Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 19.04.2007, Az.: 4 A 874/05

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Gewährung individueller Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG); Anrechenbares Vermögen i.S.d. BAföG; Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts der Vermögensgegenstände des Auszubildenden nach dem BAföG; Berücksichtigungsfähige Schulden bei der Vermögenswertbemessung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
19.04.2007
Aktenzeichen
4 A 874/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 16251
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2007:0419.4A874.05.0A

Verfahrensgegenstand

Ausbildungsförderung

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 4. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2007
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Schröder,
den Richter Tepperwien,
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Klinge sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kostenforderung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Ausbildungsförderung.

2

Nachdem die am 29. November 1984 geborene Klägerin im Juli 2004 die Prüfung zur Justizfachangestellten bestanden hatte, besuchte sie ab dem 19. August 2004 die F. -Schule in G., und zwar die Fachoberschule für Recht und Verwaltung mit dem Ziel, bis zum Juni 2005 das Fachabitur/die Fachhochschulreife zu erlangen.

3

Am 26. Juli 2004 beantragte sie bei dem seinerzeit zuständigen Landkreis H. I. die Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Aus einer von der Volksbank J. eG unter dem 19. Juli 2004 erteilten Vermögensauskunft ergab sich, dass an diesem Tag das Girokonto der Klägerin mit der Nr. K. ein Guthaben von 1.617,63 EUR aufwies und dass die Klägerin ferner über zwei Sparkonten mit Guthaben in Höhe von 9,16 EUR (Nr. 1.) sowie in Höhe von 7.837,01 EUR (Nr. M.) verfügte. Während die Klägerin in ihrem Antrag auf Ausbildungsförderung unter dem 23. Juli 2004 das Bestehen von Schulden und Lasten mit der Angabe "0 DM/EUR" verneint hatte, erklärte der Vater der Klägerin, Herr N., durch Scheiben vom selben Tage, dass seine Tochter über das Sparkonto M. nicht verfügen könne. Er zahle seit Jahren auf dieses Konto monatlich 51,13 EUR (vormals 100,-- DM) ein. Das Guthaben werde im Jahr 2008 fällig. Von diesem Geld müsse sie ihm dann das Geld für den Führerschein und den Kaufpreis für ein Auto zurückzahlen. Aus den in diesem Zusammenhang eingereichten Rechnungen und Kontoauszügen ergab sich, dass der Vater der Klägerin am 8. November 2002 einen Pkw VW Golf (amtliches Kennzeichen O.) für einen Kaufpreis von 4.000,-- EUR erworben und an die Fahrschule "P." in der Zeit von Juli 2002 bis Dezember 2002 insgesamt 1.948,03 EUR von seinem Girokonto überwiesen hatte. Ferner belegten entsprechende Bescheide/Rechnungen, dass die Kraftfahrzeugsteuer und die Kraftfahrtversicherung für das Fahrzeug O. von dem Vater der Klägerin getragen wurden. Darüber hinaus gelangte eine Rechnung der Firma "Q." vom 16. August 2004 über den Erwerb eines Notebooks für 799,-- EUR zu den Verwaltungsvorgängen. Hierzu erklärte der Vater der Klägerin in einem Telefonat am 27. Januar 2005, dass die Eltern dieses Notebook bezahlt hätten und dass ihre Tochter den Betrag an sie zurückzahlen müsse.

4

Durch Aktualisierungsanträge vom 15. Oktober 2004 machte die Klägerin geltend, dass das Einkommen ihrer Eltern im Bewilligungszeitraum (08/2004 bis 06/2005) gegenüber dem des maßgeblichen Kalenderjahres 2002 voraussichtlich wesentlich geringer sein werde. Bei ihrem Vater komme es zu einer ca. 10 bis 15%-igen Lohnkürzung und das Weihnachtsgeld falle weg, ihre Mutter sei seit Februar 2003 arbeitslos und die Zahlung von Arbeitslosengeld habe im Februar 2004 geendet. Ferner würden ihre Eltern ab Juni 2004 bis voraussichtlich Mai 2005 wegen Sanierungsarbeiten keine Mieteinnahmen erzielen können. Da diese Aktualisierungsanträge weitere Ermittlungen erforderlich machten, zahlte der Landkreis Rotenburg (Wümme) der Klägerin für die Zeit ab August 2004 unter dem Vorbehalt der Rückforderung einen monatlichen Vorschuss in Höhe von 126,-- EUR.

5

Durch Bescheid vom 21. April 2005 lehnte der Landkreis R.) die Bewilligung von Ausbildungsförderung für die Zeit von August 2004 bis Juni 2005 ab, weil der Betrag des anzurechnenden Einkommens und/oder Vermögens den Gesamtbedarf der Klägerin in Höhe von 481,-- EUR übersteige. Darüber hinaus wurden die der Klägerin für die Zeit von August 2004 bis März 2005 gezahlten Vorschüsse in Höhe von insgesamt 1.008,-- EUR zurückgefordert. In der Anlage zu diesem Bescheid hieß es unter anderem: Nach § 11 Abs. 2 BAföG seien auf den Bedarf Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie das Einkommen der Eltern anzurechnen. Bei Antragstellung habe die Klägerin bei der Volksbank J. eG über ein Guthaben in Höhe von insgesamt 9.463,80 EUR verfügt, wobei das Guthaben aus dem VR-Vorsorgeplan in Höhe von 7.837,01 EUR als Vermögen anzurechnen sei. Die von ihrem Vater nachgewiesenen Kosten für den Erwerb eines Pkw in Höhe von 4.000,-- EUR und für den Führerschein könne er nicht als Schulden und Lasten bei Antragstellung anerkennen. Der eingereichten Bankbescheinigung sei zu entnehmen, dass die Klägerin allein auf ihrem Girokonto am 19. Januar 2004 über ein Guthaben von 1.996,49 EUR und am 19. Juli 2004 über ein Guthaben von 1.617,63 EUR verfügt habe. Sofern also eine Forderung ihres Vaters in Höhe der Führerscheinkosten bestehen würde, hätte sie diese Forderung bereits begleichen können. Der Pkw VW Golf sei von ihrem Vater am 8. November 2002 gekauft worden. Die Klägerin habe das 18. Lebensjahr am 29. November 2002 vollendet. Ihr Vater gebe in seinem Schreiben vom 23. Juli 2004 an, dass die Klägerin den Kaufpreis des Pkw nach regulärer Auszahlung des Sparplanes im Jahr 2008 zurückzahlen müsse. Die Klägerin selbst habe in dem Antrag erklärt, dass keine Schulden und Lasten bestünden (0,00 DM/EUR). Der Vater der Klägerin zahle für sie seit dem 1. Juli 1993 monatlich 100,-- DM/51,13 EUR in ihren Sparplan ein. Die Klägerin habe über ein Guthaben auf dem Girokonto verfügt, mit dem sie bei einer bestehenden Rückzahlungsverpflichtung eine Anzahlung hätte leisten können. Das Bestehen einer Darlehensverpflichtung ihrem Vater gegenüber sei nicht glaubhaft. Hinsichtlich der übermittelten Kaufquittung vom 16. August 2004 sei eine weitere Prüfung entbehrlich, weil nur die bei Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten berücksichtigungsfähig seien. Von dem Vermögen bei Antragstellung in Höhe von 9.463,80 EUR werde nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BAföG ein Freibetrag in Höhe von 5.200,-- EUR in Abzug gebracht. Somit seien monatlich 1/11 des einzusetzenden Vermögens in Höhe von 4.263,80 EUR, also 387,61 EUR, auf den Gesamtbedarf in Höhe von 481,-- EUR anzurechnen. Unter Berücksichtigung der aktualisierten Einkünfte der Eltern der Klägerin seien von deren Einkünften insgesamt 126,64 EUR monatlich anzurechnen, so dass der Bedarf der Klägerin durch eigenes Vermögen und die Einkünfte der Eltern zu decken sei. Die vorschussweise und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bezogenen Leistungen in Höhe von 1.008,-- EUR seien von der Klägerin zu erstatten.

6

Die Klägerin hat am 10. Mai 2005 Klage erhoben.

7

Im April 2006 hat die Zuständigkeit für die Ausbildungsförderung von dem Landkreis S. auf die jetzige Beklagte gewechselt, weil die Klägerin zum Sommersemester 2006 ihre Ausbildung an der Fachhochschule T. fortgesetzt hat.

8

Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:

9

Richtig sei, dass sie bei Antragstellung über ein Vermögen in Höhe von 9.463,80 EUR verfügt habe, das sich aus einem Guthabenbetrag auf ihrem Girokonto (1.617,63 EUR) und einem Ansparbetrag aus einem Sparvertrag zusammensetze. Die monatlichen Einzahlungen in Höhe von 100,-- DM/51,13 EUR seien in der Vergangenheit und auch noch fortlaufend von ihrem Vater mit der Bestimmung geleistet worden, dass aus dem Guthaben bei Fälligkeit des Ansparbetrages im Juli 2008 die für ihren Führerschein sowie für die Anschaffung des ihr zur Nutzung überlassenen Pkw verauslagten Beträge getilgt werden sollten. Vor dem Hintergrund, dass der vorgenannte Sparvertrag im Juli 2008 fällig werde und er wegen eines sonst eintretenden Zinsverlustes nicht habe vorzeitig beendet werden sollen, habe ihr Vater die Führerscheinkosten und die Anschaffungskosten für den Pkw VW Golf ausgelegt. Da der Sparvertrag gerade auch für diese Zwecke abgeschlossen worden sei, sollten die verauslagten Beträge bei Fälligkeit im Juli 2008 zurückfließen und seien bis dahin gestundet gewesen. Der Abzug von Schuldverpflichtungen, die im Zeitpunkt der Antragstellung bestünden, sei in § 28 Abs. 3 BAföG nicht davon abhängig, dass sie außerhalb eines familienrechtlichen oder Unterhaltsverhältnisses begründet worden seien. Dieser Abzug sei ebenfalls nicht davon abhängig, dass die gegebenen Schuldverpflichtungen späterhin tatsächlich erfüllt würden. Ausreichend sei insoweit das Bestehen einer Schuldverpflichtung im Zeitpunkt der Beantragung von Ausbildungsförderung und damit die abstrakte, vom Willen der Leistungsempfängerin unabhängige Möglichkeit einer aus der Schuldverpflichtung resultierenden Inanspruchnahme. Es sei insbesondere auch zu berücksichtigen, ob eine Schuldverpflichtung im Familienkreis zeitlich nahe zur Antragstellung eingegangen worden sei und ob es hierfür außerhalb der Leistungsgründe nach dem BAföG einleuchtende Gründe gegeben habe. Hier seien die Kosten für den Führerschein und den Pkw durch ihren Vater bereits im November 2002 und damit zu einem Zeitpunkt verauslagt worden, als sie sich noch in der Ausbildung zur Justizfachangestellten befunden habe. Ein zeitlicher Zusammenhang zu der Antragstellung im Juli 2004 bestehe somit nicht. Im Übrigen habe sie Ende Dezember 2005 die von ihren Eltern geliehenen Beträge für die Kosten des Führerscheines und des Autos sowie für den ausbildungsbedingten Erwerb eines Laptops aus den hierfür aufgelösten Sparverträgen in Höhe von 1.700,-- EUR (Führerschein), 1.000,-- EUR (Laptop und Zubehör) und 4000,-- EUR (Auto) durch Überweisung auf das Konto ihres Vaters zurückgezahlt. Ihre entsprechenden Schuldverpflichtungen seien daher auch vor dem Hintergrund der nachgewiesenen Erfüllung anzuerkennen.

10

Darüber hinaus seien die Aktualisierungsanträge durch den Landkreis S. bisher nur unzureichend bearbeitet worden. Hierzu sei ergänzend vorzutragen, dass für den Bewilligungszeitraum von August 2004 bis Juni 2005 keine positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erwarten seien. In dem Wirtschaftsjahr von Juli 2003 bis Juni 2004 stehe ein Verlust von 7.602,-- EUR zu Buche. Für den Folgezeitraum von Juli 2004 bis Juni 2005 sei ein ähnliches Ergebnis zu erwarten. Während ausweislich des Steuerbescheides für 2002 noch insgesamt 5.492,-- EUR positive Einkünfte aus Vermietungen und Verpachtungen erzielt worden seien, sei dies in 2003, wie sich aus dem Steuerbescheid vom 19. September 2005 ergebe, nicht mehr der Fall gewesen. Auch in dem streitigen Bewilligungszeitraum sei nicht mit positiven Einkünften aus Vermietungen und Verpachtungen zu rechnen, weil aufgrund umfangreicher Renovierungsarbeiten in zwei Wohnungen in U., V. straße 23 und 54, keine Mieteinnahmen zu erzielen seien. Lediglich für die Wohnung W. straße 19 in U. ergäben sich Mieteinnahmen von 5.280,-- EUR (480,-- EUR x 11 Monate). Dem stünden aber für die drei Wohnungen Aufwendungen (ohne Abschreibungen) in Höhe von insgesamt 6.346,32 EUR gegenüber. Ihre Mutter sei arbeitslos und beziehe seit Februar 2004 keine Leistungen mehr. Die Einkünfte ihres Vaters aus nichtselbständiger Arbeit beliefen sich ausweislich der Gehaltsabrechnungen von Juli 2004 und Dezember 2004 sowie Juni 2005 im Bewilligungszeitraum auf 34.710,10 EUR brutto, was einem monatlichen Einkommen von 3.155,48 EUR brutto (34.710,32 EUR :11) entspreche. Nach Abzug der Steuern (336,37 EUR) und der Aufwendungen für die soziale Sicherung (678,43 EUR + 407,06 EUR) verblieben 1.733,62 EUR netto als Elterneinkommen. Hiervon seien der Freibetrag für Einkommensbezieher (§ 25 Abs. 1 BAföG) in Höhe von 1.440,-- EUR und der Zusatzfreibetrag (§ 25 Abs. 4 BAföG) in Höhe von 146,81 EUR sowie aufgrund der Altenteilsleistungen, die ihr Vater gegenüber seiner Mutter zu erbringen habe, ein Härtefreibetrag (§ 25 Abs. 6 BAföG) in Höhe von 552,50 EUR abzusetzen, so dass kein anzurechnendes Einkommen verbleibe.

11

Da sich nach diesen Berechnungen bei dem Einkommen ihren Eltern ein Fehlbetrag ergebe, sollte zur Vermeidung einer sonst eintretenden unbilligen Härte selbst dann ein weiterer Teil ihres Sparvermögens nach § 29 Abs. 3 BAföG anrechnungsfrei bleiben, wenn die bestehenden Schuldverpflichtungen gegenüber ihren Eltern als familienbezogene Lastenverteilung wider Erwarten nicht nach § 28 Abs. 3 BAföG abzuziehen seien.

12

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungs- und Rückforderungsbescheid des Landkreises S. vom 21. April 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr für die Zeit von August 2004 bis Juni 2005 Ausbildungsförderung in Höhe von (mindestens) 354,36 EUR monatlich zu bewilligen.

13

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Sie erwidert unter anderem:

15

Die Klägerin trage keinerlei neue Tatsachen vor, welche eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Bei der Antragstellung habe sie im Antragsbogen bei der Frage nach vorhandenen Schulden und Lasten keinerlei Angaben gemacht. Vor diesem Hintergrund sei die Behauptung ihres Vaters, sie habe nach Ablauf des VR-Versorgungsplanes im Jahre 2008 den Kaufpreis für ihren Pkw und die Führerscheinkosten zu begleichen, nicht glaubhaft. Darüber hinaus sei sie aufgefordert worden, eine schriftliche Vereinbarung nachzureichen. Dieser Aufforderung sei sie nicht nachgekommen. Im Übrigen stelle sich die Frage, wieso die Klägerin bereits Ende Dezember 2005 ihre angeblichen Schulden beglichen habe, obwohl sie bisher behauptet habe, die Rückzahlung solle erst nach Ablauf des VR-Vorsorgeplanes im Jahre 2008 erfolgen.

16

Soweit die Klägerin ausführe, dass der Aktualisierungsantrag unzureichend bearbeitet worden sei, sei dies so nicht zutreffend. Ihre Eltern hätten seinerzeit beide erklärt, dass in den Kalenderjahren 2004 und 2005 geringere, aber dennoch positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erwarten seien. Zudem habe der Vater der Klägerin hinsichtlich der voraussichtlichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf die positiven Einkünfte aus dem Steuerbescheid für das Jahr 2002 verwiesen. Unter Berücksichtigung der seinerzeit erklärten voraussichtlichen positiven Einkünfte beider Elternteile habe sich kein Förderungsbetrag ermitteln lassen. Im Nachhinein sei nunmehr glaubhaft gemacht worden, dass in den Kalenderjahren 2004 und 2005 keine positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Land- und Forstwirtschaft bezogen worden seien. Gehe man für eine geänderte Aktualisierungsrechnung unter Abzug der tatsächlich gezahlten Steuern von den Einkünften des Vaters der Klägerin, die im rechnerischen Mittel bezogen auf 12 Monate bei 4.334,35 EUR lägen, aus, führe dies zu dem Ergebnis, dass von den Einkünften der Eltern lediglich 13,39 EUR monatlich auf den Bedarf der Klägerin anzurechnen seien. Zusammen mit ihrem anzurechnenden Vermögen in Höhe von monatlich 387,61 EUR lasse sich nunmehr ein monatlicher Förderungsbetrag in Höhe von 80,-- EUR in dem Bewilligungszeitraum August 2004 bis Juni 2005 feststellen. Bei einer Aufrechnung mit seinem Rückforderungsanspruch in Höhe von 1.008,-- EUR verbliebe noch ein Rückforderungsrestbetrag von 128,-- EUR. Eine solche Entscheidung müsse unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach § 24 Abs. 3 BAföG ergehen. Wenn die bestandskräftigen Steuerbescheide für die Kalenderjahre 2004 und 2005 vorlägen, werde abschließend über den Leistungsanspruch entschieden werden.

17

Soweit der Steuerfestsetzungsbescheid für das Jahr 2003 eingereicht worden sei, sei dieser in dem vorliegenden Fall grundsätzlich nicht berechnungsrelevant. Es werde hieraus jedoch deutlich, dass aufgrund der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Land- und Fortwirtschaft eine Steuerfestsetzung in Höhe 1.087,01 EUR vorgenommen worden sei. Bei der Berechnung der Ausbildungsförderung könnten zwar nach § 21 Abs. 1 BAföG jeweils nur die positiven Einkünfte jeder Einkommensart berücksichtigt werden und ein Ausgleich mit negativen Einkünften einer anderen Einkommensart sei nicht zulässig. Es seien jedoch die für das Kalenderjahr insgesamt tatsächlich festgesetzten Steuern zu berücksichtigen. Bei dieser Berechnung habe er eine fiktive Steuerfestsetzung in Höhe von 1.500,-- EUR angenommen, weil durch eine Steuerrechtsänderung zum 1. Januar 2004 die Fahrtkosten bei den Werbungskosten anders zu berechnen seien. Setze man die wahrscheinlichere fiktive Steuerlast in Höhe von 1.500,-- EUR an, ergebe sich ein Anrechnungsbetrag von den Einkünften der Eltern in Höhe von 131,49 EUR. Der Bedarf der Klägerin in Höhe von 481,-- EUR werde dann in Höhe von 387,61 EUR durch einzusetzendes Vermögen der Klägerin und in Höhe von 93,39 EUR durch anzurechnendes Einkommen ihrer Eltern gedeckt. Würde unter Berücksichtigung der für eine abschließende Festsetzung unrealistisch hohen Steuerzahlungen ein Förderungsbetrag festgesetzt werden, wäre bei der abschließenden Entscheidung über die Ansprüche nach Vorlage der bestandskräftigen Steuerbescheide für die Jahre 2004 und 2005 sicherlich mit einem Rückforderungsbetrag zu rechnen.

18

Abschließend weise sie noch darauf hin, dass bei einer Aktualisierungsberechnung nach

19

§ 24 Abs. 4 BAföG der Betrag anzurechnen sei, der sich ergebe, wenn die Summe der Monatseinkommen im Bewilligungszeitraum durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraumes geteilt werde. Als Monatseinkommen gelte ein Zwölftel des jeweiligen Kalenderjahreseinkommens. Die Klägerin habe eine andere Berechnungsweise angewandt.

20

Im Laufe des Klageverfahrens bzw. in der mündlichen Verhandlung sind von der Klägerin und der Beklagten die Einkommenssteuerbescheide der Eltern der Klägerin für die Jahre 2004 und 2005 vorgelegt worden.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Landkreises Rotenburg (Wümme) - Beiakte A - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Klage ist unbegründet.

23

Der Ablehnungs- und Rückforderungsbescheid des Landkreises Rotenburg (Wümme) vom 21. April 2005 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, wie dies für eine erfolgreiche Klage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlich wäre. Die Klägerin hat für die Zeit von August 2004 bis Juni 2005 keinen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG, weil sie in der Lage gewesen ist, ihren ausbildungsbedingten Bedarf in Höhe von 481,-- EUR durch eigenes Vermögen in Höhe von 387,61 EUR (1.) und im Übrigen (= 93,39 EUR) durch anzurechnendes Einkommen ihrer Eltern (2.) zu decken.

24

1.

Ein Anspruch auf individuelle Ausbildungsförderung besteht, wenn einem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (§§ 1, 11 Abs. 1 BAföG). Auf den Bedarf des Auszubildenden ist unter anderem sein Vermögen anzurechnen (§§ 11 Abs. 2, 26 Abs. 1, 27 ff. BAföG). Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG gelten Forderungen als Vermögen. Ausgenommen sind Vermögenswerte, die der Auszubildende aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG). Ein rechtliches Verwertungshindernis liegt insbesondere bei gesetzlichen oder behördlichen Veräußerungsverboten vor. Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen sind angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung grundsätzlich nicht als rechtliches Verwertungshindernis anzusehen, weil nur solche Vermögensgegenstände von der Anrechnung auszunehmen sind, bei denen ein ausbildungsbedingter Verwertungszugriff rechtlich und tatsächlich objektiv unmöglich ist. Vertragliche Bindungen oder Beschränkungen, die eine objektive Zugriffsmöglichkeit unberührt lassen, können daher die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung nicht rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn die vertraglichen Bindungen die Verwertung erschweren und/oder zu finanziellen Nachteilen führen.

25

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellten sowohl das Guthaben der Klägerin auf dem bei der Volksbank J. eG geführten Girokonto als auch die Guthaben auf den ebenfalls bei diesem Kreditinstitut unterhaltenen beiden Sparkonten verwertbares Vermögen der Klägerin dar. Der Umstand, dass das Guthaben auf dem Sparkonto Nr. M. nach dem am 1. Juli 1993 zwischen der Volksbank X. eG und dem Vater der Klägerin geschlossenen VR-Vorsorgeplan erst nach Ablauf der Anspardauer im Juli 2008 zur Auszahlung gelangen sollte, stellt als bloße vertragliche Bindung kein rechtliches Verwertungshindernis im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG dar. Im Übrigen wird aber auch die Behauptung des Vaters der Klägerin in seiner Erklärung vom 23. Juli 2004, seine Tochter könne über dieses Sparkonto nicht verfügen, dadurch widerlegt, dass die Klägerin Ende 2005 ihre Sparkonten, also auch das Konto mit der Nr. M., aufgelöst hat, um anschließend insgesamt 6.700,-- EUR an ihren Vater zu überweisen. Damit steht zugleich fest, dass die Klägerin sowohl rechtlich als auch tatsächlich jederzeit, also auch zum Zeitpunkt des im August 2004 begonnenen Schulbesuches, auf ihr Vermögen zugreifen konnte.

26

Für den Wert der Vermögensgegenstände ist gemäß § 28 Abs. 2 BAföG grundsätzlich der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend. Dieser betrug hier am 26. Juli 2004 - unstreitig - insgesamt 9.463,80 EUR. Hiervon sind zwar nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen, doch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf diese Vorschrift berufen.

27

Soweit als berücksichtigungsfähige Schulden die von den Eltern für die Anschaffung eines Notebooks aufgewendeten 799,-- EUR (nebst Zubehör sollen es nach dem Vorbringen im Klageverfahren sogar 1.000,-- EUR gewesen sein, allerdings fehlen für das Zubehör jegliche Nachweise in Form von Rechnungen u.Ä.) geltend gemacht werden, scheitert ein Schuldenabzug schon daran, dass diese Anschaffung erst nach Antragstellung, nämlich am 16. August 2004 erfolgt ist.

28

Für die übrigen von der Klägerin als berücksichtigungsfähig angesehenen Schulden in Höhe von insgesamt 5.948,03 EUR, die ihr Vater im Jahre 2002, also unstreitig vor der Beantragung von Ausbildungsförderung, aufgewendet hat, um seiner Tochter den Erwerb des Führerscheines und eines Pkw zu ermöglichen, kann im vorliegenden Fall dahin stehen, ob es sich tatsächlich um eine wirksame Darlehensgewährung unter Familienangehörigen oder um ein Scheindarlehen gehandelt hat, weil eine Darlehensverbindlichkeit dann nicht von dem Vermögensbestand abgezogen werden kann, wenn der Auszubildende im Bewilligungszeitraum nicht mit der Geltendmachung der Schuld zu rechnen brauchte. Bei der Anwendung der Vorschrift des § 28 Abs. 3 BAföG ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Es kommt nicht darauf an, ob und welche Vereinbarungen über die Fälligkeit oder Rückzahlbarkeit rechtlich getroffen wurden, sondern es ist darauf abzustellen, ob der Schuldner ernstlich mit der Geltendmachung der Verbindlichkeit rechnen musste. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Durch die Abzugsmöglichkeiten von Verbindlichkeiten in § 28 Abs. 3 BAföG soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Vermögen, das im Bewilligungszeitraum der Erfüllung einer Verbindlichkeit dienen soll, dem Auszubildenden in diesem Zeitraum nicht mehr zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs zur Verfügung steht (vgl. zum Vorstehenden auch: VG Weimar, Urt. v. 23.02.2006 - 5 K 234/05.We - m.w.N., zitiert nach juris). Im vorliegenden Fall war eine Rückzahlung der von dem Vater der Klägerin für Führerschein und Pkw aufgewendeten Beträge während des Bewilligungszeitraumes - August 2004 bis Juni 2005 - überhaupt nicht vorgesehen, sondern diese sollte erst drei (!) Jahre nach Abschluss der Schulausbildung, nämlich nach Fälligkeit des Guthabens aus dem VR-Vorsorgeplan im Juli 2008 erfolgen. Dass dann tatsächlich Zahlungen der Klägerin an ihren Vater bereits Ende 2005 bewirkt worden sind, spielt für das vorliegende Verfahren keine Rolle (mehr), weil sie jedenfalls das während des Bewilligungszeitraumes zur Verfügung stehende Vermögen tatsächlich nicht geschmälert haben.

29

Da für die Kammer auch nicht ansatzweise zu erkennen ist, dass neben dem nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG zu berücksichtigenden Freibetrag in Höhe von 5.200,-- EUR die Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 BAföG, wonach zur Vermeidung unbilliger Härten ein weiterer Teil des Vermögens anrechnungsfrei bleiben kann, im Falle der Klägerin vorgelegen haben, konnte sie ihren Gesamtbedarf in Höhe von 481,-- EUR in Höhe von 387,61 EUR bereits aus eigenem Vermögen decken.

30

2.

Auch in Höhe des verbleibenden Betrages von 93,39 EUR, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung, weil insoweit anrechenbares Einkommen ihrer Eltern zur Bedarfsdeckung vorhanden gewesen ist, das gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG ebenfalls der staatlichen Förderung vorgeht.

31

Zwar hat die Klägerin nach § 24 Abs. 3 Satz 2 BAföG glaubhaft gemacht, dass das Einkommen ihrer Eltern im Bewilligungszeitraum (voraussichtlich) wesentlich niedriger als in dem nach § 24 Abs. 1 BAföG maßgeblichen Zeitraum (hier: Kalenderjahr 2002) ausgefallen ist, so dass gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG in ihrem Fall von den Einkommensverhältnissen ihrer Eltern in der Zeit von August 2004 bis Juni 2005 (= 11 Monate) auszugehen ist. Nach den nunmehr vorliegenden Einkommenssteuerbescheiden für das Jahr 2004 vom 15. Dezember 2005 und für das Jahr 2005 vom 14. Dezember 2006 haben die Mutter der Klägerin keine und der Vater der Klägerin lediglich positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, so dass für das Jahr 2004 keine Steuern einschließlich Solidaritätszuschlag angefallen sind und sich die festgesetzten Steuern für das Jahr 2005 auf 157,40 EUR (154,-- EUR Einkommenssteuer + 3,40 EUR Kirchensteuer) belaufen haben. Daraus ergeben sich im Rahmen der Ausbildungsförderung, bei der gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 BAföG ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten und mit Verlusten des zusammenveranlagten Ehegatten nicht zulässig ist, folgende Berechnungen:

32

1. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

aus 2004: 5/12 von 36.731,00 EUR = 15.304,58 EUR
aus 2005: 6/12 von 34.117,00 EUR = 17.058,50 EUR

32.363,08 EUR

monatlich = 2.942,98 EUR
33

2. Steuern

aus 2004: 5/12 von 0,00 EUR = 0,00 EUR
aus 2005: 6/12 von 157,40 EUR = 78,70 EUR
78,70 EUR
monatlich = 7,15 EUR
34

3. Anrechenbares Einkommen der Eltern

Einkünfte 2.942,98 EUR
abzüglich Steuern 7,15 EUR
abzüglich soziale Sicherung 646,34 EUR
Zwischensumme 2.289,49 EUR
abzüglich Einkommensbezieherfreibetrag 1.440,00 EUR
abzüglich Härtefreibetrag 552,50 EUR
Zwischensumme 296,99 EUR
abzüglich Zusatzfreibetrag (50%) 148,50 EUR
Anrechnungsbetrag148,50 EUR
35

Danach übersteigt das anrechenbare Einkommen der Eltern der Klägerin ihren restlichen Bedarf in Höhe von 93,39 EUR, so dass sich kein monatlicher Förderungsbedarf für die Zeit von August 2004 bis Juni 2005 ergibt. Dies bedeutet zugleich, dass die Klägerin die ihr unter dem Vorbehalt der Rückforderung von dem Landkreis S. für die Zeit von August 2004 bis März 2005 monatlich gewährte Vorschusszahlung in Höhe von 126,-- EUR zu erstatten hat und von ihr daher zu Recht ein Betrag von 1.008,-- EUR zurückgefordert wird.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

37

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

Schröder
Tepperwien
Klinge