Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.04.2011, Az.: 6 A 421/11
Prüfungsfrist; Studiengang; Schließung; Prüfungsordnung; Aufhebung; Prüfungsanspruch
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 07.04.2011
- Aktenzeichen
- 6 A 421/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45254
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 12 Abs 1 GG
- § 7 Abs 3 HSchulG ND
- § 44 Abs 1 HSchulG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Untergang des Prüfungsanspruchs in einem geschlossenen Studiengang setzt voraus, dass der Normgeber der Prüfungsordnung selbst den Zeitpunkt des Außerkrafttretens der Prüfungsordnung bestimmt und dabei die Frist für die (letztmalige) Anmeldung zur Prüfung verbindlich festlegt.
Tatbestand:
Der Kläger ist seit dem Wintersemester 1996/1997 bei der Beklagten für das Magisterstudium mit den Hauptfächern italienische Literatur-, Sprach- und Kulturwissenschaft und Sportwissenschaften immatrikuliert. Seine Prüfung richtet sich nach der Magisterprüfungsordnung (MPO) vom 07.11.1994 (vgl. § 26 MPO vom 17.06.1997), die insoweit nicht außer Kraft getreten ist.
Das Präsidium der Beklagten beschloss am 22.12.2004 den Magisterstudiengang zum Wintersemester 2005/2006 zu schließen. Dieser Beschluss wurde im Verkündungsblatt der Beklagten vom 05.05.2005 bekanntgegeben.
In der Folge des Schließungsbeschlusses gab das Studiendekanat der Philosophischen Fakultät die Daten und Fristen der auslaufenden Betreuung für die bislang eingeschriebenen Studierenden bekannt. Nach einer der Mitteilungen mussten sich die Studierenden, sofern sie das Fach Italianistik als ein Hauptfach gewählt hatten, bis zum 30.09.2010 zur Magisterprüfung anmelden. Wer innerhalb der Beklagten diese Frist beschlossen hat, steht nicht fest. Ein entsprechender Beschluss des Fakultätsrates existiert nicht. Ebenso gibt es keinen Beschluss des Fakultätsrates, durch den die MPO 1994 auch für den Personenkreis außer Kraft getreten ist, deren Prüfungsverfahren sich noch nach dieser Prüfungsordnung richtet.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 22.11.2010 seine Zulassung zur Magisterprüfung und legte dabei diverse Leistungsnachweise vor. Nach einem Vermerk des Prüfungsamtes fehlten jedoch noch die Nachweise von zwei Hauptseminaren im Fach Italianistik. Nachdem die Beklagte den Kläger auf den Ablauf der Anmeldefrist (30.09.2010) hingewiesen hatte, beantragte der Kläger, diese Frist in seinem Fall zu verlängern.
Mit Bescheid vom 15.12.2010 gab die Beklagte die Entscheidung des Magisterprüfungsausschusses vom 29.11.2010 bekannt, dass eine Anmeldung zur Magisterprüfung wegen Versäumung der (letzten) Anmeldefrist endgültig nicht mehr möglich sei.
Daraufhin hat der Antragsteller Klage erhoben und die noch fehlenden Leistungsnachweise vorgelegt. Die Versagung der Verlängerungsmöglichkeit stelle eine unbillige Härte dar. Er habe alle Scheine erfolgreich absolviert. Das Thema der Magisterarbeit im Fach Sportwissenschaft sei bereits angemeldet. Der Betreuer der Arbeit habe bestätigt, dass der Kläger diese Arbeit aller Voraussicht nach bis zum 31.03.2011 abgeschlossen haben werde. Zwar beabsichtige die Beklagte, dass Magisterfach Italianistik zum 31.03.2011 abgewickelt zu haben. Allerdings würden andere Magisterfächer (z.B. Sportwissenschaften) noch bis zum 31.03.2012 laufen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 15.12.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zulassung zur Magisterprüfung. Nach § 19 Abs. 3 MPO 1994 sei der Antrag auf Zulassung zur Magisterprüfung beim Prüfungsausschuss innerhalb des vom Prüfungsausschuss festzusetzenden Zeitraums zu stellen. Der Prüfungsausschuss habe hier den 30.09.2010 als letzten Termin für die Abgabe des Zulassungsantrages festgesetzt. Diesen Termin habe der Kläger nicht eingehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des vorgelegten Verwaltungsvorganges der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Streitgegenstand der Klage ist die endgültige und dauerhafte Versagung der Zulassung des Klägers zur Magisterprüfung nach der Magisterprüfungsordnung der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Beklagten vom 07.11.1994 (MPO 1994).
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Anspruch des Klägers auf Zulassung zur Magisterprüfung nach § 19 Abs. 1 MPO 1994 ist bislang nicht erloschen.
Das Gericht kann dabei offenlassen, ob der Kläger derzeit sämtliche Voraussetzungen für die Zulassung nach § 19 Abs.1 MPO 1994 erfüllt. Nach dem Vorbringen des Klägers im Klageverfahren hat er die beiden ausstehenden Leistungsnachweise inzwischen nachgereicht, so dass nunmehr alle Zulassungsvoraussetzungen gegeben sind. Dem hat die Beklagte nicht widersprochen.
Jedenfalls ist ein möglicher Zulassungsanspruch des Klägers bislang nicht erloschen. Der Versagungsgrund des § 19 Abs. 2 MPO 1994 (endgültiges Nichtbestehen der Magisterprüfung) liegt unstreitig nicht vor. Ein Zulassungsanspruch des Klägers ist auch nicht untergegangen, weil die Beklagte den Magisterstudiengang geschlossen hat.
Zwar hat das Präsidium der Beklagten am 22.12.2004 beschlossen, den Magisterstudiengang zum Wintersemester 2005/2006 zu schließen. Rechtsfolge dieses Beschlusses ist jedoch nur, dass ab dem Wintersemester 2005/2006 keine Studienbewerber mehr in diesem Studiengang neu aufgenommen werden dürfen. Auswirkungen auf den Prüfungsanspruch der bis dahin eingeschriebenen Studierenden hat dieser Beschluss jedoch nicht.
Auch die von der Beklagten bekanntgegebene Fristenregelung für die letztmalige Anmeldung zur Magisterprüfung ist nicht geeignet, einen Prüfungsanspruch des Klägers aufzuheben. Ein bestehender Prüfungsanspruch kann im Fall der Schließung eines Studiengangs nur dadurch aufgehoben werden, in dem die anzuwendende Prüfungsordnung entsprechend geändert wird, z.B. durch Einfügung von Fristen für die letztmalige Prüfungsanmeldung in die Prüfungsordnung oder durch einen Beschluss, dass die Prüfungsordnung zu einem bestimmten Zeitpunkt außer Kraft tritt. Notwendig ist in jedem Fall eine entsprechende Entscheidung des Gremiums der Beklagten, welches für die Abänderung oder die Aufhebung von Prüfungsordnungen zuständig ist. Dies wäre gem. § 44 Abs. 1 NHG der Fakultätsrat. Eine entsprechende Entscheidung des Fakultätsrates liegt jedoch unstreitig nicht vor.
§ 19 Abs. 3 MPO 1994 ist ebenfalls nicht geeignet, den Prüfungsanspruch des Klägers endgültig aufzuheben. Diese Verfahrensnorm regelt lediglich Meldefristen, die einzuhalten sind, wenn man an einem bestimmten Prüfungsdurchgang teilnehmen möchte. Sie kann aber nicht dafür zur Grundlage genommen werden, einen Zulassungsanspruch endgültig aufzuheben.
Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass der Beklagten die formalen Möglichkeiten der Beendigung eines Prüfungsanspruchs im Zusammenhang mit Schließung von Studiengängen auch bekannt sind. Dies ergibt sich z.B. aus der Verfahrensweise bei der Schließung des Diplomstudiengangs Wirtschaftsingenieur (Schließungsbeschluss des Präsidiums vom 26.07.2006, Änderung der Diplomprüfungsordnung vom 11.09.2006). Wenn dieser Weg - aus welchen Gründen auch immer - nicht gegangen wird, kann dies nicht zu Lasten des Studierenden mit der Folge gehen, dass der Prüfungsanspruch jedenfalls nicht in Folge der Schließung des Studiengangs erlischt.