Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 08.12.2011, Az.: 12 A 5532/09

Nagelbrettbinder; Nagelplatte; Sonderbau; Verbrauchermarkt

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.12.2011
Aktenzeichen
12 A 5532/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45258
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen brandschutzrechtliche Nebenbestimmungen in einer Baugenehmigung, die die Beklagte der Klägerin erteilt hat.

Die Klägerin beantragte unter dem 14.04.2008 die Baugenehmigung für den Neubau eines Lebensmittelmarktes und eines Bäckers mit insgesamt ca. 1.100 m2 Fläche, wobei der Lebensmittelmarkt eine Verkaufsfläche von ca. 788 m2 und der Bäcker von ca. 39 m2 aufweist. Das Dach des Gebäudes sollte (bzw. wurde inzwischen) in Form einer Nagelbrettbinderkonstruktion erstellt werden. Am 29. 05.2008 legte die Klägerin für das Vorhaben ein Brandschutzkonzept des Ingenieurbüros C. vor.

Die Beklagte erteilte der Klägerin unter dem 03.07.2009 die beantragte Baugenehmigung mit u.a. folgenden besonderen brandschutztechnischen Regelungen:

"3. Sofern Brand- und Rauchschutztüren aus betrieblichen Gründen offen gehalten werden müssen, sind sie so einzurichten, dass sie im Brandfall sowie bei Raucheinwirkung selbständig schließen.

4. Die Trennwände zwischen Lager und Verkaufsraum müssen mindestens feuerhemmend (F 30 gem. DIN 4102) sein. Türen in dieser Abtrennung müssen mindestens feuerhemmend (T 30 gem. DIN 4102) sein.

5. Die Decke ist feuerhemmend (F 30 gem. DIN 4102) herzurichten.

6. Unter Bezugnahme auf § 19 Absatz 1 der DVNBauO kann die Rauchableitung über notwendige Fenster erreicht werden. Die öffenbare Fensterfläche muss dazu mindestens 1/8 der Grundfläche der Verkaufsfläche betragen.

Alternativ dazu bestehen folgende Möglichkeiten:

- Einbau von Öffnungen (z.B. Fenster, Türen und Tore) zur Rauchableitung mit einer wirkungsvollen Fläche von 2 % der Grundfläche der Verkaufsstätte.

- Einbau einer maschinellen Entrauchungsanlage mit einem 12-fachen Luftwechsel."

Beigefügt war der Baugenehmigung ein Merkblatt des Landesfeuerwehrverbandes Niedersachsen zu den "Brandschutztechnischen Anforderungen an Kleine Verkaufsstätten".

Die Klägerin legte unter dem 16.07.2009 u.a. gegen die zuvor genannten Regelungen Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen vortrug, die Regelungen Nr. 3. und 4. seien rechtswidrig, da es sich bei dem Gebäude um einen Brandabschnitt handele, in dem weder Brand- und Rauchschutztüren noch Trennwände und Türen der Feuerwiderstandsklasse F/T 30 erforderlich seien. Die Regelung Nr. 5 sei rechtswidrig, da das Gebäude keine Decke im bauordnungsrechtlichen Sinne habe. Es gebe lediglich aus optischen Gründen eine Bekleidung unterhalb der Binder, an die jedoch keine besonderen Brandschutzanforderungen zu stellen seien. Die Regelung Nr. 6 sei rechtswidrig, da die geforderte Rauchableitung nicht erforderlich sei. Diese diene nicht der Menschenrettung, sondern dem Sachschutz, indem sie einen Innenangriff der Feuerwehr ermöglichen solle. Ein solcher Innenangriff sei jedoch wegen der Dachkonstruktion aus Nagelplattenbindern und der daraus resultierenden Einsturzgefahr grundsätzlich nicht möglich. Insgesamt seien die angefochtenen Regelungen nicht erforderlich und damit rechtswidrig. Dies ergebe sich auch aus einem Grundsatzpapier der Fachkommission der Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ArgeBau) zum Thema "Rettung von Menschen" und "wirksame Löscharbeiten".

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, Rechtsgrundlage der angefochtenen Regelungen sei § 51 NBauO, der zur Wahrung der in § 1 NBauO genannten Anforderungen die Möglichkeit eröffne, an bauliche Anlagen besondere brandschutzrechtliche Anforderungen zu stellen. Dies sei vorliegend erforderlich gewesen. Die Erforderlichkeit der Regelungen Nr. 3. und 4. ergebe sich daraus, dass Lager und Verkaufsraum unterschiedliche Nutzungseinheiten seien und damit auch unterschiedliche Brandabschnitte bilden würden. Die dazwischen liegenden Trennwände und -türen müssten der Feuerwiderstandsklasse F/T 30 entsprechen, um ein Übergreifen der Flammen zu verhindern. In der Regelung Nr. 5. sei die unterseitige Verkleidung des Dachtragwerks bzw. die Unterdecke gemeint. Um die Trennung von Lager und Verkaufsraum nach oben zu gewährleisten, sei auch diese Unterdecke in Feuerwiderstandsklasse F 30 herzustellen. Die Regelung Nr. 6 sei erforderlich, um der Feuerwehr die Rettung von Personen und eine wirksame Löscharbeit zu ermöglichen. Die Regelung diene nicht nur dem Sachschutz.

Die Klägerin hat am 03.11.2009 Klage erhoben, mit der sie sich zunächst weiter gegen die angefochtenen Regelungen wandte. Sie trägt zur Begründung vor, die erstmals im Widerspruchsbescheid genannte Rechtsgrundlage § 51 NBauO eröffne der Beklagten kein freies Ermessen, sondern nur die Möglichkeit, zur Wahrung der Anforderungen des § 1 NBauO besondere brandschutzrechtliche Anforderungen festzusetzen. Die hier angegriffenen Regelungen würden aber über die in § 1 NBauO genannten Anforderungen hinausgehen und seien daher rechtswidrig. Jeder Markt stelle einen Brandabschnitt und eine Nutzungseinheit dar. Eine feuerhemmende Trennung innerhalb der einzelnen Märkte zwischen Lager und Verkaufsraum, wie sie durch die Regelungen Nr. 3 bis 5 verlangt werde, sei daher weder durch Brand- oder Trennwände und Türen noch nach oben durch eine Unterdecke erforderlich. Selbst wenn es sich bei den geplanten Wänden um Trennwände im baurechtlichen Sinne handele, müssten diese jedenfalls nicht feuerhemmend seien, da keine Wohnung betroffen sei. Zudem seien feuerhemmende Trennwände und eine feuerhemmende Unterdecke zur Verhinderung eines schnellen Ausbreitens eines Brandes nicht erforderlich, da nach dem vorgelegten Brandschutzkonzept eine vollständige Evakuierung des gesamten Gebäudes innerhalb von nur 90 Sekunden möglich sei. Aus diesem Grund sei auch die durch Nr. 6 angeordnete Rauchableitung nicht erforderlich. Die Rauchableitung solle einen Innenangriff der Feuerwehr ermöglichen. Ein Innenangriff sei hier jedoch wegen der schnellen Evakuierung nicht nötig. Die raucharme Schicht würde ohnehin erst nach der Räumung entstehen. Darüber hinaus bestehe bei einem Brand die Gefahr, das aus Nagelbrettbindern bestehende Dach könne einstürzen. Schon deshalb sei ein Innenangriff der Feuerwehr nicht möglich.

Die Klägerin trägt weiter vor, sie habe die Märkte inzwischen unter Beachtung der angefochtenen Regelungen fertig gestellt, da sie bereits Mietverträge geschlossen habe. Wegen evtl. Schadensersatzforderungen und einer Wiederholungsgefahr begehre sie nunmehr die Feststellung, dass ihr die Baugenehmigung ohne diese Regelungen zu erteilen gewesen wäre.

Die Klägerin beantragt daher,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, ihr die beantragte Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmungen 3. bis 6. der Berufsfeuerwehr Hildesheim zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, die Regelungen seien erforderlich, damit das Bauvorhaben die Anforderungen des § 1 NBauO erfülle. Sie habe das ihr eröffnete Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Eine feuerhemmende Trennung zwischen Lager und Verkaufsraum sei erforderlich, um ein schnelles Ausbreiten eines Brandes zu verhindern. Zwar gehe das Brandschutzkonzept der Klägerin davon aus, dass eine Evakuierung des Gebäudes innerhalb von 90 Sekunden erfolgen könne. Dies beziehe sich jedoch nur auf gesunde Menschen. Alte, kranke oder behinderte Menschen oder Kinder könnten das Gebäude jedoch u.U. nicht so schnell verlassen und müssten dann evtl. von der Feuerwehr gerettet werden. Um einen solchen Innenangriff der Feuerwehr zu ermöglichen, müsse zum einen die Einsturzgefahr des Daches reduziert werden und zum anderen eine Rauchableitung erfolgen. Diesem Zweck dienten die angefochtenen Regelungen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Feststellung.

Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, ihr die beantragte Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmungen 3. bis 6. der Berufsfeuerwehr Hildesheim zu erteilen, stellt einen sog. Fortsetzungsfeststellungsantrag dar. Bei der damit vorliegenden Fortsetzungsfeststellungsklage spricht das Gericht gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urt. v. 24.01.1992 - 7 C 24.91 -; juris) auch im Falle der Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.

Danach ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, wenn die ursprüngliche Verpflichtungsklage zulässig gewesen ist, ein erledigendes Ereignis eingetreten ist und ein Feststellungsinteresse vorliegt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Bei den der Baugenehmigung beigefügten (Neben-)Bestimmungen "Berufsfeuerwehr Hildesheim" Ziffern 3., 4., 5. und 6. handelt es sich nicht um Auflagen im Sinne von § 36 Abs. 1 VwVfG, die isoliert angefochten und aufgehoben werden können, sondern um Regelungen des Inhalts der Baugenehmigung vom 03.07.2010. Sie sind notwendige Brandschutzbestimmungen und damit integraler Bestandteil der Baugenehmigung, ohne die nach Auffassung der Beklagten die Baugenehmigung nicht hätte erteilt werden können. In einem solchen Fall kann die Klage in zulässiger Weise nur auf die Verpflichtung zur Erteilung einer anderen Baugenehmigung, nämlich einer solchen ohne die besonderen Brandschutzanforderungen, gerichtet werden (vgl.: Nds. OVG, Urt. v. 18.09.2002 - 1 LB 2855/01 -; VG Lüneburg, Urt. v. 11.02.2010 - 2 A 348/08 -; VG Minden, Urt. v. 16.12.2010 - 9 K 1694/09 -; juris).

Das ursprüngliche Klagebegehren auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung ohne die besonderen Brandschutzauflagen Ziffern 3. bis 6. hat sich zwischenzeitlich erledigt, da die Klägerin das Vorhaben inzwischen unter Beachtung der streitigen besonderen Brandschutzanforderungen verwirklicht hat. Einer neuen Baugenehmigung ohne die streitigen Regelungen bedarf die Klägerin daher nicht mehr.

Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, da hier die begründete Möglichkeit einer Wiederholungsgefahr besteht. Das berechtigte Interesse wegen Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass auch in Zukunft unter im Wesentlichen unveränderten Umständen die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Davon kann hier ausgegangen werden. Die Klägerin, die ihren Geschäftssitz im Gebiet der Beklagten hat, hat erklärt, dass sie auch in Zukunft aufgrund ähnlicher Baupläne vergleichbare bzw. gleiche Lebensmittelmärkte im Stadtgebiet der Beklagten bauen wird. Da eine Schwestergesellschaft der Klägerin bereits ein vergleichbares Klageverfahren vor dem erkennenden Gericht betreibt, ist diese Wiederholungsgefahr auch hinreichend konkret.

Die in dieser Änderung des ursprünglichen Klagebegehrens liegende Klageänderung ist gem. § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, da ihr die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zugestimmt hat und sie das Gericht darüber hinaus für sachdienlich hält.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist aber unbegründet. Dass die Beklagte mit den Bestimmungen "Berufsfeuerwehr Hildesheim" Ziffern 3. bis 6. besondere Brandschutzanforderungen an das Bauvorhaben der Klägerin gestellt hat, war rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ohne diese Bestimmungen.

Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 NBauO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahme, soweit sie genehmigungsbedürftig ist, und soweit die Prüfung nicht entfällt, dem öffentlichen Baurecht entspricht. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 NBauO müssen bauliche Anlagen so angeordnet, beschaffen und für ihre Benutzung geeignet sein, dass die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet wird. § 20 Abs. 1 Satz 1 NBauO regelt, dass bauliche Anlagen so angeordnet, beschaffen und für ihre Benutzung geeignet sein müssen, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Die brandschutzrechtlichen Anforderungen an Wände, Decken und Dächer werden in den §§ 30 - 32 NBauO und den §§ 5 - 12 DVNBauO konkretisiert. Zu Recht gehen die Beteiligten aber vorliegend davon aus, dass diese speziellen Regelungen hier nicht einschlägig sind.

Die Beklagte durfte die besonderen Brandschutzanforderungen jedoch auf § 51 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 NBauO stützen. Danach können an bauliche Anlagen oder Räume besonderer Art oder Nutzung im Einzelfall besondere Anforderungen gestellt werden, soweit die Vorschriften der §§ 5 bis 49 und die zu ihrer näheren Bestimmung erlassenen Verordnungen nicht ausreichen, um die Anforderungen des § 1 zu wahren. Diese Anforderungen können sich insbesondere auf den Brandschutz erstrecken.

Zu den baulichen Anlagen besonderer Art oder Nutzung gehören gem. § 51 Abs. 2 Nr. 2 NBauO insbesondere Verkaufsstätten. Hierunter fallen unabhängig von ihrer Größe Einzelhandelsbetriebe aller Art mit Verkaufsräumen wie Läden, SB-Märkte, Fachmärkte oder Einkaufszentren. Dass die Verkaufsstättenverordnung (VKVO) lediglich für solche Verkaufsstätten gilt, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Fläche von insgesamt mehr als 2000 m2 haben, führt nicht dazu, dass auch die Regelung des § 51 Abs. 2 Nr. 2 nur für Verkaufsstätten dieser Größe gilt (vgl.: Nds. OVG, Urt. v. 18.09.2002 - 1 LB 2855/01 -, juris). Bei dem beantragten Lebensmittelmarkt und dem Bäcker handelt es sich damit um bauliche Anlagen besonderer Art.

§ 51 Abs. 1 Satz 1 NBauO macht es vom Einzelfall abhängig, ob an bauliche Anlagen besonderer Art besondere Anforderungen zu stellen sind. Die NBauO erfasst allgemein nur die am häufigsten vorkommenden Anlagen. Dazu gehören in erster Linie Wohn- und Bürogebäude, auf deren normale nutzungsbedingte Ansprüche und Gefahrenpotentiale die generalisierenden Regelungen der §§ 20 und 30ff. der NBauO und der DVNBauO zugeschnitten sind. Die Bauaufsichtsbehörde muss daher die Möglichkeit haben, für bauliche Anlagen besonderer Art und Nutzung (sog. Sonderbauten) im Einzelfall besondere Anforderungen zu stellen, soweit dies zur Wahrung der grundsätzlichen Anforderungen des § 1 NBauO erforderlich ist. Die Entscheidung über solche besonderen Anforderungen ist jedoch nicht ins freie Ermessen der Bauaufsichtsbehörde gestellt, sondern hat sich daran zu orientieren, was zur Wahrung der Anforderungen des § 1 NBauO erforderlich ist (vgl. Lindorf, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl., 2006, § 51 Rdnr. 1ff und 5).

Dieser der Bauaufsichtsbehörde eröffnete Ermessensspielraum ist gerichtlich nur beschränkt kontrollierbar, nämlich gem. § 114 VwGO nur darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte hat durch die Anordnung der hier streitigen besonderen Brandschutzanforderungen ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.

Die Regelungen Nr. 3. und 4. sind nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass die Regelungen Nr. 3. und 4. eine Einheit bilden, mit der die sie erreichen möchte, dass im Falle eines Brandes die Ausbreitung von Feuer und Rauch in gewissen Grenzen gehalten wird. Diese Absicht entspricht dem Sicherheitskonzept der NBauO, dem das Abschottungsprinzip zugrunde liegt. Danach soll der Ausbreitung von Feuer und Rauch insbesondere durch die Unterteilung baulicher Anlagen in Brandabschnitte entgegen gewirkt werden (vgl. Lindorf, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl., 2006, § 20 Rdnr. 9). Die von der Beklagten durch die streitigen Regelungen verfolgten Ziele sind somit sachgerecht und vom Zweck der Ermächtigungsgrundlage gedeckt.

Die besonderen Anforderungen sind auch verhältnismäßig. Durch die Regelung Nr. 4. wird für die von der Klägerin ohnehin geplanten Wände und Türen zwischen dem Lager und dem Verkaufsraum eines jeden Marktes angeordnet, dass diese feuerhemmend (F/T 30) seien müssen. Die Regelung Nr. 3. verlangt, dass sich diese Türen im Falle eines Brandes oder bei Raucheinwirkung selbsttätig schließen. Diese Regelungen bewirken damit, dass ein Brand, der in einem Teil des Marktes entsteht, zumindest 30 Minuten lang nicht auf den anderen Teil des Marktes übergreifen kann. Orientiert hat sich die Beklagte für diese Regelungen zum einen an § 7 DVNBauO, wonach Trennwände zwischen Wohnungen feuerbeständig (F 90) sein müssen, und zum anderen an § 5 VKVO, wonach in Verkaufsstätten, die unter den Anwendungsbereich der VKVO fallen, die Trennwände zwischen Verkaufsräumen und Lagerräumen z.T. auch feuerbeständig seien müssen. In der richtigen Annahme, dass zwar auf die vorliegende bauliche Anlage weder § 7 DVNBauO noch § 5 VKVO anwendbar ist, sie aber aufgrund ihrer besondern Art und Nutzung auch nicht mit einem normalen Wohngebäude zu vergleichen ist, hat sich die Beklagte für einen Mittelweg entschieden, indem sie eine feuerhemmende (F 30) Trennung gefordert hat. Zusätzlich gestützt hat sich die Beklagte dabei auf das Merkblatt "Brandschutztechnische Anforderungen an kleine Verkaufsstätten", welches vom Fachausschuss Vorbeugender Brand- und Umweltschutz des Landesfeuerwehrverbandes Niedersachsen und vom Arbeitskreis Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Niedersachsen erarbeitet wurde. Dieses Merkblatt fordert für "Kleine Verkaufsstätten", wie dies die vorliegende bauliche Anlage eine ist, feuerhemmende Trennwände und selbstschließende Türen zwischen dem Verkaufsraum und dem Lager. Die Anlehnung an diese Fachmeinung ist vertretbar, nachvollziehbar und im Rahmen des Ermessens nicht zu beanstanden. Dass es in anderen Bundesländern evtl. andere oder keine derartigen Empfehlungen gibt, wie dies die Klägerin vorträgt, steht dem nicht entgegen und macht die Entscheidung der Beklagten deshalb nicht ermessensfehlerhaft.

Die Beklagte ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass diese besonderen Anforderungen erforderlich sind, da ohne sie durch die bauliche Anlage eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit i.S.d. § 1 Abs. 1 NBauO vorläge. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, wenn es hinreichend wahrscheinlich ist, dass Rechtsgüter, die zur öffentlichen Sicherheit gehören, geschädigt bzw. verletzt werden. Dabei stellt jedoch nicht bereits jede noch so geringe Schadenswahrscheinlichkeit eine Gefahr dar. Ein geringes Risiko ist vielmehr hinzunehmen. Erst wenn ein kritisches Maß überschritten wird, liegt eine rechtlich missbilligte Gefahr vor. Dies ist jedoch bei einem umso geringeren Grad der Schadenswahrscheinlichkeit der Fall, je wertvoller das möglicherweise geschädigte Rechtsgut und je größer der mögliche Schadensumfang sind (vgl. Wiechert, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/ Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl., 2006, §1 Rdnr. 15). Bei einem Brand in einem Einkaufsmarkt sind neben großen Sachwerten auch immer das Leben und die Gesundheit von Menschen unmittelbar gefährdet, sodass hier bereits eine geringe Schadenswahrscheinlichkeit zur Annahme einer Gefahr ausreicht. Eine solche geringe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts liegt hier vor. Dem steht auch das von der Klägerin vorgelegte Brandschutzkonzept nicht entgegen. Zwar kommt dieses zu dem Ergebnis, dass im Fall eines Brandes in der Regel das gesamte Gebäude innerhalb von ca. 2 Minuten geräumt werden könne, da ausreichende Rettungswege vorhanden seien. Innerhalb dieser 2 Minuten wäre auch kaum damit zu rechnen, dass sich ein Brand im gesamten Markt ausbreitet und deshalb Menschen gefährdet wären. Das Brandschutzkonzept geht jedoch selbst davon aus, dass sich diese Räumungszeiten nur dann einhalten lassen, wenn alle Benutzer des Marktes aufgrund ihrer psychischen und physischen Kondition dazu in der Lage sind, das Gebäude im Gefahrenfall selbständig und zügig zu verlassen (vgl. Seite 14 des Brandschutzkonzepts). Zu Recht bringt die Beklagte aber hiergegen vor, dass davon nicht generell ausgegangen werden kann. Einkaufsmärkte werden auch von älteren Menschen besucht, die sich evtl. nicht mehr schnell und sicher bewegen können oder auch von sonstigen kranken oder gehbehinderten Menschen mit Gehhilfen, Rollatoren o.ä., denen es u.U. ebenfalls nicht möglich ist, den Markt innerhalb von nur 2 Minuten zu verlassen. Auch kleine Kinder sind häufig mit Mutter oder Vater in derartigen Märkten unterwegs, entfernen sich jedoch oftmals von diesen, sodass im Fall eines Brandes mit panischen Suchaktionen zu rechnen ist. Insgesamt sind Panikreaktionen möglich, die zu Stürzen und sonstigen Verletzungen führen können, sodass es zumindest einzelnen Marktbesuchern nicht mehr möglich ist, das Gebäude innerhalb von 2 Minuten zu verlassen. Wenn derartige Komplikationen auch nicht die Regel sind, so sind sie dennoch möglich und nicht gänzlich unwahrscheinlich. In Anbetracht des hohen Rechtsgutes Leben und Gesundheit reicht dieser Grad an Wahrscheinlichkeit jedenfalls aus, um von einer Gefahr auszugehen und deshalb Regelunge zu treffen, die dieser Gefahr entgegen wirken.

Die von der Klägerin nicht genau bezifferten finanziellen Nachteile (geschätzt wurden in der mündlichen Verhandlung ca. 40.000,00 € für die Umsetzung aller vier Regelungen) stehen jedenfalls nicht völlig außer Verhältnis zu den beabsichtigten Vorteilen (Rettung/Sicherung von Leben und Gesundheit), sodass die Regelungen Nr. 3. und 4. auch angemessen und damit insgesamt verhältnismäßig sind.

Auch die Regelungen Nr. 5. und 6. sind nicht zu beanstanden.

Die Regelungen Nr. 5. und 6. bilden nach den Ausführungen der Beklagten ebenfalls eine Einheit, die im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 NBauO sicherstellen soll, dass bei einem Brand die Rettung von Menschen und wirksame Löscharbeiten möglich sind, indem die Feuerwehr einen noch rauchfreien gesicherten (d.h. standsicheren) Brandangriffs- bzw. Rettungsweg vorfindet (vgl. Lindorf, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/ Wiechert, NBauO, 8. Aufl., 2006, § 20 Rdnr. 10, 11). Die von der Beklagten durch diese Regelungen verfolgten Ziele sind somit ebenfalls sachgerecht und vom Zweck der Ermächtigungsgrundlage gedeckt.

Auch die besonderen Anforderungen der Nr. 5. und 6. sind verhältnismäßig. Durch die Regelung Nr. 5. wird angeordnet, dass die Unterdecke des Marktgebäudes feuerhemmend herzurichten ist. Durch die Regelung Nr. 6 wird eine Rauchableitung gefordert, wobei hierzu drei Alternativen zugelassen werden. Insbesondere durch die Regelung Nr. 5 soll erreicht werden, dass ein Brand, der im Verkaufsraum oder im Lager entsteht, für mindestens 30 Minuten nicht auf das Tragwerk des Daches übergreifen kann. Hiermit reagiert die Beklagte auf die besondere Gefahrenlage durch die hier vorliegende Dachkonstruktion mit sog. Nagelplattenbindern. Hierzu hat das Verwaltungsgericht Minden in seinem Urteil vom 16.12.2010 (9 K 1694/09) folgendes ausgeführt:

"Typisch für Discountmärkte wie den der Klägerin ist ein flach geneigtes Dach mit harter Bedachung, das ohne weitere Stützen auf den Außenwänden lagert. Die Dachkonstruktion besteht aus sägerauem Bauholz, das mit Nagelplatten miteinander verbunden wird. Der Dach- und der Verkaufsraum ist mit einer abgehängten Zwischendecke abgetrennt. Die gesamte Dachkonstruktion mit der Zwischendecke und den Deckendurchbrüchen für die Technik weist keinen Brandwiderstand auf (Brandklasse F0). Eine solche Dachkonstruktion mit Nagelplattenbindern weist ein problematisches Brandverhalten auf. Bei einer statischen Auslastung der Nagelplatten und der Holzbauteile mit mehr als 90 % ist bei einem Versagen eines Nagelplattenbinders keine Lastumlagerung möglich. Brennt der Dachraum, stauen sich die heißen Brandgase wegen fehlender Rauch- und Wärmeabzüge und heizen die Bauteile auf, so dass deren Tragevermögen und Standfestigkeit vermindert werden. Aufgrund der geringen Bauteildicke der Nagelplatten und der hohen Wärmeleitfähigkeit von Stahl unterliegen die außenliegenden Stahlbleche schon kurz nach der Entstehung des Brandes einem hohen Temperaturanstieg, der zu einer Verkohlung des Holzes an den Kontaktstellen führen kann. Ist die statische Auslastung zu hoch, stürzt die gesamte Dachkonstruktion vorzeitig und schlagartig ein, sobald nur ein einziger Nagelplattenbinder versagt (sog. kinematische Kette)."

Als Folge dieser kinematischen Kette kam es in Deutschland bei Supermarktbränden in den Jahren 2000 bis 2006 in mindestens 15 Fällen zu einem schlagartigen Totaleinsturz des Daches und zwar in der Regel ca. 15 Minuten nachdem der Brand ausgebrochen war. Die Feuerwehr, die in solchen Fällen ca. 5 Minuten nach dem Notruf vor Ort ist, kann aufgrund dieser völlig unkalkulierbaren Gefahr das Gebäude dann nicht mehr für einen sog. Innenangriff betreten - weder für Löscharbeiten, noch zur Rettung von verletzten oder noch vermissten Personen. Die durch die Regelung Nr. 5 angeordnete feuerhemmende (F 30) Ausführung der Unterdecke führt dazu, dass ein im Markt ausgebrochener Brand für mindestens 30 Minuten nicht auf die Dachkonstruktion übergreifen kann. Das Risiko eines schlagartigen Totaleinsturzes des Daches wird dadurch beseitigt oder zumindest erheblich reduziert. Der Feuerwehr steht damit ein standsicherer Brandangriffs- und Rettungsweg zur Verfügung. Damit dieser auch rauchfrei ist, um einen Innenangriff letztendlich zu ermöglichen, ordnet die Regelung Nr. 6. eine Rauchableitung an. Das Zusammenwirken der Regelungen Nr. 5. und 6. ist daher geeignet, das Ziel (Möglichkeit der Menschenrettung und wirksamer Löscharbeiten) zu erreichen. Orientiert hat sich die Beklagte hierbei wiederum an dem Merkblatt "Brandschutztechnische Anforderungen an Kleine Verkaufsstätten", welches eben solche Anforderungen vorsieht. Wie bereits oben dargelegt, bestehen gegen diese Anlehnung an eine Fachmeinung keine Bedenken, sie ist vielmehr vertretbar und nahvollziehbar.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Beklagte auch zu Recht davon ausgegangen, dass ebenfalls die Regelungen Nr. 5. und 6. erforderlich sind. Es gilt hier das bereits zur Erforderlichkeit der Regelungen Nr. 3. und 4. Gesagte. Die nicht gänzlich unwahrscheinliche Möglichkeit, dass sich eine vollständige Räumung nicht innerhalb von ca. 2 Minuten durchführen lässt und sich hilflose oder hilfsbedürftige Personen beim Eintreffen der Feuerwehr noch im Gebäude befinden, machen die Regelungen Nr. 5 und 6., die eine Rettung solcher Personen durch die Feuerwehr erst ermöglichen, erforderlich. Ohne diese Regelungen könnte die Feuerwehr das Gebäude nicht mehr betreten und lediglich für ein "kontrolliertes Abbrennen" sorgen. Ob dies als wirksame Löscharbeit i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 NBauO angesehen werden könnte, kann hier offen bleiben. Die hier streitigen Regelungen dienen auch der Ermöglichung von Rettungsarbeiten und sind hierfür jedenfalls erforderlich.

Da diese Regelungen in Anbetracht des Schutzgutes Leben und Gesundheit auch angemessen sind, sind sie ebenfalls insgesamt verhältnismäßig.

Die Beklagte hat durch die Anordnung der besonderen brandschutztechnischen Anforderungen in den hier streitigen Regelungen Nr. 3. bis 6. ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung ohne diese Regelungen bestand für die Klägerin nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.