Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.08.2001, Az.: Ss 196/01 - 2 II 114

Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes (BtMG); Vorliegen eines Verfahrenshindernisses in Form eines beschränkten Strafklageverbrauchs; Nichtvorliegen eines hinreichenden Tatverdachts mangels Feststellungen und Ermittlungen in einem Strafverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
14.08.2001
Aktenzeichen
Ss 196/01 - 2 II 114
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 30294
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2001:0814.SS196.01.2II114.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wildeshausen - 14.01.2001 - AZ: 319 Js 52748/00 OL

Fundstellen

  • StV 2002, 240-241
  • VRA 2002, 109

In dem Bußgeldverfahren
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 14. August 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Wildeshausen vom 22. Mai 2001 aufgehoben. Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

1

Die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg hat zu der Rechtsbeschwerde des Betroffenen wie folgt Stellung genommen:

Das nach allgemeiner Ansicht von Amts wegen zu beachtende (vgl. Löwe-Rosenberg/Hanack StPO, 25. Auflage, § 337 Rdnr. 62 m.w.N.) Verfahrenshindernis des (beschränkten) Strafklageverbrauchs liegt vor.

Es beruht auf der endgültigen Einstellung des gegen den Betroffenen gesondert geführten Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen das BtMG gemäß § 153 a Abs. 1 Nr. 2, 4 StPO am 28.07.2000 (Bl. 12 BeiA).

Die Einstellung erfasst die gesamte prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage, § 153 a Rdnr. 45). Dies gilt auch, anders als bei § 153 StPO, in Bezug auf den rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit, denn bei der Einstellung gegen Auflagen handelt sich um eine Sachentscheidung mit einer Art strafrechtlicher Sanktion (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O. § 153 a Rdnr. 35; Göhler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 12. Auflage, § 21 Rdnr. 27, Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage, § 24 a Rdnr. 30).

Die dem Betroffenen zum Vorwurf zu machenden Verhaltensweisen stellen eine prozessuale Tat i.S.v. § 264 StPO dar.

Zwar mag es, der Entscheidung des BayOblG (MDR 1991, 1190 f.) folgend, zutreffend sein, dass es sich bei einem Erwerb von Betäubungsmitteln und der anschließend durchgeführten Fahrt mit einem Pkw im Zustand der Fahruntüchtigkeit aufgrund des Genusses von Betäubungsmitteln um zwei materiell- und prozessualrechtlich abgeschlossene Taten handelt. Gleiches wird dann auch für den Vorwurf der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln und der "Rauschfahrt" gelten.

Hier liegt der Fall aber anders. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts lässt sich dem Sachverhalt, der dem Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG zugrunde liegt, nur entnehmen, dass der Betroffene im Besitz von ca. 5 g Haschisch war (s. auch den korrigierten Wortlaut in der polizeilichen Strafanzeige unter Nr. 1 auf Bl. 1 der Beiakten). Zwar befand sich das Haschisch im Kofferraum in einer Reisetasche, dies lässt aber noch keine für den Betroffenen nachteiligen, eindeutigen Schlüsse auf seine Herkunft zu.

Dass dem Betroffenen offenbar der Verdacht der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln bei der Belehrung über seine Recht eröffnet wurde (Nr. 2 der Strafanzeige, Bl. 1 BeiA), ändert daran nichts. Denn dabei handelt es sich, wenn überhaupt (der äußere Anschein spricht eher dafür, dass die Polizei lediglich das "falsche" Formular verwendete, s. Nrn. 1, 2 der Strafanzeige), nur um eine vorläufige Einordnung. Diese entfaltet keine Bindungswirkung mit derart weitreichenden nachteiligen Folgen für den Betroffenen.

Da in dem Strafverfahren nicht festgestellt bzw. ermittelt wurde, wie der Betroffene zu dem Haschisch gelangt ist, liegt ein auch für eine Einstellung gemäß § 153 a StPO erforderlicher hinreichender Tatverdacht wegen unerlaubter Einfuhr oder Erwerbs i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nicht vor. Dann kann nur der Auffangtatbestand des unerlaubten Besitzes gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG zugrunde gelegt werden (vgl. BGHSt 27, 380, 381[BGH 03.03.1978 - 2 StR 717/77] f.).

Dabei handelt es sich um ein Dauerdelikt, zu dem die "Rauschfahrt" i.S.d. § 24 a Abs. 2 StVG hinzutritt. Da mit der Fahrt die Verfügungsmacht über das Rauschgift im Kofferraum aufrechterhalten wird, stellt sie einen tatbestandserheblichen Tatbeitrag zum Dauerdelikt dar (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 49. Auflage vor § 52 Rdnr. 41). Der Annahme von Tateinheit steht auch nicht entgegen, dass das Dauerdelikt eine Zäsur durch den Tatentschluss zu einer schwerwiegenderen Tat erfahren hätte (vgl. dazu Tröndle/Fischer a.a.O.; KK/Engelhardt, StPO, 4. Auflage, § 264 Rdnr. 8). Denn hier wird "lediglich" eine Ordnungswidrigkeit mit dem Dauerdelikt verknüpft.

Da bereits materiell-rechtlich Tatidentität gegeben ist, liegt auch im prozessualen Sinn eine Tat vor. Der Grundsatz der Tatidentität i.S.d. § 264 StPO gilt über § 46 Abs. 1 OwiG auch im Ordnungswidrigkeitenrecht (s. u.a. OLG Frankfurt NJW 1985, 1850).

Die sogenannte Sperrwirkung des § 153 a Abs. 1 S. 4 StPO erstreckt sich damit auf die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit (vgl. Pfeiffer, StPO, § 153 a Rdnr. 9).

2

Dem schließt sich der Senat an.

3

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OwiG, § 467 Abs. 1 StPO; eine Anwendung des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO war nicht veranlasst.