Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.02.1987, Az.: 2 W 3/87
Voraussetzungen für die Statthaftigkeit einer sofortigen weiteren Beschwerde; Umfang der Rechte und Pflichten des Verwalters einer Wohnungseigentumsanlage; Anforderungen an den Beschluss im Rahmen einer Eigentümergemeinschaft
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.02.1987
- Aktenzeichen
- 2 W 3/87
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1987, 19679
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1987:0210.2W3.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 05.08.1986 - AZ: 531 C 7804/85
- LG Hannover - 18.11.1986 - AZ: 9 T 211/86
Rechtsgrundlagen
- § 294 BGB
- § 299 BGB
- § 887 Abs. 1 ZPO
Fundstellen
- NJW 1990, 262 (Volltext mit red. LS)
- NJW 1990, 1466-1467 (Urteilsbesprechung von Dr. Adolf Pentz)
In der Zwangsvollstreckungssache
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. sowie
der Richter am Oberlandesgericht S. und Dr. H.
am 10. Februar 1987 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 18. November 1986 aufgehoben.
- 2.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 5. August 1986 wird zurückgewiesen.
- 3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Schuldnerin:
- 4.
Beschwerdewert: 2.000 DM.
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß des Landgerichts Hannover vom 18. November 1986 ist zulässig und begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 5. August 1986 gerichteten sofortigen Beschwerde der Schuldnerin, also zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
1.
Die rechtzeitig nach §§ 793, 577 Abs. 2 S. 1 ZPO erhobene sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.
Da die Entscheidungen des Amtsgerichts Hannover vom 5. August 1986 und der angefochtene Beschluß des Landgerichts Hannover vom 18. November 1986 in der Sache divergieren, liegt für die Gläubigerin ein neuer selbständiger Beschwerdegrund im Sinne von § 568 Abs. 2 ZPO vor, der sie zur Anfechtung des Beschlusses des Landgerichts im Wege der sofortigen weiteren Beschwerde berechtigt (vgl. BayObLG ZUR 1980, S. 556; Zöller-Schneider, Kommentar zur ZPO, 14. Aufl., § 568 Rdnr. 12).
Die sofortige weitere Beschwerde ist auch nicht deshalb unzulässig, weil das Verfahren damit an das Oberlandesgericht gelangt, welches in der Hauptsache. - also im Erkenntnisverfahren - nicht zu einer Entscheidung hätte berufen sein können. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß es einen allgemeinen Grundsatz, wonach der Beschwerderechtszug niemals weitergehen dürfe als der Rechtszug in der Hauptsache, in der Zivilprozeßordnung nicht gibt (vgl. BGH NJW 1960, S. 1574). Allerdings ist anerkannt, daß eine Beschwerde oder auch eine weitere Beschwerde an das Oberlandesgericht jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn das Oberlandesgericht einer Entscheidung des Landgerichts, bei dem das Erkenntnisverfahren endet, in der Hauptsache selbst vorgreifen würde, wie das etwa im Verfahren der Prozeßkostenhilfe der Fall sein könnte (vgl. OLG Schleswig, SchlHA 1978, S. 57; Zöller-Schneider a.a.O., Rdnr. 45). Darum geht es hier jedoch nicht. Das Erkenntnisverfahren ist rechtskräftig durch Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 3. Februar 1986 abgeschlossen, der Senat greift also einer noch ausstehenden Entscheidung des Landgerichts in der Hauptsache weder vor noch sonst in irgendeiner Weise in das Erkenntnisverfahren ein. Im vorliegenden Verfahren nach § 887 ZPO geht es lediglich um die Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Titel nach dem Abschluß des Erkenntnisverfahrens, so daß die sofortige weitere Beschwerde im Rahmen des § 568 Abs. 2 ZPO auch zulässig ist (vgl. BayObLGZ 1983, S. 14, 17).
2.
Die sofortige weitere Beschwerde ist auch in der Sache selbst begründet.
Die Voraussetzungen für die vom Amtsgericht mit Beschluß vom 5. August 1986 ausgesprochene Ermächtigung der Gläubigerin zur Ersatzvornahme und die gleichzeitige Verurteilung der Schuldnerin auf Zahlung eines angemessenen Kostenvorschusses nach § 887 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO liegen entgegen der Auffassung des Landgerichts vor. Die Schuldnerin hat die Handlungen, zu denen sie mit dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Oktober 1985 unter Ziffer 1, 3 und 4 des Urteilstenors, um die es in diesem Verfahren nach § 887 ZPO allein geht, nicht vorgenommen, sie hat also entsprechend § 887 Abs. 1 ZPO die ihr insoweit obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt.
Im einzelnen gilt hierzu folgendes:
2.1
Soweit die Schuldnerin dazu verurteilt worden ist, in der Küche und im Bad der von der Gläubigerin gemieteten Wohnung im zweiten Obergeschoß links des Hauses K. in H. die zerbrochenen Oberlichtscheiben der dort vorhandenen Fenster zu ersetzen, ist unstreitig, daß an einem Sonnabend im Februar 1986, gegen 12.00 Uhr, ein Glasermeister im Auftrag der Schuldnerin erschienen ist und dem anwesenden Ehemann der. Gläubigerin erklärt hat, er wolle die zerbrochenen Fenster reparieren. Der Ehemann der Gläubigerin hat, wie die Gläubigerin unwidersprochen dargetan hat, dem Glasermeister den Zutritt zur Wohnung mit Rücksicht darauf verwehrt, daß dieser zur Unzeit erscheine; er erwartete nämlich die Rückkehr der Gläubigerin von der Arbeit und hielt sie anschließend für ruhebedürftig. Daß die Schuldnerin die ihr obliegende Leistung der Gläubigerin zu irgendeinem anderen Zeitpunkt durch wie auch immer geartete Erfüllungsversuche angeboten habe, trägt die Schuldnerin - substantiiert - nicht vor.
Was den vorerwähnten Besuch eines Glasermeisters anlangt, handelt es sich weder um einen ordnungsgemäßen Erfüllungsversuch, noch um eine ordnungsgemäße Vorbereitung der Schuldnerin obliegenden Erfüllung ihrer Verpflichtungen. Mit Recht beruft sich die Gläubigerin insoweit auf § 299 BGB. Selbst wenn dieser Besuch als Beginn der Erfüllung der der Schuldnerin obliegenden Verpflichtung anzusehen ist, welche die Schuldnerin nach § 294 BGB so anzubieten hat, wie sie tatsächlich zu bewirken ist - und dazu kann durchaus auch eine Besichtigung der Schadensstellen durch den Glasermeister gehören -, so kommt die Gläubigerin jedenfalls dann nicht in Annahmeverzug, wenn die Leistung (oder die Vorbereitungshandlung dazu) zur Unzeit angeboten wird, so daß der Gläubiger zur Annahme vorübergehend nicht imstande ist, es sei denn, daß der Schuldner die ihm obliegende Leistung eine angemessene Zelt vorher angekündigt hat. Angekündigt worden ist der Besuch des Glasermeisters nicht. Daß dieser Besuch zur Unzeit stattfand, erhellt daraus, daß, wie unstreitig ist, die Gläubigerin einerseits persönlich gar nicht anwesend war, andererseits aber auch, nach Rückkehr von ihrer Arbeitsstelle, wie unmittelbar einleuchtend ist, ruhebedürftig erschien und nicht einen unangemeldeten Handwerkerbesuch an einem Sonnabendmittag dulden mußte.
Da es weitere Erfüllungsversuche der Schuldnerin oder auch nur Vorbereitungshandlungen dazu im Hinblick auf das Ersetzen der Oberlichtscheiben nicht gegeben hat, lagen die Voraussetzungen des § 887 Abs. 1 ZPO (Nichterfüllung) zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts am 5. August 1986 vor. Hieran ändert auch nichts das Vorbringen der Gläubigerin im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht bzw. im Verfahren der weiteren Beschwerde vor dem Oberlandesgericht. Während sich die Gläubigerim im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht auf eine rechtliche Bewertung des vorbezeichneten - unstreitigen - Vorganges beschränkt hat, hat sie im Verfahren der weiteren Beschwerde unter Hinweis auf das Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Januar 1987 (Bl. I 212 d.A.) vorgetragen, am 9. und 10. Januar 1987 habe der Hausmeister vergeblich versucht, Termine mit der Gläubigerin abzusprechen. Der Senat braucht der Frage nicht weiter nachzugehen, wie es um den Wahrheitsgehalt dieser Tatsachenbehauptung der Schuldnerin in Ansehung der persönlichen - schriftlichen - Erklärung des Hausmeisters S. vom 21. Januar 1987 (Bl. 208 d.A.) bestellt ist, weil bereits der im Schriftsatz der Schuldnerin vom 5. Februar 1987, Seite 2 (Bl. 211 d.A.), geäußerten Rechtsauffassung nicht beizutreten ist, wonach es ausreichend sei, wenn zunächst der Hausmeister die Schadstellen besichtige, damit alsdann die Reparaturen in die Wege geleitet werden könnten. Es liegt auf der Hand, daß die hier der Schuldnerin obliegende Leistung nicht durch den Hausmeister sondern handwerksgerecht nur durch einen Glasermeister oder Glasergesellen zu erbringen war und ist. Welche Vorbereitungshandlungen jedoch für die Erfüllung der der Schuldnerin insoweit obliegenden Leistung erforderlich sind, kann letztlich nur der beauftragte Fachmann selbst beurteilen. Es ist nicht damit getan, daß der Hausmeister schlicht die Maße der zu ersetzenden Fensterscheiben abnimmt, ganz abgesehen davon, daß der Hausmeister sich auch vermessen kann oder aber ein unzutreffendes Maß abnimmt, sondern daß noch andere Arbeiten, etwa am Fensterrahmen, erforderlich werden könnten, deren Notwendigkeit nur der Fachmann beurteilen kann.
2.2
Auch soweit es um die Verurteilung der Schuldnerin zur Erneuerung von 8 schadhaften Brettern des Dielenfußbodens im Flur der vorbezeichneten Wohnung und zur Auffüllung des Untergrundes unter den Brettern geht, hat die Schuldnerin die ihr obliegende Leistung nicht im Sinne von § 887 Abs. 1 ZPO erfüllt, so daß das Amtsgericht am 5. August 1986 so, wie geschehen, erkennen konnte.
Insoweit ist unstreitig, daß zu einem nicht näher bezeichneten Termin im April 1986 der vorgenannte Hausmeister S. der Schuldnerin unangemeldet in der Wohnung der Gläubigerin erschienen ist und angab "er volle im Auftrage des Hauswirts die Dielenbretter festnageln" (unbestrittener Vortrag der Gläubigerin im Schriftsatz vom 21. Oktober 1986, S. 2 (Bl. 175 d.A.)).
Auch insoweit handelte es sich schon deshalb nicht, um einen ordnungsgemäßen Erfüllungsversuch im. Sinne von § 294 BGB, weil auch hier die Voraussetzungen des § 299 BGB vorliegen könnten, was hier allerdings keiner abschließenden Entscheidung bedarf, denn jedenfalls ist die Leistung nicht im Sinne von § 294 BGB so angeboten worden, wie zu bewirken war. Einerseits war der Hausmeister S. erklärtermaßen nicht erschienen, um etwa den Untergrund unter den Brettern aufzufüllen, wozu die Schuldnerin rechtskräftig verurteilt worden ist, und die schadhaften Bretter zu erneuern - er wollte lediglich die vorhandenen Bretter festnageln -, andererseits kann der Hausmeister auch nicht als geeignete Person angesehen werden, deren sich die Schuldnerin zur Erfüllung der ihr nach dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Oktober 1985 obliegenden Verpflichtung bedienen durfte. Auch insoweit hat die Gläubigerin einen Anspruch auf handwerksgerechte Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache, entsprechend dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Oktober 1985. Darauf, ob der Hausmeister etwa auch imstande ist, die vorzunehmenden Arbeiten mehr oder minder gut auszuführen, kommt es nicht an. Im übrigen könnte die Gläubigerin auch eine Leistung der Schuldnerin durch Vornahme der erforderlichen Handlungen seitens des Hausmeisters mit Rücksicht darauf ablehnen, daß es dieserhalb - nämlich wegen der vom Hausmeister bereits in früherer Zeit vorgenommener Schreinerarbeiten - schon zu nicht unerheblichem Streit zwischen den Parteien gekommen ist und mit Rücksicht darauf zumindest jetzt das Vertrauen der Gläubigerin in die handwerklichen Fähigkeiten des Hausmeisters so nachhaltig erschüttert sein könnte, daß sie sich auf dessen Leistungen nicht verweisen lassen muß (vgl. auch OLG Düsseldorf WDR 1982, S. 61, 62). Auch hier gilt demzufolge das, was vorstehend unter Ziffer 2.1 zum Inhalt des Schriftsatzes der Schuldnerin vom 5. Februar 1987 im Verfahren der weiteren Beschwerde und zum Inhalt des Schreibens ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Januar 1987 ausgeführt worden, ist.
2.3
Schließlich ist die Schuldnerin durch das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Oktober 1985 auch verurteilt, worden, die Küche mit einer Küchentüre zu versehen. Auch insoweit hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 5. August 1986 zu Recht auf Ersatzvornahme nach § 887 Abs. 1 ZPO erkannt.
Daß die Schuldnerin überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt die ihr insoweit obliegende Leistung in gehöriger Form im Sinne von § 294 BGB angeboten habe, hat sie zu keinem Zeitpunkt dargetan. Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß ausgeführt hat, S. sei - auch - (im April 1986) erschienen, um "zu prüfen, welche Tür nach Art und Maß passen würde", ist diese. Annahme durch den Sachvortrag der Partelen nicht gerechtfertigt; Sachvortrag insoweit ist nämlich nicht vorhanden.
Im übrigen gilt auch hier, was vorstehend unter Ziffer 2.1 ausgeführt worden ist, nämlich, daß diese Leistung ebenfalls handwerksgerecht zu bewirken ist, was auch in der Vorbereitungsphase ein Tätigwerden durch einen Fachmann (Schreinermeister oder Schreinergeselle) erfordert, der beurteilen kann, wie welche Art von Tür in die vorhandene Türöffnung einzupassen ist und gegebenenfalls anzufertigen ist.
3.
Da die Gläubigerin, wie vom Amtsgericht mit Recht erkannt, nach § 887 Abs. 1 ZPO zur Ersatzvornahme berechtigt ist, hat sie auch Anspruch auf Verurteilung der Schuldnerin zu einer angemessenen Vorschußleistung nach § 887 Abs. 2 ZPO. Insoweit hat das Amtsgericht auf Antrag der Gläubigerin auf einen Betrag von 2.000 DM erkannt. Daß dieser Betrag etwa übersetzt wäre, hat die Schuldnerin nicht dargetan, hierfür, ist auch nichts ersichtlich. Immerhin geht es auch um die Anfertigung und das Einpassen einer ganzen Tür.
4.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren in beiden Rechtszügen folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 2.000 DM.