Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.01.1997, Az.: 22 W 107/96
Anspruch auf Abfindung im Falle einer Ehescheidung; Sogenannte Morgengabe als Abfindung im Falle einer Ehescheidung; Geltungsbereich der Suren des Koran für deutsche Staatsangehörige bei Wahl des fremden Rechts; Morgengabe als Unterhaltsanspruch nach deutschem Recht; Morgengabe als vorab vereinbarter Zugewinnausgleich
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.01.1997
- Aktenzeichen
- 22 W 107/96
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 22858
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1997:0117.22W107.96.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 30.10.1996 - AZ: 8 O 413/96
Rechtsgrundlagen
- Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB
- Art. 14 Abs. 2 EGBGB
- Art. 14 Abs. 3 EGBGB
- Art. 14 Abs. 4 EGBGB
- Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB
Fundstellen
- FamRZ 1998, 374-375 (Volltext mit amtl. LS)
- IPRspr 1997, 82
Prozessführer
Angestellte Y. D.
Prozessgegner
Rechtsanwalt F. B.
In dem Prozeßkostenhilfeverfahren
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 2. Dezember 1996
gegen den Beschluß der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 30. Oktober 1996
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S. sowie
die Richter am Oberlandesgericht P. und B.
am 17. Januar 1997
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
I.
Die angestrebte Klage ist unzulässig. Das angerufene Landgericht ist sachlich unzuständig (§ 71 Abs. 1 GVG). Die Streitigkeit ist dem Amtsgericht als Familiengericht zugewiesen (entsprechend § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, 9 GVG).
1.
Bei der Vereinbarung, der Antragsgegner werde die Antragstellerin im Falle der Ehescheidung mit 30.000 DM abfinden, vor dem Hoca in S. anläßlich der religiösen Eheschließung der Parteien handelt es sich um einen Unterhalts-, daneben womöglich güterrechtlichen Vertrag zwischen (künftigen) Eheleuten (dazu: KG FamRZ. 1980, 471; OLG Bremen a.a.O. S. 607). Wie die Bezugnahme der Antragstellerin (Seite 3 des Klagentwurfs - Bl. 5 d.A.) auf Abschnitt 25 in Teil 5 der Sure 4 des Koran zur Erläuterung der Vereinbarung zeigt, in welchem es heißt: "...Und für die Freuden, die ihr" (die Männer) "von ihnen" (den Frauen) "empfanget, gebt ihnen ihre Morgengabe, wie festgesetzt, und es soll keine Sünde für euch liegen in irgend etwas, worüber ihr euch gegenseitig einigt nach der Festsetzung (der Morgengabe).", betrifft die Vereinbarung die Morgengabe, welche vornehmlich den Schutz der Frau vor nach islamischem Recht möglicher Verstoßung (talaq) durch den Mann bezweckt.
2.
Der Umstand, daß den Parteien die Beurteilung der von ihnen getroffenen Abrede nach islamischem Recht versagt bleibt, ändert an deren vorbeschriebenem Gehalt nichts.
a)
Weil beide Parteien deutsche Staatsangehörige sind, ist das fremde Recht, das sie gewählt haben, nicht anzuwenden. Das folgt aus Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 bis 4, Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB. An diese Bestimmungen ist anzuknüpfen. Denn die Antragstellerin macht den Anspruch auf die Morgengabe im Zusammenhang mit der Ehescheidung geltend (vgl. Heldrich IPRax 1983, 65).
b)
Wenngleich das demnach heranzuziehende deutsche Recht das Institut der Morgengabe nicht kennt, ist der aus ihm abgeleitete Anspruch auch nach diesem dem Unterhalts- und vielleicht daneben dem Güterrecht zuzuordnen. Wie diese hat er Versorgungscharakter (s. auch: OLG Köln IPRax 1983, 74).
II.
Auch in der Sache könnte die Klage nicht durchdringen.
1.
Soweit die Morgengabe dem Unterhalt dient, ist sie der Antragstellerin bereits - lediglich unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt - gerichtlich zuerkannt worden. Das Oberlandesgericht Celle hat ihr (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 9. April 1996 - Bl. 8 d.A. 2 C 377/96 AG Diepholz) rund 37.000 DM nach deutschem Recht kraft Gesetzes geschuldeten Unterhalt zugesprochen (zur wechselseitigen Beeinflussung dieser Ansprüche: OLG Köln und Heldrich a.a.O.).
2.
Sollte die Morgengabe außerdem dem Güterrecht zuzuordnen sein - daß das islamische Recht nur Gütertrennung einschließlich der von Mann und Frau während der Ehe erzielten Gewinne kennt (vgl. Azzam, Der Islam, 1981, S. 157), läßt daran zweifeln -, folgte daraus nichts anderes. Ein vorab vereinbarter Ausgleich des Zugewinns, dem nach deutschem Rechtsverständnis die Morgengabe in dieser Beziehung nahekäme, wäre mangels Vertragsschlusses zur Niederschrift eines Notars nichtig (§ 125 Satz 1, § 1410 BGB). Es handelte sich um einen Vertrag über güterrechtliche Verhältnisse (s. Johannsen LM § 1378 BGB Nr. 3 <Anm.>), auf dessen Formnichtigkeit der Antragsgegner sich auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) berufen dürfte, obwohl er Rechtsanwalt ist. Damit er um die Formnichtigkeit wußte, genügte nicht die Kenntnis der Formvorschrift, sondern bedurfte es der Erkenntnis, daß der auf der Grundlage islamischen Rechts geschlossene Vertrag sich von Rechts wegen nach deutschem Güterrecht beurteilte, die ohne gezielte Nachforschung auch von einem Juristen nicht zu erwarten war.