Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.11.2014, Az.: 1 StO 2/13
gerichtliche Entscheidung; Steuerberater
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 04.11.2014
- Aktenzeichen
- 1 StO 2/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 42494
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 115 Abs 2 StBerG
- § 172 Abs 2 StPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Begründung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung nach § 115 Abs. 2 StBerG muss denselben Anforderungen entsprechen wie ein Antrag nach § 172 Abs. 2 StPO.
Tenor:
Der Antrag der Steuerberaterkammer N. auf gerichtliche Entscheidung über den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Celle vom 24. Juli 2013 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
1. Die Steuerberaterkammer N. beantragte mit Schreiben vom 26.04.2013 gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft Celle die Einleitung eines berufsrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Steuerberater U. S. Diesem Antrag lag eine Beschwerde des Herrn H. M. vom 31.01.2012 zugrunde, mit der er dem Steuerberater vorwarf, zu seinen - des Beschwerdeführers - Lasten gegen seine Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen zu haben.
2. Der Steuerberater ist als Steuerberater für die S. W. GmbH & Co. KG, diese vertreten durch die Geschäftsführerin Frau B. H., tätig. Neben der Komplementärin besteht die Gesellschaft auch aus ca. 160 Kommanditisten, zu denen auch der Beschwerdeführer H. M. gehört. Gegenstand der Tätigkeit des Steuerberaters für die S. W. GmbH & Co. KG ist neben der allgemeinen Steuerberatung die Erstellung von Abschlüssen und Steuererklärungen.
Mit Schreiben vom 26.07.2011 wandte sich der Steuerberater an das Finanzamt H. und teilte diesem unter dem Betreff „Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung und die Eigenheimzulage für das Kalenderjahr 2010 - hier Sonder-Betriebsausgaben“ mit, dass ihm bei Auswertung der eingereichten Angaben über die Sonderbetriebsausgaben „dubiose“ Angaben über Sonderbetriebsausgaben aufgefallen seien. In diesem Zusammenhang gab er an, dass u. a. die Angaben des Kommanditisten H. M. aus seiner Sicht nicht schlüssig seien.
Der Steuerberater wandte sich mit Schreiben vom 27.09.2011 erneut an das Finanzamt H. und teilte diesem mit, dass die von dem Kommanditisten H. M. geltend gemachte Sonderbetriebsausgabe „Rechnung der Rechtsanwälte He. und Kollegen vom 10.08.2010 in Höhe von Euro 889,40“ möglicherweise keine Kosten seien, die in einem originären Zusammenhang mit Betriebsausgaben aus der Beteiligung an der S. W. GmbH & Co. KG stünden und damit keine Sonderbetriebsausgaben darstellten. Hierzu gab er an, dass eine Personengruppe aus bestimmten Kommanditisten sich mit Hilfe des Rechtsanwaltes He. sowohl gegen den Steuerberater als auch gegen die Eheleute H. aus „offensichtlich persönlichen Gründen“ gewendet hätten.
3. In diesem Verhalten sieht die Steuerberaterkammer N. - wie auch der Kommanditist H. M. - eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters. Die Steuerberaterkammer N. ist der Auffassung, dass sich die Schweigepflicht des Steuerberaters gemäß § 5 Abs. 1 BOStB auf alles erstrecke, was ihm in Ausübung des Berufes oder bei Gelegenheit der Berufstätigkeit anvertraut worden oder bekannt geworden ist. Hierzu gehörten auch die Tatsachen, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit als Steuerberater von dem Kommanditisten der GmbH & Co. KG, H. M., bekannt geworden seien.
4. Der Steuerberater ist dieser Auffassung entgegengetreten. Er ist der Auffassung, dass nur zwischen ihm und der S. W. GmbH & Co. KG ein Mandatsverhältnis zustande gekommen sei und demgegenüber ein solches mit dem Kommanditisten H. M. nicht bestehe. Zudem sei er von der Auftraggeberin, der S. W. GmbH & Co. KG, vertreten durch die Geschäftsführerin B. H., von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden worden. Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch einen Dritten sei gesetzlich nicht vorgesehen. Eine solche sei gleichwohl durch den Beschwerdeführer konkludent erfolgt, denn dieser habe in der Gesellschafterversammlung vom 15.03.2011, in der er - der Steuerberater - auf seine Rechtsansicht bezüglich der Sonderbetriebsausgaben der Kommanditisten hingewiesen habe, keinerlei Fragen an ihn gerichtet und ihn - den Steuerberater - auf diese Weise konkludent von seiner Schweigepflicht entbunden. Überdies habe er dem Finanzamt keine Tatsachen, sondern nur Rechtsauffassungen mitgeteilt. Auf diese beziehe sich seine Verschwiegenheitspflicht nicht.
5. Die Generalstaatsanwaltschaft hat nach Anhörung des Steuerberaters der Steuerberaterkammer N. mit Schreiben vom 11.07.2013 mitgeteilt, dass sie beabsichtige, das Verfahren gegen den Steuerberater gemäß § 153 StBerG, § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Dieser Vorgehensweise hat die Steuerberaterkammer N. mit Schreiben vom 19.07.2013 widersprochen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 24.07.2013 das berufsrechtliche Ermittlungsverfahren gemäß § 153 StBerG, § 170 Abs. 2 StPO wegen Fehlens hinreichenden Tatverdachtes eingestellt und die Steuerberaterkammer entsprechend beschieden.
6. Gegen diesen, der Steuerberaterkammer N. am 07.08.2013 zugestellten Bescheid wendet sich die Steuerberaterkammer N. mit ihrem am 29.08.2013 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 115 Abs. 2 StBerG.
II.
Der - fristgerecht gestellte - Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, denn er entspricht nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 2 Satz 2 StBerG.
1. Zwar bestimmt § 115 Abs. 4 StBerG, dass § 172 StPO nicht anwendbar ist, sodass der allgemeine Verweis auf die Anwendbarkeit der Vorschriften der Strafprozessordnung aus § 153 StBerG nicht greift. Es könnte daher fraglich sein, ob an den Sachvortrag eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 115 Abs. 2 StBerG dieselben - strengen - Maßstäbe anzulegen sind wie an einen solchen nach § 172 Abs. 2 StPO.
In der Kommentarliteratur ist unumstritten, dass die Begründung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung nach § 115 Abs. 2 StBerG denselben Anforderungen entsprechen muss wie ein Antrag nach § 172 Abs. 2 StPO (vgl. Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl., § 115 Rdnr. 12; Kuhls u. a. Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 25). Dem ist zuzustimmen.
Der Ausschluss der Anwendbarkeit von § 172 StPO in § 115 Abs. 4 StBerG - damals enthalten in § 95 Abs. 4 StBerG - ist durch das dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatergesetzes eingeführt worden. Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist dafür auf die entsprechende Regelung in § 122 Abs. 4 BRAO (BT-Drs. 7/2852 S. 39). § 122 Abs. 4 BRAO war in die BRAO eingefügt worden um auszuschließen, dass - neben dem Recht des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung über den die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens ablehnenden Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft - Privatpersonen das Klageerzwingungsverfahren gegen Rechtsanwälte bei der Berufsgerichtsbarkeit durchführen können (vgl. Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Patentanwaltsordnung - BT-Drs. 5/2848 S. 29). Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber lediglich den Kreis der zur Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung Befugten einschränken, nicht aber die Anforderungen an den Inhalt eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung reduzieren wollte. Diese richten sich daher nach den zu § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO aufgestellten Grundsätzen.
2. Legt man den Maßstab des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO zugrunde, muss also auch der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 115 Abs. 2 Satz 2 StBerG eine aus sich heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts, der bei Unterstellung der Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen die Erhebung einer berufsgerichtlichen Anschuldigungsschrift rechtfertigen würde, enthalten. Der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen soll auch bei einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 115 Abs. 2 Satz 2 StBerG allein durch die Antragsschrift in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten (einschließlich Beiakten) eine Schlüssigkeitsprüfung vornehmen zu können.
3. Diesen Anforderungen wird der Antrag der Steuerberaterkammer N. indes nicht gerecht.
a) Es ist bereits zweifelhaft ob der Antrag der Steuerberaterkammer wirksam gestellt wurde. Die Antragstellerin trägt vor, sie habe durch Beschluss ihres Vorstandes vom 22.08.2013 entschieden, einen Antrag nach § 115 Abs. 2 Satz 1 StBerG zu stellen und mit der Durchführung der Antragstellung ihren Geschäftsführer beauftragt. Zwar kann die Durchführung des Beschlusses des Vorstandes der Steuerberaterkammer auf einen Vertreter übertragen werden (vgl. Kuhls u.a., § 115 Rdnr. 20); dies soll auch geschehen sein, es ist indes nicht belegt. Es ist daher für den Senat nicht nachprüfbar, ob die Befugnis zur Antragstellung wirksam auf den Geschäftsführer der Antragstellerin übertragen wurde.
b) Inhaltlich teilt der Antrag zudem nicht mit, in welchem konkreten Mandatsverhältnis der Steuerberater zu der S. W. GmbH & Co. KG steht, namentlich von wem er zur Erbringung welcher Leistungen im Rahmen seiner Tätigkeit als Steuerberater beauftragt worden ist. Der Antrag teilt vor allem die Struktur der S. W. GmbH & Co. KG, auf deren Kenntnis es für die Beurteilung bestehender Mandatsverhältnisse und etwaiger Schutzwirkungen des Steuerberatervertrages für Dritte zwingend ankommt, nicht mit. Zwar wird auszugsweise der Inhalt des Schreibens des Steuerberaters vom 26.07.2011 an das Finanzamt H. erörtert, die dort in Bezug genommene Kopie des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 30.04.2011 (richtigerweise 15.03.2011) wird inhaltlich aber nicht dargestellt. Aus dem Antragsvorbringen wird zudem nicht deutlich, zu welchem Zweck der Kommanditist H. M. die von dem Steuerberater als „dubios“ bewerteten Angaben an den Steuerberater übermittelt hat und auf welche Weise der Steuerberater diese Angaben zur Erstellung einer Steuererklärung nutzen sollte.
c) Der Antrag setzt sich zudem nicht mit dem Vorbringen des Steuerberaters auseinander, er sei von der Verschwiegenheitsplicht entbunden worden. Um den Senat in die Lage zu versetzen, die rechtliche Möglichkeit einer solchen Entbindung zu prüfen, hätte es der Mitteilung des Inhalts des Steuerberatungsvertrages zwischen dem Steuerberater und der S. W. GmbH & Co. KG bedurft. Dieser ist jedoch nicht vorgetragen.
III.
Der Sachverhalt gibt dem Senat gleichwohl Anlass zu folgenden rechtlichen Anmerkungen:
1. Dem Steuerberater obliegt aus § 5 Abs. 1 BOStB wie auch aus dem Mandatsverhältnis eine Schweigepflicht. Die Ausgestaltung des Mandatsverhältnisses und die heraus erwachsenden Pflichten des Steuerberaters müssen anhand des Inhalts des Steuerberatungsvertrages bestimmt werden.
a) Vertragspartner des Steuerberaters ist die S. W. GmbH & Co. KG, nicht aber der Kommanditist H. M. Unbeschadet der Tatsache, dass der Steuerberater die beauftragte Leistung gegenüber dem vertretungsberechtigten Organ der ihn beauftragenden Gesellschaft zu erbringen hat (vgl. Gehre/Koslowski, § 57 Rdnr. 65), können jedoch auch Dritte in den Schutzbereich des Steuerberatervertrags einbezogen sein.
b) Sofern der Steuerberater von der S. W. GmbH & Co. KG beauftragt worden sein sollte, die Gewerbesteuererklärung, die Umsatzsteuererklärung und die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung zu erstellen, müsste er Angaben zu Sonderbetriebsausgaben der Beteiligten, hier auch der jeweiligen Kommanditisten, machen. Aufgrund des auf der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung ergehenden Feststellungsbescheides werden wiederum die getroffenen Feststellungen in die persönliche Einkommenssteuererklärung der Kommanditisten übernommen.
aa) Nach allgemeiner Auffassung sind Dritte vom Schutzbereich eines Steuerberatervertrages erfasst, wenn für den Steuerberater erkennbar ist, dass seine Tätigkeit Drittbezug aufweist und nicht nur im Interesse seines Vertragspartners erfolgt (vgl. hierzu Jagmann in Staudinger, BGB, Bearbeitung 2009, § 228 Rdnr. 143 m. w. N.), insbesondere also von der in Auftrag gegebenen steuerlichen Beratung erkennbar auch die Vermögensinteressen Dritter berührt sind (vgl. Staudinger a. a. O. Rdnr. 215 m. w. N.). In den Schutzbereich eines Jahresabschlussprüfungsvertrages zwischen einer KG und einem Wirtschaftsprüfer kann der Kommanditist einbezogen sein (offen gelassen von OLG Düsseldorf in NJW-RR 1986, 522). So hat das Oberlandesgericht Köln im Urteil vom 13.11.2008 (DB 2009, 278 ff.) eine Drittschutzwirkung zugunsten der Kommanditisten einer KG angenommen, wenn ein Steuerberater für eine KG mit mehr als 100 Kommandi-tisten Steuererklärungen abgibt und daraufhin Feststellungsbescheide ergehen, die die unmittelbare Grundlage für die Einkommensbesteuerung der Kommanditisten bildeten.
bb) So verhält es sich auch hier, denn der Steuerberater hatte für die S. W. GmbH & Co. KG die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung zu erstellen, aufgrund derer ein Feststellungsbescheid ergeht, dessen Feststellungen in die persönliche Einkommenssteuererklärung der Kommanditisten übernommen werden. Mit der steuerlichen Beratung wurden damit - erkennbar - auch die Vermögensinteressen Dritter, nämlich der Kommanditisten, berührt.
cc) Erstreckte sich der Schutzbereich des zwischen der S. W. GmbH & Co. KG und dem Steuerberater geschlossenen Steuerberatungsvertrages somit auch auf die Kommanditisten, umfasste die Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters auch die ihm im Rahmen seiner Steuerberatungstätigkeit für die S. W. GmbH & Co. KG bekannt gewordenen, aus der Sphäre der Kommanditisten stammenden Tatsachen. Hierzu gehörte auch der Umstand, dass der Kommanditist M. mit weiteren Kommanditisten im Rahmen der Streitigkeiten mit der S. W. GmbH & Co. KG anwaltlichen Rat in Anspruch genommen hatte, aus dem offenbar die als Sonderbetriebsausgaben geltend gemachte Rechnung über Rechtsanwaltsgebühren resultierte. Wenn der Steuerberater diesen Umstand dem Finanzamt H. mitteilte, äußerte er keineswegs eine Rechtsauffassung, sondern teilte dem Finanzamt H. erst die Tatsachen mit, auf deren Grundlage das Finanzamt entscheiden konnte, ob es sich bei den geltend gemachten Kosten um Sonderbetriebsausgaben für die Kapitalanlage in der S. W. GmbH & Co. KG handelte oder nicht.
2. Dem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters dürfte eine etwaige Entbindung von seiner Verschwiegenheitspflicht durch die S. W. GmbH & Co. KG nicht entgegenstehen. Es ist nämlich bereits fraglich, ob die S. W. GmbH & Co. KG zu einer solchen Verschwiegenheitspflichtentbindung überhaupt berechtigt gewesen wäre, weil diese aus dem Gesellschaftervertrag Schutz- und Rücksichtnahmepflichten bezüglich der Kommanditisten zu wahren gehabt hätte.