Staatsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 27.09.2021, Az.: StGH 6/20
freies Mandat; Landtagspräsidentin; Landtagsgebäude; Maskenpflicht; offensichtlich unbegründet; Ordnungsgewalt; Organstreitverfahren
Bibliographie
- Gericht
- StGH Niedersachsen
- Datum
- 27.09.2021
- Aktenzeichen
- StGH 6/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71544
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 12 S 2 Verf ND
- Art 14 S 1 Verf ND
- Art 18 Abs 2 S 1 Verf ND
- § 30 StGHG ND 1996
- § 64 Abs 1 BVerfGG
- § 24 S 1 BVerfGG
- § 28 Abs 1 S 1 IfSG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die auf Art. 18 Abs. 2 Satz 1 NV (Ordnungsgewalt der Landtagspräsidentin) gestützte Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in den Gebäuden des Niedersächsischen Landtages, einschließlich des Plenarsaals sowie der Sitzungs- und Besprechungsräume, verletzt nicht das in Art. 12 Satz 2 NV garantierte freie Mandat der Abgeordneten.
Tenor:
Der Antrag wird verworfen.
Gründe
A.
Gegenstand des Organstreitverfahrens sind drei Allgemeinverfügungen, mit denen die Antragsgegnerin die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in den Gebäuden des Niedersächsischen Landtages, insbesondere im Plenarsaal, angeordnet hat. Die Antragsteller sind Abgeordnete im Niedersächsischen Landtag und sehen sich dadurch in ihrer parlamentarischen Arbeit beeinträchtigt.
I.
Um unter den Bedingungen der Corona-Pandemie den Parlamentsbetrieb aufrechterhalten zu können und die Gesundheit der Abgeordneten, der Beschäftigten und der Besucherinnen und Besucher des Niedersächsischen Landtages zu schützen, ordnete die Antragsgegnerin mit - in ihrer Gültigkeit ohne inhaltliche Änderungen mehrfach verlängerter - Allgemeinverfügung vom 26. Oktober 2020 das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für alle Personen an, die sich in den Gebäuden des Niedersächsischen Landtages aufhalten.
Nach Ziffer 1 der Verfügung gilt die Verpflichtung für alle Räume einschließlich des Plenarsaals, der Sitzungs- und Besprechungsräume sowie für alle Verkehrsflächen (einschließlich der Bistros im Plenarsaalbereich) und für die Aufzuganlagen des Landtagsgebäudes. Ausgenommen sind die den Abgeordneten und Fraktionen zur Nutzung in eigener Verantwortung überlassenen Räumlichkeiten. In den Sitzungs- und Besprechungsräumen sowie im Plenarsaal darf die Mund-Nasen-Bedeckung am Platz bei Einhaltung eines Mindestabstandes von 1,50 Metern zu anderen Personen oder bei Vorhandensein einer geeigneten Abtrennung zwischen den Plätzen abgelegt werden. Am Rednerpult und an den Saalmikrofonen im Plenarsaal gilt die Maskenpflicht nicht. In den Bistros im Plenarbereich sowie in Pausenräumen ist das Ablegen der Mund-Nasen-Bedeckung am Tisch zulässig. Ebenso zulässig ist das zeitweilige Abnehmen der Mund-Nasen-Bedeckung, solange es zu Identifikationszwecken oder zur Kommunikation mit Menschen mit Hörbehinderung oder aus sonstigen zwingenden Gründen (z.B. wegen eines Presseinterviews) erforderlich ist. In diesen Fällen ist das Mindestabstandsgebot von 1,50 Metern zu anderen Personen zu beachten. Ziffer 2 der Allgemeinverfügung befreit Personen vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, die mittels eines ärztlichen Attests oder durch Vorlage eines Schwerbehindertenausweises glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer solchen Bedeckung auf Grund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Antragsgegnerin stützte ihre zunächst bis zum 31. Januar 2021 befristete Allgemeinverfügung auf ihre Ordnungsgewalt nach Art. 18 Abs. 2 NV i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Mit der zweiten Anordnung vom 29. Januar 2021, in Kraft getreten zum 1. Februar 2021, verlängerte die Antragsgegnerin die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung mit den vorstehenden Ausnahmen und Befreiungen bis zum 30. April 2021. Mit der dritten Anordnung vom 30. April 2021, in Kraft getreten zum 1. Mai 2021, erfolgte eine weitere Verlängerung bis zum 30. September 2021. Diese Verlängerung stützte die Antragsgegnerin zusätzlich auf § 28a Abs. 1 Nr. 2 und § 28b Abs. 5 IfSG.
II.
Am 26. November 2020 haben die Antragsteller beantragt festzustellen, dass die Allgemeinverfügung der Landtagspräsidentin vom 26. Oktober 2020 sie in ihren Rechten aus Art. 12 Satz 2 und Art. 14 NV verletzt. Am 28. Februar 2021 haben sie ihren Antrag auf die zweite Anordnung vom 29. Januar 2021 und am 31. Mai 2021 auf die dritte Anordnung vom 30. April 2021 erweitert.
Zur Begründung tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor, ihr Antrag sei zulässig, insbesondere seien sie antragsbefugt. Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Gebäude des Niedersächsischen Landtages beeinträchtige ihre politische Arbeit im Parlament und verletze deshalb ihr nach Art. 12 Satz 2 NV geschütztes freies Mandat. Eine Verletzung des Art. 14 NV liege darin, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Plenum mit innerparlamentarischen Ordnungsmaßnahmen bis hin zu einem sofortigen Ausschluss von einer Plenarsitzung belegt werden könne. Die Allgemeinverfügungen seien wegen fehlender Anhörungen formell rechtswidrig. Das Hausrecht aus Art. 18 Abs. 2 NV stelle keine ausreichende Ermächtigung zur Anordnung der Maskenpflicht dar. Mit ausführlicher Begründung legen sie dar, dass die Anordnung der Maskenpflicht weder geeignet noch erforderlich und angemessen sei, um die Funktionsfähigkeit des Landtages und die Gesundheit der sich im Landtag aufhaltenden Personen zu erhalten.
Die Antragsteller beantragen festzustellen, dass
1. die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 26. Oktober 2020 sie in ihren Rechten aus Art. 12 Satz 2 NV und Art. 14 NV,
2. die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2021 sie in ihren Rechten aus Art. 12 Satz 2 NV, Art. 14 NV sowie Art. 2 Abs. 2 GG,
3. die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 30. April 2021 sie in ihren Rechten aus Art. 12 Satz 2 NV und Art. 14 NV
verletzt.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hält die Anträge mangels Antragsbefugnis für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Bei der Anordnung der Maskenpflicht handele es sich um eine nach dem Stand der Wissenschaft wirkungsvolle und in jeder Hinsicht verhältnismäßige Maßnahme des Gesundheitsschutzes, die sich auf die verfassungsmäßigen Rechte der Abgeordneten nicht oder allenfalls gering auswirke.
III.
Die Niedersächsische Landesregierung und der Niedersächsische Landtag haben keine Stellungnahmen abgegeben.
B.
Die Anträge haben keinen Erfolg.
I.
Der Rechtsweg zum Staatsgerichtshof ist eröffnet, weil es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt. Streitgegenständlich ist die Frage, ob und inwieweit die Antragsgegnerin bei der Ausübung ihrer Befugnisse aus Art. 18 Abs. 2 Satz 1 NV die Abgeordnetenrechte aus Art. 12 Satz 2 und Art. 14 NV verletzt. In einem solchen Zusammenhang hat die grundsätzlich verwaltungsrechtlich geprägte Ausübung der Ordnungsgewalt verfassungsrechtliche Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.6.2020 - 2 BvE 2/19 -, BVerfGE 154, 354, juris Rn. 29; VerfGH BW, Urt. v. 28.1.1988 - GR 1/87 -, ESVGH 38, 81, NJW 1988, 3199; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 28.10.2020 - OVG 3 S 113/20, 3 L 171/20 -, NVwZ-RR 2021, 120, juris Rn. 8), weil sich die hier angegriffenen Anordnungen nicht nur an Besucherinnen und Besucher sowie Beschäftigte, sondern auch an die Abgeordneten richten. Den Anordnungen der Antragsgegnerin kommt deshalb eine Doppelnatur zu: Sie sind eine verwaltungsrechtliche Maßnahme - hier in Gestalt eines Verwaltungsaktes - gegenüber allen sonstigen Betroffenen und zugleich eine verfassungsrechtlich geprägte, der Kontrolle des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs unterliegende Maßnahme gegenüber den Abgeordneten.
II.
Die Anträge zu 1. und 2. sind unzulässig (1.). Der Antrag zu 3. ist teilweise unzulässig, im Übrigen jedenfalls offensichtlich unbegründet (2.).
1. Soweit sich die Antragsteller mit ihren Anträgen zu 1. und 2. weiterhin gegen die außer Kraft getretenen Anordnungen vom 26. Oktober 2020 und vom 29. Januar 2021 wenden, fehlt ihnen das auch im Organstreitverfahren notwendige allgemeine Rechtsschutzinteresse (stRspr. vgl. NdsStGH, Urt. v. 24.11.2020 - StGH 6/19 -, LVerfGE 31, 317, NdsVBl 2021, 115, juris 44). Die Anordnungen waren zeitlich befristet und sind nicht mehr in Kraft. Zwar lässt im Organstreitverfahren die - hier eingetretene - Erledigung das Rechtsschutzinteresse nicht generell entfallen (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.12.2001 - 2 BvE 2/00 -, BVerfGE 104, 310, 331, juris Rn. 78 m. w. N.). Alle hier streitigen Rechtsfragen können aber im Zusammenhang mit der dritten Anordnung der Antragsgegnerin vom 30. April 2021 geklärt werden, so dass es der beiden übrigen Anträge nicht mehr bedarf.
2. Der Antrag zu 3. ist jedenfalls insoweit unzulässig, als die Antragsteller eine Verletzung des Anhörungsrechts, eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG und eine Verletzung von Art. 14 NV geltend machen. Den Antragstellern fehlt insoweit die Antragsbefugnis.
Nach § 30 NStGHG i. V. m. § 64 Abs. 1 BVerfGG ist ein Antrag im Organstreitverfahren nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch die Verfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Im Organstreit kann der einzelne Abgeordnete die Verletzung oder Gefährdung jedes Rechts, das mit seinem Status verfassungsrechtlich verbunden ist, geltend machen. Das sind grundsätzlich ausschließlich die Rechte, die sich aus seiner organschaftlichen Stellung ergeben. Für die Zulässigkeit eines Organstreitverfahrens erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass die von dem Antragsteller behauptete Verletzung oder unmittelbare Gefährdung seiner verfassungsmäßigen Rechte nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.7.2019 - 2 BvE 4/19 -, BVerfGE 151, 191, juris Rn. 21 f.). Die Begründung darf sich deshalb nicht lediglich in der formelhaften und summarischen Behauptung einer Rechtsverletzung erschöpfen. An Inhalt und Umfang der Begründung des Antragstellers sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je weniger eine Verletzung oder Gefährdung verfassungsmäßiger Organrechte nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt evident und aus sich heraus nachvollziehbar ist (SächsVerfGH, Beschl. v. 25.2.2014 -Vf. 62-I-12 -, juris Rn. 17). Diesen Anforderungen genügt der Antrag der Antragsteller im eingangs bezeichneten Umfang nicht.
a) Soweit die Antragsteller die formelle Rechtswidrigkeit der Anordnung der Antragsgegnerin rügen und einen Verstoß gegen die Anhörungspflicht nach § 28 VwVfG behaupten, machen sie keine Verletzung von Rechten aus der Niedersächsischen Verfassung, sondern eine Verletzung einer einfachgesetzlichen Bestimmung geltend, die eine Antragsbefugnis nach den dargestellten Grundsätzen nicht begründet (vgl. BVerfG, Urt. v. 4.7.2007 - 2 BvE 1/06 -, BVerfGE 118, 277, 319, juris Rn. 193).
b) Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte - hier in Gestalt der von den Antragstellern angeführten Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 GG - vermitteln im verfassungsrechtlichen Organstreitverfahren, in dem nur die Verletzung organschaftlicher Rechte geltend gemacht werden kann, keine rügefähige Rechtsposition (NdsStGH, Urt. v. 15.1.2019 - 1/18 -, LVerfGE 30, 297, NdsVBl 2019, 115, juris Rn. 40 m.w.N).
c) Eine mögliche Verletzung von Art. 14 NV ist nicht dargelegt. Art. 14 Satz 1 NV regelt, dass ein Mitglied des Landtages zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen seiner Äußerung, die es im Landtag, in einem Ausschuss oder in einer Fraktion getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder anderweitig außerhalb des Landtages zur Verantwortung gezogen werden darf. Die Antragsteller sehen eine Verletzung ihrer Indemnität darin, dass ihnen bei einer Weigerung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, eine Ordnungsmaßnahme, wie z.B. ein Ordnungsruf oder sogar ein Sitzungsausschluss, droht. Offen kann bleiben, ob in der Weigerung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung überhaupt eine (konkludente) Äußerung i. S. d. Art. 14 Satz 1 NV zu sehen ist (s. zum Begriff: Simone Lenz, in: Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2. Aufl. 2021, Art. 14 Rn.18). Denn nach dem Wortlaut des Art. 14 Satz 1 NV gilt das Sanktionsverbot nur für Maßnahmen „außerhalb des Landtages“. Ordnungsmaßnahmen nach der Geschäftsordnung sind innerparlamentarische Maßnahmen und werden durch die nach Art. 14 Satz 1 NV gewährleistete Indemnität nicht berührt (s. Simone Lenz, in: Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2. Aufl. 2021, Art. 14 Rn.12; Wiefelspütz, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, 1. Aufl. 2016, § 13 Rn. 7).
III.
Soweit die Antragsteller mit ihrem Antrag zu 3. eine Verletzung ihres in Art. 12 Satz 2 NV garantierten freien Mandats geltend machen, ist dieser jedenfalls offensichtlich unbegründet.
Die Antragsteller werden durch die von der Antragsgegnerin angeordnete Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung offensichtlich nicht in ihren organschaftlichen Rechten aus Art. 12 Satz 2 NV verletzt.
Art. 12 Satz 2 NV legt fest, dass die Mitglieder des Landtages an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Hieraus ergibt sich das subjektive Recht eines jeden Abgeordneten, sein Mandat innerhalb der Grenzen der Verfassung ungehindert auszuüben (freies Mandat). Es sichert ihm einen Kernbestand an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben (vgl. BayVerfGH, Entsch. v. 14.9.2020 - Vf. 70-IVa-20 -, juris Rn. 16). Dieser Kernbestand umfasst unter anderem ein gewisses Maß an Redebefugnissen (stRspr., vgl. BVerfG, Urt. v. 14.7.1959 - 2 BvE 2/58 -, BVerfGE 10, 4, 11, juris Rn. 30; Urt. v. 28.2.2012 - 2 BvE 8/11 -, BVerfGE 130, 318, 342, juris Rn. 104) und gewährleistet eine freie Kommunikation zwischen Abgeordneten und Wählern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.9.2013 - 2 BvE 6/08 -, BVerfGE 134, 141, 172 f., juris Rn. 92, 97 ff.). Ein Eingriff in diesen geschützten Status ist zulässig, wenn und soweit andere Rechtsgüter von Verfassungsrang ihn rechtfertigen. Die Repräsentations- und die Funktionsfähigkeit des Parlaments sind als solche Rechtsgüter von Verfassungsrang anerkannt (stRspr., vgl. BVerfG, Urt. v. 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188, 219, juris Rn. 104; Beschl. v. 9.6.2020 - 2 BvE 2/19 -, BVerfGE 154, 354, juris Rn. 40). Über Art. 18 Abs. 2 Satz 2 NV hat die Antragsgegnerin grundsätzlich die Möglichkeit, das freie Mandat im Wege der Abwägung mit den genannten widerstreitenden Rechtsgütern in Ausgleich zu bringen und zu begrenzen (zu den vergleichbaren Regelungen im Grundgesetz: BVerfG, Beschl. v. 9.6.2020 - 2 BvE 2/19 -, BVerfGE 154, 354, juris Rn. 40).
a) Unter Zugrundelegung der dargestellten Maßstäbe ist das Rede- und Äußerungsrecht der Antragsteller offensichtlich nicht verletzt; es fehlt bereits an einer rechtlich relevanten Beeinträchtigung. Die streitgegenständliche Anordnung sieht für alle Fälle der Wahrnehmung des verfassungsrechtlich garantierten Rederechts in Ziffer 1 Ausnahmen vor. Weder am Rednerpult noch an den Saalmikrofonen des Plenums besteht eine Maskenpflicht. Die Antragsteller können deshalb ungehindert ihre Reden halten, Zwischenfragen stellen (§ 69 Abs. 4 GO LT) oder sich zur Geschäftsordnung melden (§ 75 Abs. 1 GO LT). In den Ausschüssen gilt auf den Abgeordnetenplätzen ebenfalls keine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, so dass auch dort eine uneingeschränkte Redemöglichkeit besteht.
Soweit die Antragsteller eine mögliche Verletzung ihres Rede- und Äußerungsrechts darin sehen, dass ihnen Zwischenrufe erschwert werden, fehlt es - ungeachtet der hier nicht entscheidungserheblichen Frage des rechtlichen Schutzes von Zwischenrufen - offensichtlich an einer diesbezüglichen Beeinträchtigung durch die streitgegenständliche Anordnung. Die Antragsteller tragen vor, von ihren hinteren Plätzen im Plenum sowie aufgrund der Plexiglaswände seien ihre Zwischenrufe vom Platz (ohne Maske) nicht wahrzunehmen. Sie müssten sich deshalb vom Platz erheben; dann greife aber die Maskenpflicht. Mit Maske seien ihre Zwischenrufe nicht wahrnehmbar und fänden keinen Eingang in das Sitzungsprotokoll. Nach dem Vortrag der Antragsteller ist die mangelnde Wahrnehmbarkeit der Zwischenrufe auf die hinteren Plätze und die Plexiglaswände, aber nicht auf das Tragen einer Maske zurückzuführen. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass das Tragen einer Maske, deren Auswahl im Belieben der Antragsteller steht, die Lautstärke eines Zwischenrufs so weit dämpfen könnte, dass dieser dadurch nicht mehr wahrzunehmen ist.
b) Die Antragsteller tragen weiter vor, die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf den Verkehrsflächen des Landtages beeinträchtige ihre Kommunikationsbeziehung zu den Wählern und könne sie davon abhalten, ihre ablehnende Haltung gegen die Coronapolitik der Regierung zu äußern bzw. durch die Weigerung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, öffentlich kenntlich zu machen. Soweit darin ein Eingriff in die freie Mandatsausübung liegt, erweist sich dieser als gerechtfertigt.
aa) Die Antragsgegnerin stützt die Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf Art. 18 Abs. 2 Satz 1 NV i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2, § 28b Abs. 5 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 27. Juli 2021 (BGBl. I S. 3274) geändert worden ist. Nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 NV übt die Präsidentin die Ordnungsgewalt aus. Darunter sind sämtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu verstehen, d.h. alle polizeipräventiven Maßnahmen, die der Abwehr einer Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den Räumen des Landtages dienen (Hollo, in: Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2. Aufl. 2021, Art. 18 Rn.22). Die Maskenpflicht dient dem Infektionsschutz und dadurch der generellen Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Landtages. Sie ist der Ordnungsgewalt der Antragsgegnerin zuzuordnen und beruht deshalb auf einer verfassungsrechtlichen Grundlage.
bb) Gegen die Verhältnismäßigkeit der Anordnung bestehen offensichtlich keine Bedenken.
Der Staatsgerichtshof hat keine Zweifel an der Eignung der Maskenpflicht (s. auch Nds. OVG, Beschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 369/21 -, juris Rn. 24 ff.). Das Robert-Koch-Institut, dem der Bundesgesetzgeber als zuständiger nationaler Behörde gemäß § 4 IfSG im Zusammenhang mit dem Infektionsschutz eine besondere Rolle eingeräumt hat, empfiehlt das generelle Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen Baustein neben anderen Maßnahmen, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren (www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html; Abruf 10.9.2021). Das Tragen eines Mundschutzes trägt dazu bei, andere Personen vor feinen Tröpfchen und Partikeln, die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, zu schützen und ist deshalb ein taugliches Instrument, um Infektionen durch unerkannte Träger zu verringern (so auch Nds. OVG, Beschl. v. 30.11.2020 - 13 ME 519/20 -, juris Rn. 65). Damit schützt die Antragsgegnerin die Gesundheit der Abgeordneten, der Beschäftigten sowie der Besucherinnen und Besucher des Landtages und gewährleistet die Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Betriebs.
Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist offensichtlich erforderlich und angemessen (s. auch Nds. OVG, Beschl. 15.9.2021 - 13 MN 369/21 -, juris Rn.28 ff.). Mildere Mittel, also Maßnahmen gleicher Wirksamkeit bei geringerer Belastungswirkung, sind nicht ersichtlich. Auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gegeben. Bei der Anordnung einer Maskenpflicht in Innenräumen handelt es sich um eine Maßnahme mit - nach dem Stand der Wissenschaft - hoher Wirksamkeit bei geringer Belastungswirkung. Insbesondere sind nach derzeitiger Erkenntnislage ernsthafte Gesundheitsgefahren durch das (kurzfristige) Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf den Verkehrsflächen des Landtages fernliegend (s. ausführlich zu behaupteten Gesundheitsgefahren OVG NRW, Beschl. v. 9.3.2021 - 13 B 266/21.NE -, juris Rn. 53 ff.) und von den Antragstellern nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar dargelegt. In der Sache ist die Anordnung einer Maskenpflicht politisch neutral (vgl. BayVerfGH, Entsch. v. 6.5.2021 - Vf. 37-IVa-21 -, juris Rn. 44); ein Bekenntnis für oder gegen eine bestimmte politische Ausrichtung ist damit nicht verbunden. Im Übrigen besteht nach Ziffer 2 der streitgegenständlichen Anordnung die Möglichkeit, sich aus gesundheitlichen Gründen vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreien zu lassen, wenn eine entsprechende medizinische Indikation im Einzelfall tatsächlich bestehen sollte.
IV.
Die Anträge werden nach § 12 Abs. 1 NStGHG in Verbindung mit § 24 Satz 1 BVerfGG ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss des Staatsgerichtshofs verworfen.
C.
Das Verfahren ist nach § 21 Abs. 1 NStGHG kostenfrei, Auslagen der Beteiligten werden gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 NStGHG nicht erstattet.