Landgericht Osnabrück
Urt. v. 02.12.1988, Az.: 11 S 277/88

Mietzurückbehaltungsrecht des Mieters bei ungeklärter Verantwortung für die Entstehung der das Zurückbehaltungsrecht rechtfertigenden Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilze

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
02.12.1988
Aktenzeichen
11 S 277/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 14692
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:1988:1202.11S277.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Osnabrück - 01.06.1988 - AZ: 44 C 459/87

Fundstelle

  • WuM 1989, 370-371 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Mietzinsforderung

In dem Rechtsstreit
hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 18.11.1988
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... und
die Richter am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 01.06.1988 - 44 C 459/87 - teilweise geändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 736,80 DM nebst 4 % Zinsen auf 548,00 DM seit dem 03.06.1987, auf weitere 94,40 DM seit dem 03.07.1987 sowie auf weitere 94,40 DM seit dem 04.08.1987 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen zu 2/7 die Klägerin, zu 5/7 die Beklagten als Gesamtschuldner.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges tragen zu 1/6 die Klägerin, zu 5/6 die Beklagten als Gesamtschuldner.

Tatbestand

1

Die Beklagten sind seit Februar 1978 Mieter einer Wohnung der Klägerin ... Auf den Mietvertrag der Parteien vom Dezember 1980 (Bl. 9 ff d.A.) wird verwiesen. Die monatliche Kaltmiete beträgt 500,00 DM.

2

Die Beklagten haben im Juni 1987 keine Miete gezahlt und in den Monaten Juli und August 1987 je 194,40 DM zurückgehalten.

3

Die Beklagten haben geltend gemacht, die Wohnung weise erhebliche Feuchtigkeitserscheinungen auf, die eine Mietminderung rechtfertigten. Im übrigen seien sie berechtigt, ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen.

4

Zwischen den Parteien ist streitig, wodurch die Feuchtigkeitserscheinungen verursacht worden sind.

5

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat das Amtsgericht Osnabrück durch Urteil vom 01.06.1988 die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 886,80 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, daß die Beklagten berechtigt seien, die monatliche Miete um 50,00 DM zu mindern. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils Bezug genommen.

6

Gegen dieses am 10.06.1988 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 11.07.1988, einem Montag, Berufung eingelegt und diese am 10.10.1988 begründet. Sie wiederholen im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertreten die Ansicht, daß bei der Mietminderung nicht nur die Feuchtigkeitsschäden im Wohnzimmer, sondern auch im Bad und im Schlafzimmer zu berücksichtigen seien.

7

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

10

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sachverständigen ... Insofern wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.11.1988.

Entscheidungsgründe

11

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet, mithin zulässig. In der Sache hat sie zum Teil Erfolg.

12

Die Beklagten sind berechtigt, in den Monaten Juni bis August 1987 die Kaltmiete um jeweils 20 % zu mindern. Weitergehende Gewährleistungsansprüche der Beklagten bestehen jedoch nicht.

13

Anhand des Gutachtens des Sachverständigen ... vom 14.03.1988, das in dem Beweissicherungsverfahren 6 H 20/87 des Amtsgerichts Osnabrück eingeholt worden ist, läßt sich feststellen, daß im Wohnzimmer, im Schlafzimmer und im Bad der von den Beklagten angemieteten Wohnung in erheblichem Umfange Schimmelpilzbefall vorhanden ist. Die vom Sachverständigen gefertigten Fotos geben davon ein eindrucksvolles Bild. Schimmelpilzbefall an den Wänden einer Mietwohnung bilden einen Fehler im Sinne des § 537 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Celle WM 1985, 11). In der Berufungsinstanz berufen sich die Beklagten nicht mehr darauf, daß in Küche und Arbeitszimmer ähnliche Erscheinungen anzutreffen seien.

14

Der Streit der Parteien geht darum, welche Seite die Verantwortung für den festgestellten Zustand der Mieträume trägt. Gewährleistungsansprüche des Mieters sind ausgeschlossen, wenn er selbst den Mangel allein oder jedenfalls überwiegend zu vertreten hat (vgl. Emmerich-Sonnenschein Handkommentar Miete § 537 Rz 18). Zu dieser Frage hat die Kammer eine Beweisaufnahme durchgeführt und den Sachverständigen ... zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens angehört. Der Sachverständige hat ausgeführt, daß er nicht nachweisen könne, daß falsches Lüftungsverhalten der Beklagten oder unzureichende Beheizung der Wohnräume zu den Erscheinungen geführt haben. Es sei also durchaus möglich, daß der Schimmelpilzbefall auf bauseitige Schwachstellen zurückzuführen ist. Nach dem Gutachten des Sachverständigen steht auch fest, daß die Feuchtigkeitserscheinungen in der rechten oberen Ecke der Außenwand des Wohnzimmers auf von außen eindringende Feuchtigkeit zurück ... Überhaupt hatte der Sachverständige in den Außenwänden viele Stellen mit Rissen vorgefunden. Im Badezimmer hat der Sachverständige oberhalb des Rolladenkastens leichte Zugerscheinungen festgestellt, die zu einer Unterkühlung der Deckenoberfläche führten. Schließlich ist zwischen den Parteien unstreitig, daß das Haus im Jahre 1979 neue Fenster erhalten hat. Demgegenüber sind die Außenwände des aus den 60er Jahren stammenden Baues nicht verändert worden. Es ist anerkannt, daß nach dem Einbau dichter Fenster eine ungenügende Wärmedämmung bei alten Bauten immer ein Problem ist (vgl. dazu Heitgreß WM 1985, 108). Das hat der Sachverständige ... bestätigt. Es gibt also mehrere Anhaltspunkte, die auf bauseitge Schwachstellen hindeuten. Von daher folgt die Kammer ohne Einschränkung der Meinung des Gutachters, daß nach dem derzeitigen Untersuchungsstand die Verantwortlichkeit für den Schimmelpilzbefall weder der Vermieterin noch den Mietern zweifelsfrei zugeordnet werden kann. Die Nichterweislichkeit geht zu Lasten der Klägerin. Die Kammer vertritt in Übereinstimmung mit der wohl überwiegenden Meinung die Ansicht, daß der Vermieter die Beweislast dafür trägt, daß Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sind (vgl. Heitgreß WM 1985, 107: LG Darmstadt WM 1985, 22; LG Augsburg WM 1985, 25; LG Kiel NJW-RR 1986, 314 [LG Kiel 23.10.1985 - 1 S 8/85]; LG Nürnberg-Fürth WM 1988, 155).

15

Folglich waren bei der Berechnung der Mietminderung nicht nur das Wohnzimmer, sondern auch Bad und Schlafzimmer zu berücksichtigen. Die Kammer hält deshalb eine Mietminderung von 20 % der Kaltmiete für angemessen. Die Beklagten durften in den Monaten Juni bis August 1987 die Miete um jeweils 100,00 DM kürzen, so daß sich für den Monat Juni 1987 ein Rückstand in Höhe von 548,00 DM, für die Monate Juli und August 1987 ein Mietrückstand von je 94,40 DM ergibt, insgesamt 736,80 DM.

16

Hinsichtlich dieses Betrages steht den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu. Zwar ist grundsätzlich anerkannt, daß der Mieter berechtigt ist, neben der Mietminderung hinsichtlich des von der Mietminderung nicht erfaßten Teils des Mietzinses ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB auszuüben, um seinem Erfüllungsanspruch Nachdruck zu verleihen (vgl. Emmerich-Sonnenschein a.a.O. § 537 Rz 17; BGH NJW 1982, 2242 [BGH 07.05.1982 - V ZR 90/81]). Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 8.1 des Mietvertrages der Parteien berufen, weil die Beklagten die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht mindestens einen Monat vor Fälligkeit des Mietzinses schriftlich angekündigt haben. Diese Klausel des Formular-Mietvertrages verstößt gegen § 11 Nr. 2 a AGBG; jede Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts in allgemeinen Geschäftsbedingungen ist danach verboten (vgl. Palandt BGB 47. Aufl. § 11 AGBG Anm. 2 a). Der Anspruch des Mieters auf Instandhaltung der Mietwohnung (§ 536 BGB) gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Es ist anerkannt, daß die Pflicht zur Instandhaltung nicht die Modernisierung oder die Wiederherstellung der völlig zerstörten Mietsache umfaßt. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an, ob nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dem Vermieter eine Instandsetzung der Mietsache zuzumuten ist, die einer Neuherstellung der Mietsache oder aber jedenfalls einer umfassenden Modernisierung gleichkommen (vgl. Münchner Kommentar - Voelskow BGB 2. Aufl. §§ 535, 536 Rz. 65, 66; RGRK - Gelhaar BGB 12. Aufl. §§ 535, 536 Rz, 31). Bei der Abwägung hatte die Kammer zu berücksichtigen, daß zunächst nicht zweifelsfrei feststeht, daß der Schimmelpilzbefall auf bauseitige Schwachstellen zurückzuführen ist. Wenn das der Fall sein sollte, wären allerdings erhebliche Arbeiten an dem Wohnhaus erforderlich. Die Mängel in den Wohnräumen werden nicht dadurch beseitigt, daß die befallenen Stellen überstrichen und überklebt werden. Vielmehr müßte eine umfassende Sanierung des Außenmauerwerks durchgeführt werden. Nach den derzeitigen Erkenntnissen müßte die Klägerin eine Wärmedämmung einbringen, die den heutigen Ansprüchen gerecht wird. Dies hält die Kammer auch unter Berücksichtigung der Interessen der Mieter an störungsfreiem Wohnen nicht für zumutbar. Möglicherweise müssen in den Räumen der Beklagten häufiger Schönheitsreparaturen ausgeführt werden als gewöhnlich. Das Problem, wer dafür aufzukommen hat, stellt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht.

17

Dementsprechend war das angefochtene Urteil abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.