Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 15.11.2021, Az.: 2 HEs 24-30/21

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.11.2021
Aktenzeichen
2 HEs 24-30/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 60306
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Bückeburg - 15.02.2022 - AZ: 4 KLs 11/21

Fundstelle

  • StraFo 2022, 202-203

Amtlicher Leitsatz

Die von französischen Ermittlungsbehörden erhobenen Daten der mit Encrochat-Mobiltelefonen und der mittels SkyECC geführten Kommunikation sind in einem deutschen Strafverfahren gegen den Nutzer von Encrochat bzw. SkyEEC wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwendbar und unterliegen keinem Beweisverwertungsverbot (Fortführung OLG Celle, Beschluss vom 12. August 2021 - 2 Ws 250/21 - NdsRpfl 2021, 410 - 415)

In der Strafsache
gegen 1. D. Y.,
geboren am ...,
zzt. JVA R.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt ... -
2. M. T.,
geboren am ...,
zzt. JVA W., Abteilung B.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt ...,
Rechtsanwalt ... -
3. O. Y.,
geboren am ...,
zzt. JVA B.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt ..., -
4. V. I. D.,
geboren am ...,
zzt. JVA S.,
- Verteidiger: Rechtsanwältin ... -
5. T. G.,
geboren am ...,
zzt. JVA S.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt ... -
6. E. K.,
geboren am ...,
zzt. JA H.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt ... -
7. G. T. G.,
geboren am ...,
zzt. JVA S...,
- Verteidiger: Rechtsanwalt ... -
u. a.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle im Haftprüfungsverfahren nach
§§ 121, 122 StPO nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, der Angeschuldigten und der Verteidiger durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX am
15. November 2021 beschlossen:

Tenor:

Die Untersuchungshaft der Angeschuldigten dauert fort.

Die weitere Haftprüfung wird für die Zeit bis zum 15. Februar 2022 dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht - dem Landgericht Bückeburg - übertragen.

Gründe

I.

1.

Das Amtsgericht Stadthagen erließ am 7. Mai 2021 gegen die Angeschuldigten D., G., K. und G. und das Amtsgericht Hannover erließ am 4. Juni 2021 gegen die Angeschuldigten D. Y., O. Y. und T. jeweils einen Haftbefehl wegen des Verdachts, bandenmäßig mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Die Haftbefehle waren jeweils auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO gestützt.

Jedem der sieben Angeschuldigten wurde in diesen Haftbefehlen zur Last gelegt, bis zum 6. Mai 2021 in einer Tennishalle unter der Anschrift xxx in xxx eine professionelle Indoor-Marihuanaplantage betrieben zu haben. In dieser Plantage seien rund 4.000 Cannabispflanzen aufgezogen worden, deren Ernte zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt gewesen sei. Die Angeschuldigten D., G., K. und G. hätten dabei die Aufzucht der Pflanzen, die Ernte und die Trockung der Pflanzen übernommen. Der Angeschuldigte O. Y. sei für die Kontrolle vor Ort, die Organisation neuer Setzlinge und das Zeitmanagement sowie den Abverkauf zuständig gewesen, außerdem habe er an einem anderen Ort neue Setzlinge gezogen und diese zum Verkauf angeboten. Der Angeschuldigte D. Y. habe die Oberaufsicht über die Plantage innegehabt, in sie investiert und von ihr finanziell partizipiert. Der Angeschuldigte T. sei für die Logistik zuständig gewesen und habe unter anderem die Beschaffung von Pflanzenerde und Anlagenteilen organisiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Haftbefehle Bezug genommen.

Die Angeschuldigten D., G., K. und G. wurden am 6. Mai 2021 vorläufig festgenommen, die Angeschuldigten D. Y., O. Y. und T. wurden am 7. Juni 2021 festgenommen und befinden sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.

2.

Die Staatsanwaltschaft Hannover - Zentralstelle für Betäubungsmittelstrafsachen - hat mit Verfügung vom 24. Oktober 2021 die Ermittlungen abgeschlossen und mit Anklageschrift vom 25. Oktober 2021 Anklage beim Landgericht Bückeburg erhoben, die dort am 28. Oktober 2021 einging.

Die Vorwürfe aus der Anklageschrift entsprechen im Wesentlichen denen der Haftbefehle, wobei die Taten der Angeschuldigten D., G., K. und G. abweichend als Beihilfe zum bandenmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertet werden und dem Angeschuldigten K. keine bandenmäßige Begehung zur Last gelegt wird.

Über den Haftbefehl hinaus wird den Angeschuldigten D. Y., T., D., G. und G. mit der Anklageschrift vorgeworfen, vor der im Haftbefehl genannten Aufzucht bereits Ende des Jahres 2020 auf der Plantage eine erste Ernte von ca. 50 Kilogramm Marihuana erzielt und gewinnbringend weiterverkauft zu haben. Außerdem wird dem Angeschuldigten D. Y. zusätzlich vorgeworfen, an der Aufzucht der neuen Stecklinge durch den Angeschuldigten O. Y. beteiligt gewesen zu sein.

Der Haftbefehl gegen den Angeschuldigten K. ist durch das Amtsgericht Stadthagen am 21. Oktober 2021 an die Vorwürfe aus der Anklageschrift angepasst worden, hinsichtlich der übrigen Haftbefehle ist keine Anpassung erfolgt.

3.

Mit Beschluss vom 2. November 2021 hat die Strafkammer die Akten gemäß §§ 121, 122 StPO dem Oberlandesgericht Celle zur Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft vorgelegt. Die Kammer hält die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich.

Die Akten sind am 4. November 2021 beim Senat eingegangen. Das Anhörungsschreiben an die Angeschuldigten, die Verteidiger und die Generalstaatsanwaltschaft hat die Vorsitzende des Senats am selben Tage verfügt.

Rechtsanwalt N. hat mit Schriftsatz vom 8. November 2021 beantragt, den Haftbefehl gegen den Angeschuldigten T. gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zusetzen. Der Angeschuldigten O. Y. hat mit Schreiben vom 10. November 2021 Stellung genommen und um seine Entlassung aus der Haft gebeten. Rechtsanwalt K. hat unter dem 12. November 2021 Stellung genommen und vorgebracht, dass der Beschleunigungsgrundsatz nicht eingehalten worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahme vom 10. November 2021 beantragt, die Fortdauer der Untersuchungshaft bezüglich der Angeschuldigten anzuordnen.

II.

Die besondere Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO ergibt, dass die Untersuchungshaft gegen die Angeschuldigten fortdauern muss.

1.

Der Senat ist zu einer Entscheidung berufen, denn der Ablauf der Frist von 6 Monaten wegen "derselben Tat" i.S.v. § 121 Abs. 1 StPO steht kurz bevor. Die Frist des § 121 Abs. 1 StPO begann für die Angeschuldigten D., G., K. und G. mit Erlass der gegen sie gerichteten Haftbefehle am 7. Mai 2021 und für die Angeschuldigten D. Y., O. Y. und T. mit ihrer Festnahme aufgrund der gegen sie erlassenen Haftbefehle am 7. Juni 2021. Das mit Eingang der Akten beim Senat am 4. November 2021 eingetretene Ruhen des Fristenlaufs gemäß § 121 Abs. 3 StPO erfolgte mithin hinsichtlich aller Angeschuldigter kurz vor Erreichen des 6-Monats-Zeitpunkts, so dass die Haftprüfung bezüglich aller statthaft ist (vgl. § 122 Abs. 6 StPO).

2.

Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft gegen die Angeschuldigten gemäß § 112 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StPO liegen vor.

a)

Die Angeschuldigten sind der Taten, die ihnen mit den jeweiligen Haftbefehlen zur Last gelegt werden, dringend verdächtig.

aa)

Den Prüfungsgegenstand bilden dabei die jeweiligen Haftbefehle. Denn im Haftprüfungsverfahren ist Gegenstand der Prüfung der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl und damit grundsätzlich auch ausschließlich der darin gegenüber dem Angeschuldigten erhobene Vorwurf (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 9). Ergeben die weiteren Ermittlungen zusätzliche Taten des Beschuldigten, die zunächst keine Aufnahme in den Haftbefehl gefunden haben, so dürfen sie in einem Haftfortdauerbeschluss gemäß §§ 121, 122 StPO nur berücksichtigt werden, wenn der Haftbefehl angepasst und der erweiterte Haftbefehl gem. § 115 StPO verkündet worden ist (BGH, Beschl. v. 17.8.2017 - AK 34/17, NStZ-RR 2017, 347; BGH, Beschl. v. 6.12.2017 - AK 63/17, NStZ-RR 2018, 53; KK-StPO/Schultheis, 8. Aufl. 2019, StPO § 121 Rn. 24, 24a). Dies ist hinsichtlich der zusätzlichen Anklagevorwürfe, die über die ursprünglichen Haftbefehle hinausgehen, bislang nicht geschehen.

bb)

(1) Der dringende Tatverdacht gegen die Angeschuldigten D., G., K. und G. beruht insbesondere auf den Ergebnissen der Durchsuchung vom 6. Mai 2021. Bei dieser wurden die vier Angeschuldigten auf dem Gelände der Tennishalle, in der die Plantage mit rund 4.000 Pflanzen festgestellt wurde, angetroffen. Die Durchsuchung der angrenzenden Wohnräume hat zudem ergeben, dass diese Angeschuldigten dort eine feste Unterkunft hatten. Darüber hinaus sind durch die Spurensicherung Fingerspuren des Angeschuldigten G. an mehreren Teilen der Plantagenanlage sowie in einem Notizbuch mit Vermerken über den Plantagenbetrieb gesichert worden, auch vom Angeschuldigten K. wurden Fingerspuren an diesem Notizbuch gesichert. Ferner hat der Mitangeschuldigte S. angegeben, dass die Arbeit auf der Plantage von mehreren Bulgaren verrichtet worden sei, und dabei auch die Angeschuldigten G. und G. als zwei dieser Arbeiter wiedererkannt.

An der Verwertbarkeit der bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Denn ausweislich des Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 21. Mai 2021 und des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Bückeburg vom 25. Mai 2021 hat letzterer die Durchsuchung nur wenige Minuten nach dem Betreten der Tennishalle durch die Polizeibeamten angeordnet. Dabei kann dahinstehen, ob bereits vor diesem Zeitpunkt eine richterliche Anordnung geboten gewesen wäre oder der Zugriff bis dahin als bloßes Betreten im Sinne des § 24 NPOG noch nicht dem für Durchsuchungen geltenden Richtervorbehalt aus § 25 Abs. 1 NPOG, § 105 Abs. 1 StPO, Art. 13 GG unterfiel (vgl. BVerwG, Urteil vom 06. September 1974, I C 17.73, BVerwGE 47, 31). Da die richterliche Anordnung unmittelbar nach Beginn des Zugriffs erfolgte, war die Durchsuchung jedenfalls nicht mit einem schwerwiegenden Fehler behaftet, der einer Verwertung der sichergestellten Beweismittel entgegenstehen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2003, 1 StR 455/03, juris).

Auf der Grundlage des gegenwärtigen dringenden Tatverdachts sind die Angeschuldigten D., G. und G. - wovon auch die Anklageschrift ausgeht - mit hoher Wahrscheinlichkeit als Gehilfen im Rahmen des bandenmäßigen Handeltreibens anzusehen (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 30a Abs. 1 BtMG, § 27 StGB). Diese von den Haftbefehlen abweichende rechtliche Beurteilung lässt den Bestand der Haftbefehle unberührt. Denn der Senat ist im Haftprüfungsverfahren nach § 122 Abs. 1 StPO zu einer abweichenden rechtlichen Würdigung befugt, solange der tatsächliche Lebenssachverhalt im Sinne derselben prozessualen Tat unverändert bleibt (BGH, Beschluss vom 06. Dezember 2017, AK 63/17, NStZ-RR 2018, 53). Der Haftbefehl gegen den Angeschuldigten K. bewertet dessen Tatbeitrag bereits zutreffend.

(2) Gegen den Angeschuldigten T. ergibt sich der dringende Tatverdacht bereits aus den Angaben der Mitangeschuldigten F. und S. Danach hat der Angeschuldigte T. die Anmietung der Tennishalle vom Mitangeschuldigten F. vermittelt, Mietzahlungen an ihn übergeben, den Mitangeschuldigten S. für Hilfsarbeiten auf der Plantage angestellt und beide Mitangeschuldigten mit verschiedenen Beschaffungen und Tätigkeiten im Rahmen des Betriebs der Plantage beauftragt. Diese Angaben werden durch die weiteren Ermittlungen gestützt. Insbesondere ergibt sich aus den Bekundungen der Zeugen R., J. und M. der dringende Verdacht, dass der Angeschuldigte T. Material zum Betrieb der Plantage beschafft hat, und auch die Bekundungen der Zeugin I. stützen die Annahme, dass er mit der Anmietung der Tennishalle und der Vorbereitung des Anbaus befasst war.

(3) Hinsichtlich der Angeschuldigten D. Y. und O. Y. beruht der dringende Tatverdacht auf der Auswertung der Textnachrichten, die unter den Nutzernamen "c." und "f." mittels verschlüsselter Mobiltelefone des Anbieters "Encrochat" und unter den Nutzerkennungen xxx und über den Anbieter "SkyECC" versandt und empfangen wurden.

Zu den über "Encrochat" versandten Daten hat der Senat bereits entscheiden, dass diese gemäß § 100e Abs. 6 StPO in einem deutschen Strafverfahren gegen den Encrochat-Nutzer wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwendbar und keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen (Senat, Beschluss vom 12. August 2021, 2 Ws 250/21, juris). Dasselbe gilt für die mittels "SkyECC" versandten Daten. Ebenso wie die Encrochat-Daten sind diese in einem französischen Ermittlungsverfahren erhoben worden und auch die wesentlichen Rahmenbedingungen stimmen zwischen den beiden Anbietern überein. Insbesondere befand sich - ausweislich der vorliegenden Beschlüsse des in beiden Fällen zuständigen Gerichts in Lille - bei beiden Anbietern der Server, über den die Kommunikation erfolgte, an einem Standort in R. und das Angebot sowohl von "Encrochat" als auch von "SkyECC" war dadurch gekennzeichnet, dass die Geräte nicht über legale Vertriebswege verkauft wurden und für die verschlüsselten Geräte ein außergewöhnlich hoher Preis - etwa 1.500 Euro für eine sechsmonatige Nutzung - zu zahlen war, obwohl die Geräte selbst nur über einen sehr eingeschränkten Funktionsumfang verfügten.

Es kann dahinstehen, ob darüber hinaus auch die über den Anbieter "An0m" verschlüsselte Kommunikation im vorliegenden Strafverfahren verwertbar ist und den Tatverdacht gegen die Angeschuldigten stützt. Insbesondere bedarf es keiner näheren Prüfung, inwieweit die Verwertbarkeit der Daten ohne Kenntnis des Serverstandortes, der den Maßnahmen zugrundeliegenden gerichtlichen Beschlüsse und näherer Umstände zum Vertrieb der Geräte überhaupt beurteilt werden kann. Denn auf die Inhalte der mittels "An0m" geführten Kommunikation kommt es für die Beurteilung des dringenden Tatverdachts nicht an, nachdem sich dieser bereits aus den vorgenannten Beweismitteln, namentlich der Kommunikation über "Encrochat" und "SkyECC" ergibt.

Die unter den Encrochat-Namen "c..." und "f..." und den SkyECC-Kennungen xxx und xxx geführte, in der Anklageschrift dokumentierte Kommunikation erweist im Sinne eines dringenden Tatverdachts, dass deren Nutzer seit dem Frühjahr 2020 den Aufbau einer Cannabis-Plantage plante, ab Juni 2020 den Einsatz der bulgarischen Arbeiter koordinierte und ab Juli 2020 die notwendigen Beschaffungen zur Aufzucht von Stecklingen und zum Aufbau der Plantage mitorganisierte, im Dezember 2020 eine erste Ernste veranlasste und diese zum Verkauf anbot und anschließend eine neue Aufzucht vorbereitete, für die er seinen Cousin anwarb. Dabei versandte er auch mehrere Bilddateien, die die Tennishalle in S. zeigen.

Jener Cousin trat ab Januar unter seiner eigenen SkyECC-Nutzerkennung xxx in Erscheinung. Aus dessen Kommunikation ergibt sich, dass er von Ende Januar bis Anfang April 2021 die neue Ernte vorbereitete, vor Ort Verbesserungen an der Anlage vornahm und die Arbeiter - namentlich "G." - in der Aufzucht unterwies.

Dass es sich beim Nutzer der Kennungen "c...", "f...", "xxx" und "xxx" um den Angeschuldigten D. Y. handelte, ergibt sich im Sinne eines dringenden Tatverdachts aus den in der Anklageschrift zur Identifizierung aufgeführten Umständen. Insbesondere wurden unter diesen Kennungen wiederholt Fotos von Tätowierungen versandt, die zu Tätowierungen des Angeschuldigten D. Y. passen. Ferner wurden über die SkyECC-Kennungen auch Fotos von der Wohnanschrift des Angeschuldigten versandt und auch die zu den Encrochat-Nutzernamen erhobenen Standortdaten lauten auf die Wohnanschrift des Angeschuldigten. Darüber hinaus passen einzelne Kommunikationsinhalte unter anderem zum Geburtsdatum des Angeschuldigten, zu seinem Vornamen und zu seinen Vorstrafen. Zudem wird die Identifizierung des Angeschuldigten durch die Angaben des Mitangeschuldigten S. gestützt, wonach der Angeschuldigte D. Y. in Kontakt mit dem Angeschuldigten T. stand.

Die Identifizierung des Angeschuldigten O. Y. beruht im Wesentlichen ebenfalls auf den Nachrichten, die der Angeschuldigte D. Y. versandt hat. Aus ihnen ergibt sich, dass sein Cousin über langjährige Erfahrung im Betrieb von Marihuana-Plantagen verfügt und im Bereich C. wohnt. Beides trifft auf den Angeschuldigten O. Y. zu, der ein Cousin des Angeschuldigten D. Y. ist und nach den Erkenntnissen der Polizei bereits im Jahr 2014 erstmals mit einer Indoor-Plantage aufgefallen ist. Darüber hinaus wurden bei der Durchsuchung seiner Wohnung unter anderem ein Belüftungsgerät für ein Gewächshaus sowie zahlreiche Kokos-Quelltabletten gefunden, die zum Betrieb der Plantage passen. Dies stützt die Identifizierung des Angeschuldigten umso mehr, als der SkyECC-Nutzer xxx mehrfach über die Verwendung von "cocos" schrieb. Zudem enthielt das Navigationsgerät des von ihm genutzten Fahrzeug einen GPS-Standort in L. und in diesen Ort sollte einer Chatnachricht des Angeschuldigten D. Y. zufolge auch die Lieferung von Setzlingen an seinen Cousin erfolgen. Zusätzlich wird der dringende Tatverdacht gegen den Angeschuldigten O. Y. dadurch gestützt, dass bei ihm ein speziell verschlüsseltes Mobiltelefon und ein größerer Bargeldbetrag sichergestellt wurden. Zudem hat der Angeschuldigte O. Y. in seinem Schreiben an den Senat erklärt, dass er seinen Anteil an der hier verfahrensgegenständlichen Straftat "nicht leugnen und somit gestehen" werde.

Es kann offenbleiben, ob der Angeschuldigten O. Y. über seine Beteiligung an der Aufzucht in S. hinaus verdächtig ist, auch noch andernorts neue Setzlinge gezogen und zum Verkauf angeboten zu haben. Denn der für die Prüfung nach § 122 Abs. 1 StPO maßgebliche Haftbefehl geht insoweit nicht von einer selbständigen Tat aus.

b)

Es besteht hinsichtlich aller Angeschuldigten der Haftgrund der Fluchtgefahr im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO.

Fluchtgefahr ist gegeben, wenn die Würdigung der Umstände des Falles es wahrscheinlicher macht, dass sich der Angeschuldigte dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO § 112, Rn. 17). Die Beurteilung erfordert die Berücksichtigung aller Umstände des Falles, insbesondere der Art der dem Angeschuldigten vorgeworfenen Tat, der Persönlichkeit des Angeschuldigten, seiner Lebensverhältnisse, seines Vorlebens und seines Verhaltens vor und nach der Tat (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO § 112, Rn. 19). Der Straferwartung kommt bei der Beurteilung der Fluchtgefahr grundsätzlich maßgebende Bedeutung zu, weil sie das Ausmaß des Fluchtanreizes bestimmt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 8. April 2019, 3 Ws 102/19, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO § 112 Rn. 22 m. w. N.). Sie ist Ausgangspunkt für die Erwägung, ob der in ihr liegende Anreiz zur Flucht unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände so erheblich ist, dass er die Annahme rechtfertigt, der Angeschuldigte werde ihm nachgeben und wahrscheinlich flüchten. Je höher die konkrete Straferwartung ist, umso gewichtiger müssen die den Fluchtanreiz mindernden Gesichtspunkte sein (vgl. OLG Celle aaO; ebenso KG, StV 2012, 350; Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 24 m. w. N.).

Nach diesem Maßstab ist bei den Angeschuldigten von einem hohen Fluchtanreiz auszugehen. Denn sie haben aufgrund der Taten jeweils eine hohe Freiheitsstrafe zu erwarten. Gemäß § 30a Abs. 1 BtMG beträgt die Mindeststrafe für bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für jede Tat fünf Jahre Freiheitsstrafe, das Höchstmaß liegt bei 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB). Für die Angeschuldigten wird sich dabei voraussichtlich besonders strafschärfend auswirken, dass sich die Bandentaten auf eine besonders große Menge an Betäubungsmitteln beziehen (vgl. BGHSt 62, 90).

Bei keinem der Angeschuldigten bestehen hinreichende Umstände, die diesem Fluchtanreiz entgegenstehen.

aa)

Der Angeschuldigte T. verfügt weder über hinreichende berufliche noch familiäre Bindungen. Seine frühere Firma D. S. GmbH ist insolvent. Seine eigene Wohnung bewohnt er den Bekundungen der Zeugin B. zufolge bereits seit dem vergangen Jahr nicht mehr. Seinen eigenen Angaben zufolge ist der Angeschuldigte zwar seit fünfzehn Jahren mit einer Partnerin liiert, um deren Kinder er sich als Ziehvater kümmere. Tatsächlich wohnte er jedoch erst seit wenigen Wochen vor seiner Festnahme bei ihr. Dabei spricht auch die beträchtliche Entfernung zwischen seiner vorherigen Wohnung in M. und der seiner Partnerin im M. gegen eine feste örtliche Bindung des Angeschuldigten, die einer Fluchtgefahr entgegenstehen könnte.

Im Hinblick auf die Straferwartung ist der Fluchtanreiz für den Angeschuldigten T. zudem noch dadurch erhöht, dass ihm nach den bisherigen Ermittlungen eine zentrale Rolle bei den Arbeiten vor Ort zukam und sein Tatanteil dementsprechend schwer wiegt. Auch insoweit unterscheiden sich die Umstände beim Angeschuldigten T. von denen der - außerdem geständigen - Mitangeschuldigten S. und F., auf die in der Stellungnahme seines Verteidigers verwiesen wird.

bb)

Der Angeschuldigte D. Y. ist zwar nach eigenen Angaben verlobt und hat eine im Juni 2021 geborene Tochter. Er wohnte vor seiner Festnahme jedoch allein und den Angaben seiner Schwester zufolge handelt es sich bei seiner Beziehung um eine "on/off-Beziehung". Einer geregelten Berufstätigkeit geht der Angeschuldigte nicht nach. Ausreichende fluchthemmende Bindungen sind deshalb auch bei ihm nicht feststellbar.

cc)

Dasselbe gilt für die sozialen Bindungen des Angeschuldigten O. Y. Er lebt zwar in einem Haushalt mit seinen Familienangehörigen und hat eigenen Angaben zufolge ein 13 Jahre altes Kind. Bei ihm sind jedoch keine beruflichen oder partnerschaftlichen Verbindungen ersichtlich. Für ihn besteht außerdem ein erhöhter Fluchtanreiz, weil er bereits einschlägig vorbestraft ist.

Sofern sich neue Erkenntnisse über die familiären Verhältnisse des Angeschuldigten O. Y. ergeben oder er tatsächlich - wie bislang nur angekündigt - geständige Angaben machen sollte, könnte dies grundsätzlich eine neue Beurteilung rechtfertigen. Entsprechendes Vorbringen wäre im Rahmen der weiteren Haftprüfung vom Landgericht zu würdigen (§ 122 Abs. 3 Satz 3 StPO).

cc)

Auch die Angeschuldigten D., G. und G. verfügen über keinerlei fluchthemmende Bindungen. Sie sind alleinstehend, gehen keiner geregelten Erwerbstätigkeit nach und haben sich nicht zuletzt durch den mehrmonatigen Aufenthalt in ihrer provisorischen Unterkunft an der Plantage als ungebunden erwiesen. Auch bei ihnen besteht deshalb trotz des geringeren Strafrahmens des § 29a Abs. 1 BtmG - der gegenüber § 30a BtMG i. V. m.

§§ 27 Abs. 2 Satz 2, 49 StGB eine Sperrwirkung entfaltet - eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie sich dem Verfahren durch Flucht entziehen würden.

Bei dem Angeschuldigten G. ist diese Gefahr noch zusätzlich dadurch erhöht, dass er seine Identität zunächst durch ein falsches Ausweisdokument verschleiert hat.

dd)

Für den Angeschuldigten K. lässt sein bisheriges Verhalten ebenfalls erwarten, dass er sich dem Verfahren nicht freiwillig stellen würde. Denn auch bei ihm spricht der Umstand, dass er seine Heimat für die Begehung der hier verfahrensgegenständlichen Straftat verlassen hat, für eine erhöhte Mobilität und gegen eine feste örtliche Bindung in seinem Wohnort in S. Sein begonnenes Studium steht der Fluchtgefahr nicht ausreichend entgegen, weil er dies seinen Angaben zufolge selbst finanzieren muss und er über keine ersichtlichen legalen Einkünfte verfügt.

c)

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei den Angeschuldigten auch unter Berücksichtigung der bisher erlittenen Untersuchungshaft angesichts der Schwere der ihnen zur Last gelegten Taten und der daraus resultierenden Rechtsfolgenerwartungen nicht verletzt. Derzeit sind auch keine milderen Mittel ersichtlich, mit denen der Zweck der Untersuchungshaft ebenso erreicht werden könnte (§ 116 StPO).

3.

Auch die besonderen Voraussetzungen für eine Fortdauer der Untersuchungshaft über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus gemäß § 121 Abs. 1 StPO sind gegeben. Das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist nicht verletzt. Ein Urteil hat aufgrund der besonderen Schwierigkeit und des besonderen Umfanges der Ermittlungen vor Ablauf der Sechsmonatsfrist noch nicht ergehen können.

a)

Bezüglich der besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft gemäß § 121 StPO ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Der verfassungsrechtliche Freiheitsanspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG des noch nicht verurteilten Angeschuldigten ist den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv entgegenzuhalten, wobei sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert (vgl. BVerfGE 20, 45, 49 ff.; 36, 264; 53, 152, 158 ff.; BVerfG StV 2007, 369; 2006, 248 und 703; weitere Nachweise bei Pieroth/Hartmann, StV 2008, 277; Senat, Beschluss vom 16.09.2010, 32 HEs 2/10). Dem trägt die Vorschrift des § 121 Abs. 1 StPO dadurch Rechnung, dass der Vollzug der Untersuchungshaft vor Erlass eines Urteils wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden darf, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Die Bestimmung des § 121 Abs. 1 StPO, die eine Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus somit nur im begrenzten Umfange zulässt, ist dementsprechend eng auszulegen (vgl. BVerfGE 36, 264, 271; 53, 152, 158 ff.). Den verfassungsrechtlichen Ansprüchen an die Zügigkeit der Bearbeitung in Haftsachen wird nur dann entsprochen, wenn die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte alle zumutbaren Maßnahmen getroffen haben, um die Ermittlungen so schnell wie möglich abzuschließen und ein Urteil herbeizuführen (vgl. BVerfGE 20, 45, 50; NJW 2003, 2895; OLG Brandenburg StV 2000, 37; OLG Köln StV 1999, 40; OLG Düsseldorf NJW 1996, 2587; OLG Frankfurt StV 1195, 423; OLG Hamm StV 2000, 90 f.).

b)

Gemessen an diesen Anforderungen liegt hier ein zur Aufhebung der Untersuchungshaft führender Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot nicht vor.

Die Ermittlungen wurden in dem umfangreichen Ermittlungsverfahren zügig und mit dem gebotenen Nachdruck geführt. Der besondere Umfang der Ermittlungen ermöglichte keinen früheren Abschluss der Ermittlungen und rechtfertigt den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft.

Der Aktenbestand umfasst mittlerweile 10 Hauptbände und 94 Nebenbände. Der Großteil der Beweismittel stand erst nach der Durchsuchung der Tennishalle und der Festnahme der Angeschuldigten D., G., K. und G. sowie des Mitangeschuldigten F. am 7. Mai 2021 zur Verfügung. Denn bei der Durchsuchung wurden zahlreiche Beweismittel sichergestellt, die in der Folgezeit ausgewertet wurden. Unter anderem waren Sachverständigengutachten über den Aufbau der Anlage, den Wirkstoffgehalt der Pflanzen und die am Tatort gesicherten Fingerspuren einzuholen, deren Erstellung bis Ende September 2021 in Anspruch nahm. Auch diese Dauer ist der Größe der Plantage geschuldet, so umfasst allein das Gutachten über den Plantagenaufbau 429 Seiten und für die Wirkstoffbestimmung wurden 24 Teilmengen von jeweils 14-15 Pflanzen analysiert.

Bei den Festnahmen wurde außerdem eine Vielzahl an Datenträgern sichergestellt, die zunächst durch eine Fachstelle des Landeskriminalamtes ausgelesen und anschließend ausgewertet werden mussten. Auch die Verwertung der über ... geführten Kommunikation konnte erst nach deren Bewilligung durch die französischen Behörden ab dem 20. Mai 2021 beginnen. Zudem wurden mehrere Zeugen und Mitangeschuldigte vernommen, deren Angaben ausgewertet wurden.

Durch eine weitgehend parallele Durchführung dieser verschiedenen Ermittlungsstränge hat die Staatsanwaltschaft dafür Sorge getragen, dass das Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung geführt und weiterer Zeitverlust vermieden wurde.

Eine Verzögerung des Verfahrens auf Seiten der Ermittlungsbehörden bis zur Anklageerhebung liegt damit insgesamt nicht vor.

bb)

Auch der vorgesehene Beginn der Hauptverhandlung Anfang Februar 2022 ist angesichts des Umfangs des Verfahrens nicht zu beanstanden.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Zeitraum von 4 Monaten zwischen Eingang der Sache und Beginn der Hauptverhandlung in umfangreichen Verfahren mit mehreren Angeschuldigten nicht grundsätzlich zu beanstanden (BGH Beschluss vom 25. März 2015 - 5 StR 70/15 -, juris; BGH vom 07.01.2014, 5 StR 613/13 -, juris; BGH vom 10.07.2013, 2 StR 116/13, StV 2016, 6). Aus den dargelegten Gründen steht außer Zweifel, dass es sich um ein umfangreiches Verfahren im Sinne dieser Rechtsprechung handelt. Darüber hinaus erfordert das Verfahren noch umfangreiche Terminabsprachen mit den insgesamt zwölf Verteidigern. Eine genauere Terminbestimmung vor Vorlage der Akten an den Senat war vom Landgericht nicht zu erwarten, da der Fristablauf bereits bei Eingang der Anklageschrift unmittelbar bevorstand.

4.

Die Übertragung der Haftkontrolle beruht auf § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.