Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.08.2006, Az.: 11 A 2107/05
Aufenthaltserlaubnis; auflösende Bedingung; Bedingung; Flüchtling; Widerruf
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.08.2006
- Aktenzeichen
- 11 A 2107/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 53317
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 52 Abs 1 S 1 Nr 4 AufenthG 2004
- § 25 Abs 2 AufenthG 2004
- § 73 AsylVfG 1992
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Aufenthaltserlaubnis darf nicht mit der auflösenden Bedingung der Unanfechtbarkeit des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft nach § 73 AsylVfG versehen werden (im Anschluss an VGH Mannheim InfAuslR 2001, 410 ff.)
Gründe
Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, weil die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Die Kosten des Verfahrens hat nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO) der Beklagte zu tragen, weil die Klage wahrscheinlich begründet gewesen ist. Die der dem Kläger erteilten Aufenthaltsbefugnis vom 4. Oktober 2004, welche gem. § 101 Abs. 2 AufenthG seit dem 1. Januar 2005 als Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 2 AufenthG weitergilt, beigefügte auflösende Bedingung der Bestandskraft des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft durch Bescheid des Bundesamtes vom 25. Mai 2004 ist wahrscheinlich rechtswidrig gewesen.
Zur Begründung wird zunächst auf die Verfügung des Vorsitzenden der Kammer vom 10. Juni 2005 Bezug genommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass inzwischen auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 13. Dezember 2005 - 1 C 36.01 - InfAuslR 2006, 289) entschieden hat, dass im Hinblick auf die in § 75 AsylVfG angeordnete aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerruf des Bundesamtes, die Flüchtlingseigenschaft bis zur Bestandskraft dieser Entscheidung fortgilt (vgl. auch Urteil der beschließenden Kammer vom 4. Juli 2005 - 11 A 2230/04 -). Dementsprechend ist ein Widerruf der Aufenthaltserlaubnis nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG erst zulässig, wenn die Entscheidung nach § 73 AsylVfG unanfechtbar ist.
Der VGH Mannheim geht in dem im Verfahren erörterten Urteil vom 13. März 2001 (- 11 S 2374/99 - InfAuslR 2001, 410 <412>) zutreffend davon aus, dass der dort zu beurteilende Widerruf des Aufenthaltstitels unter der aufschiebenden Bedingung der Bestandskraft des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter der hier zu beurteilenden auflösenden Bedingung gleichzusetzen ist. Letztlich hat der Beklagte damit bereits eine vorgezogene Entscheidung über den Widerruf getroffen, die deshalb auch den dafür vorgesehenen rechtlichen Vorgaben entsprechen muss. Bei Beifügung der erwähnten auflösenden Bedingung wird - wie der VGH Mannheim (a.a.O., S. 413) zutreffend ausführt - die für den Widerruf des Aufenthaltstitels erforderliche Ermessenentscheidung bereits zu einem Zeitpunkt getroffen, in dem noch nicht alle Voraussetzungen des Widerrufs vorliegen. Da hier u.a. auch Aufenthaltsdauer und die Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2003 - 1 C 13.02 - BVerwGE 117, 380 <386>), kann die zeitliche Komponente entscheidend sein.
Die im Schriftsatz des Beklagten vom 7. Juli 2005 vorgetragenen Gesichtspunkte vermögen auch sonst eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Die in Ziff. 51.1.4.4. der Vorl. Nds. VV zum AufenthG des Nds. Innenministeriums vom 30. November 2005 vertretene Rechtsauffassung, dass eine Entscheidung über den Widerruf des Aufenthaltstitels unabhängig davon zu treffen ist, ob die Entscheidung des Bundesamtes unanfechtbar ist, ist für das Verwaltungsgericht nicht bindend. Die Überlegungen des Beklagten zu dem Widerruf eines Aufenthaltstitels unter einer auflösenden Bedingung treffen den hier zu beurteilenden Fall nicht, weil eine Aufenthaltsbefugnis unter einer solchen Einschränkung erteilt worden ist. Dass der Kläger aus der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerruf gem. § 73 AsylVfG „irreparable“ also dauerhafte Vorteile ziehen kann, vermag eine andere Beurteilung ebenfalls nicht rechtfertigen. Denn dies nimmt die Rechtsordnung nach § 75 AsylVfG im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in Kauf. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 ff.) zur Ergänzung von Ermessenserwägungen bei der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern ist auf die hier zu beurteilende Problematik schon deshalb nicht übertragbar, weil die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (nicht der gerichtlichen Entscheidung) maßgeblich ist und zudem bis zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht zwingend die Bestandskraft des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft eingetreten sein muss. Die zudem angesprochene unterschiedliche Behandlung von Ausländern, deren Aufenthaltserlaubnis bei dem Widerruf nach § 73 AsylVfG gerade zur Verlängerung ansteht und denjenigen, die zu diesem Zeitpunkt noch eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, kann dadurch vermieden werden, dass die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis kürzer als üblich befristet wird. Dies wäre im Übrigen nach Auffassung des Gerichts ohnehin die adäquate Reaktion auf den noch nicht bestandskräftigen Widerruf nach § 73 AsylVfG (vgl. dazu auch: BVerwG, Urteil vom 22. November 2005 - 1 C 18.04 - InfAuslR 2006, 272 ff. zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG während eines Verfahrens auf Widerruf des Abschiebungsverbots), nicht jedoch die Aussetzung des Verfahrens unter Anerkennung der Fiktionswirkungen nach § 81 Abs. 4 AufenthG. Denn - wie sich aus § 75 VwGO ergibt - ist die Behörde grds. auch im Ausländerrecht verpflichtet, binnen drei Monaten über einen Antrag auf Erteilung eines Verwaltungsaktes zu entscheiden.