Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.10.2020, Az.: 5 K 162/19

Veranlagung eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Mitglieds des Verwaltungsausschusses eines berufsständischen Versorgungswerks zur Umsatzsteuer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.10.2020
Aktenzeichen
5 K 162/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 70499
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die umsatzsteuerliche Behandlung der Tätigkeit eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Mitglieds des Verwaltungsausschusses eines berufsständischen Versorgungswerks in den Jahren 2012 bis 2016 streitig.

I.

Die Klägerin wurde zur Sicherung der Kammerangehörigen im Alter und bei Berufsunfähigkeit sowie zur Sicherung der Hinterbliebenen errichtet (sog. berufsständisches Versorgungswerk). Sie erzielte in den Streitjahren unter anderem sowohl umsatzsteuerpflichtige als auch umsatzsteuerfreie Vermietungsumsätze.

Die Klägerin ist eine Einrichtung der ..., einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dennoch ist die Klägerin teilrechtsfähig und kann im Rechtsverkehr unter ihrem eigenen Namen handeln, klagen und verklagt werden. Sie verwaltet ein eigenes Vermögen, das nicht für Verbindlichkeiten der Kammer haftet. Sie wird gerichtlich und außergerichtlich durch das vorsitzende Mitglied des Verwaltungsausschusses vertreten.

Die Organe der Klägerin sind die Kammerversammlung, der Aufsichtsausschuss, der Verwaltungsausschuss und die Geschäftsführung.

Zu den Aufgaben des Aufsichtsausschusses gehört die Aufstellung von Richtlinien für die Verwaltung der Klägerin, Prüfung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Risikolage, Aufstellung von Richtlinien für die Kapitalanlage der Klägerin, Beschlussfassung über Erwerb, Veräußerung und Bebauung von Grundstücken.

Der Verwaltungsausschuss leitet die Klägerin und bedient sich dabei einer Geschäftsführung. Die Geschäftsführung besorgt die Angelegenheiten der Klägerin nach Weisung des Verwaltungsausschusses. Der Verwaltungsausschuss ist für die Durchführung der Beschlüsse der Kammerversammlung und des Aufsichtsausschusses verantwortlich. Der Verwaltungsausschuss besteht aus vier der Kammer angehörenden Mitgliedern und drei weiteren sog. nichtberufsständischen Mitgliedern.

Die Kammerversammlung wählt den Vorsitzenden, den stellvertretenden Vorsitzenden und zwei weitere ehrenamtliche Mitglieder sowie die nichtberufsständischen Mitglieder des Verwaltungsausschusses jeweils für die Dauer von fünf Jahren. Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses können nicht gleichzeitig Mitglieder des Aufsichtsausschusses sein. Der Verwaltungsausschuss fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder.

Die Tätigkeit der berufsständischen Mitglieder des Verwaltungsausschusses ist ehrenamtlich. Aufwandsentschädigungen und Kostenerstattungen werden durch Beschluss der Kammerversammlung festgelegt. Über die Höhe der Entschädigung der nichtberufsständischen Mitglieder des Verwaltungsausschusses entscheidet der Aufsichtsausschuss.

In den Streitjahren setzte sich die Entschädigung der nichtberufsständischen Mitglieder des Verwaltungsausschusses aus einer pauschalen Aufwandsentschädigung sowie für die Teilnahme an Sitzungen/Tagungen aus einem Sitzungsgeld, einer (zusätzlichen) Entschädigung für zeitliche Inanspruchnahme (Zeitverlust) durch die jeweilige Sitzung/Tagung und aus einem Fahrt- bzw. Reisekostenersatz für Tätigkeiten im Verwaltungsausschuss sowie Teilnahme an sonstigen Sitzungen in Höhe von 0,70 € je km zusammen.

II.

Im Rahmen einer aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 7. Juni 2017 durchgeführten Außenprüfung beanstandete der Außenprüfer unter anderem die umsatzsteuerliche Behandlung der Tätigkeit des nichtberufsständischen Mitglieds des Verwaltungsausschusses, Herrn A, dessen Wohnsitz sich in den Streitjahren im übrigen Gemeinschaftsgebiet befand.

In den Streitjahren erhielt A die nachfolgend aufgeführten Beträge:

...

Der nicht unerhebliche Auslagen- und Fahrtkostenersatz resultierte aus den Flugkosten, Hotelübernachtungen sowie der Inanspruchnahme entgeltlicher Parkmöglichkeiten aufgrund des weit entfernten Wohnortes des A.

Nach Auffassung des Außenprüfers seien die an A geleisteten Zahlungen bei der Klägerin vollständig der Umsatzsteuer zu unterwerfen, weil es sich bei dessen Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Klägerin um eine im Inland steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung handele, für die die Klägerin aufgrund der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers A im übrigen Gemeinschaftsgebiet die Umsatzsteuer als Leistungsempfängerin nach § 13b Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) schulde. Da A aber im Verwaltungsausschuss für Finanzanlagen zuständig sei, bestünde kein zusätzlicher Vorsteuerabzug.

Während die Klägerin die Auffassung vertrat, die an A geleisteten Zahlungen seien nach § 4 Nr. 26 Buchst. a) oder b) UStG steuerfrei, gelangte der Außenprüfer zu der Auffassung, die Zahlungen seien nicht steuerbefreit. Insbesondere seien die Leistungen nicht steuerbefreit, weil A in den Streitjahren nicht ehrenamtlich tätig geworden sei und die Klägerin einen Betrieb gewerblicher Art unterhalten habe sowie die gezahlten Vergütungen zu hoch gewesen seien. Für weitere Einzelheiten nimmt der Senat auf die ausführliche Darstellung des Außenprüfers in dem geänderten BP-Bericht vom 2. Februar 2018 Bezug. Hinsichtlich der anderen ausschließlich in Deutschland ansässigen Mitglieder des Verwaltungsausschusses übersandte der Außenprüfer entsprechende Kontrollmitteilungen an die für deren Besteuerung zuständigen Finanzämter.

Das beklagte Finanzamt schloss sich der Auffassung des Außenprüfers an und änderte daraufhin die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre jeweils durch Änderungsbescheide vom 13. März 2018.

III.

Nachdem das beklagte Finanzamt den hiergegen am 16. April 2018 eingelegten Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2019 als unbegründet zurückgewiesen hat, verfolgt die Klägerin ihr Einspruchsbegehren mit ihrer am 12. August 2019 erhobenen Klage weiter. Ihres Erachtens sei die Tätigkeit des A schon nicht steuerbar, zumindest aber steuerbefreit.

Zunächst weist die Klägerin darauf hin, dass der Betätigungsumfang von A für die Klägerin im Rahmen seiner Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsausschusses in den Streitjahren jeweils rund zehn bis zwölf Wochenstunden betragen habe. Bei rund 50 Kalenderwochen ergebe sich pro Jahr damit ein Gesamtstundenaufwand von 500 bis 600 Stunden. Auf die begründende Darstellung der Klägerin in der Klagebegründung vom 8. Oktober 2019 nimmt der Senat insoweit Bezug.

Nach Auffassung der Klägerin sei A als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Klägerin im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 13. Juni 2019 in dem Verfahren C-420/18 bereits nicht als Unternehmer anzusehen. Nach dieser Entscheidung übten Aufsichtsratsmitglieder keine selbständige Tätigkeit aus. Entscheidend sei insoweit, dass Aufsichtsratsmitglieder weder in eigenem Namen noch für eigene Rechnung und nicht in eigener Verantwortung tätig würden sowie das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit nicht trügen. Auch die Mitglieder des Verwaltungsausschusses der Klägerin betätigten sich weder im eigenen Namen noch auf eigene Rechnung. Die dem Verwaltungsausschuss übertragenen Befugnisse könnten die Verwaltungsausschussmitglieder auch nicht individuell ausüben. Die Beschlüsse des Verwaltungsausschusses müssten mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder gefasst werden. Daher könne A keine Entscheidungen für die Klägerin alleine treffen. Er könne keine Leitungsfunktion wahrnehmen und sei nicht einzelvertretungsbefugt. Er handele daher nicht selbständig.

Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses tragen nach Auffassung der Klägerin auch kein wirtschaftliches Risiko. Zwar bezögen die Mitglieder des Verwaltungsausschusses der Klägerin nicht ganz ausschließlich eine feste Entschädigung, die von der Teilnahme von Sitzungen unabhängig ist. Nennenswerten Einfluss auf ihre Einnahmen oder Ausgaben hätten die Verwaltungsausschussmitglieder aber nicht. Der Großteil der vereinnahmten Gelder von rund 70 - 80 % der Gesamtentschädigung bestehe ersichtlich aus einer pauschalen Aufwandsentschädigung. Die Auslagenerstattungen seien insofern nicht von Relevanz. Solchen Auslagenersatz habe auch der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 27. November 2019 in dem Verfahren V R 23/19 im Nachgang zur Entscheidung des EuGH nicht in seine Bewertung dafür einbezogen, ob das Aufsichtsratsmitglied ein Vergütungsrisiko trage. Zwar habe der BFH nicht darüber entscheiden müssen, in welcher Höhe Sitzungsgelder schädlich sein könnten. Soweit allerdings der Großteil der Gelder nicht variabel sei, werde man nach Auffassung der Klägerin ein Vergütungsrisiko ablehnen müssen. Überdies sei die Anzahl der Sitzungen des Verwaltungsausschusses der Klägerin weitestgehend vorherbestimmt und jedenfalls nicht von den einzelnen, einfachen Mitgliedern des Verwaltungsausschusses frei bestimmbar. Außerdem habe eine von einem Verwaltungsausschussmitglied in Ausübung der Tätigkeit begangene Fahrlässigkeit keine unmittelbaren Auswirkungen auf dessen Entschädigung. Daher sei faktisch auch gar kein Vergütungsrisiko gegeben.

Sofern die Unternehmereigenschaft des A bejaht werden sollte, lägen allerdings die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 Buchst. a) UStG vor. Entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamtes habe die Klägerin den Status einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Sie sei der mittelbaren Staatsverwaltung zuzuordnen, übe eine hoheitliche Tätigkeit aus und verfüge über den Status der Selbständigkeit und sei deshalb selbst als juristische Person des öffentlichen Rechts zu qualifizieren. Hilfsweise sei die Tätigkeit auch nach § 4 Nr. 26 Buchst. b) UStG steuerfrei, weil der Ehrenamtsbegriff kraft Gesetzes erfüllt sei und das Entgelt nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis bestünde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf die ausführliche Klagebegründung vom 8. Oktober 2019 Bezug.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Umsatzsteuer 2012 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom 13.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.07.2019 um ... € auf ... € herabzusetzen,

die Umsatzsteuer 2013 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom 13.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.07.2019 um ... € auf ... € herabzusetzen,

die Umsatzsteuer 2014 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom 13.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.07.2019 um ... € auf ... € herabzusetzen,

die Umsatzsteuer 2015 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom 13.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.07.2019 um ... € auf ... € herabzusetzen und

die Umsatzsteuer 2016 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom 13.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.07.2019 um ... € auf ... € herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung des Finanzamtes könne die Entscheidung des EuGH nicht auf den vorliegenden Streitfall übertragen werden, weil A zu wesentlichen Teilen auch tätigkeitsbezogene Vergütungen (Sitzungsgelder und Entschädigungen für Zeitverlust) erhalten habe, die teilnahmebedingt seien und zwischen 14% und 20% seiner Vergütung in den Streitjahren ausgemacht hätten. Er trage daher ein wirtschaftliches Risiko.

Die vorgenannte Entscheidung des EuGH könne nach Auffassung des Finanzamtes auch als eine Einzelfallentscheidung zum niederländischen Umsatzsteuerrecht ohne Auswirkungen auf das deutsche Umsatzsteuerrecht angesehen werden. § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG spreche für die grundsätzliche Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds. Denn es bedürfe schließlich keiner Ortsbestimmung einer Leistung, die mangels Unternehmereigenschaft des Leistenden bereits nicht steuerbar wäre. Insoweit sehe das niederländische Umsatzsteuerrecht auch gegenwärtig keine Vorschrift vor, die jener des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG entspräche.

Auch die historische Entwicklung der Besteuerung von Aufsichtsratsvergütungen widerspreche der Entscheidung des EuGH. Bereits das erste deutsche Umsatzsteuergesetz habe in § 2 Nr. 7 UStG 1918 in Verbindung mit § 63 des Reichsstempelgesetzes eine Steuerbefreiung für Leistungen von Aufsichtsratsmitgliedern vorgesehen, die eine Kollision mit der damals erhobenen Aufsichtsratssteuer und eine daraus resultierende Doppelbesteuerung vermeiden sollte. Nachdem die Aufsichtsratssteuer aufgehoben worden sei und jene Gefahr der Doppelbesteuerung nicht mehr bestanden habe, habe der deutsche Gesetzgeber 1967 auch die entsprechende Umsatzsteuerbefreiung aufgehoben. Dies verdeutliche, dass der deutsche Gesetzgeber seit jeher von der Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds auszugehen scheine und entsprechende Leistungen besteuert wissen wolle.

Im Übrigen handele es sich bei A auch gar nicht um ein Mitglied eines Aufsichtsrats, sondern um ein Verwaltungsratsmitglied. Der BFH habe für einen Vereinsvorstand aber bereits entschieden, dass Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen, die ein Mitglied des Vereinsvorstands gegenüber dem Verein gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erbringe, steuerbar seien. Eine ehrenamtliche Tätigkeit sei im Hinblick auf den Umfang der Tätigkeit und der Höhe der gezahlten Vergütung verneint worden.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin daher in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Das beklagte Finanzamt hat die Klägerin zu Unrecht als Steuerschuldnerin für die von A als Mitglied des Verwaltungsausschusses erbrachten Leistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG in Anspruch genommen, denn die Tätigkeit des A als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Klägerin stellt bereits keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuerrechts dar. A ist insoweit nicht Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG beziehungsweise Steuerpflichtiger im Sinne der Art. 9 und Art. 10 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).

a) Nach den nationalen Vorschriften ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ein Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Gewerblich oder beruflich ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind.

Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL, wonach als Steuerpflichtiger gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt. Als wirtschaftliche Tätigkeit gelten nach Absatz 2 Satz 1 dieser Vorschrift alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL).

Art. 10 MwStSystRL bestimmt, dass die selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung ausschließt, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.

b) Während nach der Rechtsprechung des BFH Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer juristischer Personen - ohne das es auf deren Organstellung ankäme - selbständig tätig sein können, wenn sie ihre Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung erbringen und im Rahmen der erforderlichen Abwägung der für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abzuwägen sind, wobei das Merkmal des Unternehmerrisikos in der Form des Vergütungsrisikos von besonderem Gewicht ist (vgl. zu alledem BFH-Urteil vom 10. März 2005 V R 29/03, BStBl. II 2005, 730 m.w.N. sowie BFH-Beschlüsse vom 10. November 2011 V B 6/11, BFH/NV 2012, 459 und vom 8. September 2005 V B 47/05, BFH/NV 2006, 622), wurde die als Mitglied eines Aufsichtsrats einer AG gegen Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung auch nach der unionsrechtlichen Harmonisierung durch Art. 9 und Art. 10 MwStSystRL seit jeher als selbständige Tätigkeit eines Unternehmers angesehen, ohne dabei nach der weiteren Ausgestaltung oder den Begleitumständen dieser Tätigkeit zu unterscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 32/08, BStBl. II 2010, 88 m.w.N.). Die fehlende Unselbständigkeit wurde allein aus dem Umkehrschluss zu § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG abgeleitet, weil die Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG keinen Weisungen unterlägen und deswegen in keinem Unterordnungsverhältnis zu der Gesellschaft stünden (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BStBl. II 2008, 912). Ebenso sollen die Mitglieder des Beirats einer Kommanditgesellschaft sowie Mitglieder einer an Weisungen nicht gebundenen Kommission selbständig handeln (vgl. BFH-Urteile vom 24. August 1994 XI R 74/93, BStBl. II 1995, 150 und vom 29. Juni 2000 V R 28/99, BStBl. II 2000, 597). Dieser Rechtsauffassung hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (vgl. Abschn. 2.2 Abs. 2 Satz 7 und Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE)). Lediglich für den Ausnahmefall, dass das Aufsichtsratsmitglied nicht gewählt, sondern als Beamter oder anderer Bediensteter einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat entsendet wird, soll keine Selbständigkeit vorliegen. In diesen Fällen soll die Aufsichtsratstätigkeit in einem so engen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen, dass sie als Teil der unselbständigen Tätigkeit angesehen wird (OFD Frankfurt/M. vom 4. Oktober 2013 S 7100 A - 287 - St 110, DStR 2014, 428).

c) Demgegenüber hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner - aufgrund eines niederländischen Vorabentscheidungsersuchen ergangenen - Entscheidung vom 13. Juni 2019 in der Rechtssache IO (C-420/18, DStR 2019, 1396 [FG Hessen 10.07.2018 - 2 K 406/16]) entschieden, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats einer niederländischen Stiftung, der zwar hinsichtlich der Ausübung seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat dieser Stiftung hierarchisch untergeordnet ist, jedoch nicht in eigenem Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, sondern für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und auch nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt, da er eine feste Vergütung erhält, die weder von der Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängt, nicht selbständig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

Nach den Entscheidungsgrundsätzen sei nach unionsrechtlichen Maßstäben im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrats einer Stiftung zunächst zu prüfen, ob die in Rede stehende Tätigkeit wirtschaftlicher Natur sei, d. h. nachhaltig und gegen Entgelt ausgeübt werde, das derjenige erhalte, der die Leistung erbringe, bevor weiter zu klären sei, ob sie selbständig ausgeübt werde. Um feststellen zu können, ob eine Tätigkeit selbständig ausgeübt werde, sei sodann in einem ersten Schritt zu prüfen, ob eine Person nach Art. 10 MwStSystRL als Lohn- oder Gehaltsempfänger oder als sonstige Person, die an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sei, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung begründe, von der Besteuerung ausgeschlossen sei. Fehle es aber an einem solchen Unterordnungsverhältnis hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, sei in einem zweiten Schritt anhand Art. 9 MwStSystRL zu prüfen, ob eine Tätigkeit selbständig ausgeübt werde. Insoweit sei nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des EuGH maßgebend, ob sich diese Person bei der Ausübung dieser Tätigkeit in einem Unterordnungsverhältnis befände. Für die Beurteilung des Vorliegens dieses Unterordnungsverhältnisses sei zu prüfen, ob der Betroffene seine Tätigkeiten im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübe und ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeiten einhergehende wirtschaftliche Risiko trage. Zur Feststellung der Selbständigkeit der in Rede stehenden Tätigkeiten habe der Gerichtshof daher das Fehlen jeglichen hierarchischen Unterordnungsverhältnisses berücksichtigt sowie den Umstand, dass die betreffende Person für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung gehandelt, dass sie die Modalitäten der Ausübung ihrer Arbeit frei geregelt und dass sie das Entgelt selbst vereinnahmt haben.

Hinsichtlich der Ausübung der im Ausgangsverfahren der EuGH-Entscheidung in Rede stehende Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied einer Stiftung habe zwar kein hierarchisches Unterordnungsverhältnis gegenüber dem Vorstand und dem Aufsichtsrat dieser Stiftung bestanden. Allerdings habe das Aufsichtsratsmitglied in der Ausübung seiner Aufgaben als Mitglied des Aufsichtsrats der Stiftung weder in eigenem Namen noch für eigene Rechnung oder in eigener Verantwortung gehandelt, da die Tätigkeit als Mitglied dieses Aufsichtsrats in bestimmten Fällen in der rechtlichen Vertretung der Stiftung bestanden habe, was die Befugnis impliziert habe, die Stiftung insoweit zu verpflichten. Insbesondere hätten die Aufsichtsratsmitglieder die dem Aufsichtsrat übertragenen Befugnisse nicht individuell ausüben und nur für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handeln können. Daher habe sich erwiesen, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats der Stiftung individuell weder die Verantwortung getragen hätten, die sich aus den in gesetzlicher Vertretung der Stiftung vorgenommenen Handlungen des Aufsichtsrats ergeben, noch für Schäden gehaftet hätten, die sie Dritten in Wahrnehmung ihrer Aufgaben verursachen, und damit nicht in eigener Verantwortung gehandelt hätten. Die Situation eines solchen Aufsichtsratsmitglieds habe sich außerdem im Gegensatz zu der eines Unternehmers dadurch ausgezeichnet, dass mit der ausgeübten Tätigkeit keinerlei wirtschaftliches Risiko einhergegangen sei. Darüber hinaus habe das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Aufsichtsratsmitglied im Unterschied zu einem Unternehmer auch keinen nennenswerten Einfluss auf seine Einnahmen und Ausgaben ausgeübt, sofern er eine feste Vergütung bezogen habe, die weder von seiner Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig gewesen sei. Bei einer Person, die kein derartiges wirtschaftliches Risiko trage, könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL selbständig ausgeübt habe.

d) Hierauf hat sich der BFH unter Einschränkung seiner bisherigen Rechtsprechung der Rechtsprechung des EuGH für den Fall angeschlossen, dass das Mitglied des Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen - und von fahrlässigem Verhalten nicht beeinflussbaren - Festvergütung, kein wirtschaftliches Risiko trage (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 2019 V R 23/19 (V R 62/17), DStR 2020, 279). In welchen anderen Fällen die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats demgegenüber weiterhin als unternehmerisch ausgeübt anzusehen sein könne, hatte der erkennende V. Senat nach den Verhältnissen des Streitfalles nicht zu entscheiden gehabt.

e) Darüber hinaus hat bereits der erkennende Senat unter Anwendung der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache IO in seinem rechtskräftigen Urteil vom 19. November 2019 zum Aktenzeichen 5 K 282/18 entschieden, dass auch der Vorsitzende des Verwaltungsrats eines berufsständischen Versorgungswerkes mit dieser Tätigkeit nicht der Umsatzsteuer unterliegt (EFG 2020, 1012).

Nach den Entscheidungsgründen habe der Verwaltungsratsvorsitzende zwar als solcher nachhaltig und entgeltlich gehandelt, mithin eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der MwStSystRL ausgeübt. Er sei jedoch insoweit nicht selbständig tätig geworden. Dies ergebe sich zwar nicht bereits aus Art. 10 MwStSystRL, weil nach den Umständen dieser Entscheidung nicht ersichtlich gewesen sei, dass hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrats ein hierarchisches Unterordnungsverhältnis gegenüber der Delegiertenversammlung oder dessen Verwaltungsrat bestanden habe. Entsprechend des Tätigkeitsbilds des Aufsichtsratsmitglieds der niederländischen Stiftung in der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache IO sei der Verwaltungsratsvorsitzende als solcher aber nicht im eigenen Namen und nicht für eigene Rechnung tätig geworden. Vielmehr habe er das Versorgungswerk nach außen vertreten und die erforderlichen Entscheidungen mit den übrigen Mitgliedern des Verwaltungsrates im Kollektiv getroffen. Insbesondere habe der Verwaltungsratsvorsitzende als solcher auch kein unternehmerisches Risiko getragen, da er weder individuell die Verantwortung, die sich aus den in gesetzlicher Vertretung des berufsständischen Versorgungswerkes vorgenommenen Handlungen des Verwaltungsrates ergaben, zu tragen hatte, noch habe er persönlich für Schäden, die er ggf. Dritten in weisungsgemäßer Ausführung der Beschlüsse des Verwaltungsrates zufüge, gehaftet. Darüber hinaus habe er im Wesentlichen eine feste monatliche Vergütung bezogen, die weder von der tatsächlichen Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig gewesen sei. Den gezahlten Reisekostenersatz ließ der erkennende Senat dabei - wie auch der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 27. November 2019 - unberücksichtigt, da eine solche Erstattung wegen den entsprechenden Reisekosten im Wesentlichen einem durchlaufenden Posten entsprochen habe. Ebenso haben die von der Teilnahme an den Sitzungen des Verwaltungsrates abhängigen Sitzungsgelder nichts an der Wertung des erkennenden Senats wegen deren geringer Höhe und des Umstands, dass die Anberaumung von Sitzungen des Verwaltungsrates nicht der freien Verfügung des Verwaltungsratsvorsitzenden unterlegen habe, geändert.

Dieser Entscheidung habe nach Auffassung des erkennenden Senats auch nicht entgegengestanden, dass der Verwaltungsrat das regelmäßige Leitungsorgan des berufsständischen Versorgungswerk gewesen sei, während der EuGH in der Rechtssache IO über die Tätigkeit eines Mitglieds des Aufsichtsrats einer vom Vorstand geführten Stiftung entschieden habe, bei der der Aufsichtsrat die Tätigkeit des Vorstands lediglich überwacht habe und nur ausnahmsweise unter bestimmten Umständen selbst geschäftsführend und vertretend habe tätig werden können. Denn sowohl das Mitglied eines Leitungsgremiums als auch das Mitglied eines Überwachungsgremiums haben einem Kollektivorgan angehört und seien für dieses tätig geworden.

f) Im vorliegenden Streitfall ist entsprechend den vorgenannten Rechtsgrundsätzen auch A als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht selbständig tätig, denn zumindest entspricht seine Stellung im Hinblick auf die unionsrechtliche Selbständigkeit seiner Tätigkeit derjenigen des Klägers im Ausgangsverfahren der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache IO sowie derjenigen des Klägers in der Entscheidung des erkennenden Senats vom 19. November 2019.

aa) Allerdings ist nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, dass A im Streitfall - anders als das Mitglied eines Aufsichtsrats - nicht dem Überwachungsgremium, sondern dem Verwaltungsausschuss, mithin dem Leitungsgremium des berufsständischen Versorgungswerks, angehört. Denn in beiden Fällen handelt es sich einerseits um ein Kollektivorgan, und weder EuGH noch BFH haben darauf abgestellt, ob das Kollektivorgan, dem das Mitglied angehört, Leitungsfunktionen wahrnimmt. Entscheidend ist vielmehr, dass das Kollektivorgan seine Leitungs- oder Überwachungsfunktion im kollektiven Zusammenwirken wahrnimmt und die einzelnen Mitglieder - wie im Streitfall - alleine keine Leitungsfunktion wahrnehmen können (so auch Küffner/Kirchinger, UR 2020,190). Andererseits ist entgegen den Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH nicht entscheidungserheblich, dass im Regelfall nur die Mitglieder eines Aufsichtsrats ihrerseits gegenüber der juristischen Person, der sie angehören, weisungsunabhängig sind. Denn sowohl nach der Systematik des § 2 UStG als auch der Art. 9 und Art. 10 MwStSystRL treffen § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG und Art. 10 MwStSystRL lediglich eine negative Abgrenzung dahingehend, dass eine Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt wird, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmens zu folgen verpflichtet sind beziehungsweise die selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung ausschließt, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitsgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft. Nach den Entscheidungsgründen der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache IO kann - entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - die Weisungsunabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds allerdings nicht im Umkehrschluss aus der negativen Abgrenzung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zur Begründung einer Selbständigkeit im umsatzsteuerlichen Sinne führen (so auch Vobbe/Stelzer, DStR 2020, 1089).

bb) Insbesondere ist A aber nicht bereits nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG beziehungsweise Art. 10 MwStSystRL als nichtselbständig anzusehen, weil nach den Umständen des Streitfalls nicht ersichtlich ist, dass hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Klägerin ein hierarchisches Unterordnungsverhältnis gegenüber der Kammerversammlung der Klägerin oder deren Verwaltungsausschuss besteht.

cc) Vielmehr folgt dieses Ergebnis daraus, dass A nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sowohl nach nationalem als auch nach Unionsrecht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsausschusses kein wirtschaftliches Risiko trägt.

(1) A erhielt für seine Tätigkeit für die Klägerin in deren Verwaltungsausschuss im Wesentlichen eine feste monatliche Vergütung, die weder von der tatsächlichen Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhing. Diesbezüglich vermag der Senat kein Vergütungsrisiko für A zu erkennen. Im Rahmen dieser Betrachtung haben die nicht unerheblichen Reisekostenerstattungen an A unberücksichtigt zu bleiben, da diese wegen der durch A entsprechend verausgabten Reisekosten im Wesentlichen den Charakter von durchlaufenden Posten haben und daher nicht Merkmal des Unternehmerrisikos in der Form des Vergütungsrisikos sein können.

Die daneben an A als Mitglied des Verwaltungsausschusses gezahlten Sitzungsgelder und die Entschädigung für zeitliche Inanspruchnahme (Zeitverlust) durch die Sitzungen des Verwaltungsausschusses können ebenfalls das für die Annahme der umsatzsteuerlichen Selbständigkeit erforderliche wirtschaftliche Risiko nicht begründen. Insbesondere die im geringen Umfang gezahlten Sitzungsgelder sind bereits eher als pauschaler Auslagenersatz anzusehen und sollen insoweit den Teil der Aufwendungen von A abdecken, der nicht als Auslagenersatz durch Belege nachgewiesen werden kann (vgl. auch Feldt, MwStR 2020, 394). Demgegenüber mag die in den Streitjahren an A gezahlte Entschädigung für seine zeitliche Inanspruchnahme durch die Sitzungen des Verwaltungsausschusses aufgrund ihrer Höhe zwar nicht mehr von unerheblicher Bedeutung sein. Gleichwohl können sowohl die gezahlten Sitzungsgelder als auch die nicht unerhebliche Entschädigung für Zeitverlust im Streitfall aufgrund des Umstands, dass die Anberaumung von Sitzungen des Verwaltungsausschusses nicht der freien Verfügung des A unterlag, nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Denn das für die Annahme eines wirtschaftlichen Risikos erforderliche Vergütungsrisiko erfordert einen - im Streitfall nicht erkennbaren - nennenswerten Einfluss von A auf seine Einnahmen. Ein veritables Risiko, wie es für selbständig handelnde Unternehmer typisch ist, liegt nur vor, sofern A in den Streitjahren ein Mindestmaß an Einfluss auf seine Vergütungshöhe hatte. Allerdings konnte A zumindest nach der in den Streitjahren geltenden [...] nicht selbstbestimmt Einfluss auf die Anzahl der Sitzungstage und damit der Höhe seiner Sitzungsgelder und Entschädigungen für Zeitverlust nehmen und hatte damit gerade keinen nennenswerten Einfluss auf den variablen Teil seiner Vergütung.

(2) Darüber hinaus trug A aber auch weder individuell die Verantwortung, die sich aus den vorgenommenen Handlungen des Verwaltungsausschusses ergab, noch haftete er persönlich für Schäden, die er ggf. Dritten in weisungsgemäßer Ausführung der Beschlüsse des Verwaltungsausschusses zufügte. Seine persönliche Einstandspflicht entspricht daher schon nicht dem wirtschaftlichen Risiko eines selbständig und eigenverantwortlich tätigen Unternehmers, soweit sie jedenfalls nicht über diejenigen eines Arbeitnehmers hinausgeht. Insoweit kann dahinstehen, dass nach den Umständen des Streitfalles selbst eine persönliche Verantwortung von A für solche Schäden, die er der Klägerin oder Dritten zufügt, keinen unmittelbaren Einfluss auf seine Vergütung hat.

cc) Nachdem A als Mitglied des Verwaltungsausschusses hiernach bereits wegen des fehlenden wirtschaftlichen Risikos nicht als selbständig im umsatzsteuerlichen Sinne anzusehen ist, kann dahinstehen, inwieweit er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig wurde. Zwar hat A ebenfalls nur als Mitglied des Leitungsgremiums eines berufsständischen Versorgungswerks und somit - ähnlich des Klägers in dem Ausgangsverfahren der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache IO - gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern des Kollektivorgans die für die Führung des berufsständischen Versorgungswerks erforderlichen Entscheidungen getroffen. Im Zusammenhang mit der Vereinnahmung der streitgegenständlichen Vergütungen für die Tätigkeit im Verwaltungsausschuss kommt es für die umsatzsteuerliche Beurteilung allerdings ausschließlich auf die hier in Rede stehende Leistungsbeziehung zwischen A und der Klägerin an und im Zusammenhang mit der Bestellung von A zum Mitglied des Verwaltungsausschuss ist dieser gegenüber der Klägerin selbstverständlich in eigenen Namen und auch auf eigene Rechnung tätig geworden (vgl. auch insoweit die kritische Anmerkung von Heidner, DB 2020, 470).

dd) Entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamts spricht auch nicht die steuersystematische Auslegung im Kontext der besonderen Ortsbestimmungsregelung für die Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG für eine grundsätzliche Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern. Diese Vorschrift enthält lediglich eine besondere Ortsbestimmungsvorschrift, wenn und soweit ein Aufsichtsratsmitglied als umsatzsteuerlicher Unternehmer einzuordnen ist. Hieraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass ein Aufsichtsratsmitglied stets als Unternehmer anzusehen sei. Im Übrigen ist A auch gar kein Aufsichtsratsmitglied.

ee) Daneben kann das beklagte Finanzamt die generelle Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern beziehungsweise A im Streitfall auch nicht aus dem historischen Kontext der umsatzsteuerlichen Behandlung von Aufsichtsratsmitgliedern nach nationalem Recht herleiten, nachdem das nationale Recht durch die europäische Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern aufgrund der sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 abgelöst wurde.

ff) Die Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern bzw. von A lässt sich auch nicht unter Bezugnahme auf die Protokollerklärung zu Art. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern herleiten (so wohl aber Vobbe/Stelzer, MwStR 2019, 932 und DStR 2020, 1089). Hiernach sollen der Rat und die Kommission erklärt haben, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, die ehrenamtliche Tätigkeit sowie die Tätigkeit von Geschäftsführern, Verwaltern, Aufsichtsratsmitgliedern und Liquidatoren nicht der Steuer zu unterwerfen (zitiert nach Wachweger, 6. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern in den Europäischen Gemeinschaften, S. 27). Die Protokollerklärungen zur Sechsten Richtlinie werden durch deren Aufhebung aufgrund der MwStSystRL entsprechend einer erneuten Protokollerklärung von Rat und Kommission auch nicht berührt und gelten somit fort (BMF-Schreiben vom 11. Januar 2007 IV A 2 - S 7056 - 6/07, UR 2007, 178). Allerdings können derartige Verlautbarungen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung einer sekundärrechtlichen Vorschrift - wie der MwStSystRL - nicht herangezogen werden, wenn sie - wie im Streitfall - in den Vorschriften des abgeleiteten Rechts keinen Ausdruck gefunden haben (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Juni 2000 C-375/98 Epson Europe, FR 2000, 882 und vom 26. Februar 1991 C-292/89 Antonissen, DB 1991, 1075 sowie Schlussanträge der Generalanwältin vom 30. April 2015 C-105/14, Celex-Nr. 62014CC0105). Daher kann dahinstehen, inwieweit es sich bei der Protokollerklärung zu Art. 4 der Sechsten Richtlinie lediglich um eine Klarstellung im Interesse derjenigen Mitgliedstaaten handelt, die die vorgenannten Tätigkeiten nicht besteuern (Stadie, in Rau/Dürwächter, UStG, § 2 Rz. 61.2).

2. Nach alledem war die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Tätigkeit des A gegenüber dem berufsständischen Versorgungswerk nach § 4 Nr. 26 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist, nicht entscheidungserheblich.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 2 Nr. 3, § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.