Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.11.2021, Az.: 2 BvR 1872/21

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.11.2021
Aktenzeichen
2 BvR 1872/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 47708
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Stadthagen - 19.03.2021
LG Bückeburg - 14.09.2021 - AZ: 4 Ns 11/21

Fundstelle

  • ZAP EN-Nr. 79/2022

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zwar steht der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe zwischen Freiheits- und Geldstrafen grundsätzlich das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO entgegen, wenn der Tatrichter gem. § 53 Abs. 2 S. 2 StGB ausnahmsweise von einer Gesamtstrafenbildung abgesehen hatte, denn die Freiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe als das schwerere Übel anzusehen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 07. Dezember 2016 - 1 StR 358/16 -, juris)

  2. 2.

    Hebt das Revisionsgericht das Urteil wegen der rechtsfehlerhaften Ablehnung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB und der hierdurch gegebenen Wechselwirkung zwischen Maßregel und Strafe im gesamten Rechtsfolgenausspruch auf und ergibt die erneute Hauptverhandlung, dass der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB unterzubringen ist, so ist der neue Tatrichter nicht an der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe zwischen Freiheits- und Geldstrafen gehindert. Denn im Falle einer erneuten Entscheidung gem. § 53 Abs. 2 S. 2 StGB würde der Angeklagte um die "Rechtswohltat" der Anrechnung der verbüßten Zeit im Maßregelvollzug auf die Strafe gebracht.

In der Strafsache
gegen P. M.,
geboren am ...,
derzeit: JVA ...,
- Verteidiger: Rechtsanwalt ... -
wegen Diebstahls
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX am 29. November 2021 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der III. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bückeburg vom 14. September 2021 im Rechtsfolgenausspruch - ausgenommen die Entscheidung zur Einziehung des Wertes des Taterlangten - aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bückeburg zurückzuweisen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe

I.

Das Amtsgericht Stadthagen hat den Angeklagten mit Urteil vom 19. März 2021 wegen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt und die Einziehung des Wertes des Taterlangten in Höhe von 219 € angeordnet.

Auf die in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat die III. kleine Strafkammer des Landgerichts Bückeburg das amtsgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch abgeändert, den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt und ebenfalls die Einziehung des Wertes des Taterlangten in Höhe von 219 € angeordnet. Von der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe mit den Strafen aus den Verurteilungen des Amtsgerichts Herford vom 8. Februar 2021 (Az.: 3 Cs 126/21) und des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 11. Februar 2021 (Az.: 85 Cs 53/21) hat die Berufungskammer abgesehen und stattdessen die beiden vorgenannten Geldstrafen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 10 € zusammengefasst. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht nicht angeordnet, weil die von dem Angeklagten in Zukunft aufgrund seiner Heroinabhängigkeit zu erwartenden Taten der Beschaffungskriminalität keine erheblichen rechtswidrigen Taten i.S.v. § 64 StGB seien.

Nach den vom Landgericht mitgeteilten Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Stadthagen nahm der vielfach vorbestrafte und "seit geraumer Zeit heroinabhängige" Angeklagte am 10. und 12. November 2020 jeweils einen M...akkuschrauber im H....baumarkt S. an sich, versteckte diesen in seiner am Körper getragenen Kleidung und verließ im Anschluss das Geschäft, um diesen für sich zu behalten und sich dauerhaft eine nicht nur unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechtes rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 14. September 2021 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - zumindest vorläufig -Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch - ausgenommen die Entscheidung zur Einziehung des Wertes des Taterlangten - und insoweit zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

1.

Der mit dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Stadthagen vom 19. März 2021 erfolgte Schuldspruch ist bereits durch die Berufungsbeschränkung des Angeklagten in Rechtskraft erwachsen, denn die durch das Revisionsgericht von Amts wegen und ohne Bindung an die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu prüfende Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung (vgl. hierzu: BGHSt 27, 70; Senat, Beschluss vom 09.11.2016, Az. 2 Ss 126/16; OLG Bamberg, StRR 2015, 162) ergibt, dass die Feststellungen des angefochtenen Urteils so umfassend sind, dass sie den Schuldspruch tragen und eine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgen bilden.

2. Die in dem angefochtenen Berufungsurteil erfolgte Ablehnung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

a)

Zwar beschwert die Nichtanordnung der Maßnahme nach § 64 StGB den Angeklagten grundsätzlich nicht. Wenn aber eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen zu einer eingehenden Prüfung gedrängt hätten oder wenn die Anordnung - wie hier - mit unzureichenden Erwägungen abgelehnt wurde, ist dies vom Revisionsgericht zu beachten und das angefochtene Urteil gegebenenfalls im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben (vgl. BGH NStZ RR 2009, 252; Senat, Beschluss vom 02.06.2016, 2 Ss 66/16). Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Angeklagter - anders als vorliegend - die Frage der Anwendung des § 64 StGB wirksam von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat.

b)

Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB abgelehnt, weil es die von dem Angeklagten in Zukunft aufgrund seiner Heroinabhängigkeit zu erwartende Straftaten der Beschaffungskriminalität nicht als erhebliche rechtswidrige Taten i.S.v. § 64 StGB gewertet hat.

Zwar steht dem Tatrichter bei der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ein Ermessensspielraum zu, und zwar sowohl materiell-rechtlich gem. § 64 S. 1 StGB (als Sollvorschrift) als auch prozessual hinsichtlich der Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 246a S. 2 StPO in Fällen, in denen das Gericht die Anordnung der Maßregel nicht einmal erwägt. Insoweit ist es auch nicht rechtsfehlerhaft, von der Hinzuziehung eines Sachverständigen abzusehen, wenn das Gericht bereits aus rechtlichen Gründen, die der Bewertung durch einen Sachverständigen entzogen sind, von der Anordnung der Maßregel absehen will, namentlich deswegen, weil die vom Angeklagten zu erwartenden Straftaten keine erheblichen Straftaten i. S. d. § 64 StGB sind oder weil die Anordnung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen würde.

Im konkreten Fall steht jedoch zu besorgen, dass das Landgericht zu enge Kriterien an den Begriff der erheblichen rechtswidrigen Tat i. S. d. § 64 StGB angelegt hat. Bereits die Formulierung im angefochtenen Urteil, "die Maßregeln der Besserung und Sicherung bezwecken den Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten; dies setzt eine gewisse Gefährlichkeit und Schwere der Straftat voraus, vor der die Allgemeinheit geschützt werden muss" lässt besorgen, dass die Berufungskammer hinsichtlich der zu stellenden Gefahrenprognose keine hinreichende Differenzierung zwischen den Maßregeln gem. § 63 StGB und § 64 StGB vorgenommen hat. Denn in Abweichung von § 63 StGB ist für die Unterbringung gem. § 64 StGB gerade keine Gefahr für die Allgemeinheit erforderlich (Senat, Beschluss vom 17. November 2011 - 32 Ss 140/11 -, juris).

Zudem führt das Landgericht zwar im Ansatz zutreffend aus, dass geringfügige Taten wie der Erwerb kleiner Rauschgiftmengen zum Eigenverbrauch (BGH, Urteil vom 07.12.1993 - 1 StR 572/93, NStZ 1994, 280), kleine Diebstähle oder Betrügereien (BGH, Beschluss vom 11.12.1991 - 5 StR 626/91, NStZ 1992, 178) keine erheblichen rechtswidrigen Taten i. S. d.

§ 64 StGB darstellen.

Im vorliegenden Fall ist indes entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht davon auszugehen, dass es sich bei den vom Angeklagten zu erwartenden Straftaten um "kleine" oder "geringfügige" Diebstähle handelt. Diebstahlstaten, die gewerbsmäßig begangen wurden, die sich auf Diebesgut weit über der Geringfügigkeitsgrenze des § 248a StGB beziehen und die mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden, stellen regelmäßig erhebliche rechtswidrige Taten i.S.d. § 64 StGB dar (vgl. Senat, Beschluss vom 7. September 2015, 2 Ss 151/15). Hieran gemessen sind bereits die Anlasstaten als erhebliche Taten im Sinne von § 64 StGB zu werten, denn die Berufungskammer hat die der Verurteilung zugrundeliegenden Taten, die sich jeweils auf Diebesgut im Wert von 219 € bezogen, zutreffend als Diebstähle im besonders schweren Fall gem.

§ 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB eingestuft und jeweils mit einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten geahndet. Angesichts der langjährigen Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten, seiner zahlreichen, v.a. auch gewerbsmäßigen Diebstahlstaten in der Vergangenheit und der zuletzt zu beobachtenden Rückfallgeschwindigkeit besteht kein Zweifel daran, dass gleichartige Taten von ihm auch in naher Zukunft zu erwarten sind.

Anhaltspunkte dafür, dass keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten, der unzweifelhaft den Hang hat, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich.

Zum einen ist die Kammer selbst im Rahmen der Entscheidung über die Nichtaussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten aufgrund seiner weiterhin bestehenden Drogenabhängigkeit die Gefahr der Begehung künftiger Straftaten besteht. Zum anderen erscheint die Maßregel nach den übrigen Feststellungen der Kammer auch nicht von vornherein aussichtslos.

Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist hier auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gemäß § 62 StGB ausgeschlossen.

Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird daher in einer neuen Hauptverhandlung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) zu prüfen sein. In diesem Zusammenhang dürfte der Sachverständige auch Ausführungen zur Frage der erheblich verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB aufgrund der langjährigen Betäubungsmittelabhängigkeit machen können.

c)

Der Rechtsfolgenausspruch unterlag - abgesehen von der Entscheidung zur Einziehung des Wertes des Taterlangten - aufgrund der grundsätzlich bestehenden Wechselwirkung zwischen Strafe und Maßregel insgesamt der Aufhebung.

Der Senat brauchte insoweit nicht zu entscheiden, ob in Fällen der vorliegenden Art, bei denen eine Freiheitsstrafe von "lediglich" einem Jahr oder weniger verhängt wird, stets eine Wechselwirkung zwischen Strafe einerseits und Maßregel andererseits besteht (so OLG Celle, Beschluss vom 23. November 2020 - 3 Ss 48/20 -, juris). Denn es erscheint unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden konkreten Einzelfalls nicht ausgeschlossen, dass die Kammer bei Anordnung der Unterbringung in einer erneuten Hauptverhandlung zu milderen Einzelstrafen kommen würde. Dies gilt neben der nicht auszuschließenden Strafrahmenverschiebung gem. §§ 21, 49 StGB auch vor dem Hintergrund, dass die Kammer bei der Tat 2 im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne aus dem Blick verloren hat, dass das Diebesgut sichergestellt und an den Geschädigten zurückgelangt ist. Eine Strafzumessung darf nicht in der Weise von den die Täterpersönlichkeit betreffenden Umständen geprägt sein, dass dabei die objektiven Umstände der Tat, vor allem das Ausmaß der begangenen Rechtsgutverletzung, übergangen werden; es darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Diebesbeute sichergestellt und dem Betroffenen zurückgegeben werden konnte (OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 29. August 2017 - 1 Ss 172/17 -, juris).

Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafenbildung nach sich. Die getroffene Entscheidung über die Einziehung des Wertes des Taterlangten konnte hingegen Bestand haben, so dass die Revision insoweit als offensichtlich unbegründet zu verwerfen war (§ 349 Abs. 2 StPO), denn bei der Einziehung von Taterträgen oder ihres Wertes nach §§ 73, 73c StGB handelt es sich nicht um eine Strafe oder strafähnliche Maßnahme, so dass sie den Strafausspruch in der Regel nicht berührt (BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 - 3 StR 184/20 -, juris; BGH, Urteil vom 08. Februar 2018 - 3 StR 560/17 -, juris).

III.

Den zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision seit mehr als 5 Monaten vollzogenen Untersuchungshaftbefehl des Amtsgerichts Stadthagen vom 8. Dezember 2020 hat der Senat nicht gemäß § 126 Abs. 3 StPO aufgehoben. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hatte die Untersuchungshaft hier fortzudauern, denn es gibt keinen Rechtssatz, dass die Untersuchungshaft nicht bis zur Höhe der erkannten Freiheitsstrafe vollzogen werden darf, wenn das notwendig ist, um die drohende Vollstreckung der Strafe zu sichern (vgl. Senat, Beschluss vom 06. März 2018, 2 Ws 125/18; KG, Beschluss vom 31. 8. 2007 - 1 Ws 146/07, NStZ-RR 2008, 157; KG, Beschl. v. 12. 2. 1987 - 4 Ws 41/87 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., Rn. 4 zu § 120 mwN).

IV.

Für die neue Berufungsverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

1.) Das Landgericht wird von Amts wegen sorgfältig die weitere Haftfortdauer in den Blick zu nehmen haben, denn das Gewicht des Freiheitsanspruches des Angeklagten vergrößert sich mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung.

2.) Hinsichtlich der vorzunehmenden Gesamtstrafenbildung geben die insoweit in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaften Ausführungen im angefochtenen Urteil Anlass zu folgenden Hinweisen:

a) In Fällen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung dürfen sich die Urteilsgründe nicht nur in der Mitteilung der Tatzeiten, des Datums der Rechtskraft sowie des Vollstreckungsstandes der Vorverurteilungen erschöpfen; vielmehr bedarf es auch der Angabe der zugrundeliegenden Taten und der wesentlichen Strafzumessungserwägungen (Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 55, Rn. 34; BGH, Urteil vom 08. November 2017 - 2 StR 542/16 -, juris).

b) Das Landgericht wird bei der erneut zu prüfenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung gem. § 55 StGB in den Blick zu nehmen haben, dass die Berufungskammer gem. § 53 Abs. 2 S. 2 StGB von der Bildung einer Gesamtstrafe zwischen den Strafen wegen der dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Taten sowie den Strafen aus den Verurteilungen durch das Amtsgericht Herford vom 8. Februar 2021 und durch das Amtsgericht Bad Oeynhausen vom 11. Februar 2021 abgesehen hat.

Zwar lässt das angefochtene Urteil eine Begründung für die getroffene Entscheidung vermissen, obwohl diese aufgrund des Ausnahmecharakters einer selbstständigen Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe erforderlich gewesen wäre (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 07. Dezember 2016 - 1 StR 358/16 -, juris; BGH, Beschluss vom 21. März 2018 - 5 StR 60/18 -, juris). Gleichwohl steht der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus den für die im vorliegenden Verfahren zu verhängenden Freiheitsstrafen sowie den Geldstrafen aus den zuvor genannten Verurteilungen grundsätzlich das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO entgegen, denn die Freiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe als das schwerere Übel anzusehen; durch die mit einer Erhöhung der Freiheitsstrafe verbundene Einbeziehung einer Geldstrafe erleidet ein Angeklagter regelmäßig gegenüber dem Rechtszustand im Zeitpunkt des ersten Urteils eine Verschlechterung (BGH a.a.O.; BGH, Beschluss vom 11. Februar 1988 - 4 StR 516/87, BGHSt 35, 208, 212).

Das Landgericht wird durch das Verschlechterungsverbot indes ausnahmsweise dann nicht an der nachträglichen Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der Einzelgeldstrafen gemäß § 55 Abs. 1 StGB gehindert sein, wenn sich diese gegenüber der möglichen Entscheidung gem. § 53 Abs. 2 S. 2 StGB als für den Angeklagten günstiger darstellen sollte.

Dies könnte zum einen der Fall sein, wenn die Vollstreckung der Geldstrafen als Ersatzfreiheitsstrafen (§ 43 StGB) im Falle der Nichteinbeziehung im Zeitpunkt der erneuten Berufungshauptverhandlung sicher vorherzusehen sein sollte (BGH a.a.O., KG Berlin, Beschluss vom 17. April 2020 - (3) 161 Ss 34/20 (17/20) -, juris). Zum anderen wäre die Bildung einer nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe zwischen den Freiheits- und Geldstrafen auch dann trotz des Verbots der reformatio in peius möglich, wenn die Hauptverhandlung die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB ergeben sollte.

Denn nach der gesetzlichen Systematik gem. § 67 Abs. 1 StGB ist eine Maßregel gem. § 64 StGB vor der Strafe zu vollziehen. Gem. § 67 Abs. 4 StGB ist die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe anzurechnen, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. Im Falle einer erneuten Entscheidung gem. § 53 Abs. 2 S. 2 StGB würde der Angeklagte um die "Rechtswohltat" der Anrechnung der verbüßten Zeit im Maßregelvollzug auf die Strafe gebracht werden. Er müsste diese bei einer Verbüßung als Ersatzfreiheitsstrafe gem. § 43 StGB vielmehr vollständig verbüßen.

c) Für den Fall, dass erneut gem. § 53 Abs. 2 S. 2 StGB von der Bildung einer Gesamtstrafe zwischen den dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Taten sowie den Strafen aus den Verurteilungen durch das Amtsgericht Herford vom 8. Februar 2021 und durch das Amtsgericht Bad Oeynhausen vom 11. Februar 2021 abgesehen werden sollte, bildet die insoweit durch die Berufungskammer im angefochtenen Urteil gebildete Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 10 € wegen des Verschlechterungsverbotes gem. § 358 Abs. 2 StPO die maximal mögliche Höchststrafe, obwohl diese schon deshalb rechtsfehlerhaft ist, weil der Endbetrag dieser Strafe von 1800 € den Endbetrag der rechtskräftig verhängten Gesamtgeldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bad Oeynhausen (150 Tagessätze zu je 15 € = 2250 €) unterschreitet (vgl. hierzu: OLG Dresden, Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 Ss 259/04 -, juris; BGH, Urteil vom 22. Februar 1978 - 3 StR 10/78 (S) -, BGHSt 27, 359-366).

3.) Zwar ist sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur allgemein anerkannt, dass Berufungsgerichte in bestimmten Fällen in begrenztem Umfang auf ein erstinstanzliches Urteil Bezug nehmen dürfen (BGHSt 33, 59 [BGH 05.11.1984 - AnwSt (R) 11/84]; OLG Hamm, Beschluss vom 16.07.1997, 2 Ss 706/97; OLG Koblenz, Beschluss vom 28. August 1989, 2 Ss 317/89), soweit durch die Bezugnahme die Gesamtdarstellung des Urteils i.S.d. § 267 StPO nicht unklar wird (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO a.a.O., § 267, Rn. 2a).

Die Strafzumessung ist allerdings ein vom Tatgericht selbstständig, in eigener Verantwortung und auf Grundlage der jeweiligen Hauptverhandlung durchzuführender Bewertungsvorgang, der in seinen Einzelheiten nicht von verschiedenen Gerichten in gleicher Weise vorgenommen werden kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 16. Januar 2006 - 5 St RR 259/05 -, juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Januar 1998 - 1 Ss 302/97 -, juris). Eine Bezugnahme auf Strafzumessungserwägungen des erstinstanzlichen Urteils wird dieser besonderen Bewertungsaufgabe nicht gerecht und lässt darüber hinaus die Umstände außer Betracht, die sich zwischen der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts und jener des Berufungsgerichts ergeben haben (KG Berlin, Beschluss vom 22. Oktober 2019 - (3) 121 Ss 147/19 (83/19) -, juris). Vor diesem Hintergrund begegnet eine - vorliegend durch die Berufungskammer - vorgenommene Bezugnahme auf die Ausführungen des amtsgerichtlichen Urteils zur Begründung der versagten Strafaussetzung zur Bewährung durchgreifenden Bedenken.