Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.07.1989, Az.: 8 U 208/88
Rechtsfolgen der unterlassenen Anzeige eines möglichen Tierschadens beim Haftpflichtversicherer; Zurechnung einer durch seinen Rechtsanwalt verschuldeten versicherungsrechtlichen Obliegenheitsverletzung zu dem Anspruchsteller
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 05.07.1989
- Aktenzeichen
- 8 U 208/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 20594
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1989:0705.8U208.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 04.11.1988 - AZ: 8 O 169/88
Rechtsgrundlagen
- § 5 Nr. 3 S. 2 AHB
- § 166 Abs. 1 BGBanalog
Fundstelle
- VersR 1990, 376 (Volltext mit red. LS)
[...]
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Das Schlußurteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 4. November 1988 wird abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer des Klägers: 8.000 DM.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist begründet. Die Klage muß auch hinsichtlich des Hilfsantrags abgewiesen werden, mit dem der Kläger Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Versicherungsschutz wegen des von seinem Reitpferd am 20. Juli 1986 verursachten Schadens verlangt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf diesen Versicherungsschutz (§§1, 149 VVG, §§1, 3 AHB). Die Beklagte ist leistungsfrei, weil der Kläger ihr gegenüber seine Aufklärungsobliegenheit verletzt hat (§5 Nr. 3 Satz 2 AHB).
In seiner Schadensanzeige vom 17. Dezember 1986 teilte der Kläger zu dem Hergang des Unfalls lediglich mit, er könne insoweit keinerlei Angaben machen, da er hiervon erst einige Wochen später gerüchteweise erfahren habe. Das genügte nicht. Es mag sein, daß der Kläger tatsächlich nicht mehr wußte. Er hätte sich die erforderlichen Kenntnisse indessen verschaffen müssen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 24. Aufl. §34 A.1 m.w.N.). Insbesondere hätte er dem Reitlehrer ..., dem er das Pferd zur Pflegeüberlassen hatte, die Fragen stellen können, die er im Formular der Schadenanzeige lediglich mit einem Fragezeichen beantwortet hat, nämlich: mit welcher Vereinbarung und zu welchem Zweck dem Geschädigten das Pferdübergeben worden sei, ob der Schaden außerdem von einer anderen Person, einem anderen Tier oder einem Kraftfahrzeug verursacht worden sei und ob es Unfallzeugen gebe. Dies hat er versäumt.
Die von der Beklagten erbetene Aufklärung war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil gegen sie noch keine schlüssigen Ansprüche erhoben worden wären, wie der Kläger meint. Da durch das versicherte Reitpferd jemand zu Schaden gekommen war, lag ein Ereignis vor, für das der Kläger möglicherweise haftpflichtig war. Dies löste nicht nur die Eintrittspflicht der Beklagten, sondern auch die Obliegenheit des Klägers zur Aufklärung aus.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, daß die Beklagte sich die Auskünfte bei dem Reitlehrer Müller und dem Geschädigten Stück hätte selbst besorgen können (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., §34 A.2 C m.w.N.). Daß sie von diesen hinlänglich informiert worden sei, hat er nicht substantiiert vorgetragen. Der Hinweis auf die Schadenanzeige Stücks vom Oktober 1987 und die Aussage ... von der im Schreiben der Beklagten vom 16. Dezember 1986 die Rede ist, reicht hierfür nicht. Die Schadenanzeige hat die genannten Auskünfte nicht notwendig enthalten; auch der Aussage ... müssen diese nicht notwendig zu entnehmen gewesen sein. Über Zeit, Ort und Inhalt der von ... angeblich im Januar 1987 gegebenen Aufklärung schließlich trägt der Kläger nichts Näheres vor.
Im übrigen mag sein, daß der Kläger auf die im Schreiben der Beklagten vom 6. Januar 1987 gestellten Fragen telefonisch ausreichend geantwortet hat, wie er behauptet. Dies konnte die frühere Verletzung seiner Aufklärungsobliegenheit aber nicht heilen; denn die Beklagte hatte mit ihrem Schreiben keineswegs zu erkennen gegeben, daß es ihr nur noch auf die nunmehr ausdrücklich gestellten Fragen ankomme und daß sie auf etwaige Rechte aus einer früheren Obliegenheitsverletzung verzichten wolle.
Ob dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 20. August 1987, in dem ihm weitere Fragen gestellt worden sind und auf die er nicht geantwortet hat, zugegangen ist, mag hiernach offenbleiben.
Im übrigen haben auch die vom Kläger beauftragten Anwälte ihre Aufklärungsobliegenheit vernachlässigt, indem sie das Schreiben der Beklagten vom 23. Januar 1987 unbeantwortet ließen, was der Kläger sich zurechnen lassen muß. Es trifft nicht zu, daß dieses Schreiben schon deshalb keiner Beantwortung bedurfte - wie der Kläger meint -, weil die darin aufgeworfenen Fragen bereits in seinem Telefonat mit der Beklagten beantwortet gewesen wären. Wie der Kläger selbst vorträgt, hat er der Beklagten telefonisch - angeblich - nur Namen und Adresse der Person mitgeteilt, die über das Pferd verfügt habe, und ferner, daß es eine schriftliche Vereinbarungüber den Haftungsausschluß nicht gebe. Damit wären die von der Beklagten in dem Schreiben vom 23. Januar 1987 gestellten Fragen nicht vollständig beantwortet gewesen, insbesondere nicht die Frage danach, zu welchen Bedingungen das Pferd im Reitstall untergestellt gewesen sei; auch ihrer Bitte um nähere Schilderung des Vorgangs der Überlassung des Pferdes an Müller und der Weiterüberlassung an andere Reiter hätte der Kläger mit diesen angeblichen Auskünften noch nicht entsprochen.
Der Kläger haftet für das Versäumnis seiner Anwälte zwar nicht nach §278 BGB; denn diese Bestimmung gilt nicht für versicherungsrechtliche Obliegenheiten, die keine Verbindlichkeiten sind (vgl. BGH VersR 1981, 948, 950 m.w.N.). Analog§166 Abs. 1 BGB muß der Kläger sich indessen das Wissen dritter Personen, die er mit der Erfüllung seiner Aufklärungsobliegenheit beauftragt hat, zurechnen lassen (BGH VersR 1968, 453, 455). Er könnte sich folglich nicht damit entlasten, daß ihm die Fragen, die die Beklagte seinen Anwälten gestellt hatte,überhaupt nicht - persönlich - bekannt geworden seien. Aber auch damit könnte er nicht gehört werden, daß seine Anwälte geschwiegen hätten, obwohl sie durch ihn über die Vorgänge, deretwegen die Beklagte Auskunft verlangt hatte, ausreichend unterrichtet gewesen seien. In diesem Fall haftete er wie für falsche Auskünfte durch Wissenerklärungsvertreter (vgl. Prölss/Martin, a.a.O.,§6 A.8 A).
Ob die Anwälte des Klägers ihre Aufklärungsobliegenheit darüber hinaus verletzt haben, indem sie auch das Schreiben der Beklagten vom 22. April 1987 unbeantwortet ließen, mag hiernach offenbleiben; dies hängt davon ab, ob ihnen das Schreibenüberhaupt zugegangen ist, was der Kläger bestreitet.
Der Kläger hat nicht dargetan, daß seine und seiner Anwälte Obliegenheitsverletzung keinen Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalls gehabt habe (§6 Satz 2 AHB); denn der Versicherungsfall ist bis heute nicht aufgeklärt.
Schließlich kann der Kläger sich nicht darauf berufen, daß die Beklagte ihn nicht darauf hingewiesen habe, welche Folgen seine unvollständige Beantwortung der von ihr gestellten Fragen haben könnte. Es mag sein, daß seinen Anwälten das Schreiben vom 29. April 1989, das einen entsprechenden Hinweis enthält, nicht zugegangen ist. Das ist indessen unerheblich. Die Leistungspflicht bleibt bei unterbliebener Belehrung nur dann bestehen, wenn der Verstoß folgenlos geblieben ist und dies auch feststeht (Prölss/Martin, a.a.O.,§34 A.3 C). Dies ist hier aber nicht der Fall; wie soeben ausgeführt, hat der Kläger gerade nicht darlegen können, daß die Verstöße keinen Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalls gehabt hätten. Abgesehen davon wäre eine Belehrung gegenüber seinen Anwälten ohnhin überflüssig gewesen (Prölss/Martin, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO. Die Beschwer ist gemäß §546 ZPO festgesetzt worden.