Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 02.03.2012, Az.: 3 A 74/09
Ersatzanspruch aus§ 47a Abs. 1 BAföG; gesetzliche Ermächtigung; Kausalität; Leistungsbescheid
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 02.03.2012
- Aktenzeichen
- 3 A 74/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44426
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 47a Abs 1 BAföG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ein Ersatzanspruch aus § 47a Abs. 1 BAföG setzt voraus, dass zwischen den unvollständigen oder unrichtigen Angaben des Ersatzpflichtigen und der Leistung von Ausbildungsförderung ein Kausalzusammenhang besteht.
2. Hat das Amt für Ausbildungsförderung aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben eines Elternteils einem Aktualisierungsantrag stattgegeben, besteht ein Ersatzanspruch nur im Umfang der Differenz zwischen der tatsächlich geleisteten Ausbildungsförderung und dem Betrag, der bei Ablehnung des Aktualisierungsantrags hätte geleistet werden müssen.
3. Der Ersatzanspruch aus § 47a Abs. 1 BAföG kann nicht durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden. Es fehlt an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigung. Eine solche ist weder ausdrücklich in § 47a Abs. 1 BAföG enthalten, noch kann sie dem Gesetz durch Auslegung entnommen werden (entgegen BVerwG).
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2008 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Berufung und Revision werden zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Leistungsbescheid der Beklagten, mit dem sie zu Ersatz für an ihren Sohn geleistete Ausbildungsförderung herangezogen wird.
Der Sohn der Klägerin nahm nach einer betrieblichen Ausbildung und dem nachgeholten Fachabitur zum Sommersemester 2005 das Studium der Fachrichtung Nachrichtentechnik an der Fachhochschule Hannover auf. Hierfür bewilligte ihm die Beklagte für den Bewilligungszeitraum 03/05 bis 02/06 mit Bescheid vom 31.08.2005 Ausbildungsförderung in Höhe von 151 Euro monatlich; drei Aktualisierungsanträge des Klägers vom 17.01.2006, vom 16.02.2006 und vom 13.03.2006 für diesen Bewilligungszeitraum lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.04.2006 ab.
Für den Bewilligungszeitraum 03/06 bis 02/07 bewilligte die Beklagte dem Sohn der Klägerin mit Bescheid vom 28.04.2006 Ausbildungsförderung in Höhe von 205 Euro monatlich.
Die Klägerin war zunächst abhängig beschäftigt, seit September 2005 aber arbeitsunfähig erkrankt. Zum 31.05.2007 wurde das Arbeitsverhältnis im Wege eines Aufhebungsvertrags aufgelöst.
Mit Aktualisierungsanträgen vom 26.11.2006 und 08.12.2006 legte der Sohn der Klägerin deren Erklärungen vom 28.11.2006 und vom 08.12.2006 über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse in den Bewilligungszeiträumen 03/06 bis 02/07 und 03/07 bis 02/08 vor. Die Klägerin gab in der Erklärung zu dem Antrag vom 26.11.2006 an, sie sei wegen Krankheit im März 2007 bei der Krankenkasse ausgesteuert und habe einen Auflösungsvertrag unterschrieben, dieser „ende am 31.05.2007“. Den Auflösungsvertrag habe sie unterschreiben müssen, da sie wegen ihrer Erkrankung ihren Beruf nicht mehr ausüben könne.
In der Erklärung zu dem Antrag vom 08.12.2006 gab sie an, sie sei „wegen Krankheit Ende März 2007 bei der Krankenkasse ausgesteuert, ab April 2007 arbeitslos.“ In den Feldern 39 (positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) und 58 (Abfindungen (steuerfreier Teil)) des Erklärungsformulars gab die Klägerin am 08.12.2006 für das Jahr 2007 keine Einkünfte an.
Mit Bescheid vom 28.02.2007 gab die Beklagte dem Aktualisierungsantrag statt und bewilligte dem Sohn der Klägerin für den Bewilligungszeitraum 03/06 bis 02/07 unter dem Vorbehalt der Rückforderung Ausbildungsförderung in Höhe von 263 Euro monatlich.
Für den Folgebewilligungszeitraum 03/07 bis 08/07 bewilligte die Beklagte dem Sohn der Klägerin mit Bescheiden vom 30.03.2007 und vom 31.05.2007 Ausbildungsförderung in Höhe von 530 Euro monatlich unter Berechnung des Elterneinkommens nach § 24 Abs. 3 BAföG und dem Vorbehalt der Rückforderung.
Für die Bewilligungszeiträume 03/06 bis 02/07 und 03/07 bis 08/07 ergibt sich daraus eine Förderung in Höhe von insgesamt 5.877 Euro.
Tatsächlich wurde die Klägerin nach dem Inhalt des Aufhebungsvertrags für die Monate April und Mai 2007 unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von der Arbeitsleistung freigestellt und erhielt für das Jahr 2007 anteilig Sonderzulagen (Weihnachtsgeld und erfolgsabhängige Vergütung zu je 5/12). Für den Verlust ihres Arbeitsplatzes leistete ihr der Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von 25.000 Euro, fällig am 31.05.2007.
Mit einem Aktualisierungsantrag für den dann folgenden Bewilligungszeitraum überreichte der Sohn der Klägerin am 30.07.2008 weitere Einkommensunterlagen der Klägerin einschließlich des Steuerbescheids für 2007 und erklärte hinsichtlich der dort ausgewiesenen Einkünfte, bei der letzten Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin sei noch nicht absehbar gewesen, in welchem Umfang die Abfindung steuerfrei sei. Deshalb sei diese seinerzeit noch nicht angegeben worden.
Aufgrund der Angaben im Einkommensteuerbescheid 2007 überrechnete die Beklagte die Förderung für die Bewilligungszeiträume 03/06 bis 02/07 und 03/07 bis 08/07 und setzte sie mit Bescheid vom 31.10.2008 auf Null fest. Gegenüber dem Sohn der Klägerin erklärte sie die Rückforderung der geleisteten Ausbildungsförderung und rechnete einen Teilbetrag von 51,20 Euro mit laufenden Leistungen auf.
Gegen die Klägerin setzte die Beklagte nach Anhörung mit dem angegriffenen Bescheid vom 01.12.2008 eine Ersatzforderung in Höhe von 5.825,80 Euro fest.
Die Klägerin hat am 15.12.2008 Klage erhoben. Sie greift die festgesetzte Ersatzforderung dem Grunde nach an. Sie habe nicht schuldhaft die Zahlung von Ausbildungsförderung herbeigeführt. Dass die Abfindung zum ausbildungsförderungsrechtlich relevanten Einkommen zähle, habe sie nicht wissen können und auch nicht wissen müssen. Ihr sei im Arbeitsamt gesagt worden, die Abfindung sei „kein Einkommen“.
Der Schadensersatzanspruch sei schon mangels eines Schadens nicht in der festgesetzten Höhe entstanden. Die Beklagte könne sie nicht für solche Beträge in Haftung nehmen, die sie nach ihren - der Klägerin - tatsächlichen Einkommensverhältnissen ohnehin hätte bewilligen müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.12.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid. Die Abfindung sei dem steuerpflichtigen Einkommen zuzuordnen und deshalb anrechenbar. Die Klägerin habe zumindest dadurch fahrlässig gehandelt, dass sie die Abfindung der Beklagten nicht zur Klärung ihrer Anrechenbarkeit angezeigt habe. Die falschen Angaben seien auch ursächlich für die Bewilligung von Ausbildungsförderung.
Zwar wären nach den tatsächlichen Einkommensverhältnissen der Klägerin die Aktualisierungsanträge ihres Sohnes abzulehnen gewesen, wenn diese bei der Erklärung über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit den Aktualisierungsanträgen im November und Dezember 2006 die aus dem Abfindungsvertrag zu erwartende Abfindung und die Entgeltfortzahlung angegeben hätte; dem Sohn der Klägerin wäre danach Ausbildungsförderung zu leisten gewesen. Der zu ersetzende Schaden bestehe dennoch in voller Höhe der tatsächlich geleisteten Förderung. Die positive Entscheidung über den Aktualisierungsantrag wirke fort und führe unwiderruflich zu einem Systemwechsel in der Berechnung des relevanten Elterneinkommens. Für eine Berechnung nach § 24 Abs. 1 BAföG sei demnach kein Raum mehr. Vielmehr sei aufgrund von § 24 Abs. 4 BAföG das Einkommen im Bewilligungszeitraum maßgeblich. Nach dieser Berechnung habe der Sohn der Klägerin keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung.
Sie sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließlich auch befugt, die Ersatzforderung durch Verwaltungsakt geltend zu machen.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Zwar hat die Beklagte materiell-rechtlich einen Ersatzanspruch gegen die Klägerin (I.). Dieser besteht jedoch nicht in der durch den Bescheid festgesetzten Höhe (II.). Der Beklagten fehlt darüber hinaus die gesetzliche Ermächtigung, diesen Anspruch durch Leistungsbescheid festzusetzen (III.).
I.
Der Anspruch der Beklagten folgt aus § 47a Abs. 1 BAföG. Danach haben Eltern den Betrag, der nach § 17 Abs. 1 und 2 BAföG für den Auszubildenden als Förderungsbetrag zu Unrecht geleistet worden ist, dem Land zu ersetzen, wenn sie die Leistung von Ausbildungsförderung an den Auszubildenden dadurch herbeigeführt haben, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I unterlassen haben.
Diese Voraussetzungen sind dem Grunde nach erfüllt. Die Klägerin hat wenigstens fahrlässig unvollständige Angaben gemacht.
1. Als Mutter des Auszubildenden hatte sie nach § 47 Abs. 4 BAföG i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung von Ausbildungsförderung erheblich sind. Hierzu gehört auch das ihr zur Verfügung stehende Einkommen, weil es sich über die Anrechnungsvorschriften der § 11 Abs. 2, §§ 21, 24 und 25 BAföG auf die Höhe der Förderung auswirkt. Zum ausbildungsförderungsrechtlich relevanten Einkommen zählt neben der Fortzahlung der im Aufhebungsvertrag vereinbarten „pauschal 2.500 Euro“ Arbeitsentgelt unter Freistellung von der Arbeitsleistung für die Monate April und Mai 2007 und den in § 4 des Aufhebungsvertrags vereinbarten Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld und erfolgsabhängige Vergütung jeweils zu 5/12) auch die von der Klägerin erhaltene Abfindung.
In den Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die ihr Sohn mit den Aktualisierungsanträgen vom 28.11.2006 und 08.12.2006 vorgelegt hat, hat die Klägerin keine dieser Einkünfte angegeben. Erst der Sohn der Klägerin hat sie der Beklagten bekanntgegeben, als er mit einem weiteren Aktualisierungsantrag vom 28.07.2008 den Steuerbescheid der Klägerin für das Jahr 2007 vorlegte, zur Erklärung der unerwartet hohen Einkünfte der Klägerin auf die Abfindung hinwies und schließlich den Aufhebungsvertrag vorlegte, aus dem sich die Abfindung, die Sonderzahlungen und die pauschale Entgeltfortzahlung ergeben.
2. Der Klägerin ist hinsichtlich ihrer unvollständigen Angaben auch wenigstens Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Schon angesichts der Formblätter, die die Klägerin im Zusammenhang mit ihren Einkommenserklärungen und den Aktualisierungsanträgen ausgefüllt hatte, musste ihr klar sein, dass Abfindungen wenigstens möglicherweise zum ausbildungsförderungsrechtlich relevanten Einkommen zählen, denn in Feld 58 des Formblatts 7 werden Abfindungen ausdrücklich als mögliche Einkunftsquelle aufgeführt. Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit wird in Feld 39 des Formblatts abgefragt. Die Klägerin hatte nach ihren Angaben in dem Aktualisierungsantrag vom 26.11.2006 den Aufhebungsvertrag auch bereits unterschrieben und damit Kenntnis von den sich daraus ergebenden Ansprüchen.
Die Klägerin kann insoweit nicht mit Erfolg für sich in Anspruch nehmen, dass ihr im Arbeitsamt gesagt worden sei, die Abfindung sei unterhaltsrechtlich nicht relevant. Eine solche Auskunft entband sie nicht von der Pflicht, ihre Einkünfte vollständig anzugeben und die Prüfung ihrer Relevanz für das Ausbildungsförderungsrecht der zuständigen Behörde zu überlassen. Verließ sich die Klägerin dagegen auf eine - letztlich unzutreffende - eigene Einschätzung oder die einer sachlich unzuständigen Behörde, ließ sie damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht.
Der Einwand der Klägerin beschränkt sich im Übrigen auf die Abfindung. Im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung und die anteilige Auszahlung von Sonderzahlungen sind überhaupt keine Gründe vorgetragen, und auch sonst ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin diese nicht angegeben hat.
3. Die Klägerin hat durch ihre unvollständigen Angaben die Leistung von Ausbildungsförderung in der gewährten Höhe herbeigeführt.
Hierfür genügt im Sinne einer haftungsbegründenden Kausalität, dass die unvollständigen Angaben für die Entscheidung über die Bewilligung von Ausbildungsförderung wenigstens mitursächlich gewesen sind (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 23.11.1999, Az. 10 L 522/96, juris, m.w.N.). Ein solcher Ursachenzusammenhang besteht hier darin, dass die Beklagte infolge der unvollständigen Einkommensangaben der Klägerin positiv über den Aktualisierungsantrag entschieden und dem Sohn der Klägerin Ausbildungsförderung unter Anrechnung von Elterneinkommen nach § 24 Abs. 3 BAföG bewilligt hat.
II.
Der Anspruch besteht jedoch nicht in der festgesetzten Höhe.
1. Nach § 47a Abs. 1 BAföG hat der Elternteil dem Land den Betrag zu ersetzen, der für den Auszubildenden als Förderungsbetrag „zu Unrecht“ geleistet worden ist. Zu Unrecht geleistet ist grundsätzlich nur der Betrag, der sich aus der tatsächlich geleisteten Ausbildungsförderung abzüglich dessen ergibt, was die Beklagte rechtmäßig hätte leisten müssen.
2. Darüber hinaus versteht die Kammer den weiteren Wortlaut des § 47a Abs. 1 BAföG, wonach die Eltern die erfolgte Leistung „herbeigeführt“ haben müssen, dahingehend, dass zwischen den Angaben des in Anspruch genommenen Elternteils und der Leistung zu Unrecht nicht nur der bereits erwähnte haftungsbegründende, sondern auch ein weiterer, haftungsausfüllender Kausalzusammenhang bestehen muss. Der Anspruch aus § 47a Abs. 1 BAföG richtet sich deshalb nicht auf die Erstattung der zu Unrecht geleisteten Ausbildungsförderung insgesamt, sondern nur auf Ersatz, soweit sie gerade infolge der falschen oder unvollständigen Angaben des Anspruchsgegners zu Unrecht geleistet worden ist.
Dies folgt aus der Natur des Anspruchs aus § 47a BAföG. Es handelt sich nicht um einen Rückforderungs- oder Erstattungsanspruch, sondern um einen eigenständigen Schadensersatzanspruch des öffentlichen Rechts (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1992, Az. 11 C 4/92, Buchholz 436.36 § 47 a BAföG Nr. 2, juris). Deshalb kommen grundlegende Wertungen des Schadensrechts zur Anwendung (vgl. zur Anwendung von § 254 BGB Ramsauer, BAföG, 4. A. 2005, Rn. 4 zu § 47a). Daraus folgt auch, dass die Ersatzpflicht einer inhaltlichen Begrenzung in haftungsausfüllender Hinsicht bedarf, denn eine haftungsbegründende Kausalität im Sinne des § 47a Abs. 1 BAföG besteht - wie bereits ausgeführt - schon bei Mitursächlichkeit falscher oder unvollständiger Angaben der Eltern. Ohne das Erfordernis eines haftungsausfüllenden Kausalzusammenhanges würde der in Anspruch genommene Elternteil auch dann in voller Höhe haften, wenn weitere, ihm nicht zuzurechnende Ursachen - etwa Rechtsanwendungsfehler des Amtes für Ausbildungsförderung oder schuldhafte Falschangaben eines anderen Elternteils - hinzuträten. Diese sind jedoch von dem Kausalitätserfordernis des § 47a Abs. 1 BAföG nicht erfasst (vgl. Ramsauer, BAföG, 4. A. 2005, Rn. 3 zu § 47a).
3. Hiervon ausgehend besteht ein haftungsausfüllender Kausalzusammenhang zwischen den unvollständigen Angaben der Klägerin und der geleisteten Ausbildungsförderung nur soweit, wie der Sohn der Klägerin nicht auch dann einen Anspruch auf Ausbildungsförderung gehabt hätte, wenn die Klägerin vollständige und zutreffende Angaben gemacht hätte.
Kausal im Sinne der sogen. Äquivalenztheorie sind von mehreren gleichwertigen Ursachen alle diejenigen Ursachen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass auch der konkrete Erfolg wegfiele; kausal verursacht sind danach alle Folgen, die mit entfallen, wenn die konkrete Ursache hinweggedacht wird (vgl. Oetker, Münchener Kommentar zum BGB, 6. A. 2012, Rn. 103 zu § 249).
Nach diesem Maßstab wurde durch die unvollständigen Angaben nicht nur die endgültige Bewilligungsentscheidung, sondern auch die ihr logisch vorangehende positive Entscheidung der Beklagten über die Aktualisierungsanträge verursacht. Indem die Beklagte die positive Entscheidung über die Aktualisierungsanträge ihrer Schadensberechnung unverändert zugrunde legt, verkennt sie diese Kausalkette, denn hätte die Klägerin vollständige und wahrhaftige Angaben gemacht, hätte die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag den Aktualisierungsantrag abgelehnt. Dann hätte sie jedoch richtigerweise die Förderung unter Anrechnung des Elterneinkommens nicht nach § 24 Abs. 3, sondern nach § 24 Abs. 1 BAföG bewilligen müssen. Der Sohn der Klägerin hätte danach im Bewilligungszeitraum 03/06 bis 02/07 Anspruch auf Ausbildungsförderung in Höhe von 205 Euro monatlich gehabt. Für den Bewilligungszeitraum 03/07 bis 08/07 wäre keine Ausbildungsförderung geleistet worden.
Soweit der Sohn der Klägerin den Anspruch auf Ausbildungsförderung auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Klägerin gehabt hätte, ist der Beklagten deshalb schon kein der Klägerin zurechenbarer Schaden entstanden. Der Ersatzanspruch besteht mithin nur in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlich geleisteten Ausbildungsförderung und der Summe, die die Beklagte bei Anrechnung des Elterneinkommens nach § 24 Abs. 1 BAföG hätte leisten müssen (im Bewilligungszeitraum 03/06-02/07 263 - 205 Euro monatlich). Daraus ergibt sich ein Ersatzanspruch von 12 x 58 + 6 x 530 = 3.876 Euro.
4. Dieser Kausalzusammenhang ist auch nicht aus Wertungs- oder Zurechnungsgründen zu erweitern.
a) Der Rechtsprechung des VG Halle (Urt. v. 23.01.2008, Az. 5 A 341/05, juris), wonach schon die Kausalität „wertend zu bestimmen“ sei, folgt die Kammer insofern nicht. Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie ist ein wertungsfreier, rein tatsächlicher Zusammenhang. Die Beurteilung alternativer Kausalverläufe, hinzugetretener Reserveursachen und sonstiger Wertungsgesichtspunkte ist keine Frage der Kausalität, sondern der Schadenszurechnung zuzuordnen (vgl. Oetker, a.a.O., Rn. 208 zu § 249).
b) Auch auf Zurechnungsebene kommt allerdings eine erweiternde Korrektur des Haftungsumfangs nicht in Betracht.
aa) Der von der Beklagten angeführte Umstand, dass sie über den Aktualisierungsantrag des Sohnes der Klägerin positiv entschieden hat und diese Entscheidung im förderungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen dem Sohn der Klägerin und dem Amt für Ausbildungsförderung weiterhin Bestand hat, begründet systematisch weder einen Bedarf noch eine tragfähige Grundlage für eine Erweiterung der Ersatzhaftung. Der Anspruch auf Ausbildungsförderung steht allein dem Auszubildenden zu. Die Entscheidung über einen Aktualisierungsantrag gestaltet daher nur das Rechtsverhältnis zwischen dem Amt für Ausbildungsförderung und dem Auszubildenden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 28.08.2008, Az. 4 LA 542/07, juris), nicht jedoch das davon unabhängige, aus der Ersatzpflicht folgende Rechtsverhältnis zwischen dem Amt für Ausbildungsförderung und dem in Anspruch genommenen Elternteil.
Dass das Amt für Ausbildungsförderung möglicherweise von dem Auszubildenden aufgrund von § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 iVm. § 24 Abs. 3 S. 4, Abs. 4 BAföG die geleistete Ausbildungsförderung in voller Höhe zurückfordern kann, bedeutet deshalb nicht, dass § 24 Abs. 4 BAföG auch der Schadensberechnung nach § 47a Abs. 1 BAföG zugrunde gelegt werden muss. Dieser Befund deckt sich mit der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Schadensersatzanspruch ein öffentlich-rechtlicher Ersatzanspruch ist, der eigenständig neben möglichen Rückforderungsansprüchen gegen den Auszubildenden steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1992, a.a.O.).
bb) Aus den gleichen Gründen greift der Hinweis der Beklagten zu kurz, dass im Falle einer Aktualisierung des Einkommens „keine Günstigerprüfung“ erfolge, was der praktischen Erwägung folge, dass Auszubildende sonst immer einen Aktualisierungsantrag stellen würden, um sich die für sie günstigste Einkommensberechnung zu eröffnen. Diese Erwägungen mögen für das Leistungsverhältnis zwischen dem Amt für Ausbildungsförderung und dem Auszubildenden zutreffend und schlüssig sein; auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Amt für Ausbildungsförderung und den Eltern und auf den eigenständigen Ersatzanspruch nach § 47a Abs. 1 BAföG sind sie nicht übertragbar. Das schuldhafte Verhalten, an das die Ersatzpflicht aus § 47a Abs. 1 BAföG anknüpft, ist nicht das Stellen eines Aktualisierungsantrags durch den Auszubildenden, sondern die Abgabe unvollständiger oder unrichtiger Auskünfte durch die Eltern.
cc) Eine Ausweitung der Haftung auf die volle Summe der geleisteten Förderung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt geboten, dass dem Amt für Ausbildungsförderung und damit der öffentlichen Hand ansonsten ein Vermögensschaden entstehe. Zunächst beruht die Betrachtungsweise der Kammer gerade darauf, dass die Beklagte auch bei rechtmäßigem Verhalten der Klägerin ihrem Sohn Ausbildungsförderung - wenngleich in geringerer Höhe - hätte leisten müssen. Es ist insofern gerade kein Schaden ersichtlich. Ebenso wenig besteht Anlass, die Beklagte ungeachtet ihrer Leistungsverpflichtung bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Klägerin besser zu stellen als sie stünde, wenn die Klägerin vollständige und wahrheitsgemäße Angaben gemacht hätte.
Sodann bleiben Ansprüche gegen den Auszubildenden nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 iVm. § 24 Abs. 3 S. 4, Abs. 4 BAföG neben dem Ersatzanspruch gegen den Elternteil bestehen. Ergibt sich bei der Auflösung des Vorbehalts, dass kein Anspruch auf Ausbildungsförderung bestand, bleibt der Auszubildende in voller Höhe zur Rückzahlung verpflichtet.
dd) Durch diesen Rückforderungsanspruch wird der Auszubildende auch nicht unbillig belastet. Insofern ginge das VG Halle fehl, falls sich dessen Ausführungen, dass derjenige, der falsche oder unvollständige Angaben mache, nicht besser stehen dürfe als derjenige, den kein Verschulden treffe, auf den Auszubildenden beziehen sollten (vgl. VG Halle, Urt. v. 23.01.2008, a.a.O., juris Rn. 39).
Ein Aktualisierungsantrag birgt für den Auszubildenden grundsätzlich das Risiko, die unter Vorbehalt geleistete Ausbildungsförderung wieder zurückzahlen zu müssen, wenn das Elterneinkommen im Bewilligungszeitraum tatsächlich höher ist als bei Antragstellung erwartet. Ist dies der Fall, beruht allein darauf der Rückforderungsanspruch. Dieser Anspruch entsteht ungeachtet der Frage, ob die zu erwartenden Einkünfte wissentlich falsch oder unvollständig angegeben oder nur in gutem Glauben falsch prognostiziert wurden.
Das Risiko, einen etwaigen Anspruch auf Förderung, der bei Berechnung des Elterneinkommens nach § 24 Abs. 1 BAföG bestanden hätte, durch die Auflösung eines Vorbehalts nach § 24 Abs. 3 BAföG zu „verlieren“, trägt deshalb jeder Auszubildende, der einen Aktualisierungsantrag stellt, unabhängig davon, ob die Eltern zutreffende und vollständige Angaben machen oder nicht. Eine Besser- oder Schlechterstellung eines Auszubildenden in der Situation des Sohnes der Klägerin ist deshalb nicht im Vergleich mit Auszubildenden zu betrachten, die keinen Aktualisierungsantrag gestellt haben oder deren Eltern ihr nach § 24 Abs. 1 BAföG zu berechnendes Einkommen unvollständig oder unzutreffend angegeben haben. Er ist vielmehr mit einem Auszubildenden zu vergleichen, der einen Aktualisierungsantrag gestellt hat und dessen Eltern ihr geschätztes Einkommen vollständig und wahrhaftig, letztlich aber unzutreffend angegeben haben.
Soweit die Leistung von Ausbildungsförderung durch die Falschangaben herbeigeführt worden ist, entsteht dem Sohn der Klägerin in diesem Vergleich kein unzumutbarer Nachteil, wenn in entsprechender Höhe ein Ersatzanspruch gegen seine Eltern besteht. Er wird vielmehr durch Hinzutreten des parallelen Anspruchs bessergestellt als ein Auszubildender, dessen Eltern ihr geschätztes Einkommen nach bestem Wissen und Gewissen, letztlich aber unzutreffend angegeben haben, denn die Ansprüche nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 und nach § 47a BAföG begründen, soweit sie deckungsgleich sind, eine gesamtschuldnerische Haftung.
Eine etwa verbleibende „Deckungslücke“ zwischen dem Ersatzanspruch gegen den Elternteil und dem Rückforderungsanspruch gegen den Auszubildenden, die der Auszubildende allein zu bedienen hat, beruht dagegen nicht auf den fehlerhaften Angaben seiner Eltern, sondern darauf, dass er in eigener Verantwortung einen Aktualisierungsantrag gestellt hat, infolgedessen das anrechenbare Einkommen seiner Eltern nicht nach § 24 Abs. 1 BAföG, sondern nach § 24 Abs. 3, 4 BAföG berechnet wird. Auch damit steht der Auszubildende jedoch nicht schlechter als andere Auszubildende, deren Eltern im Rahmen eines gestellten Aktualisierungsantrags ihr Einkommen nach bestem Wissen und Gewissen, letztlich aber unzutreffend geschätzt haben. Es besteht deshalb kein Anlass, den Auszubildenden, dessen Eltern wissentlich unvollständige oder unzutreffende Angaben machen, durch Erweiterung des Ersatzanspruchs gegen seine Eltern über deren Verschulden hinaus auch für solche Teile der Rückforderung zu privilegieren, die seiner eigenen Sphäre zuzurechnen sind.
ee) Schließlich ist der Ersatzanspruch auch nicht aus generalpräventiven Erwägungen auf die gesamte Ausbildungsförderung zu erweitern.
(1) Die Beklagte kann insofern nicht mit Erfolg anführen, dass die Eltern von Auszubildenden durch eine Begrenzung ihrer Haftung geradezu herausgefordert würden, falsche Angaben zu machen. Dem steht bereits entgegen, dass der Auszubildende schon im eigenen Interesse die Angaben seiner Eltern zumindest auf Plausibilität kontrollieren muss, weil er sonst bei Auflösung des Vorbehalts Rückforderungen befürchten muss, falls sich die Angaben als unzutreffend erweisen. Darüber hinaus wird der Vorteil, der Eltern durch wissentlich unzutreffende oder unvollständige Angaben entstehen würde, in vollem Umfang durch den Schadensersatzanspruch abgeschöpft.
(2) Müsste der ersatzpflichtige Elternteil, nur weil er falsche Angaben gemacht hat, auch jene Förderung zurückzahlen, die seinem Kind von Gesetzes wegen zustand, wäre der Anspruch insofern kein Ersatzanspruch mehr, sondern käme einer Strafzahlung gleich. Derartige Abschreckungsgesichtspunkte haben jedoch keinen Niederschlag in der konkreten Ausgestaltung des Anspruchs in § 47a Abs. 1 BAföG gefunden, sondern sind an anderer Stelle im Gesetz berücksichtigt worden. Gem. § 58 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BAföG können falsche oder unvollständige Angaben der Eltern über ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 2.500 Euro geahndet werden.
III.
Auch soweit die Klägerin nach Vorstehendem zum Schadensersatz verpflichtet ist, ist die Beklagte indes nicht befugt, den Ersatzanspruch mittels Leistungsbescheids festzusetzen. Hierzu bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung (1.), die weder ausdrücklich in § 47a Abs. 1 BAföG gesetzlich gefasst (2. a) noch durch Herleitung aus dem Gesetz zu gewinnen ist (2. b).
1. Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht die Kammer davon aus, dass die Exekutive zum Erlass belastender Verwaltungsakte einer doppelten gesetzlichen Ermächtigung bedarf, nämlich über diejenige in materiell-rechtlicher Hinsicht hinaus auch einer solchen, gerade in der Form des Verwaltungsaktes zu handeln (so implizit bereits BVerwG, Urt. v. 17.09.1964, Az. II C 147.61, juris; ausführlicher BVerwG, Urt. v. 12.12.1979, Az. 8 C 77/78, BVerwGE 94, 269, 277, NJW 1981, 242). Dies folgt aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes, der für das Sozialrecht in § 31 SGB I konkretisiert ist. Soll mittels eines Leistungsbescheids eine Zahlungsverpflichtung statuiert werden, liegt eine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür nicht schon in der Normierung des zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Anspruchs, sondern das Gesetz muss auch zu dessen Durchsetzung mittels Leistungsbescheids ermächtigen (sogen. Verwaltungsaktsbefugnis, vgl. BVerwG, Urt. v. 03.03.2011, Az. Az. 3 C 19.10, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 10. 5. 1994, Az. 13 L 6480/92; Urt. v. 15. 6. 1994, Az. 13 L 228/93; Beschl. v. 28.10.1998, Az. 13 L 4668/96 -, NVwZ-RR 1999, S. 741 [OVG Niedersachsen 28.10.1998 - 13 L 4648/98]; dem nachfolgend VG Braunschweig, Urt. v. 19.10.2006, Az. 1 A 17/06 -, VG Hannover, Urt. v. 22.07.2011, Az. 3 A 1905/08; Urt. v. 24.09.2009, Az. 10 A 2071/08).
Dieser Grundsatz beansprucht auch hier Geltung. Die Festsetzung des in § 47a Abs. 1 BAföG normierten Ersatzanspruchs durch Bescheid stellt einen Akt der Eingriffsverwaltung dar, der gegenüber der formlosen Geltendmachung des Anspruchs als solchem eine eigene, weitergehende Beschwer enthält. Die Behörde kann mittels eines Leistungsbescheids einseitig über das Bestehen der Voraussetzungen des zugrundeliegenden Leistungsanspruchs rechtsverbindlich entscheiden, während sie anderenfalls eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage erheben und dazu das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen darlegen müsste. Außerdem verschafft der Leistungsbescheid der Behörde einen eigenen Vollstreckungstitel, den sie ohne weiteres selbst vollstrecken kann, wenn der Adressat nicht Rechtsmittel dagegen einlegt. Damit wird die Anfechtungslast auf den Betroffenen verlagert (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19.06.1996, Az. 13 L 6935/95, NdsVBl. 1996, 292f; Thür. OVG, Urt. v. 09.12.2009, Az. 3 KO 343/07, juris; differenzierend Druschel, Die Verwaltungsaktsbefugnis, 1999, S. 48, 54, 70).
Die mit dem Leistungsbescheid verbundene Beschwer wird nach Auffassung der Kammer auch nicht durch den mit Widerspruchsverfahren und Anfechtungsklage gewährten Rechtsschutz ausgeglichen. Ein Widerspruchsverfahren, in dessen Rahmen die Klägerin ihre Einwände gegen die Ersatzforderung kostengünstig hätte vorbringen können, war hier aufgrund von § 8a Abs. 1 des Nds. Ausführungsgesetzes zur VwGO nicht durchzuführen. Darüber hinaus wird die mit einem Leistungsbescheid einhergehende Beschwer nicht dadurch relativiert, dass in dem Bescheid die den Anspruch begründenden Tatsachen mitgeteilt werden können, ohne dass es einer (weitere Kosten auslösenden) Leistungsklage bedürfte (dahin wohl BVerwG, Urt. v. 03.03.2011, Az. 3 C 19.10, juris, Rn. 16; Martens, NVwZ 1993, 27; wie hier dagegen VG Gießen, Urt. v. 06.10.2011, Az. 7 K 2144/10.GI, juris). Denn es ist der Behörde selbstverständlich unbenommen, auch vor Erhebung einer Leistungsklage Ansprüche zunächst kostengünstig durch formlose Zahlungsaufforderung oder Mahnung geltend zu machen, dabei die anspruchsbegründenden Umstände darzulegen und dem Anspruchsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.
2. Nach Auffassung der Kammer gibt es keine gesetzliche Ermächtigung, den Anspruch aus § 47a Abs. 1 BAföG durch Leistungsbescheid festzusetzen.
a) Eine ausdrückliche Verwaltungsaktsbefugnis enthält § 47a Abs. 1 BAföG nicht. Die Vorschrift normiert lediglich einen materiell-rechtlichen Ersatzanspruch gegen den Elternteil, der durch falsche oder unvollständige Angaben die Leistung von Ausbildungsförderung herbeigeführt hat. Anders als etwa § 49a Abs. 1 VwVfG oder § 50 Abs. 3 SGB X enthält § 47a BAföG jedoch keine Regelung darüber, in welcher rechtlichen Form dieser Anspruch geltend gemacht werden kann.
b) Auch eine stillschweigende Ermächtigung zum Handeln durch Leistungsbescheid ist weder erkennbar noch dogmatisch begründbar.
aa) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und in Teilen der Literatur grundsätzlich anerkannt, dass eine erforderliche Verwaltungsaktsbefugnis nicht ausdrücklich im Gesetz verankert sein muss, sondern auch im Wege der hergebrachten Methoden der Rechtsauslegung hergeleitet werden kann. Derart werden Eingriffsermächtigungen beispielsweise für die Geltendmachung von Abschiebekosten nach § 24 Abs. 6a AuslG a.F. gegen den Arbeitgeber (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.1979, Az. I C 48.75; BVerwGE 59, 13, juris) sowie für die Feststellung der Genehmigungsbedürftigkeit (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.10.1990, Az. 1 B 131/90; NVwZ 1992, 276 f.) oder Genehmigungsfreiheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.07.2003, Az. 6 C 27/02, BVerwGE 118, 319, juris) einer Tätigkeit bejaht. Auch die gesetzliche Anordnung einer Vollstreckung nach Maßgabe des VwVfG soll die im Gesetz nicht ausdrücklich angesprochene Befugnis zum Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsakts voraussetzen und damit gleichzeitig begründen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, Az. 1 C 33/97, BVerwGE 108,1 ff., juris).
Weiterhin wird die sogen. Kehrseitentheorie, nach der eine Leistung, die durch einen Bescheid bewilligt wurde, auch durch einen Leistungsbescheid wieder entzogen werden kann (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. vom 17.03.1977, Az. VII C 59.75, NJW 1977, 1838 = DÖV 1977, 606 = juris m.w.N. aus der früheren Rechtsprechung), als allgemeiner Rechtsgrundsatz oder in entsprechender Anwendung der auf ihr beruhenden Ermächtigungen in § 49a Abs. 1 VwVfG oder § 50 Abs. 3 SGB X (insgesamt abl. Ipsen, a.a.O., Rn. 624; Druschel, a.a.O., S. 101 m.w.N.) zur Begründung herangezogen. Auf den Fall des § 47a Abs. 1 BAföG ist sie indes schon deshalb nicht anwendbar, weil hier gerade keine Rückforderung vom Leistungsempfänger, sondern Ersatz von einem außerhalb des Leistungsverhältnisses stehenden Dritten verlangt wird.
Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht eine Verwaltungsaktsbefugnis - etwa im Eisenbahnrecht - als Annex eines aufsichtsrechtlichen Subordinationsverhältnisses hergeleitet (vgl. Urt. v. 07.12.2011, Az. 6 C 39/10, juris).
bb) Auch für den Ersatzanspruch aus § 47a Abs. 1 BAföG hat das Bundesverwaltungsgericht eine Befugnis zum Erlass eines Leistungsbescheides bejaht, weil die Eltern im Hinblick auf die Auskunftspflicht nach § 47 Abs. 4 BAföG der öffentlich-rechtlich geregelten Zugriffsmöglichkeit der Behörde untergeordnet seien. „Allein das“ reiche für die Ermächtigung der Behörde aus, gesetzlich begründete Ersatzansprüche gegen sie durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.12.1981, Az. 5 B 18/81, Buchholz 436.36 § 47a BAföG Nr. 1, juris Rn. 2; zuletzt bestätigt durch Urt. v. 25.11.1992, Az. 11 C 4/92, juris).
c) Dieser Rechtsprechung vermag die Kammer nicht zu folgen.
aa) Auch wenn möglicherweise zwischen dem Amt für Ausbildungsförderung und dem nach § 47 Abs. 4 BAföG auskunftspflichtigen Elternteil ein verwaltungsrechtlich geprägtes Verhältnis der Über- und Unterordnung (Subordinationsverhältnis) besteht (1), erstreckt sich dieses Verhältnis jedenfalls nicht zwangsläufig auch auf die Rechtsbeziehungen, die sich aus der Ersatzpflicht der Eltern ergeben (2) und umfasst zumindest keine Befugnis, diese durch Verwaltungsakt zu regeln (3).
(1) Für das Bestehen eines Subordinationsverhältnisses zwischen den Eltern und dem Amt für Ausbildungsförderung spricht in Bezug auf die Auskunftspflicht die Regelung in § 36 Abs. 2 BAföG, wonach ein Anspruch auf Vorausleistungen in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 BAföG unter anderem dann bestehen kann, wenn die „… Einleitung des Verwaltungszwangsverfahrens nicht innerhalb zweier Monate zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte geführt ha[t]“. Danach geht der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass eine entsprechende Befugnis zum Verwaltungszwang zur Durchsetzung der Auskunftspflicht besteht.
(2) Daraus ergibt sich aber noch nicht zwangsläufig die Befugnis, jegliche weiter gehende Rechtsbeziehung zwischen dem Amt für Ausbildungsförderung und den Eltern durch Verwaltungsakt zu regeln. Vielmehr ist für jede Rechtsbeziehung konkret zu begründen, ob sie von dem Subordinationsverhältnis erfasst ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn schon das Subordinationsverhältnis selbst nicht ausdrücklich durch Gesetz begründet ist, sondern nur im Wege der Auslegung hergeleitet werden kann.
(i) Es liegt nahe, dass ein etwaiges Subordinationsverhältnis nicht jedwede Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten erfasst, sondern solche Rechtsverhältnisse unberührt lässt, die in einem erkennbar anderen tatsächlichen Kontext stehen. Selbst Rechtsbeziehungen, die auf demselben Lebenssachverhalt beruhen, sind aber nicht zwingend von einem anderweitig bestehenden Subordinationsverhältnis umfasst. So besteht weder ein Subordinationsverhältnis noch daraus folgend eine Verwaltungsaktsbefugnis gegenüber einem Elternteil eines Auszubildenden, soweit das Amt für Ausbildung einen nach § 37 BAföG übergegangenen Unterhaltsanspruch gegen ihn geltend macht; der Anspruch ist vielmehr auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1982, Az. 5 C 104/79, juris Rn. 14).
(ii) Ergibt sich demnach weder aus der verwandtschaftlichen Beziehung eines Elternteils zu einem Auszubildenden noch aus der (ein Subordinationsverhältnis möglicherweise insoweit begründenden) Auskunftspflicht des Elternteils ein allumfassendes Subordinationsverhältnis zwischen den Eltern und dem Amt für Ausbildungsförderung, bedarf ein solches Verhältnis, wenn es eine Verwaltungsaktsbefugnis tragen soll, auch für den Ersatzanspruch aus § 47a Abs. 1 BAföG näherer Begründung. Es folgt nicht schon aus § 36 Abs. 2 BAföG, denn diese Norm trägt den Rückschluss auf ein Subordinationsverhältnis nur, soweit dieses für ihren Anwendungsbereich auch relevant ist. Dabei erweitert § 36 Abs. 2 BAföG lediglich den Anspruch auf Vorausleistungen auf Fälle, in denen ein Elternteil seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt. Für den Fall, dass der Elternteil zwar Auskünfte erteilt, diese aber unvollständig oder unzutreffend sind, trifft § 36 Abs. 2 BAföG keine Regelungen; entsprechend sind auch Rückschlüsse auf die Ersatzpflicht nach § 47a Abs. 1 BAföG verfehlt. § 36 Abs. 2 BAföG und § 47a BAföG betreffen im Übrigen nicht nur unterschiedliche Pflichtenkreise der Eltern, sondern auch verschiedene Interessenlagen der Verwaltung. Wie sich aus § 36 Abs. 1 BAföG ergibt, droht eine Verzögerung des Bewilligungsverfahrens potentiell die Ausbildung zu gefährden. Das zeitkritische Moment, das durch verzögerte Auskunftserteilung begründet wird, mag den Gesetzgeber bewogen haben, im Fall des § 36 Abs. 2 BAföG an Verwaltungszwang zu denken. Im Fall des § 47a BAföG, bei dem es nur um Ersatzansprüche für vergangene Bewilligungszeiträume geht, besteht es gar nicht erst und kann deshalb auch nicht zur Begründung eines Subordinationsverhältnisses dienen.
(3) Geht man gleichwohl davon aus, dass zwischen dem Amt für Ausbildungsförderung und dem auskunftspflichtigen Elternteil ein einheitliches, allumfassendes Subordinationsverhältnis besteht, begründet selbst dies noch nicht die Befugnis, auch sämtliche Rechtsbeziehungen innerhalb dieses Rechtsverhältnisses einheitlich durch Verwaltungsakt zu regeln.
Dies entnimmt die Kammer jedenfalls der Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, der die Verwaltungsaktsbefugnis der Eisenbahnaufsichtsbehörde hinsichtlich der Verpflichtung zur Auskunftserteilung eingehend geprüft hat (vgl. Urt. v. 07.12.2011, Az. 6 C 39/10, juris). Der in der Entscheidung erkennbare argumentative Aufwand zeigt deutlich, dass entgegen der älteren Rechtsprechung des 5. Senats (Beschl. v. 29.12.1981, a.a.O.) „eine öffentlich-rechtliche Zugriffsmöglichkeit allein“ hinsichtlich einer bestimmten Verpflichtung nicht zur Begründung einer Verwaltungsaktsbefugnis in jeder Hinsicht genügt. Selbst innerhalb eines offenkundig subordinativ geprägten Verhältnisses, wie es zwischen Eisenbahnaufsichtsbehörde und dem Eisenbahnunternehmen herrscht, besteht danach keine uneingeschränkte Verwaltungsaktsbefugnis, sondern sie muss, wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, für jede konkrete Handlung positiv hergeleitet werden. Dies gilt auch für das Rechtsverhältnis zwischen dem Amt für Ausbildungsförderung und den Eltern des Auszubildenden.
Die Kammer geht dabei davon aus, dass bei der Herleitung ungeschriebener Ermächtigungen richterliche Zurückhaltung geboten ist. Für die positive Herleitung einer Eingriffsermächtigung kann deshalb nicht der Hinweis genügen, dass der Gesetzeswortlaut oder gesetzliche Regelungen in anderen Normen der Annahme einer Verwaltungsaktsbefugnis zumindest nicht entgegenstünden (dies suggeriert die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Urt. v. 07.12.2011, a.a.O., juris Rn. 24, 26). Ebenso wenig lässt sich eine Verwaltungsaktsbefugnis mit dem Hinweis darauf begründen, dass es „naheliege“, von der gesetzlich beschriebenen Verpflichtung auf eine entsprechende, in der Form des Verwaltungsakts wahrnehmbare behördliche Eingriffsermächtigung zu schließen (so aber wiederum Urt. v. 07.12.2011, a.a.O., juris Rn. 17). Dieser Vermutung steht das Erfordernis der doppelten Ermächtigung, an dem die Kammer festhält, gerade entgegen.
bb) Geben danach weder der Wortlaut noch die Systematik belastbare Anhaltspunkte für eine Verwaltungsaktsbefugnis zur Durchsetzung des Ersatzanspruchs, folgt diese auch nicht aus gesetzeshistorischen, teleologischen oder gar verwaltungspraktischen Erwägungen.
(1) Den dokumentierten Erwägungen der Gesetzgebungsorgane und dem Gang der Gesetzgebung lassen sich zunächst keine positiven Hinweise darauf entnehmen, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 47a BAföG überhaupt an eine Ermächtigung zum Erlass von Leistungsbescheiden gedacht hat. Die Norm wurde auf Initiative des Bundesrats in den Entwurf zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes aufgenommen (vgl. BT-Drs. 7/2098, S. 34f.). Die Gesetzesbegründung nimmt lediglich darauf Bezug, dass häufig „ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen Eltern oder Ehegatten des Auszubildenden … nicht geltend gemacht [wurde], weil vorsätzliches Handeln nicht nachweisbar erschien. Die vorgeschlagene Ergänzung schließt insofern eine Lücke, als bisher nur bei vorsätzlich falschen Angaben gegen die Eltern oder den Ehegatten des Auszubildenden ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB gegeben war“ (BT-Drs. 7/2098, S. 35).
Die genannten Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB waren im Wege der zivilrechtlichen Leistungsklage geltend zu machen. Dass mit dem Gesetzentwurf über die Schließung der zuvor bezeichneten „Anspruchslücke“ hinaus eine erleichterte Durchsetzung derartiger Ansprüche mittels eines Leistungsbescheids beabsichtigt war, ist nicht erkennbar. Auch die Bundesregierung hat sich dahingehend nicht geäußert (vgl. BT-Drs. 7/2098, S. 42).
Auch ein „beredtes Schweigen des Gesetzgebers“ spricht nicht für, sondern allenfalls gegen eine Verwaltungsaktsbefugnis. Der Gesetzgeber hat einerseits § 47a BAföG im Rahmen der Neubekanntmachung des BAföG zum 09.04.1976 redaktionell an die Vorschriften des zwischenzeitlich erlassenen SGB I angepasst. Eine inhaltliche Anpassung im Hinblick auf § 50 Abs. 3 SGB X ist dagegen nicht erfolgt, obwohl mit dem Erlass des SGB X auch mehrere Vorschriften des BAföG geändert wurden (vgl. BT-Drs. 8/2034 S. 19). Die Argumentation im Gesetzesentwurf zu § 50 Abs. 3 SGB X, dass „die Erstattung aus Gründen der Rechtssicherheit durch schriftlichen Verwaltungsakt zu erfolgen hat“, hat der Gesetzgeber weder erkennbar auf § 47a BAföG übertragen noch - etwa im Vermittlungsverfahren - auch nur diskutiert.
Dass der Gesetzgeber auch nach Ergehen der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts den § 47a Abs. 1 BAföG nicht um eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass von Leistungsbescheiden ergänzt hat, begründet auch keine stillschweigende Duldung, die einer gesetzlichen Befugnis gleich käme. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.01.2011, Az. 1 BvR 918/10, juris) kann das Schweigen des Gesetzgebers nur dann als Duldung angesehen werden, wenn es um die Schließung einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz geht. Eine derartige Regelungslücke weist § 47a Abs. 1 BAföG nicht auf. Der Anspruch ist ohne die entsprechende Befugnis keineswegs undurchsetzbar; die Behörde muss lediglich - wie bei einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch - Leistungsklage erheben.
(2) Die Verwaltungsaktsbefugnis lässt sich auch nicht durch teleologische Auslegung begründen. Weder materiellrechtlich noch verwaltungspraktisch besteht ein zwingender Bedarf, den Ersatzanspruch durch Leistungsbescheid durchzusetzen. Der Einwand der Beklagten, die Ämter für Ausbildungsförderung würden wegen des mit der Erhebung einer Leistungsklage verbundenen Aufwands davon absehen, Ersatzansprüche gegen Eltern geltend zu machen, geht in mehrfacher Hinsicht fehl. Zum einen gehört die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Ersatzansprüche zum Aufgabenkreis der Behörden; wie bei jeder anderen Aufgabe kann die Behörde von deren Wahrnehmung nicht schon deshalb absehen, weil damit aufwendige Verfahren verbunden sind. Schon weil die Eltern häufig der solventere Schuldner sind, sind die Behörden gehalten, sich nicht auf die Durchsetzung des parallel bestehenden Rückforderungsanspruchs gegen den Auszubildenden zu beschränken. Zum anderen existiert innerhalb der Ämter für Ausbildungsförderung längst eine Verwaltungspraxis zur Durchsetzung übergegangener Unterhaltsansprüche im Wege der (zivilrechtlichen) Leistungsklage.
(3) Dass es aus Sicht der Verwaltung einfacher und deshalb wünschenswert sein mag, anstelle Leistungsklage zu erheben einen Leistungsbescheid zu erlassen, stellt die Kammer nicht in Abrede. Die - rechtspolitisch folgerichtige - Erwägung, eine Verwaltungsaktsbefugnis sei „sinnvoll und geboten“ (so zur Auskunftspflicht BVerwG, Urt. v. 07.12.2011, Az. 6 C 39/10, juris Rn. 27), trägt aber nicht die Herleitung einer Ermächtigung zum Erlass von Leistungsbescheiden.
Der verfassungsrechtliche Vorbehalt des Gesetzes steht der Herleitung von Eingriffsermächtigungen aus lediglich verwaltungspraktischen Motiven schlechthin entgegen. Er dient gerade dazu, die gesetzlich verliehenen Befugnisse der Exekutive von der Gesamtheit der Handlungen abzugrenzen, die praktisch oder technisch möglich und aus Verwaltungssicht wünschenswert wären. Seine machtbeschränkende Funktion liefe vollkommen leer, wenn sich das Maß des Erlaubten ohne Ansehen der gesetzlich verliehenen Befugnisse danach richten würde, was aus Sicht der Exekutive „sinnvoll und geboten“ ist. Hält die Exekutive eine Ermächtigung zum Erlass eines Leistungsbescheides für wünschenswert (was angesichts der Regelung in Tz. 47a.0.1 der BAföG-VwV naheliegt), kann sie mit einer entsprechenden Initiative an den Gesetzgeber herantreten. Teilt der Gesetzgeber die Einschätzung der Exekutive, kann er dem durch entsprechende Anpassung des Gesetzes Rechnung tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 188 S. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.
Die Berufung und die Sprungrevision sind gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 iVm. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 und § 134 Abs. 1, Abs. 2 iVm. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO zuzulassen, da die Kammer in die Entscheidung tragender Weise von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und die Rechtssache im Hinblick auf die Frage, ob der Anspruch aus § 47a Abs. 1 BAföG durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden kann, grundsätzliche Bedeutung hat.