Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 26.08.2002, Az.: 10 A 2141/01
Anerkennung; Beratungsschein; bischöfliche Weisung; Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle; Widerruf
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 26.08.2002
- Aktenzeichen
- 10 A 2141/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43617
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 5 BeratungsG
- § 6 BeratungsG
- § 9 BeratungsG
- § 10 Abs 3 BeratungsG
- § 11 BeratungsG
- § 218 StGB
- § 218a StGB
- § 219 StGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. In den Voraussetzungen nach § 9 SchKG gehört die Ausstellung von Beratungsbescheinigungen nach § 219 StGB.
2. Liegt diese Voraussetzung nicht mehr vor kann die Anerkennung einer Schwangerenkonflikt-beratungsstelle widerrufen werden.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Entscheidung der Beklagten, die Anerkennung ihrer Beratungsstelle A. nach dem Schwangerenkonfliktberatungsgesetz zu widerrufen.
Der Kläger ist Träger einer katholischen Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle in A., die die Beklagte mit Bescheid vom 21.12.1994 nach §§ 8 und 9 Schwangerenkonfliktberatungsgesetz zunächst bis zum 31.12.1999, mit Bescheid vom 28.07.1998 unbefristet jederzeit widerruflich anerkannte und dabei die Richtlinien für das Verfahren zur Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in der Fassung des Runderlasses des Niedersächsischen Frauenministeriums vom 22. November 1997 (Nds. MBl 1998 S. 113) zum Bestandteil der Anerkennung machte.
Nachdem der Geschäftsführer des Klägers mit Schreiben vom 14.11.2000 der Beklagten mitgeteilt hatte, dass gemäß der Weisung des Bischofs von A künftig kein Beratungsnachweis nach dem Schwangerenkonfliktberatungsgesetz mehr ausgestellt werde, widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2000 den Anerkennungsbescheid mit Wirkung zum 01.01.2001. Die Beklagte verwies darauf, dass die Anerkennung zu widerrufen sei, weil die Beratungsstelle Beratungsbescheinigungen nicht mehr ausstelle und aus diesem Grund die Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle nicht mehr erfülle. Gründe, im Rahmen des Ermessens vom Widerruf abzusehen, seien nicht ersichtlich.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2001 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 22.05.2001 Klage erhoben. Er macht geltend, der Widerruf der staatlichen Anerkennung seiner Konfliktberatungsstelle sei rechtswidrig. Er lasse sich nicht auf das Verwaltungsverfahrensgesetz in Verbindung mit den Richtlinien für das Verfahren zur Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen stützen, weil die Richtlinien keine Rechtsvorschriften seien. Außerdem schließe die spezialgesetzliche Widerrufsregelung in dem Schwangerenkonfliktberatungsgesetz eine Anwendung der Widerrufs- und Rücknahmetatbestände des Verwaltungsverfahrensgesetzes aus. Diese Widerrufsregelung dagegen verlange, dass eine der Anerkennungsvoraussetzungen des § 9 des Schwangerenkonfliktberatungsgesetzes nicht mehr vorliege, die Erteilung einer Beratungsbescheinigung zähle jedoch nicht zu deren Voraussetzungen. Eine Anerkennung solle vielmehr schon dann erfolgen, wenn die jeweilige Beratungsstelle die Gewähr für eine fachgerechte Schwangerschaftskonfliktberatung biete und zur Durchführung der Schwangerschaftskonfliktberatung in der Lage sei. Das Gesetz stelle für die staatliche Anerkennung allein auf die Eignung zur sach- und fachgerechten Beratung ab. Der Beratungsbescheinigung komme in der Konzeption einer Beratungsregelung nur eine untergeordnete Rolle zu, zumal nach dem Willen des Gesetzgebers die Konfliktberatung ergebnisoffen zu führen sei und die anzubietenden Hilfen möglichst so wirkungsvoll sein sollten, dass eine ungewollt schwanger gewordene Frau ermutigt werde, die Schwangerschaft fortzusetzen und sich einem Leben mit dem Kind zu stellen. Im Übrigen könne die Erteilung einer Beratungsbescheinigung nicht Anerkennungsvoraussetzung sein, weil eine Beratungsstelle zunächst über eine staatliche Anerkennung verfügen müsse, um überhaupt eine qualifizierte Beratungsbescheinigung ausstellen zu können.
Der Kläger beantragt,
den Widerrufsbescheid der Beklagten vom 18.12.2000 für die Beratungsstelle A. in der Form des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 10.5.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist darauf, dass der Kläger die Gesetzessystematik des Schwangerenkonfliktberatungsgesetzes verkenne. Der Begriff der Beratung sei umfassend. Er beinhalte auch die Pflicht zur Ausstellung einer Beratungsbescheinigung. Das entspreche der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die von dem Gesetz umgesetzt werde. Danach setze die Durchführung einer Konfliktberatung begriffsnotwendig die Ausstellung eines Beratungsscheines voraus, auf dessen Ausstellung Rat suchende Frauen einen Anspruch hätten. Wer sich - aus welchen Gründen auch immer - dazu entschließe, keine entsprechende Bescheinigung auszustellen, übe keine Konfliktberatung in diesem Sinne aus und verhalte sich rechtswidrig. Dann sei es selbstverständlich möglich und auch geboten, die staatliche Anerkennung zu entziehen. Der Widerruf habe entgegen der Auffassung des Klägers auch nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz erfolgen dürfen. Er werde in der Gestalt des Widerspruchsbescheides auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. VwVfG in Verbindung mit dem im Anerkennungsbescheid vom 21.12.1994 enthaltenen Widerrufsvorbehalt gestützt, der bereits ein Jahr vor Inkrafttreten des Schwangerenkonfliktberatungsgesetzes verfügt worden sei. Im übrigen gründe sich der Widerruf der Anerkennung auch darauf, dass ohne die Ausstellung der Bescheinigung über die stattgefundene Beratung die Anerkennung nicht mehr ausgesprochen werden dürfe. Der Anerkennungsbescheid vom 21.12.1994 mache ausdrücklich die Richtlinien für das Verfahren zur Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen vom 15.11.1994 zum Bestandteil der Anerkennung. Sowohl nach diesen Richtlinien als auch nach den Richtlinien für das Verfahren zur Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen vom 22.11.1997 sei die Ausstellung der Beratungsbescheinigung Voraussetzung der Anerkennung sowie Verpflichtung für die Beratungsstelle.
Mit Beschluss vom 19.09.2001 lehnte das erkennende Gericht den Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den mit Sofortvollzug versehenen Widerrufsbescheid ab (Az. 6 B 2732/01). Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Beschwerde des Klägers blieb vor dem Niedersächsischen
Oberverwaltungsgericht erfolglos (Beschluss vom 22.01.2002 – 11 MA 3361/01 –, NdsVBl. 2002, S. 100 ff.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie der Verfahren 6 B 2732/01 und 6 A 2141/01 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2000 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10.05.2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beklagte stützt den Widerruf zu Recht auf § 10 Abs. 3 Satz 3 des mit dem Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes – SFHÄndG – (vom 21.8.1995; BGBl. I S. 1050) erlassenen Schwangerenkonfliktberatungsgesetzes – SchKG –. Danach ist die Anerkennung einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu widerrufen, wenn eine der Voraussetzungen des § 9 SchKG nicht mehr vorliegt, ohne dass der Beklagten insoweit ein Entschließungsermessen eingeräumt wäre. Die Ermächtigungsgrundlage des § 10 Abs. 3 Satz 3 SchKG findet nach der Übergangsregelung in § 11 SchKG auch auf die Anerkennung einer Beratungsstelle Anwendung, die wie im Fall des Klägers bereits vor dem Inkrafttreten des Schwangerenkonfliktberatungsgesetzes allein auf Grund der Vollstreckungsanordnung in Abschnitt II Nr. 4 der Entscheidungsformel des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.05.1993 (2 BvF 2/90 u.a., BGBl. I S. 820 = BVerfGE 88, 203 = NJW 1993, 1751 ff.) ausgesprochen worden ist.
Die Voraussetzungen des § 9 SchKG liegen nicht mehr vor, weil aufgrund bischöflicher Weisung seit dem 01.01.2001 den bei der Beratungsstelle um Rat suchenden Schwangeren keine Beratungsbescheinigungen mehr ausstellt werden. In § 9 SchKG ist geregelt, dass eine Beratungsstelle nur anerkannt werden darf, wenn sie die Gewähr für eine fachgerechte Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 5 SchKG bietet und zur Durchführung der Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 6 SchKG in der Lage ist. Allerdings ist § 7 SchKG, wonach die Beratungsstelle nach Abschluss der Beratung der Schwangeren eine mit Namen und Datum versehene Bescheinigung darüber auszustellen hat, dass eine Beratung nach den §§ 5 und 6 stattgefunden hat (Satz 1), in § 9 SchKG unter den „insbesondere“ zu erfüllenden Voraussetzungen nicht ausdrücklich erwähnt.
Dass die Beratungsstelle des Klägers aufgrund bischöflicher Weisung seit dem 01.01.2001 den bei ihr Rat suchenden Schwangeren keine Beratungsbescheinigung mehr ausstellt, ist aber gleichwohl ein Grund, den Widerruf der Anerkennung als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle auszusprechen. Die Kammer folgt der Auffassung des Klägers nicht, dass die Ausstellung einer Beratungsbescheinigung von dem Gesetzgeber bewusst von den Anerkennungsvoraussetzungen ausgenommen worden sei und die so entstandene bewusste Regelungslücke nicht in dem Sinne ausgefüllt werden dürfe, dass Teil der Anerkennungsvoraussetzung nicht auch die Ausstellung von Beratungsbescheinigungen sei.
Aus der Entstehungsgeschichte des Schwangerenkonfliktberatungsgesetzes und seines Regelungszwecks folgt, dass zu einer fachgerechten Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 5 SchKG die Befähigung zählt, Beratungsbescheinigungen im Sinne von § 7 SchKG auszustellen, so dass nach § 9 Abs. 1 SchKG eine Beratungsstelle nur anerkannt werden darf, wenn sie (auch) dazu imstande ist. Die Kammer teilt wie schon das Nds. Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 22.01.2002, aaO.) die Auffassung des Klägers nicht, dass durch die Nichteinbeziehung des § 7 SchKG in die Anerkennungsvoraussetzungen des § 9 SchKG dort eine (nicht ausfüllbare) Regelungslücke festzustellen sei.
Das SchKG ist Bestandteil des SFHÄndG, mit dem der Gesetzgeber die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.05.1993 (BVerfGE 88, 203) gezogen hat, durch das verschiedene Vorschriften des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes (SFHG) vom 27.07.1992 (BGBl. I S. 1398) für verfassungswidrig und nichtig erklärt worden waren (vgl. dazu im Einzelnen: Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, Komm., 26. Aufl. 2001, Vorbem. vor § 218 Rdnr. 1, 6 ff.: Tröndle, Das Schwangeren-Familienhilfeänderungsgesetz, NJW 1995, 3009 ff.; Ellwanger, SchKG, 1997, Einführung Rdnr. 1 ff.). Wesentlicher Ausgangspunkt für die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die sich aus Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende Schutzpflicht des Staates (auch) für das ungeborene menschliche Leben (a.a.O., Leitsätze 1 – 6 und S. 251 ff.); dennoch kann es mit Rücksicht auf gegenläufige Grundrechtspositionen der Frau in Ausnahmelagen zulässig, wenn nicht sogar geboten sein, ihr eine Rechtspflicht zum Austragen des Kindes nicht aufzuerlegen (a.a.O., Leitsatz 7 und S. 255 ff.). Im Übrigen ist für den zur Erreichung jenes Schutzziels einzuschlagenden Weg von grundlegender Bedeutung, dass das Bundesverfassungsgericht das sog. Beratungskonzept grundsätzlich anerkennt (a.a.O., Leitsatz 11 und S. 264 ff.) mit der Folge, dass es Schwangerschaftsabbrüche, die von einem Arzt nach vorgeschriebener Konfliktberatung in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft vorgenommen werden, als straffrei - nicht aber als nicht rechtswidrig - ansieht. Das Bundesverfassungsgericht hat bis zu einer gesetzlichen Neuregelung im Wege einer Vollstreckungsanordnung gemäß § 35 BVerfGG dementsprechend bestimmt, dass § 218 StGB in der Fassung des SFHG keine Anwendung findet, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer staatlich anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen (Nr. 2 der Vollstreckungsanordnung). Zugleich hat es auch eine Übergangsregelung für die aus seiner Sicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen bisher nicht genügende Beratung der Schwangeren erlassen (Nrn. 3 – 6 der Vollstreckungsanordnung). Danach dient die Beratung dem Schutz des ungeborenen Lebens und hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen. Sieht die beratende Person die Beratung als abgeschlossen an, hat die Beratungsstelle der Frau auf Antrag über die Tatsache, dass eine Beratung nach Nr. 3 Abs. 1 – 4 der Vollstreckungsanordnung stattgefunden hat, eine auf ihren Namen lautende und mit dem Datum des letzten Beratungsgesprächs versehene Bescheinigung auszustellen (Nr. 3 Abs. 5 Satz 2 der Vollstreckungsanordnung). Mit diesem Konzept sollte eine im „Ergebnis offene, aber zielgerichtet“ auf Fortsetzung der Schwangerschaft ausgerichtete Beratung gewährleistet werden (BVerfGE 88, 210, 306). In diesem Zusammenhang betont das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 88, 203, 270), dass die betroffene Frau letztlich den Abbruch der Schwangerschaft tatsächlich bestimmt und insofern verantworten muss (Letztverantwortung). Festzuhalten – und das ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles wesentlich - bleibt, dass das Bundesverfassungsgericht die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs u.a. davon abhängig macht, dass die Schwangere sich vorher hat beraten lassen und dass dieser Nachweis gegenüber dem Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft vornimmt, durch die Bescheinigung einer staatlich anerkannten Beratungsstelle zu führen ist.
An diesen verfassungsgerichtlichen Vorgaben hat sich der Gesetzgeber bei dem Erlass des SFHÄndG orientiert (vgl. Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drs. 13/1850 S. 19 – 21). Unter Übernahme des vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Beratungskonzepts ist der nach Beratung innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch straffrei (§ 218 a Abs. 1 StGB). Ziel, Inhalt, Durchführung und Organisation der Beratung der Schwangeren werden in § 219 StGB i. V. m. den §§ 5 – 11 SchKG geregelt. Die Vorschrift des § 219 StGB stellt Grundsätze für die Ausgestaltung der Beratung auf und verweist im Übrigen zur näheren Konkretisierung auf das SchKG (Abs. 1 Satz 5). Damit sind die Vorschriften der §§ 5 – 11 SchKG gemeint, die als integraler Teil des § 219 StGB zu verstehen sind (vgl. Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drs. 13/58 S. 20). § 219 StGB und die ihn ergänzenden Vorschriften der §§ 5 – 11 SchKG bilden somit entgegen der Auffassung des Klägers eine Einheit, d.h. sie müssen insgesamt ohne Einschränkung beachtet werden (vgl. Eser, a.a.O., § 219 Rdnr. 1; Lackner/Kühl, StGB, 23. Aufl. 1999, § 219 Rdnr. 1; Ellwanger, a.a.O., § 5 Rdnr. 1; Rudolphi, in: Rudolphi/Horn/Günther, SK-StGB, § 218a, Rdn. 17). Der Begriff der Beratung in Schwangerschaftskonfliktfällen ist nicht nur inhaltlich zu verstehen und beschränkt sich nicht auf das eigentliche Beratungsgespräch, sondern umfasst auch Fragen der Durchführung und Organisation. Zur Schwangerschaftskonfliktberatung gehört deshalb auch die Erteilung einer Beratungsbescheinigung (§ 219 Abs. 2 Satz 2 StGB, § 7 SchKG) durch eine staatlich anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (§ 219 Abs. 2 Satz 1 StGB, §§ 8 und 9 SchKG), deren Tätigkeit von den zuständigen Behörden zu überwachen ist (§ 10 SchKG), da der Staat für die Durchführung des Beratungsverfahrens die volle Verantwortung trägt (vgl. BVerfGE 88, 203 - Leitsatz 12 - und S. 301 ff.). Nachdem die Schwangere dem einen Schwangerschaftsabbruch durchführenden Arzt ihre Beratung durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 S. 2 StGB nachgewiesen hat, ist dieser Arzt nach § 218 a Abs. 1 StGB von Strafe befreit (zur dogmatischen Einordnung s. Rudolphi, aaO., vor 218 StGB, Rdn. 46 und § 218 a StGB, Rdn. 2). Die Gesamtschau dieser Regelungen ergibt, dass eine Beratung, für die der Schwangeren eine Bescheinigung nicht ausgestellt wird, keine Schwangerschaftskonfliktberatung im Sinne des § 219 StGB i.V.m. den §§ 5 –11 SchKG darstellt. Denn der Tatbestand des § 218 StGB ist neben anderen Kriterien dann nicht verwirklicht, wenn die Schwangere dem Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft vornehmen soll, durch eine Bescheinigung die Tatsache der Schwangerschaftskonfliktberatung nachgewiesen hat (vgl. § 218 a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 StGB). Hieran wird die wichtige Rolle der Beratungsbescheinigung im Kontext des Schutzkonzepts durch Beratung für die Straffreistellung des Schwangerschaftsabbruchs in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft deutlich (vgl. dazu auch Kluth, Die rechtliche Einordnung des „neuen Scheins“ der katholischen Beratungsstellen, NJW 1999, 2720 f. [BSG 14.05.1997 - 6 RKa 25/96]).
Dieser Auslegung steht auch nicht – wie der Kläger meint – entgegen, dass in § 5 SchKG, auf den § 9 SchKG verweist, die Erteilung einer Beratungsbescheinigung nicht genannt wird. § 5 SchKG, der – wie bereits erwähnt - § 219 StGB ergänzt, umschreibt Ziel und Aufgabe der Schwangerschaftskonfliktberatung. Zwar dient danach die Schwangerschaftskonfliktberatung dem Schutz des ungeborenen Lebens (Abs. 1 Satz 3), doch ist die nach § 219 StGB notwendige Beratung ergebnisoffen zu führen. Sie geht von der Verantwortung der Frau aus, soll ermutigen und Verständnis wecken, nicht belehren oder bevormunden (Abs. 1 Sätze 2 und 3). Diese Aussagen, die an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anknüpfen, respektieren trotz der auf den Schutz des ungeborenen Lebens ausgerichteten Zielsetzung der Schwangerschaftskonfliktberatung die Entscheidungsfreiheit der Schwangeren und überlassen damit ihr die Letztverantwortung für oder gegen den Schwangerschaftsabbruch (vgl. Eser, a.a.O., § 218 a Rdnr. 3; Lackner/Kühl, a.a.O., § 219 Rdnr. 2; Ellwanger, a.a.O., § 5 Rdnr. 3 und 5). Während § 5 Abs. 1 SchKG, der die Bezugnahme zu § 219 StGB insgesamt und nicht nur im Hinblick auf dessen Absatz 1 herstellt, Regelungen über die Aufgabe der Schwangerschaftskonfliktberatung trifft, bestimmt § 5 Abs. 2 SchKG den erforderlichen Inhalt der Beratung (vgl. Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drs. 13/1850 S. 20).
Wenn aber die Beratung ergebnisoffen zu führen ist, um der Schwangeren eine eigene verantwortliche Entscheidung zu ermöglichen, ist sie, sollte sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, auf die Erteilung einer Beratungsbescheinigung zur Vermeidung der Strafbarkeit zwingend angewiesen. Wegen dieser weitreichenden Folgen hat die Schwangere auch nach Abschluss der Beratung einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Ausstellung der Beratungsbescheinigung (vgl. Ellwanger, a.a.O., § 7 Rdnr. 5; Tröndle, NJW 1995, 3009, 3017; Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drs. 13/1850 S. 21). Lehnt die Beratungsstelle die Erteilung einer Bescheinigung ab, obwohl die Beratung nach den §§ 5 und 6 SchKG stattgefunden hat, wird der Schwangeren die Möglichkeit genommen, der ihr obliegenden Verantwortung, welche eine Entscheidung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch einschließt, nachzukommen. Damit verlöre die durchgeführte Konfliktberatung ersichtlich ihren gesetzgeberischen Zweck (so auch VG Osnabrück, Beschl. v. 10.12.2001 – 6 B 26/01 u.a. – S. 8 d. BA und VG Lüneburg, Beschl. v. 8.1.2002 – 6 B 165/01 – S. 5 d. BA). Würde man anders entscheiden, liefe § 218 a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 StGB leer, der die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs in formeller Hinsicht gerade an den Nachweis der Pflichtberatung knüpft.
Nach dem gesetzgeberischen Konzept des SFHÄndG stellt die nach § 219 Abs. 2 Satz 2 StGB zu erteilende Beratungsbescheinigung den Abschluss des Beratungsgesprächs (vgl. BVerfGE 80, 203 [307]) dar; sie ist unverzichtbarer Teil der von den Beratungsstellen im Rahmen des Beratungskonzepts zu übernehmenden besonderen Verantwortlichkeit (vgl. BVerfGE 80, 203 [BVerfG 13.06.1989 - 2 BvE 1/88] [288]). Die Bescheinigung muss innerhalb des von § 7 Abs. 2 SchKG vorgegebenen Zeitrahmens, aber jedenfalls unter Beachtung der Fristen des § 218 a Abs. 1 StGB erteilt werden (vgl. Rudolphi aaO., § 219 StGB, Rdn. 13). Der Sicherstellung dieser Verantwortlichkeit dient die nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts im SchKG zu regelnde staatliche Überwachung, die sich naturgemäß nicht nur auf die Einhaltung der Berichts- und Aufzeichnungspflichten erstreckt, sondern erst Recht auf den mit der Ausstellung der Beratungsbescheinigung gesetzlich vorgesehenen förmlichen Abschluss der Beratung beziehen muss.
Dass zu den unabdingbaren Aufgaben einer staatlich anerkannten Schwangerschaftsberatungsstelle die Ausstellung einer Beratungsbescheinigung nach Abschluss der Beratung gehört, zeigt auch ein Vergleich mit der Regelung der Beratung in § 2 SchKG. Während die Beratung nach § 5 SchKG eine der Voraussetzungen dafür ist, dass der Tatbestand des § 218 StGB nicht verwirklicht wird ( 218 a Abs. 1 StGB) bzw., dass die Schwangere nicht nach § 218 StGB strafbar ist (§ 218 a Abs. 4 Satz 1 StGB), räumt § 2 SchKG jeder Frau und jedem Mann ein subjektiv-öffentliches Recht auf Beratung in Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung sowie in allen eine Schwangerschaft berührenden Fragen ein. Von der wesentlichen Zielrichtung her dient die Beratung nach § 2 SchKG der Prävention, also insbesondere der Vermeidung von Schwangerschaftskonflikten, dagegen § 5 SchKG der Bewältigung eines (eingetretenen) Konflikts (vgl. Ellwanger, a.a.O., § 2 Rdnr. 1). Die unterschiedliche Aufgabenstellung beider Beratungsangebote kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Beratung nach § 2 SchKG von einer „hierfür vorgesehenen“ Beratungsstelle, die Beratung nach § 5 SchKG nur von Einrichtungen mit „besonderer staatlicher Anerkennung“ (§ 8 Satz 2 und § 9 SchKG) geleistet werden darf. Insbesondere das Erfordernis der staatlichen Anerkennung und das Ausstellung einer Bescheinigung darüber, dass eine Beratung stattgefunden hat (§ 7 SchKG), rechtfertigen sich daraus, dass der Staat für die Durchführung des Beratungsverfahrens die volle Verantwortung trägt. Beratungsstellen nach § 2 SchKG können zwar, auch soweit sie nicht anerkannt sind, Schwangerschaftskonfliktberatung leisten (Abs. 2 Nr. 7), Bescheinigungen nach § 7 SchKG dürfen sie aber nicht ausstellen, was zur Folge hat, dass die Inanspruchnahme einer (bloßen) Beratung nach § 2 SchKG nicht zur Straflosigkeit eines daraufhin vorgenommenen Schwangerschaftsabbruchs führt (vgl. Ellwanger, a.a.O., § 2 Rdnr. 2). Ist deshalb eine staatlich anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle – wie die des Klägers – nicht mehr bereit, den für die Gewährung der Straffreiheit aus § 218 a Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderlichen Nachweis zu erteilen, dass eine den Anforderungen der §§ 5 und 6 SchKG genügende Beratung stattgefunden hat, verstößt sie gegen die ihr gesetzlich auferlegten Pflichten, so dass die Voraussetzungen des § 9 SchKG nicht mehr erfüllt sind und die Anerkennung nach § 10 Abs. 3 SchKG zu widerrufen ist (vgl. dazu auch Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drs. 13/1850 S. 21).
Da nach alledem § 10 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 9 SchKG eine tragfähige Rechtsgrundlage für den streitigen Widerruf der staatlichen Anerkennung der Beratungsstelle des Klägers als Konfliktberatungsstelle bildet, kommt es nicht darauf an, ob der Widerruf – wie die Beklagte angenommen hat – zusätzlich auch auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG i.V.m. dem Widerrufsvorbehalt im Anerkennungsbescheid gestützt werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor.