres Fehlers auf der Autobahn wendete, wird das Amtsgericht auch zu berücksichtigen haben, daß sich die Angeklagte in einer Ausnahmesituation befand (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).