Amtsgericht Hannover
Urt. v. 29.08.1997, Az.: 506 C 9694/97

Kündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls in der Tierkrankenversicherung; Entsprechende Anwendbarkeit des § 96 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
29.08.1997
Aktenzeichen
506 C 9694/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 25742
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:1997:0829.506C9694.97.0A

Fundstelle

  • NJW-RR 1999, 467-468 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Bestehung eines Versicherungsvertrages

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung 506 -
auf die mündliche Verhandlung vom 12. August 1997
durch
den Richter am Amtsgericht Faßhauer
für Recht erkannt:

Tenor:

Es wird festgestellt, daß die Kündigung vom 25.04.1997 des Haustierkrankenversicherungsvertrages (Vertrags-Nr.: 200 10 29 4/01) durch die Beklagte unwirksam ist und der Versicherungsschutz fortbesteht.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 950,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin schloß bei der Beklagten für ihren am 24.11.1990 geborenen weiblichen Schäferhund eine Haustierkrankenversicherung für die Zeit vom 01.08.1995 bis 37.07.1998 ab.

2

In der Zeit vom 01.11.1995 bis 31.05.1996 suchte die Klägerin mit ihrer Hündin insgesamt 26mal den Tierarzt auf. Die Tierarztrechnungen in Höhe von 7.698,-- DM wurden durch die Beklagte erstattet.

3

Die Klägerin reichte der Beklagten eine Tierarztrechnung vom 18.04.1997 ein. Die Beklagte erstattete den Rechnungsbetrag und kündigte das Versicherungsverhältnis mit Schreiben vom 25.04.1997.

4

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam.

5

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, daß die Kündigung vom 24.04.1997 des Haustierkrankenversicherungsvertrages (Vertrags-Nr. 200 10 29 4/01)) durch die Beklagte unwirksam ist und der Versicherungsschutz fortbesteht.

6

Die Beklagte beantraggt,

die Klage abzuweisen.

7

Die Beklagte beruft sich auf ein Sonderkündigungsrecht analog § 96 Abs. 1 VVG.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

9

Die Klage ist zulässig und begründet.

10

Das Amtsgericht Hannover ist für die Entscheidung des Rechtsstreits sachlich zuständig. Auch wenn man bei der Bestimmung des Streitwerts vom wirtschaftlichen Interesse der Klägerin ausgeht, ist nur der zu erwartende durchschnittliche Erstattungsbetrag für die streitige restliche Laufzeit des Vertrages von 14 Monaten maßgeblich, § 9 Satz 2 ZPO. Dieser beträgt entsprechend der Berechnung der Beklagten 5.672,-- DM.

11

Die Klage ist begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 25.04.1997 ist unwirksam.

12

Der Beklagten steht ein Kündigungsrecht nach Eintritt eines Versicherungsfalles nicht zu. Ein solches Kündigungsrecht enthält das Versicherungsvertragsgesetz für die Tierkrankenversicherung nicht.

13

§ 96 VVG ist auf die Tierkrankenversicherung nicht analog anwendbar. Eine Analogie zur Ausfüllung einer Regelungslücke setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Eine Lücke im Gesetz liegt nicht schon vor, wenn es für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält. Der Gesetzgeber hatte dem Vorentwurf zum Versicherungsvertragsgesetz noch ein allgemeines Kündigungsrecht für Sachversicherung nach Eintritt eines Versicherungsfalles vorgesehen. Dieses ist nicht in den Entwurf und das Gesetz aufgenommen worden. Vielmehr ist ein Kündigungsrecht nach Eintritt eines Versicherungsfalles nur für einige wenige Versicherungssparten vorgesehen. Daraus ist zu schließen, daß das Fehlen eines Kündigungsrechts nach Eintritt des Versicherungsfalles in der Tierkrankenversicherung nicht auf einer planwidrigen Unvollständigkeit des Versicherungsvertragsgesetzes beruht, sondern vom Willen des Gesetzgebers umfaßt ist. Mangels einer Gesetzeslücke scheidet mithin die analoge Anwendung von § 96 Abs. 1 VVG aus.

14

Ob grundsätzlich ein Kündigungsrecht nach Eintritt eines Versicherungsfalles außer in den gesetzlich geregelten Fällen auch in den übrigen Sachversicherungen besteht, mag dahinstehen. Tiere sind keine Sachen, § 90 a BGB. Als Lebewesen sind für sie eher die Grundsätze der Allgemeinen Krankenversicherung heranzuziehen. In dieser ist eine Kündigung nach Eintritt eines Versicherungsfalles ausgeschlossen. Verkehrserwartung und Vertrauensschutz stehen auch bei der Tierkrankenversicherung einer Kündigung nach Eintritt eines Versicherungsfalles entgegen. Auch in der Tierkrankenversicherung ist zu erwarten, daß Versicherungsfälle mit steigendem Alter häufiger eintreten. Gerade dieses Risiko will der Versicherungsnehmer, der ein Haustier krankenversichert, um ihm, unabhängig vom Wert des Tieres, mit steigender Krankheitsanfälligkeit aufgrund der gewachsenen emotionalen Beziehung die bestmögliche Pflege angedeihen zu lassen, in der Regel abdecken. Zn dieser Erwartung und dem im Hinblick auf die gezahlten Prämien zu schützenden Vertrauen würde er enttäuscht, wenn die Versicherung die Möglichkeit hätte, den Vertrag nach Eintritt eines Versicherungsfalles zu kündigen.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Faßhauer