Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 11.10.2022, Az.: 2 Ss 127/22

Volksverhetzung durch Hochladen fremdenfeindlicher und nationalsozialistische Symbole verherrlichender Inhalte in einer WhatsApp-Gruppe mit rechter und fremdenfeindlicher Tendenz

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.10.2022
Aktenzeichen
2 Ss 127/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 39400
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2022:1011.2SS127.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Bückeburg - 19.05.2022 - AZ: 4 Ns 32/21

Fundstellen

  • MMR 2023, 517-519
  • NStZ-RR 2023, 12-13
  • StV 2023, 602
  • StraFo 2022, 477-479
  • ZAP EN-Nr. 21/2023
  • ZAP 2023, 17

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Das Hochladen eines Bildes, das einen fremdenfeindlichen und dunkelhäutige Menschen herabwürdigenden Charakter aufweist, in einer WhatsApp-Gruppe, deren 60 Mitglieder rechte und ausländerfeindliche Tendenzen aufweisen, erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB, denn angesichts der massenhaften, über den Instant-Messaging-Dienst vorgenommenen Weiterverbreitung dort ausgetauschter Bild-Dateien ist mit einer Weiterverbreitung des Bildes an eine unbekannte Vielzahl von Personen und damit mit einer Störung des öffentlichen Friedens zu rechnen.

  2. 2.

    Vor diesem Hintergrund stellt auch das Hochladen von nationalsozialistische Symbole verherrlichenden Bildern in einer derartigen WhatsApp-Gruppe ein Verbreiten im Sinne von § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB dar.

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der VII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bückeburg vom 19. Mai 2022 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Rinteln hat den Angeklagten am 26. Oktober 2021 wegen Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung hat die VII. kleine Strafkammer des Landgerichts Bückeburg mit Urteil vom 19. Mai 2022 verworfen.

Nach den Feststellungen zur Sache postete der Angeklagte am 3. Juni 2019 gegen 12:27:04 Uhr (Tat 1) in einer zu diesem Zeitpunkt aus jedenfalls 60 Personen bestehenden WhatsApp-Gruppe namens "B. H." ein Farbbild, das einen weißen Mann zeigt, der auf einem blauen Fahrrad fahrend ein dunkelhäutiges Kleinkind verfolgt. Dabei hält er in der rechten Hand eine Schusswaffe, mit der er auf das Kind zielt. Über dem Foto befindet sich der Schriftzug: "wenn beim Grillen die Kohle abhaut."

Am 21. August 2019 postete der Angeklagte erneut in der weiter aus mindestens 60 Personen bestehenden Gruppe "B. H." binnen weniger Sekunden drei Bilder. Nach den Feststellungen des Landgerichts zeigt das erste dieser Bilder zwei offensichtlich als Bäcker oder Konditoren bekleidete Männer, die eine große Torte präsentieren, auf der sich in der Mitte ein Hakenkreuz sowie der Text: "Unserem Führer zum Geburtstag" befinden (Bild 1). Das zweite Bild beinhaltet die Überschrift "Jung, Brutal, Gutaussehend" und zeigt A. H. in Hakenkreuz-Uniform mit einer Sonnenbrille, wobei unten rechts der Slogan "Reich-Ban, Genuine Since 1933" abgebildet ist. Auf dem dritten Farbbild ist schließlich eine Eule zu sehen, die eine Armeemütze der Reichswehr trägt, auf der vorne in der Mitte ein Totenkopf-Symbol angebracht ist. Das Bild weist unten in fetter weißer Schrift die Textzeile "Der Holokauz kommt dich holen" auf (Bild 3).

Nach den Feststellungen des Landgerichts war dem Angeklagten bei Weiterleitung der Bilder, die früher von anderen Gruppen-Mitgliedern bereits einmal in die Gruppe eingestellt und dem Angeklagten so zugänglich geworden waren, der fremdenfeindliche und herabwürdigende Charakter des bzgl. Tat 1 geposteten Bildes ebenso bewusst wie der Umstand, dass die Bilder zu Tat 2 nationalsozialistische Symbole verherrlichten. Er wusste, dass die Mitglieder der Gruppe "B. H." derartigem Gedankengut positiv gegenüberstanden und ausländerfeindliche Gedanken hegten.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gem. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Nachprüfung des Urteils auf die zulässig erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Einleitend bemerkt der Senat, dass die vom Landgericht im angefochtenen Urteil vorgenommene Aufnahme der unter I. beschriebenen Lichtbilder in die Urteilsurkunde zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (BayObLG, Beschluss vom 04.04.1996 - 2 ObOWi 223/96, NStZ-RR 1996, 211; BeckOK StPO/Peglau, 36. Ed. 1.1.2020, StPO § 267 Rn. 10; Meyer-Goßner/Schmitt, 65. Auflage 2022, § 267, Rn. 10). In Fällen, bei denen die Lichtbilder jedoch - wie vorliegend - die zentrale Grundlage für den Schuldspruch eines Strafurteils darstellen, verbietet sich deren Aufnahme in die schriftlichen Urteilsgründe schon deshalb, weil der Angeklagte notwendigerweise in den Besitz zumindest einer Abschrift des Urteils einschließlich der darin wiedergegebenen Aufnahmen gelangt (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 2. 2. 2006 - 4 StR 570/05, NJW 2006, S. 1890).

Dies gefährdet den Bestand des Urteils allerdings hier nicht, weil die Urteilsgründe eine ausreichende Beschreibung der Bilder aufweisen.

Der weiteren Erörterung bedarf mit Blick auf die Begründung der Revision lediglich Folgendes:

1.) Die Feststellungen des Landgerichts tragen hinsichtlich Tat 1 den Schuldspruch wegen Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB.

Es steht außer Frage, dass der Angeklagte durch das Hochladen des Bildes Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich gemacht und deren Menschenwürde angegriffen hat. Die Tathandlung war entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.

§ 130 Abs. 1 StGB setzt gerade nicht voraus, dass die Tat öffentlich begangen wird (Fischer, StGB 69. Auflage 2022, § 130, Rn. 13a). Als wesentliches Kriterium für die friedensstörende Eignung ist vielmehr die bloße Öffentlichkeitsfähigkeit des Angriffs ausreichend (OLG Celle, Urteil vom 06.06.1997 - 23 Ss 35/97; NStZ 1998, S. 88f.). Maßgeblich ist, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalles damit zu rechnen ist, dass der Angriff einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird (BGH Urteil vom 20. 6. 1979 - 3 StR 131/79, NJW 1979, 1992; BGH, Urteil vom 02-04-1987 - 4 StR 55/87, NJW 1987, 1898 [BGH 02.04.1987 - 4 StR 55/87]). Die Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von § 130 Abs. 1 StGB setzt dabei nicht voraus, dass der Täter den Angriff auf die Menschenwürde im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB selbst der Öffentlichkeit zugänglich macht; vielmehr kann selbst die Zuschrift gegenüber einer Einzelperson genügen, wenn nach den konkreten Umständen damit zu rechnen ist, dass der Angriff hierdurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird (BGH a.a.O.; Hörnle, Aktuelle Probleme aus dem materiellen Strafrecht bei rechtsextremistischen Delikten, NStZ 2002, S. 113ff.).

Hieran gemessen kommt dem durch die Berufungskammer festgestellten Hochladen des Bildes in die Whats-Gruppe namens "B. H." mit jedenfalls 60 Personen eine friedensstörende Eignung zu, denn der Angeklagte adressierte das Bild keineswegs an einige wenige Personen, auf deren Diskretion er vertrauen konnte. Nach den Feststellungen des Urteils waren dem Angeklagten die Mitglieder der WhatsApp-Gruppe zwar nicht näher bekannt; es sei dem Angeklagten indes bewusst gewesen, dass die Gruppen-Mitglieder rechte und ausländerfeindliche Tendenzen gehabt hätten. Vor diesem Hintergrund war im Zeitpunkt der Tathandlung eindeutig damit zu rechnen, dass das von dem Angeklagten hochgeladene Bild über die Mitglieder der WhatsApp-Gruppe hinaus einer Vielzahl weiterer Personen zugänglich gemacht werden würde. Dies ergibt sich schon aus dem allgemeinkundigen Umstand der massenhaften, über den Instant-Messaging-Dienst vorgenommenen Weiterverbreitung dort ausgetauschter Bild-Dateien. Vorliegend tritt entscheidend hinzu, dass insbesondere aufgrund der festgestellten ausländerfeindlichen Gesinnung der Mitglieder der Gruppe sowie des fremdenfeindlichen und dunkelhäutigen Menschen herabwürdigenden Charakters des hochgeladenen Bildes mit einer Weiterverbreitung an eine unbekannte Vielzahl weiterer Personen zu rechnen war.

Soweit die Revision geltend macht, durch das erneute Hochladen des bereits früher in der Gruppe "B. H." geposteten Bildes habe der Angeklagte nicht die zur Erfüllung des Tatbestandes erforderliche eigene Äußerung vorgenommen, sondern Äußerungen Dritter wiedergegeben, geht der Einwand fehl. Insoweit macht die Revision zwar im Ansatz zutreffend geltend, dass es sich bei der Tat nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB um ein persönliches Äußerungsdelikt handelt und das Verbreiten fremder Erklärungen nur dann den Tatbestand erfüllt, wenn der Täter sich den volksverhetzenden Inhalt erkennbar zu eigen macht (vgl. Fischer, a.a.O., § 130, Rn. 11; BGH, Beschl. v. 14.4.2015 - 3 StR 602/14; NStZ 2015, 512). Nach den Urteilsfeststellungen besteht jedoch kein Zweifel daran, dass sich das (erneute) Hochladen des Bildes als Ausdruck eigener Missachtung und Feindseligkeit und damit als eigene Äußerung darstellt. Denn das Landgericht hat explizit festgestellt, dass der Angeklagte sich des herabwürdigenden Charakters des Bildes bewusst war, diesen begrüßte und das Bild in einer Gruppe teilte, deren Mitglieder in der Vergangenheit ähnliche Bilder und Texte gepostet hatten und deren Gedankengut er als "rechts" und "ausländerfeindlich" eingestuft habe. Mit dem Hochladen eines Bildes in einer WhatsApp-Gruppe, deren Ansichten man teilt, kommt stets eine sympathisierende Grundeinstellung zum Inhalt des Bildes zum Ausdruck. Jede andere Annahme würde den Sinngehalt von Äußerungen in den sozialen Netzwerken verkennen. Dementsprechend hat der Angeklagte sich auch eingelassen: Er habe die Bilder gut gefunden und sie deshalb gepostet.

2.) Darüber hinaus ist hinsichtlich Tat 2 auch der Schuldspruch wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. nicht zu beanstanden.

Entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers ist ein "Verbreiten" im Sinne der Norm durch die von dem Angeklagten hochgeladenen weiteren Bilder in der WhatsApp-Gruppe "B. H." gegeben, denn dieses setzt entweder voraus, dass Kennzeichen der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und 4 oder Absatz 2 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen einem größeren, nicht bestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Erwerber in dieser Weise verfahren wird (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1959 - 5 StR 384/59 -, BGHSt 13, 257-259; OLG Bremen, Beschluss vom 03. 12. 1986 - Ws 156/86, NJW 1987, S. 1427).

Hieran gemessen liegt ein Verbreiten i.S.d. Norm vor, denn der Angeklagte machte auch die der Tat 2 zugrundeliegenden Bilder jedenfalls 60 Personen zugänglich, hinsichtlich derer er es nach den Urteilsfeststellungen angesichts ihrer politischen Einstellung für möglich hielt, sie würden die hochgeladenen Bilder über WhatsApp an Dritte und damit einen größeren, nicht bestimmbaren Personenkreis weiterleiten.

Überdies greift der Einwand, die Tathandlung des Angeklagten sei durch die Kunstfreiheit gedeckt, nicht durch.

Dabei kann der Senat offenlassen, ob das mit der Überschrift "Jung, Brutal, Gutaussehend" überschriebene Bild, das A. H. in Uniform mit einer Sonnenbrille zeigt und mit dem Slogan "Reich-Ban" versehen ist, jedenfalls auch einer satirischen Interpretation zugänglich sein könnte, so dass eine Strafbarkeit ausscheiden würde, wenn nicht das eigentliche Ziel der Darbietung die Werbung für die verfassungswidrige Organisation ist (BVerfG, Beschluss vom 03.04.1990 - 1 BvR 680, 681/86, NJW 1990, S. 2541).

Denn hinsichtlich der beiden weiteren in engem zeitlichen Zusammenhang hiermit hochgeladenen Bilder ist der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG von vornherein nicht betroffen, weil sie unzweifelhaft keinen satirischen Charakter aufweisen (Bild 1) bzw. das eigentliche Ziel der Darbietung eindeutig die Werbung für die verfassungswidrige Organisation ist (Bild 2). Da das Landgericht angesichts der Tatsache, dass die Bilder binnen Sekunden hochgeladen wurden, zutreffend von Idealkonkurrenz ausgegangen ist und dem Umstand, dass der Angeklagte nicht nur ein Bild mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verbreitet hat, keinerlei strafschärfende Wirkung beigemessen hat (vgl. UA S. 15), kann der Senat ausschließen, dass die Berufungskammer zu einer milderen Einzelstrafe gelangt wäre, wenn sie das Bild zu Ziffer 2 unberücksichtigt gelassen hätte.

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.