Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 25.08.2022, Az.: 6 B 1081/22
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 25.08.2022
- Aktenzeichen
- 6 B 1081/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 29534
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2022:0825.6B1081.22.00
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Widerruf ihrer Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte am Standort H. -Straße I., J..
Am 30. Januar 2019 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin eine Erlaubnis gemäß § 12 des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) zum Betrieb einer Prostitutionsstätte unter der Anschrift H. -Straße I., J.. Die Erlaubnis wurde für drei Arbeitsräume erteilt. Bestandteil der Erlaubnis ist das von der Antragstellerin vorgelegte Betriebskonzept vom 15. Januar 2018 (Bl. 44 - 48 BA001) mit den Ergänzungen vom 9. Juli 2018 (Bl. 92 BA001). Die Erlaubnis wurde mit drei Auflagen erteilt:
1. Es ist bis zum 15.03.2018 ein Reinigungsplan zu erstellen. In diesem Plan ist aufzuführen, was, von wem, wie oft und mit welchen Reinigungsmitteln gereinigt wird.
2. In der Gästetoilette sind ab sofort Einmalhandtücher oder Hand-Luft-Duschen bereitzustellen.
3. Beim Whirlpool sind ab sofort regelmäßig Wasserproben durch ein akkreditiertes Labor durchzuführen. Die Untersuchungsbefunde sind dem Fachdienst Gesundheit beim Landkreis K. vierteljährlich zu übersenden.
Am 22. Januar 2022 veranlasste der Antragsgegner die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Antragstellerin und ihrer Geschäftsführerin gemäß § 15 Absatz 3 ProstSchG. Mit Schreiben vom 31. Januar 2022 informierte der Antragsgegner die Geschäftsführerin der Antragstellerin hierüber und bat um Vorlage aktueller Führungszeugnisse der Geschäftsführerin und weiterer im Betrieb beschäftigter Personen sowie um die Vorlage steuerlicher Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Die daraufhin von der Geschäftsführerin der Antragstellerin übersandten Führungszeugnisse ihrer Person und zwei weiterer Mitarbeiterinnen enthielten keine Eintragungen. Für die Antragstellerin und ihre Geschäftsführerin wurden steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes L. vom 5. April 2022 vorgelegt. Ein von dem Antragsgegner eingeholter Gewerbezentralregisterauszug enthielt keine Eintragungen, hinsichtlich der Antragstellerin und ihrer Geschäftsführerin lagen keine Insolvenzbekanntmachungen vor und die Polizeiinspektion M. teilte am 15. Februar 2022 mit, dass ihr keine Erkenntnisse hinsichtlich der Antragstellerin oder ihrer Geschäftsführerin vorlägen. Für die Geschäftsführerin der Antragstellerin lagen vier Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vor.
Am 13. Mai 2022 führte der Antragsgegner eine örtliche Überprüfung der Prostitutionsstätte in der H. -Straße I. durch. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom selben Tag, die anfertigen Lichtbilder und Skizzen, sowie auf den Vermerk des Antragsgegners vom 16. Mai 2022 verwiesen.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2022 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zum beabsichtigen Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte an. Zur Begründung führte er aus, dass bei der Vorortkontrolle am 13. Mai 2022 elf Verstöße festgestellt worden seien: In einem Whirlpool sei das Wasser verunreinigt gewesen (Nummer 1), in keinem Raum sei das Notrufsystem funktionsfähig und im Arbeitszimmer 3 sei das Telefon nicht funktionsfähig gewesen (Nummer 2), Räume für sexuelle Dienstleistungen würden auch als Schlaf- und Wohnräume genutzt (Nummer 3), der im Betriebskonzept beschriebene Betriebsablauf finde nicht statt (Nummer 4), es sei niemand anwesend, der das vereinnahmte Geld an die Prostituierten auszahlen könne (Nummer 5), den Prostituierten seien keine Quittungen und Mietverträge ausgehändigt worden und im Betrieb seien keine Angaben über anwesende Prostituierte vorgehalten worden (Nummer 6), es seien keine Einlasskontrollen durch Dritte erfolgt (Nummer 7), es seien keine Hygieneartikel und Kondome von der Antragstellerin zur Verfügung gestellt worden (Nummer 8), es seien Prostituierte tätig gewesen, die nicht über die erforderlichen Bescheinigungen nach den §§ 5 und 10 ProstSchG verfügten (Nummer 9), der Betrieb sei gegenüber der Erlaubnis um zwei weitere Arbeitszimmer erweitert worden (Nummer 10), wobei in einem dieser Arbeitszimmer kein Fenster und damit kein Fluchtweg bei Brandgefahr vorhanden sei (Nummer 11). Prostitutionsstätten müssten aber gemäß § 18 Absatz 1 Satz 1 ProstSchG nach ihrem Betriebskonzept sowie nach ihrer Lage, Ausstattung und Beschaffenheit den erforderlichen Anforderungen genügen. Erforderlich sei nach § 18 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 ProstSchG, dass die einzelnen, für sexuelle Dienstleistungen genutzten Räume über ein sachgerechtes Notrufsystem verfügten und nach § 18 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 ProstSchG, dass die für sexuelle Dienstleistungen genutzten Räume nicht zur Nutzung als Schlaf- oder Wohnraum bestimmt seien. Verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass diese Mindestanforderungen während des Betriebes eingehalten werden, sei gemäß § 18 Absatz 5 ProstSchG der Betreiber einer Prostitutionsstätte. Darüber hinaus sei das Betriebskonzept in mehreren Punkten nicht eingehalten worden.
Die Antragstellerin nahm am 16. Juni 2022 Stellung. Sie führte im Wesentlichen aus, dass die durchgeführte Vorortkontrolle durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegne, weil kein berechtigter Vertreter der Antragstellerin hinzugezogen worden sei. Die Prostitutionsstätte sei insbesondere auch am Tag der Vorortkontrolle am 13. Mai 2022 geschlossen gewesen, was dem Antragsgegner auch am selben Tag anlässlich der Kontrolle in einem anderen, von der Antragstellerin betriebenen Bordell, mitgeteilt worden sei. Es fänden Sanierungs- und Renovierungsarbeiten statt, die noch ca. 1-2 Wochen andauerten.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2022 widerrief der Antragsgegner die der Antragstellerin erteilte Erlaubnis zum Betrieb der Prostitutionsstätte in der H. -Straße I. in N. O. (Ziffer 1). Sie ordnete die sofortige Vollziehung an (Ziffer 2) und legte die Kosten des Verfahrens in Höhe von 360,00 Euro der Antragstellerin auf (Ziffer 3).
Zur Begründung berief sie sich auf die festgestellten elf Verstöße und führte ergänzend aus: Aus dem Internetauftritt des Betriebes sei entnommen worden, dass die Prostitutionsstätte von Montag bis Samstag in der Zeit von 13:00 Uhr bis 23:59 Uhr betrieben werde. Entsprechend sei der Betrieb am 13. Mai 2022 gegen 20:00 Uhr aufgesucht worden. Durch das geöffnete Küchenfenster habe man eine Frau gebeten, die Tür zu öffnen, da die Türklingel defekt gewesen sei. Die Tür sei nicht geöffnet worden. Auch eine telefonische Kontaktaufnahme sei gescheitert. Bei erneuter Anfahrt der Prostitutionsstätte gegen 21:45 Uhr habe die Prostituierte "Frau C." geöffnet, die nach eigener Aussage gerade von einem Hausbesuch bei einem Freier gekommen sei. Die Prostitutionsstätte sei dann mit Frau C. und Polizeibeamten begangen worden.
Eine Rücksprache mit dem Gesundheitsamt habe ergeben, dass seit längerer Zeit kein Untersuchungsbericht des Wassers im Whirlpool mehr vorgelegt worden sei. Dies sei aber gemäß Auflage 3 der Erlaubnis vom 30. Januar 2019 erforderlich. Es drohten Gesundheitsgefahren.
Am Tag der Vorortkontrolle hätten sich mindestens zwei Prostituierte in dem Betrieb aufgehalten und ihre Dienstleistungen angeboten. Neben dem Klingelschild sei die Handynummer einer Prostituierten angebracht gewesen, sodass von einem Normalbetrieb und nicht von einer Schließung des Betriebs aufgrund von Sanierungs-, Renovierungs- und Umbauarbeiten ausgegangen werde. Da keine fest angestellte Barfrau, die die Einlasskontrolle vorzunehmen gehabt habe, vor Ort gewesen sei, seien die Prostituierten schutzlos in den Räumlichkeiten aufhältig gewesen. Im Notfall hätten sie sich nur gegenseitig schützen können.
Da die Koffer der im Betrieb tätigen Frauen vorhanden gewesen seien, der Kühlschrank gefüllt, eine warme Mahlzeit zubereitet und die Einnahme regelmäßiger Mahlzeiten im Personalraum feststellbar gewesen seien, sei davon auszugehen, dass sich die Frauen bereits über Tage, gegebenenfalls auch Wochen oder Monate, in dem Betrieb aufgehalten hätten. "Echte Ruheräume" habe es für die Prostituierten nicht gegeben, sondern nur einen Personalbereich mit Sitzecke. Es sei deswegen davon auszugehen, dass die Prostituierten während ihres Aufenthalts im Betrieb die Arbeitsräume auch als Ruheraum genutzt hätten. Der Bar- und Tresenbereich sei nicht ausreichend beleuchtet und nicht nutzbar gewesen, weil dort das Gepäck einer Prostituierten gelagert worden sei. Insgesamt habe die Prostitutionsstätte einen dreckigen Eindruck in allen Zimmern hinterlassen. Der Reinigungs- und Desinfektionsplan werde offensichtlich nicht beachtet. Hinweise auf Sanierungs- oder Renovierungsarbeiten, z.B. zusammengestellte oder abgedeckte Möbel, ein Trittschutz oder herumstehende Werkzeuge, habe es bei der Vorortkontrolle nicht gegeben. Die vorgefundenen, leicht verderblichen Lebensmittel (frische Pilze, Lauchzwiebeln, Kohlköpfe, etc.) und benutzen Sektgläser wiesen nicht auf die von der Antragstellerin im Anhörungsverfahren behauptete Benutzung der Küche durch Bauarbeiter hin. Auch die Aufforderung neben dem Klingelschild, telefonisch einen Termin bei einer Prostituierten zu reservieren sei sinnfrei, sofern Bauarbeiten in der Prostituiertenstätte tatsächlich stattgefunden hätten. Dann hätte zumindest ein weiteres Schild angebracht sein müssen, dass der Betrieb aktuell geschlossen sei. Der Duschbereich in dem linken Zimmer des Anbaus sei noch nicht vollständig verfliest gewesen. Das Zimmer sei von Frau C. genutzt worden. In beiden Zimmern des Anbaus hätten die Duschwannen und Waschbecken gefehlt. In beiden Zimmern - auch in dem fensterlosen - seien große Doppelbetten aufgestellt gewesen, was der Darstellung der Antragstellerin widerspreche, der Raum sei als Abstellraum genutzt worden. Im Personalraum, im Arbeitsraum 1 und im linken Zimmer des Anbaus seien Damenschuhe und Damenkleidung - auch Unterwäsche - vorgefunden worden. Die Räume hätten insgesamt einen belebten und bewohnten Eindruck gemacht und seien offensichtlich zu Wohn- und Prostitutionszwecken genutzt worden.
Der Betriebsablauf finde nicht wie in Abschnitt IV Nummer 1 des Betriebskonzepts dargestellt statt (Erstkontakt im Bar- bzw. Tresenbereich, Verhandlung zwischen der Prostituierten und ihren Kunden über Dienstleistung und Preis, Zahlung in bar oder mit EC-Karte, unmittelbare Auskehrung der per EC-Gerät vereinnahmten Zahlungen an die Prostituierte), sondern der Erstkontakt und die Verhandlung erfolgten telefonisch zwischen der Prostituierten und dem Kunden. Bei Ankunft des Kunden werde dieser von der Prostituierten eingelassen und auf ihr Zimmer gebracht.
Frau C. habe auf wiederholte Nachfrage erklärt, dass Hygieneartikel und Kondome selbst beschafft werden müssten. In den Arbeitsräumen 2 und 3 seien keine Kondome vorhanden gewesen.
Gemäß § 24 Absatz 1 ProstSchG trage der Betreiber eines Prostitutionsgewerbes mindestens eine Mitverantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Personen, die in der Prostitutionsstätte tätig seien. Daraus folge eine Pflicht, sich aktiv um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der in seinem Betrieb tätigen Prostituierten zu kümmern. Es reiche dabei nicht aus, z. B. Hinweise zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz zu erteilen und im Übrigen auf die Eigenverantwortung der Betroffenen zu vertrauen. Die Einhaltung von Mindestanforderungen sei kein Service, den der Betreiber den Prostituierten gegenüber erbringe und der zwischen den Parteien verhandelbar sei. Der Betreiber müsse die von ihm ergriffenen Maßnahmen auf Wirksamkeit und Umsetzung laufend prüfen. Aufgrund der Vielzahl von Verstößen, gerade auch gegen das konzessionierte Betriebskonzept, sei die Erlaubnis zum Betrieb der Prostitutionsstätte zu widerrufen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei wegen der präventiven Schutzfunktion des Prostituiertenschutzgesetzes und aus Gründen des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der rechtlichen Vorgaben des Erlaubnisbescheides vom 30. Januar 2019 begründet. Es könne nicht hingenommen werden, dass einer Betreiberin einer Prostitutionsstätte, die nicht die rechtlichen Schutz- und Sicherungsanforderungen erfüllte und dadurch eine Gefahr für die in der Prostitutionsstätte tätigen Prostituierten und für die sich dort aufhaltenden Kunden darstelle, durch Inanspruchnahme verwaItungsrechtlichen Rechtsschutzes weiterhin die Möglichkeit der Weiterführung des Betriebs gewährt werde.
Die Antragstellerin hat am 28. Juli 2022 Klage gegen den Bescheid erhoben (Az.: P.), über die noch nicht entschieden wurde, und den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.
Zur Begründung macht sie geltend, dass während der von dem Antragsgegner vorgenommenen Vorortkontrolle am 13. Mai 2022 die Prostitutionsstätte - wie in den Tagen davor und auch danach und auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt - geschlossen gewesen sei. Ein Betrieb habe seinerzeit nicht stattgefunden und finde auch jetzt noch nicht wieder statt. Denn es erfolgten Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen. Die Wiedereröffnung des Betriebes sei spätestens zum 31. August 2022 geplant. Eine Anhörung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung sei unterblieben. Ihr Betriebskonzept halte sie stets ein und wenn es einmal nicht eingehalten worden sein sollte, rechtfertige dies nicht den Widerruf der Erlaubnis. Denn es stünden mildere Mittel zur Verfügung.
Sie verfüge über keine Homepage. Etwaige, über Google abrufbare Öffnungszeiten seien nicht von ihr autorisiert. Soweit der Antragsgegner den Betrieb um "kurz nach 20:00 Uhr" aufgesucht habe, sei dies keine übliche Geschäftszeit. Bereits aus der äußeren Anmutung und der verschlossenen und verschlossen gehaltenen Prostitutionsstätte habe sich dem Antragsgegner erschließen müssen, dass die Prostitutionsstätte nicht betrieben werde. Die vor Ort erlangten Aussagen Angetroffener seien nicht verwertbar, weil diese nicht über ihr Aussageverweigerungsrecht belehrt worden seien. Dem Antragsgegner seien die Kontaktdaten der Geschäftsführerin der Antragstellerin bekannt gewesen und er habe sie jederzeit kontaktieren können, dies aber nicht getan. Insofern könne sich der Antragsgegner auch nicht auf eine mangelnde Kooperationsbereitschaft berufen. Soweit Frau C. erklärt habe, sie komme gerade von einem Hausbesuch bei einem Freier, folge daraus gerade, dass Frau C. ihre Dienste nicht in den Räumen der Prostitutionsstätte angeboten habe. Die Begehung des Betriebes mit Frau C. stelle einen Verfahrensverstoß dar, weil Frau C. nicht vertretungsberechtigt sei.
Der Whirlpool sei in der "Nach-Corona-Zeit" nicht mehr benutzt worden, wie es sich dem Antragsgegner aufgrund der geringen Temperatur und des geringen Füllstandes habe aufdrängen müssen.
Die neben dem Klingelschild angebrachte Handynummer sei ihr nicht zuzurechnen und die Anbringung sei auch nicht von ihr veranlasst oder geduldet worden. Das Schild sei mittlerweile entfernt worden. Etwaige "Privat-Veranstaltungen" von Prostituierten seien von ihr weder veranlasst noch gefördert oder geduldet worden; sie seien bei geschlossenem Betrieb unterbunden worden.
Weshalb der Kühlschrank gefüllt gewesen sei, sei erklärt worden. Die Küche sei unter anderem von Frau C. genutzt worden. Der Küchenbereich werde als Sozialbereich genutzt, keinesfalls nutzten die Prostituierten ihre Arbeitsräume als Ruheräume, auch nicht bei geöffnetem Betrieb.
Zum Nachweis über erfolgte Sanierungs-, Renovierungs- und Umbauarbeiten verweise sie auf eine Rechnung der Firma Q. vom 16. Mai 2022 und auf eine eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin und eines Gesellschafters vom 28. Juli 2022. Die Maßnahmen dauerten noch ca. vier Wochen an. Die vor Ort tätigen Handwerker und Bauarbeiter bereiteten sich oftmals ihre Mahlzeiten selbst zu, was insbesondere auch der Lage des Hauses in einem Gewerbegebiet ohne kulinarisch-infrastrukturelle Anbindung und der damit verbundenen Zeitersparnis geschuldet sei. In den vorgefundenen benutzen Sektgläsern habe sich Kaffee befunden, außerdem habe Frau C. offenbar auch als Vorfreude auf den beginnenden Urlaub Sekt ausgegeben.
Ein Hinweis an Kunden darauf, dass der Betrieb aktuell geschlossen sei, sei unterblieben, weil dies die Kunden verschrecke. Es sei sinnvoller, telefonischen Kontakt mit potentiellen Kunden zu suchen, ihnen die Situation zu erklären und sie persönlich zu vertrösten.
Wegen der Sanierungs- und Renovierungsarbeiten habe man im Abstellraum ein Bett untergebracht. Dass Frau C. in dem Betrieb der Prostitution nachgegangen sei von dem Antragsgegner nicht dargelegt worden und werde bestritten. Herumliegende Kleidungsstücke und Schuhe indizierten keinen Betrieb. Dass der Erstkontakt und die Verhandlung zwischen der Prostituierten und dem Kunden stattfinde werde bestritten. Aus der Abrechnung des EC-Gerätes ergebe sich, dass seit dem Jahr 2021 keine Transaktionen mehr stattgefunden hätten.
Es treffe nicht zu, dass keine gültigen Bescheinigungen nach § 5 und § 10 ProstSchG vorlägen. Solche hätten bei der Antragstellerin angefordert werden können.
Eines Widerrufs der Erlaubnis habe es nicht bedurft. Weder sei ein solcher erforderlich noch angemessen. Er sei übermäßig und willkürlich. Die Antragstellerin sei bisher nicht negativ in Erscheinung getreten. Der Widerruf und die Anordnung des Sofortvollzuges seien unverständlich, unbegründet und ermessensfehlerhaft. Der Antragsgegner sei distanzlos und übergriffig vorgegangen und voreingenommen.
Das Aussetzungsinteresse überwiege das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug. Insbesondere sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig, weil zuvor keine Anhörung erfolgt sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung komme einem Berufsverbot gleich. Für ihre Rechtmäßigkeit reiche die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung - die hier nicht einmal gegeben sei - nicht aus. Vielmehr sei ein hinreichendes Vollzugsinteresse erforderlich, welches hier nicht gegeben sei.
Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
die aufschiebende Wirkung der Klage bzgl. Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides des Beklagten vom 21.07.2022 zu Az. R. wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er beruft sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei kein Verwaltungsakt. Deshalb sei eine Anhörung nicht erforderlich. Der Vergleich zu einem Berufsverbot gehe fehl, weil die Antragstellerin noch weitere Prostitutionsstätten betreibe.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Das Gericht versteht den Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin gemäß den §§ 88, 122 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausweislich seines Wortlauts derart, dass die Antragstellerin sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur gegen den unter Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides verfügten Widerruf und nicht auch gegen die unter Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides verfügte Kostentragungspflicht wendet. Ausführungen zu § 80 Absatz 6 VwGO sind demnach nicht erforderlich.
So verstanden hat der Antrag keinen Erfolg.
Er ist nach § 80 Absatz 5 Satz 1, 2. Alternative VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ein Fall des § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO liegt vor, weil der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des Widerrufs unter Ziffer 2 seines Bescheides vom 21. Juli 2022 angeordnet hat.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formal nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat in ausreichender Weise gemäß § 80 Absatz 3 Satz 1 VwGO schriftlich begründet, warum er das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben erachtet. Das Begründungserfordernis dieser Vorschrift ist erfüllt, wenn die Behörde die Erwägungen offenlegt, die sie im konkreten Fall veranlasst haben, von der Möglichkeit des § 80 Absatz 2 Satz1 Nummer 4 VwGO Gebrauch zu machen.
Hier hat der Antragsgegner ausgeführt, dass die präventive Schutzfunktion des Prostituiertenschutzgesetzes und das öffentliche Interesse an der Einhaltung der rechtlichen Vorgaben des Erlaubnisbescheides vom 30. Januar 2019 die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit begründet. Die Nichterfüllung der rechtlichen Schutz- und Sicherungsanforderungen und die dadurch entstehende Gefahr für die in der Prostitutionsstätte tätigen Prostituierten und für die sich dort aufhaltenden Kunden sei nicht hinnehmbar.
Dadurch bringt er zum Ausdruck, dass das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hinter dem Vollzugsinteresse zurücktreten müsse. Aus den Erwägungen des Antragsgegners und insbesondere aus dem Hinweis auf die der Antragstellerin am 30. Januar 2019 erteilten Erlaubnis ergibt sich, dass er sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst war und eine entsprechende Abwägung getroffen hat. Gleichwohl weist das Gericht darauf hin, dass es nicht die Annahme des Antragsgegners teilt, der Weiterbetrieb eines möglicherweise die rechtlichen Schutz- und Sicherungsanforderungen nicht erfüllenden Betriebes während des laufenden Hauptsacheverfahrens könne nicht hingenommen werden. Denn dass dies jedenfalls grundsätzlich möglich ist ergibt sich gerade aus dem gesetzlichen Regelfall des § 80 Absatz 1 Satz 1 VwGO.
Einer gesonderten Anhörung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) in Verbindung mit § 28 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) bedurfte es nicht, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 1 NVwVfG in Verbindung mit § 35 Satz 1 VwVfG darstellt.
Auch im Übrigen besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Widerruf der Erlaubnis wiederherzustellen.
Nach § 80 Absatz 5 Satz 1, 2. Alternative VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage wiederherstellen, wenn die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Das Gericht entscheidet also auf der Grundlage einer Abwägung der widerstreitenden Interessen; das sind hier das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der behördlichen Verfügung einerseits und das Interesse der Antragstellerin, bis zur Entscheidung über ihre Klage weiterhin eine Prostitutionsstätte zu betreiben, andererseits. Dabei fallen die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage entscheidend mit ins Gewicht. Ergibt die Einschätzung, dass diese voraussichtlich erfolgreich sein wird, überwiegt das private Aussetzungsinteresse, da an dem Vollzug eines voraussichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse bestehen kann. Ergibt die Bewertung hingegen, dass die Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird, besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids, soweit ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse anzunehmen ist. Ist der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache offen, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung zu ermitteln, wessen Interesse für die Dauer des Hauptsacheverfahrens der Vorrang einzuräumen ist.
Vorliegend ist bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass die von der Antragstellerin erhobene Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte ohne Erfolg bleiben wird, da dieser aller Voraussicht nach zu Recht erfolgt ist und eine subjektive Rechtsverletzung der Antragstellerin im Sinne des § 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO daher nicht vorliegt.
Der unter Ziffer 1 des Bescheides vom 21. Juli 2022 verfügte Widerruf beruht auf der Rechtsgrundlage des § 23 Absatz 2 Nummer 1 ProstSchG und ist voraussichtlich formell und materiell rechtmäßig.
Er ist insbesondere formell rechtmäßig, weil die nach § 1 NVwVfG in Verbindung mit § 28 Absatz 1 VwVfG erforderliche Anhörung erfolgt ist. Der Antragsgegner hat in dem Anhörungsschreiben vom 2. Juni 2022 die festgestellten elf Verstöße aufgeführt und der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, zu diesen Vorwürfen Stellung zu nehmen.
Der Widerruf ist materiell rechtmäßig. Nach § 23 Absatz 2 Nummer 1 ProstSchG ist die Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung nach § 14 Absatz 1 Nummer 2 ProstSchG rechtfertigen würden. Gemäß § 14 Absatz 1 Nummer 2 ProstSchG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die antragstellende Person oder eine als Stellvertretung, Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes vorgesehene Person nicht die für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.
Unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er das von ihm ausgeübte Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß betreiben wird. Dabei beinhaltet die Entscheidung über die Unzuverlässigkeit eine Prognose, ob in Zukunft ein Fehlverhalten des Gewerbetreibenden wahrscheinlich ist. Grundlage der Prognoseentscheidung sind die in der Vergangenheit und Gegenwart liegenden Tatsachen, die die nicht ordnungsgemäße Gewerbeausübung in der Zukunft wahrscheinlich erscheinen lassen. Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist (vgl. VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 7. Juli 2020 - 12 B 28/20 -, juris Rn. 26 unter Verweis auf die st. Rspr. vgl. BVerwG, Urt. v. 7. November 2012 - 8 C 28/11 -, Rn. 18 - 19, juris).
Die Unzuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom Gericht voll nachzuprüfen ist. Die Tatsachen, auf die die Unzuverlässigkeit gestützt werden soll, müssen gewerbebezogen sein, das heißt die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen. Es gibt keine Unzuverlässigkeit schlechthin (Marcks in: Landmann/Rohmer, GewO, Werkstand: 86. EL Februar 2021, § 35 Rn. 28 ff.).
Der Antragsgegner hat nach diesem Maßstab voraussichtlich mit Recht angenommen, dass der Antragstellerin die prostitutionsgewerberechtliche Zuverlässigkeit fehlt. Zur Begründung nimmt das Gericht auf den angefochtenen Bescheid Bezug und macht sich dessen Begründung zu eigen. Die Antragstellerin hat mehrere Verstöße gegen ihr Betriebskonzept, gegen das Prostituiertenschutzgesetz und gegen die ihr erteilte Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte und deren Auflagen begangen, die in der Gesamtschau die von dem Antragsgegner getroffene negative Prognose rechtfertigen. Im Einzelnen:
1. Das verunreinigte Wasser im Whirlpool (vgl. Nummer 1 der von der Antragstellerin in ihrem Bescheid vom 21. Juli 2022 festgestellten Verstöße) widerspricht dem mit der Auflage Nummer 3 der Erlaubnis vom 30. Januar 2019 in Verbindung mit § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ProstSchG verfolgten Ziel des Gesundheitsschutzes der im Prostitutionsgewerbe tätigen Prostituierten, der übrigen Beschäftigten sowie der Kunden dar. Die Einwendung der Antragstellerin hiergegen, der Whirlpool sei nicht funktionsfähig und auch nicht benutzt worden, werde aber trotzdem "regelmäßig gewartet und entsprechend der [ihr] erteilten Erlaubnis beprobt und kontrolliert", ist widersprüchlich und wird als Schutzbehauptung angesehen. Dem Gericht erschließt sich nicht, aus welchen Gründen die Antragstellerin den Whirlpool - wenn auch nur zu einem geringen Füllstand - mit Wasser befüllt und vierteljährlich durch ein akkreditiertes Labor untersuchen lässt (vgl. Auflage Nummer 3 der Erlaubnis vom 30. Januar 2019), wenn dieser nicht funktionsfähig ist. Es bestehen außerdem Zweifel daran, dass die Antragstellerin die Untersuchungen tatsächlich hat vornehmen lassen, weil die Untersuchungsbefunde dem Antragsgegner nach dessen Vorbringen nicht vorgelegt wurden und auch im gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt worden sind.
2. Die Feststellung, dass in keinem Raum das Notrufsystem funktionsfähig und im Arbeitszimmer 3 das Telefon nicht funktionsfähig gewesen sei (vgl. Nummer 2 der von der Antragstellerin in ihrem Bescheid vom 21. Juli 2022 festgestellten Verstöße), stellt die Antragstellerin - soweit für das Gericht ersichtlich - selbst nicht in Abrede. Sie beruft sich vielmehr darauf, dass diese zum Zeitpunkt der Kontrolle am 13. Mai 2022 auch nicht erforderlich gewesen seien, weil kein Prostitutionsbetrieb und keine Prostitution stattgefunden hätten. Die Tatsache, dass in keinem Raum das Notrufsystem funktionsfähig und im Arbeitszimmer 3 das Telefon nicht funktionsfähig war, stellt einen Verstoß gegen Ziffer III der Ergänzungen zu dem Betriebskonzept der Antragstellerin vom 9. Juli 2018 und § 18 Absatz 2 Nummer 2 ProstSchG dar.
Das Gericht geht auch davon aus, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle am 13. Mai 2022 in dem Betrieb der Antragstellerin Prostitution stattfand. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob dies im Einvernehmen oder auch nur in Kenntnis der Antragstellerin geschah. Denn zu den wesentlichen Pflichten der Antragstellerin als Betreiberin eines Prostitutionsgewerbes gehört es, etwaigen Verstößen in ihrem Bordellbetrieb wirksam entgegenzutreten. Den Betreiber eines Prostitutionsgewerbes trifft eine Aufsichtspflicht über seinen Betrieb. Art und Umfang der zu treffenden Maßnahmen bestimmen sich nach der jeweiligen Gefahrenlage und hängen daher auch von dem Betriebskonzept und der Gestaltung der Betriebsräume ab, die erforderlichenfalls verändert werden müssen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 29. März 2021 - 4 B 387/20 -, juris bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz). Bestandteil dieser Aufsichtspflicht ist, dass die Antragstellerin den Prostitutionsbetrieb während der Zeit der behaupteten Renovierungsarbeiten wirksam unterbindet, wenn die Prostitutionsstätte in dieser Zeit den Anforderungen des Betriebskonzepts und des Prostituiertenschutzgesetzes nicht genügt. Diese Aufsichtspflicht hat die Antragstellerin hier verletzt. Die Antragstellerin hat keine bzw. nicht ausreichende Maßnahmen ergriffen, um die Prostitution in ihrem Betrieb während der behaupteten Renovierungsarbeiten zu unterbinden.
Dass zum Zeitpunkt der Kontrolle am 13. Mai 2022 Prostitution - auch - in dem Betrieb der Antragstellerin stattfand, steht für das Gericht nach den Feststellungen des Antragsgegners fest. Für einen Betrieb spricht insbesondere die Tatsache, dass sich weder im Internet noch vor Ort Hinweise darauf finden lassen, dass der Betrieb zur Zeit geschlossen ist. Im Gegenteil bieten die in dem Betrieb tätigen Prostituierten ihre Dienstleistungen weiterhin telefonisch und im Internet ohne Einschränkungen an. Für einen Betrieb sprechen weiter die Umstände, dass sich zum Zeitpunkt der Kontrolle am 13. Mai 2022 Prostituierte im Betrieb der Antragstellerin aufhielten und dass benutzte Betten, Kleidungsstücke, Unterwäsche und Sektgläser vorgefunden wurden. Ebenso die Tatsache, dass keinerlei Werkzeuge und Arbeitsmaterialien vorgefunden wurden, die auf Renovierungsarbeiten hindeuteten. Das Vorbringen der Antragstellerin vermag diese Feststellungen nicht hinreichend in Zweifel zu ziehen. Soweit die Antragstellerin andeutet, die zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht mehr anwesenden Bauarbeiter hätten möglicherweise aus den vorgefundenen Sektgläsern Kaffee getrunken und die in der Küche vorgefundene warme Mahlzeit zubereitet, folgt das Gericht dem nicht, sondern hält das Vorbringen für eine Schutzbehauptung. Dasselbe gilt für das Vorbringen der Antragstellerin, man habe den zunächst als Abstellraum genutzten Raum des Betriebes nur deswegen mit einem Doppelbett ausgestattet, um dieses Doppelbett vor den im Zusammenhang mit den Renovierungsarbeiten anfallenden Verschmutzung zu schützen. Das ist insbesondere deswegen nicht plausibel, weil dies die einzige, von der Antragstellerin in Bezug auf die Renovierungsarbeiten getroffene Schutzmaßnahme ist. Zu Recht weist der Antragsgegner in diesem Zusammenhang daraufhin, dass laufende Renovierungsarbeiten - insbesondere Maler- und Fliesenarbeiten - gewöhnlich weitere Schutzmaßnahmen, z.B. Tritt-, Staub- oder Tropfschutz erwarten lassen. Auch die von der Antragstellerin vorgelegte Rechnung vom 16. Mai 2022 über Maler- und Fliesenarbeiten über einen Zeitraum vom 5. bis 16. Mai 2022 vermag die behauptete Betriebsschließung nicht zu belegen. Der Betrieb ist nach dem Vorbringen der Antragstellerin seit mindestens vier Monaten (Mai - August 2022) geschlossen, wobei über das Ende der Renovierungsarbeiten unterschiedliche Angaben gemacht wurden. Es ist nicht plausibel, dass in diesem Zeitraum nur eine einzige Rechnung geschrieben wurde.
3. Die Feststellung, dass Räume, die für sexuelle Dienstleistungen genutzt wurden auch als Schlaf- und Wohnräume genutzt werden (vgl. Nummer 3 der von der Antragstellerin in ihrem Bescheid vom 21. Juli 2022 festgestellten Verstöße), steht im Widerspruch zu Ziffer III.8 des Betriebskonzepts der Antragstellerin vom 15. Januar 2018 und § 18 Absatz 2 Nummer 7 ProstSchG. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf den Barbereich und die Küche verweist, folgt daraus nichts Anderes. Denn nach dem Wortlaut des § 18 Absatz 2 Nummer 7 ProstSchG kommt es nicht auf die Trennung von Dienstleistungs- und Aufenthaltsräumen, sondern auf die Trennung von Dienstleistungs- und Schlafräumen an. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen des Gerichts verwiesen.
4. Der Umstand, dass während der Prostitution in dem Betrieb neben den Prostituierten keine weiteren, insbesondere nicht die von der Antragstellerin benannten, Personen anwesend sind (vgl. Nummern 4 und 7 der von der Antragstellerin in ihrem Bescheid vom 21. Juli 2022 festgestellten Verstöße), widerspricht Ziffer IV.1 des Betriebskonzepts und § 18 Absatz 1 Nummer 1 ProstSchG. Zutreffend weist der Antragsgegner darauf hin, dass die in dem Betrieb der Antragstellerin beschäftigten Prostituierten ohne die Anwesenheit eines Mitarbeiters der Antragstellerin schutzlos sind. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen des Gerichts verwiesen.
5. Die Tatsache, dass keine Hygieneartikel und Kondome von der Antragstellerin zur Verfügung gestellt worden sind (vgl. Nummer 8 der von der Antragstellerin in ihrem Bescheid vom 21. Juli 2022 festgestellten Verstöße), stellt einen Verstoß gegen Ziffer IV.3 der Ergänzungen zu dem Betriebskonzept und § 24 Absatz 2 Satz 2 ProstSchG dar. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen des Gerichts verwiesen.
6. Dass der Betrieb gegenüber der Erlaubnis um zwei weitere Arbeitszimmer erweitert wurde, von denen eines über keinen Fluchtweg verfügt (vgl. Nummern 10 und 11 der von der Antragstellerin in ihrem Bescheid vom 21. Juli 2022 festgestellten Verstöße), steht in Widerspruch zu Ziffer III.1 des Betriebskonzepts und der raumbezogenen Erlaubnispflicht des § 12 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 ProstSchG. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen des Gerichts verwiesen.
7. Das Gericht vermag dem Vorbringen des Antragsgegners nur teilweise zu folgen, niemand habe das vereinnahmte Geld an die Prostituierten auszahlen und ihnen Quittungen und Mietverträge aushändigen können (vgl. Nummern 5 und 6 der von der Antragstellerin in ihrem Bescheid vom 21. Juli 2022 festgestellten Verstöße). Die Nichtanwesenheit der von der Antragstellerin benannten Personen gefährdet zwar die Sicherheit der im Betrieb tätigen Prostituierten und stellt damit einen Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 18 Absatz 1 Nummer 1 ProstSchG dar (s.o.). Es ist aber nicht ersichtlich, dass es erforderlich wäre, das vereinnahmte Geld jederzeit an die Prostituierten auszahlen zu können und ihnen Quittungen auszustellen. Denn nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Kontoauszügen hat diese im maßgeblichen Zeitraum kein Geld von den Prostituierten vereinnahmt.
8. Weiter vermag das Gericht dem Vorbringen des Antragsgegners nicht zu folgen, im Betrieb seien keine Angaben über anwesende Prostituierte vorgehalten worden und Prostituierte seien tätig gewesen, die nicht über die erforderlichen Bescheinigungen nach den §§ 5 und 10 ProstSchG verfügten (vgl. Nummern 6 und 9 der von der Antragstellerin in ihrem Bescheid vom 21. Juli 2022 festgestellten Verstöße). Denn die Antragstellerin wendet dagegen zu Recht ein, dass diese Unterlagen bei ihr von dem Antragsgegner auch nicht angefordert wurden.
9. In der Gesamtschau rechtfertigt die Anzahl und die Schwere der festgestellten Verstöße gegen das Betriebskonzept und das Prostituiertenschutzgesetz die Annahme, dass die Antragstellerin die Einhaltung auch in Zukunft nicht gewährleisten wird. Etwas Anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Antragstellerin zuvor nicht negativ in Erscheinung getreten ist. Denn das ist keine besondere Leistung der Antragstellerin, sondern Mindestvoraussetzung für den Betrieb einer Prostitutionsstätte.
Bei § 23 Absatz 2 Nummer 1 ProstSchG handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, die der Behörde keinen Ermessensspielraum eröffnet. Das Gericht lässt offen, ob der teilweise vertretenen Rechtsansicht zu folgen ist, dass bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unzuverlässigkeit dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung zu tragen ist (vgl. VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 7. Juli 2020 - 12 B 28/20 -, juris Rn. 47 ff.). Daran bestehen Zweifel, weil eine solche gesonderte Verhältnismäßigkeitsprüfung auch bei Gewerbeuntersagungen nach § 35 der Gewerbeordnung nicht erforderlich ist. Jedenfalls ist eine Verhältnismäßigkeit aber gegeben. Denn der Widerruf ist kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Artikel 12 Absatz 1 GG. Denn der Schutzbereich des Artikel 12 Absatz 1 GG der Antragstellerin ist durch den Widerruf der Erlaubnis nur nach Maßgabe des Artikel 19 Absatz 3 GG und vor dem Hintergrund, dass sie weitere Prostitutionsstätten betreibt, nur in geringem Maße betroffen. Dieser Eingriff kann durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden. Eine solche ist in dem Schutz der Prostituierten zu sehen.
Der Antragsgegner war insbesondere nicht gehalten, zunächst ein milderes Mittel anzuwenden. Den vom Gesetzgeber vorausgesetzten hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Prostitutionsgewerbetreibenden zum Schutz der sensiblen Rechtsgüter der persönlichen Freiheit, der sexuellen Selbstbestimmung, der körperlichen Integrität und der persönlichen Sicherheit von Prostituierten und Kunden hat der Betreiber einer Prostitutionsstätte im vollen Umfang Rechnung zu tragen. Dem legitimen Anspruch der Antragstellerin, nicht für alle Zeiten vom Prostitutionsgewerbe ausgeschlossen zu werden, ist aufgrund der Vorschrift des § 15 Absatz 1 Nummer 2 ProstSchG genüge getan, wonach in der Regel nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, wem innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung die Erlaubnis zur Ausübung eines Prostitutionsgewerbes entzogen wurde. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift eine Regelung getroffen, wonach nach Ablauf von fünf Jahren die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit bei einer erneuten Beantragung einer Erlaubnis nicht mehr gelten soll (vgl. VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 7. Juli 2020 - 12 B 28/20 -, juris Rn. 49).
An der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte besteht im vorliegenden Fall auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, welches das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin an der weiteren prostitutionsgewerblichen Tätigkeit im Rahmen ihrer Berufsfreiheit nach Artikel 19 Absatz 3 GG in Verbindung mit Artikel 12 Absatz 1 GG überwiegt. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse ergibt sich dabei aus dem Schutz der in dem Betrieb der Antragstellerin tätigen Prostituierten und ihrer Kunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO, wonach der unterlegene Teil die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Hier unterliegt die Antragstellerin.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 53 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit § 52 Absatz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Anlehnung an die Nummern 1.5 und 54.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag für den Antragsteller ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Nach Nummer 54.1 des Streitwertkataloges ist für eine Klage betreffend eine Gewerbeerlaubnis oder Gaststättenkonzession als Streitwert der Jahresgewinn dieses Gewerbes anzusetzen, mindestens aber 15.000 Euro. Da dem Gericht weder der erzielte noch der erwartete Jahresgewinn der von der Antragstellerin betriebenen Prostitutionsstätte bekannt ist, legt es den Mindestbetrag von 15.000 Euro zu Grunde (im Ergebnis auch Nds. OVG, Beschl. v. 17. Oktober 2019 - 7 ME 48/19 - n.v.). Dieser Betrag ist aufgrund der Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens entsprechend Nummer 1.5 des Streitwertkataloges zu halbieren (15.000 Euro/2 = 7.500 Euro).