Landgericht Stade
Urt. v. 28.07.2022, Az.: 900 Ns 112 Js 27538/20 (5/21)
Tätlicher Angriff auf Vollzugsbeamte; Bodycam- Aufnahme; Tatnachweis mittels Bodycam- Aufnahme auch ohne Aufzeichnung des eigentlichen Tatgeschehens
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 28.07.2022
- Aktenzeichen
- 900 Ns 112 Js 27538/20 (5/21)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 60411
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Tostedt - 10.02.2021
Rechtsgrundlagen
- StGB § 114 Abs. 1
- StGB § 47 Abs. 1
In der Strafsache
gegen
XXX,
geboren am XXX 1963 in XXX,
wohnhaft XXX,
verheiratet, Staatsangehörigkeit: XXX,
Verteidiger:
Rechtsanwalt XXX, XXX
Verteidiger:
Rechtsanwalt XXX, XXX
wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte
hat das Landgericht Stade - 9. Kleine Strafkammer - in der öffentlichen Sitzung vom 28.06.2022, 13.07.2022 und 28.07.2022, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Landgericht XXX
als Vorsitzende
XXX
XXX
als Schöffen
Staatsanwalt XXX
als Beamter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt XXX
als Verteidiger am 28.06.2022 und 28.07.2022
Rechtsanwalt XXX
als Verteidiger am 28.06.2022 und 28.07.2022
Justizangestellte XXX
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
am 28.07.2022 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tostedt vom 10. Februar 2021 wird verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die eigenen notwendigen Auslagen des Angeklagten im Berufungsverfahren trägt der Angeklagte.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tostedt verurteilte den Angeklagten am 10. Februar 2021 wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 200 Euro mit Ratenzahlung in Höhe von monatlich 600 Euro.
Hiergegen legte der Angeklagte das Rechtsmittel der Berufung ein, welches er in der Berufungshauptverhandlung mit dem Ziel eines Freispruchs verfolgte.
Der Berufung blieb der Erfolg versagt.
II.
Der Angeklagte wurde am XXX 1963 in B. geboren. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder, die jedoch noch im elterlichen Haushalt leben. Eines der Kinder verfügt bereits über eine abgeschlossene Ausbildung und eigenes Einkommen, während das andere Kind sich noch in Ausbildung befindet und von den Eltern durch Naturalunterhalt unterhalten wird. Der Angeklagte ist gelernter Dachdecker und als solcher Gesellschafter und Geschäftsführer der R. GmbH, belegen M.str. XXX, XXX B. Dabei handelt es sich um einen größeren Dachdeckerbetrieb, der auch Lehrlinge ausbildet.
Zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen hat der Angeklagte keine Angaben gemacht.
Der Angeklagte ist ausweislich des Auszuges aus dem Bundeszentralregister vom 01. Juni 2022 strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
III.
Der Angeklagte feierte am 13. Juni 2020 auf seinem Firmengelände M.str. X in B. im ersten Obergeschoss eines Firmengebäudes eine Party mit circa 40 bis 50 anwesenden Personen, obwohl dies nach der damals geltenden Fassung der "Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus" verboten war.
Diese Party wurde durch Polizeikräfte bemerkt und wegen der Personenanzahl auf der Party eine größere Anzahl von Polizeikräften zwecks Auflösung der Party und Feststellung der Personalien angefordert. Die Polizeikräfte trafen kurz vor 23:37h auf dem Firmengelände ein, was nicht unbemerkt blieb und umstellten dieses. Vom Balkon aus rief eine unbekannt gebliebene Person dem Beamten B. eine Beleidigung entgegen.
Die Beamten H., N., Z. und S. begaben sich zugleich zur rechten Seite des Gebäudes, zur dortigen Tür, die geschlossen war. Hierbei stellte sich die uniformierte POKin H. direkt neben die nach außen öffnende Tür, PKin N., PK Z. und PKA S. sowie weitere nicht mehr ermittelbare Polizeibeamte standen in einigem Abstand, ohne dass ihre genaue Positionierung durch die Kammer festgestellt werden konnte. POKin H. als Einsatzleiterin schlug dann mehrfach mit der Faust gegen die Tür und rief "Polizei". PK B., der zivil gekleidet war, jedoch eine Schutzweste mit dem Schriftzug "Polizei" und "Videoaufzeichnung" auf der Weste sowie eine sog. Bodycam an der Schulter trug, kam währenddessen hinzu und drehte sich mit dem Gesicht frontal zur Tür mit einem Abstand von ca. drei bis fünf Metern, die Beamten N., Z. und S. standen in seinem Rücken, rechts und links versetzt.
Wenige Momente später öffnete der Angeklagte von innen die Tür schwungvoll, so dass diese gegen die Wand schlug und stürmte verärgert heraus, wobei er rief: "So folgendes, Hunde weg, alle weg...!" Dabei trug er in der rechten Hand eine Bierflasche, die linke Hand löste er von der Türklinke und streckte so sodann nach vorne aus und lief so ungebremst auf den dort stehenden PK B. mit wenigen Schritten zu und versetzte ihm einen kräftigen Stoß auf die Schutzweste, so dass PK B. das Gleichgewicht verlor und zurücktaumelte, jedoch nicht stürzte. Nachdem PK B. wenige Bruchteile einer Sekunde später sein Gleichgewicht wiedererlangt hatte, brachte er den Angeklagten mittels eines sogenannten Kopf-Halte-Griffs zu Boden, wogegen sich der Angeklagte erheblich wehrte, so dass weitere Beamte, insbesondere auch PKin N., hinzueilten und es den Beamten schließlich gelang, dem Angeklagten Handfesseln anzulegen.
Im Rahmen des Zubodenbringens hat der Zeuge B. eine Verletzung an der Hand erlitten, wodurch konkret diese entstanden ist, ließ sich jedoch nicht mehr feststellen.
Der Angeklagte war zur Tatzeit leicht alkoholisiert, ohne dass dies Auswirkungen auf seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit hatte, eine um 01:48h am 14. Juni 2020 entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration 0,44 g o/oo auf.
IV.
Die Feststellungen zur Person beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten soweit er sich hierzu eingelassen hat und auf dem nach näherer Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 01. Juni 2022.
Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der durchgeführten Beweisaufnahme.
Der Angeklagte nimmt den Tatvorwurf in Abrede. Zwar sei er die männliche Person, die auf dem Video aus der Tür komme, jedoch habe er den Beamten B. weder gestoßen, noch geschlagen. Im Übrigen hat er sich zur Sache nicht eingelassen.
Er ist der festgestellten Tat jedoch überführt aufgrund der Angaben der Zeugen B., H., N., Z. und S. sowie den in Augenschein genommenen Videoaufnahmen aus der Bodycam des Zeugen B.
Der Zeuge B. hat ausgesagt, es habe sich um den Anfang der Coronazeit gehandelt und es habe einen Hinweis auf eine Party auf dem Firmengelände bei Herrn W. gegeben. Da eine solche Party zum damaligen Zeitpunkt einen Verstoß gegen die damals geltende Coronaschutzverordnung dargestellt habe, sei seitens der Polizei die Entscheidung gefallen dorthin zu fahren und zwar nicht nur mit zwei Beamten, dieses funktioniere erfahrungsgemäß nicht. Im Ergebnis seien etwa 20 Polizeibeamte vor Ort gewesen. Er selbst habe eine Bodycam getragen. Als er dort eingetroffen sei, sei er gleich von ein paar Jungsspunden vom Balkon mit dem Wort "Scheiß-Bullen!" angepöbelt worden. Er sei dann mit den Worten: "Eine Beleidigung hab' ich schon!" zu einer Tür gegangen, dabei habe es sich um eine Feuerschutztür gehandelt. Er selbst habe etwa fünf bis sechs Meter von der Tür entfernt gestanden. Von drinnen habe man ein Poltern gehört und eine männliche Stimme habe gerufen: "Hunde weg." Der Angeklagte sei herausgekommen, in einer Hand habe er ein Bier gehalten und ihn mit der anderen Hand geschlagen. Ob mit der flachen Hand oder der Faust wisse er nicht, er habe die Schlagausführung nicht gesehen, sondern den Schlag auf der Weste gespürt. Der habe ihn dann vor die Brust geschlagen, er sei ein Stück zurück getaumelt, dann habe er ihn sich gegriffen und sei mit ihm zu Boden gegangen. Später sei er oben in den Partyräumen gewesen und habe dort mit den Jungs gesprochen, diese seien angespannt gewesen. Es habe sich um den 30. Geburtstag einer Person namens M. gehandelt. Insgesamt schätze er das ca. 50 Personen als Partygäste anwesend gewesen seien. Einer der Gäste habe gesagt, der Chef sei mit einem Schlagstock verprügelt worden. Er erinnere noch, dass ihm im Rahmen des Einsatzes im Obergeschoss das Funkgerät heruntergefallen sei und sich dabei der Akku daraus gelöst habe. Auch hier sei die Bodycam gelaufen.
Er habe sich bei der Aktion am Handgelenk weh getan. Es sei zur Tatzeit bereits dunkel gewesen. Er selbst sei zivil gekleidet gewesen da er eigentlich mit der Zeugin N. Drogenkontrollen habe machen wollen. Er habe aber eine Schutzweste Klasse II getragen, auf der Weste seien Patches befestigt gewesen mit der Aufschrift: "Polizei", an der Weste habe sich eine Bodycam befunden. Eine solche Bodycam nehme permanent auf, zugleich würden die Aufnahmen permanent überschrieben, sodass immer nur die letzten 30 Sekunden vorhanden seien bis manuell eine Aufnahme aktiviert werde. Er sei der einzige mit einer solchen Bodycam gewesen. Diese sei mit Befestigungsschlaufen an seiner Weste befestigt gewesen. Er habe das erste Mal bei einem Einsatz eine solche Bodycam getragen, die Einweisung hierzu habe er auch gerade erst zuvor erhalten gehabt. Im Bereich der Tür hätten sich außer ihm selbst die Zeugen N., H., Z. und der Polizeibeamte K. befunden. Außerdem sei dort auch der damalige BKA-Praktikant namens "M." gewesen. Die Polizeiführerin vor Ort sei die Zeugin H. gewesen. Ob diese dem Angeklagten den Kontrollzweck mitgeteilt habe, wisse er nicht, ebenso wenig wisse er, ob diese beim Klopfen bereits mitgeteilt habe, dass es die Polizei sei, die Einlass begehre. Der Angeklagte habe vielleicht zwei bis drei Schritte auf ihn zu gemacht, das Ganze habe sich innerhalb von Sekundenbruchteilen abgespielt, ob der Angeklagte sodann zurückgewichen sei, wisse er ebenfalls nicht mehr.
Die Zeugin H. hat angegeben, eine Streife im Nachtdienst habe an diesem Abend mitgeteilt, dass beim Angeklagten in der Dachdeckerfirma eine Party stattfinde, es sei Licht, Musik und mehrere Personen dicht gedrängt auf dem Balkon gemeldet worden. Daraufhin habe die Dienststelle mit dem Gesundheitsamt des Landkreises Rücksprache genommen und die Polizei habe den Auftrag erhalten, die Party aufzulösen und die Personalien der Partygäste festzustellen. Die Firma des Angeklagten sei bekannt gewesen, auch sei bekannt gewesen, dass die mutmaßlichen Partygäste nicht polizeiaffin seien. Es seien deshalb Kräfte angefordert worden und auf dem famila-Parkplatz in B. habe es dann eine Einweisung gegeben. Bei der Einweisung seien die Zeugen B. und N. nicht anwesend gewesen. Sie selbst sei die Einsatzleiterin vor Ort gewesen. Sie sei bereits mehrfach dienstlich in der Dachdeckerfirma gewesen und jeweils nicht freundlich empfangen worden. Insgesamt sei sie etwa zwei bis dreimal vorher wegen Ruhestörungen dort gewesen, einmal sei sie knapp nicht die Treppe hinuntergestoßen worden. Das habe sie im Rahmen der Einweisung den Kollegen auch so mitgeteilt. Nach dem Eintreffen an der Firma sei zunächst eine äußere Absperrung errichtet worden, derweil seien alle Partygäste in das Firmengebäude hineingegangen. Sie habe dann an der Eingangstür geklopft und gerufen: "Polizei, bitte öffnen!" Von drinnen habe sie dann ein Poltern und Schreien gehörte, den Wortlaut erinnere sie heute nicht mehr. Eine Person sei dann an ihr vorbeigelaufen auf den Zeugen B. zu und habe diesen geschubst. Der Angeklagte habe den Zeugen B. mit dem linken Arm im Bereich des Oberkörpers gestoßen, in der rechten Hand habe sie eine Bierflasche gesehen. Den eigentlichen Stoß habe sie nicht gesehen, da der Angeklagte mit seinem Körper aus ihrer Perspektive seinen Arm verdeckt habe. Dennoch sei sie sicher, dass der Zeuge B. gestoßen worden sei, sie könne aufgrund ihrer Erfahrungen im Bereich des Kampfsportes zwischen einer kontrollierten Ausweichbewegung und der körperlichen Reaktion nach einem Schlag bzw. Stoß unterscheiden. Bei einer aktiven Ausweichbewegung bleibe die Körperspannung erhalten, was bei einem Treffer nicht der Fall sei. Der Zeuge B. habe einen Ausfallschritt zurück machen müssen, sei aber nicht gestürzt. Sie selbst sei bei der Tür geblieben. Danach habe sich ein Handgemenge entwickelt und beide seien direkt zu Boden gegangen. Das sei ein nahtloser Übergang gewesen ohne aufzustoppen. Mehrere Kollegen seien hinzu geeilt und hätten eingegriffen. Es habe ein großes Geschrei auf beiden Seiten gegeben, der Angeklagte habe sich gewehrt und am Boden mehrfach hin und her gewälzt. Schließlich sei es gelungen ihm Handfesseln anzulegen. Der Angeklagte sei leicht verletzt gewesen, habe jedoch keinen Rettungswagen gewollt. Später habe sie eine Ansprache an den Angeklagten gerichtet und dieser habe dann moderieren gegenüber seinen Mitarbeitern eingegriffen und dafür gesorgt, dass diese friedlich nach Hause gingen.
Der Zeuge B. habe Patches mit der Aufschrift "Polizei" und "Videoüberwachung" an seiner Weste getragen. Ob er diese Patches hinten oder vorne oder möglicherweise auf beiden Seiten getragen habe, wisse sie nicht. Auch wisse sie nicht mehr, ob der Zeuge B. bereits gegenüber der Tür gestanden habe, als sie geklopft habe. Sie erinnere noch, dass dieser aus Richtung des Balkons gekommen sei. Sie selbst habe mehrfach an die Tür geklopft und gefordert diese zu öffnen. Wie viele Schritte der Angeklagte auf den Zeugen B. zu gemacht habe, wisse sie nicht.
Der Name des damaligen BKA-Praktikanten könne M. S. sein. Das Video von den Ereignissen habe sie einmal einige Tage nach dem Geschehen gesehen, jedoch erst nachdem sie ihren Erstbericht geschrieben gehabt habe. Beim Erstbericht sei sie davon ausgegangen, dass keine Video-Aufzeichnung erfolgt sei. Vor dem ergänzenden Bericht habe sie dann jedoch das Video gesehen. Letztmalig habe sie dann in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung einige Sequenzen aus dem Video gesehen.
Die Zeugin N. hat ausgeführt, sie sei damals als zivile Streife im Nachtdienst gewesen und hätte die Party auf dem Firmengelände des Angeklagten festgestellt. Man habe die Lichter und die Personen auf dem Balkon gesehen. Da größere Feiern zu diesem Zeitpunkt nicht erlaubt gewesen seien, seien sie zurück zu Dienststelle gefahren und hätten mit dem Gesundheitsamt Rücksprache gehalten. Das Gesundheitsamt habe um Auflösung der Party und Feststellung der Personalien der Gäste zwecks Kontaktverfolgung gebeten. Es seien dann mehrere Kräfte angefordert worden und nach dem Eintreffen vor Ort sei sie mit den Zeugen H. und B. an der Tür zum Objekt gewesen. Die Zeugin H. habe geklopft und am Eingang gestanden, sie und der Zeuge B. gegenüber der Tür. Sie habe dabei leicht versetzt hinter dem Zeugen B. gestanden. Genauer könne sie ihre Position nicht mehr erinnern. Es sei sehr laut gewesen. Sie erinnere noch, dass "M. vom BKA" sich ebenfalls in diesem Bereich aufgehalten habe, außerdem etwas dahinter die Hundeführer. Die Tür habe sich dann geöffnet und eine männliche Person sei herausgekommen und habe mit seiner Hand den Zeugen B. im Bereich der Brust getroffen, sie wisse jedoch nicht mehr sicher mit welcher Hand. Sie erinnere jedoch noch, dass der Angeklagte in einer Hand eine Bierflasche gehalten habe, die andere Hand habe er nach vorne ausgestreckt. Der Zeuge B. sei daraufhin rückwärts getaumelt und nachdem er sich wieder gefangen habe, in einer Vorwärtsbewegung dazu übergegangen den Angeklagten zu Boden zu bringen. Dabei sei die Bierflasche des Angeklagten dann zerbrochen. Sie selbst habe dann dabei geholfen den Angeklagten zu fesseln. Später habe der Angeklagte im Eingangsbereich auf einem Stuhl gesessen. Von dort aus habe der Angeklagte dann auch verbal beruhigend auf seine Angestellten eingewirkt. Der weitere Einsatz sei dann so gewesen, dass jeweils ein Team Polizei oben und unten gewesen sei und den Partygästen seien nach Personalienfeststellung jeweils Platzverweise ausgesprochen worden.
Der Zeuge B. habe eine Schutzweste getragen, ob daran Patches gewesen seien, wisse sie nicht mehr. Auch wisse sie nicht mehr, ob sie selbst eine Schutzweste getragen habe. Auch könne sie nicht mehr sagen, ob und wie der Abstand zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen B. nach der Berührung gewesen sei. Insgesamt habe sie etwa zwei bis dreimal die Videosequenz im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Vernehmung beim Amtsgericht Tostedt gesehen.
Der Zeuge Z. hat erklärt, er habe am vergangenen Sonntag zur Vorbereitung auf seine Einvernahme nochmals die Berichte aus dem Vorgang gelesen. Das Video habe er nicht noch mal gesehen.
Damals habe ein Streifenteam eine unzulässige Party gemeldet. Es habe dann einen größeren Kräfte-Einsatz gegeben, die Zeugin H. sei die Polizeiführerin gewesen. Etliche Dienststellen seien beteiligt gewesen, weshalb es ein kurzes Briefing auf dem famila-Parkplatz gegeben habe. Von dort habe man dann auf das Firmengelände verlegt und dieses zunächst umstellt. Es seien dann Sachen vom Balkon gerufen worden. Was, wisse er nicht mehr. Er habe dann an der Tür gestanden, dort in zweiter Reihe. Der Zeuge B. habe links vor ihm gestanden. Die Zeugin H. habe geklopft. Die Tür sei dann aufgeflogen und nach außen links angeschlagen. Der Angeklagte sei in einer Vorwärtsbewegung mit dem Arm in Richtung des Zeugen B. gelaufen und habe diesen geschubst bzw. geschlagen. Das unmittelbare Auftreffen der Hand auf den Körper habe er aufgrund seiner Perspektive nicht gesehen, sondern die körperliche Reaktion des Zeugen B. durch dessen Oberkörper ein Ruck gegangen sei. Dabei handele es sich nach seiner Einschätzung nicht um eine Ausweichbewegung, da diese kontrollierter und langsamer hätte sein müssen. Danach habe der Zeuge B. den Angeklagten zu Boden gebracht, der habe sich gewehrt und mehrere Beamte hätten Herrn B. unterstützt. Er selbst habe nicht mit eingegriffen, sondern die Scherben von der zerbrochenen Bierflasche mit den Füßen beseitigt, damit sich daran niemand verletzt.
Der Zeuge S. hat ausgesagt, er habe zur Vorbereitung seine Einvernahme von dem Polizeibeamten K. nochmals den Bericht zum Lesen erhalten.
Die Ereignisse hätten sich um kurz vor Mitternacht abgespielt, auf dem Grundstück sei es dunkel gewesen, im Bereich der Tür an einer Vorderwand sei es jedoch beleuchtet gewesen. Er erinnere, dass zwei Beamte vor der Tür gestanden und geklopft hätten. Die Tür sei dann mit großer Energie geöffnet worden, diese sei aufgeflogen und derart dahinter angeschlagen, dass sie fast wieder zugefallen wäre. Ein Mann sei herausgekommen, der eine Bierflasche in einer Hand gehalten habe. Er sei herausgestürmt und habe nicht angehalten. Direkt beim Verlassen der Tür habe der Angeklagte den Arm gehoben. Der Mann habe dann den Zeugen B. mit ausgestrecktem Arm berührt. Der Zeuge B. habe Ausgleichsbewegung und einen Ausfallschritt machen müssen. Das habe für ihn nicht wie eine kontrollierte Ausweichbewegung ausgesehen. Daraufhin hätten sich zwei Beamte auf den Angeklagten gestürzt und versucht diesen zu überwältigen. Insgesamt habe diese Situation vielleicht drei bis vier Sekunden gedauert. Nach seiner Erinnerung habe nur der Zeuge B. eine Bodycam getragen. Auch andere Kameras - beispielsweise Stabkameras - seien nicht im Einsatz gewesen. Die Bodycam beim Zeugen B. habe er vorher bereits gesehen. Im weiteren Verlauf des Einsatzes habe er die Personalien der Partygäste aufgenommen.
Die Aussagen der Zeugen waren glaubhaft und zu einander kongruent. Keiner der Zeugen hat eine überschießende Belastungstendenz erkennen lassen, vielmehr haben diese ruhig und sachlich ausgesagt, angesichts des Zeitablaufes erwartbare Erinnerungslücken unumwunden zugegeben ebenso wie zwischenzeitlich stattgehabte Kommunikation in der Sache untereinander. Auch vermochten die Zeugen zu differenzieren, ob sie unmittelbar eine Berührung des Zeugen B. durch den Angeklagten gesehen hatten, oder perspektivisch bedingt nur die körperliche Reaktion des Zeugen B. Auch vermochten sie nachvollziehbar zu begründen, warum die körperliche Reaktion des Zeugen B. für sie den Rückschluss auf eine Berührung zuließ.
Allein der Zeuge B. zeigte eine gewisse emotionale Beteiligung, was als unmittelbarer Betroffener jedoch verständlich war und ihn noch glaubwürdiger machte. Auch wirkte sich dies nicht auf seine Ausführungen in der Sache aus. Insbesondere die Zeuginnen H. und N. haben darüber hinaus auch Entlastendes über den Angeklagten angegeben, so beispielsweise, dass dieser in der Folge verbal beschwichtigend auf die übrigen Partygäste, bei denen es sich um seine Angestellten handelte, einwirkte und so dazu beitrug, dass der Einsatz im Ergebnis sodann friedlich abgeschlossen werden konnte.
Die Aussagen der Zeugen stehen auch nicht im Widerspruch zu den Aufzeichnungen der Bodycam des Zeugen B. Die beiden von ihm im Laufe des Abends gefertigten Videos wurden nach näherer Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls in Augenschein genommen.
Das Video mit der Bezeichnung 20200613_EinsatzXXX1.MP4 beginnt um 23:36:48h und endet um 23:38:09h.
Das Video beginnt zunächst damit, dass die Kamera in Richtung eines Balkons im ersten Obergeschosses schwenkt, von dem unverständliches Rufen zu hören ist. Im rechten oberen Quadranten erscheint eine Hand mit einer Taschenlampe, wird eingeschaltet und leuchtet auf den Balkon, dort sind mehrere Personen erkennbar. Eine nicht zu sehende männliche Person fragt nach, was gerade gesagt worden sei. Die angeleuchtete Person antwortet, dass er das schon richtig verstanden habe. Darauf fragt, die männliche Stimme aus dem Off nochmals nach, ob er das richtig verstanden habe und teilt mit, dass er gleich rauf komme. Dann wendet sich die Kamera von dem Balkon ab und ihr Träger bewegt sich nach rechts um eine Hausecke. Dabei begegnet er zwei uniformierten Polizeibeamten. Die Hintergrundgeräusche nehmen zu, insbesondere ist lautes Hundegebell zu hören. Die Kamera nähert sich nunmehr einer Metalltür, neben der eine uniformierte Beamtin steht und an die Tür klopft, das Klopfen ist nicht zu sehen, sondern trotz der Hintergrundgeräusche deutlich zu hören. Schemenhaft sind im Umfeld der Tür weitere uniformierte Polizisten zu sehen. Weiter stehen Fahrzeuge im erweiterten Bereich der Tür. Im Off hört man erneut die männliche Stimme sagen: "W., eine Beleidigung hab' ich schon mal." Die Beamtin an der Tür blickt in Richtung der Kamera und fragt: "Was?", worauf die Stimme im Off ihre Aussage widerholt.
Die Kamera richtet sich sodann frontal auf die geschlossene Tür, die in diesem Moment nach rechts außen schwungvoll geöffnet wird und gegen die Wand schlägt. Eine männliche Person kommt bei 23:37:11h heraus und nähert sich der Kamera zügig an, wobei sie laut ruft: "So Folgendes, Hunde weg, alle weg!", der Bildausschnitt zeigt hierbei zunächst noch den Kopf und den Oberkörper der Person sowie den rechten Arm mit Bierflasche, die linke Hand öffnet die Tür, je näher die Person an die Kamera herankommt, umso mehr wird von ihr abgeschnitten, schließlich sieht man nur noch den Kopf und die rechte Schulter. Ab 23:37:12h bis 23:37:13h sind die Bilder teilweise verwackelt, die Aufnahmen schwanken zunächst nach links und dann nach oben. Zudem ist unmittelbar vor dieser "Wackelsequenz" ein "Plock"-Geräusch zu hören, welches einem Schlag auf oder Stoß gegen Kunststoff ähnelt. Nachdem sich das Bild kurzzeitig stabilisiert hat und zu sehen ist, dass die Beamtin an der Tür diese festhält und am Wiederzufallen hindert, ist im Vordergrund die männliche Person zu sehen, die Richtung Tür schaut und beide Arme am Körper herunterhängen hat. Sodann greifen um 23:37:14h von hinter der Kamera zwei Hände nach vorne in Richtung des Kopfes der männlichen Person, die Aufnahmen sind wieder verwackelt, es wird gerufen, die männliche Person und der Kameraträger gehen offenbar zu Boden, weitere Hände greifen nach der männlichen Person, zu hören ist, dass Glas zerbricht und Hunde bellen. Die männliche Person wird mit Handfesseln gefesselt, die männliche Stimme aus dem Off sagt: "Ich will den anderen Typen!", die Kamera nähert sich wieder der Tür, im Vordergrund ist erneut die uniformierte Beamtin an der Tür zu sehen, die sagt: "Entspann Dich!"
Das Video mit der Bezeichnung 20200613_Einsatz XXX 2.MP4 startet um 23:41:05h und endet um 00:09:17h.
Die Kamera filmt zunächst einen Barbereich, hinter der Bar halten sich eine Frau und ein Mann auf. Die männliche Stimme aus dem vorhergehenden Video stellt sich vor, dass sie von der Polizei seien, worauf die weibliche Person antwortet, dass sie das sehe, sie sei nicht blind. Im Anschluss entschuldigt sie sich und fragt nach der Videoaufzeichnung, woraufhin die Stimme aus dem Off darauf hinweist, dass deshalb ja Video hier und da stehe, wobei die Kamera geschwenkt wird, weiter weist die Stimme darauf hin, dass die Kamera blinke.
Im Anschluss befindet sich die Kamera in einem Nebenraum, von dem aus der beschriebene Tresen jedoch noch zu sehen ist. In dem Raum befinden sich ca. sieben männliche Partygäste sowie mindestens fünf uniformierte Polizeibeamte. Der Kameraträger beginnt ein Gespräch mit einem männlichen Partygast in einem weißen T-Shirt, erklärt die Gründe für das polizeiliche Erscheinen und die Größe des Einsatzes. Dabei erwähnt er auch, dass kurz zuvor irgendjemand unten aus der Tür rausgekommen sei und ihn angegriffen habe. Der Gesprächspartner entgegnet, dass es ich dabei um seinen Chef gehandelt habe, der habe fragen wollen, was da los sei und habe ihm definitiv nicht Böses gewollt. Ein weiterer männlicher Partygast im schwarzen T-Shirt mischt sich in das Gespräch ein, begründet das Verhalten des Chefs damit, dass dieser das Hausrecht habe, die Polizei nicht so einfach reinkommen dürfe ohne Durchsuchungsbefehl und gegen die Tür getreten habe. Auch habe der Chef ein bisschen was getrunken. In der Folge wird das Gespräch wieder mit dem Gast im weißen T-Shirt fortgesetzt, der den Gast im schwarzen T-Shirt als den Lehrling vorstellt. Der Partygast in weiß entschuldigt sich für seinen Chef, räumt ein, dass seine Reaktion möglicherweise nicht okay gewesen sei, er habe sie jedoch auch nicht mitbekommen. In der Folge sprechen beide über ihren beruflichen Werdegang, dann geht es um den Schlüssel für die gegenüberliegende Wohnung und die Personalpapiere der Partygäste.
Der Kameraträger fragt bei der uniformierten Polizeibeamtin, die im ersten Video an der Tür gestanden hat, nach, ob er die Kamera weiter laufen lassen soll, was diese bejaht.
Der nächste etwas längere Gesprächspartner des Kameraträgers wird von der Terrasse nach drinnen gebeten, er trägt einen schwarzen Adidas-Pullover und gibt an, keinen Ausweis dabei zu haben. Deshalb muss er noch einen Augenblick warten und berichtet in der Zwischenzeit er sei vom technischen Kundendient. Der Kameraträger begleitet ihn zu einer Treppe nach unten und der Partygast meint, dass er die Treppe nicht alleine schaffe, er brauche Hilfe, das sei ihm zu steil. Zu erkennen ist, dass die Treppe tatsächlich recht steil ist. Schließlich beginnt der Partygast jedoch ohne weitere Hilfe die Treppe hinunterzugehen.
Sodann begibt sich der Kameraträger zu der uniformierten Polizeibeamtin und spricht mit ihr zunächst über die verbliebene Anzahl an Polizeibeamten und Partygästen im Obergeschoss. Dann weist er sie darauf hin, dass er eben die Kamera zu spät angemacht habe, er habe eine Fehlfunktion gehabt.
Es werden dann immer wieder einzelne Partygäste durch Polizeikräfte nach unten geschickt. Der Kameraführende kommt mit einem weiteren jungen Mann mit Bart ins Gespräch, der jedoch nochmals aus dem Bild verschwindet, um sein Bier auszutrinken und sich für den Heimweg eine geschlossene Getränkedose zu holen.
Derweil spricht der Kameraführende mit der uniformierten Polizeibeamtin und einem weiteren Polizeibeamten, der fragt, welchen Status die festgenommene Person habe, worauf ihm die Polizeibeamtin sagt: "Widerstand", die männliche Stimme antwortet: "BE tätlicher Angriff und Körperverletzung."
Sodann erscheint wieder der bärtige Partygast und verwickelt den Kameraträger in ein Gespräch darüber, ob der Einsatz geplant war, das Gespräch dreht sich dann weiter um den Grund für die Eskalation und der Kameraträger erklärt dem bärtigen Partygast, dass der Chef auf ihn zu gerannt sei und ihm richtig eine gegeben habe, er sei geschlagen worden. Der Partygast beharrt darauf, die Szene zwar nicht gesehen zu haben, jedoch gehört zu haben, wie ein Schlagstock eingesetzt worden sei. Die Diskussion geht dann zu anderen Themen über bis der Gast schließlich auch nach unten geschickt wird.
Der Kameraträger geht abschließend noch einmal durch die Räumlichkeiten. Dabei ist zu erkennen, dass diese insgesamt aus drei in einander übergehenden Räumlichkeiten, davon einer mit Tresen, einem zusätzlichen Vorratsraum, einer Terrasse und Sanitärbereichen bestehen. Die eigentlichen Partyräumlichkeiten sind mit Lichtanlage, Boxen, Sitzgelegenheiten Barhockern ausgestattet.
Zum weiteren Inhalt der beiden Videos wird auf deren Inhalt, Datenträger Bl. 34 Bd. I Bezug genommen.
Zwar ist auf dem zuerst beschriebenen Video eine Berührung des Zeugen B. durch den Angeklagten bedingt durch den Bildausschnitt nicht zu sehen, bei der Bewertung der Aufzeichnung war jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge B. selbst die Bodycam getragen hat, so dass durch die Zweidimensionalität der Aufnahme eine Aufzeichnung der Berührung seines Oberkörpers bereits technisch nicht zu erwarten war. Zu hören ist jedoch ein Geräusch, welches einem Geräusch entspricht, dass bei einem Schlag oder Stoß gegen eine Schutzweste entsteht, und unmittelbar anschließend an dieses Geräusch unruhige, verwackelte Bilder, die auf unkontrollierte Bewegungen des die Bodycam führenden Zeugen B. schließen lassen, so dass bereits diese wahrnehmbaren Faktoren im Video die Angaben der Zeugen weiter stützt.
Hinzu kommt, dass zwischen dem Ende des zuerst beschriebenen Videos und dem Beginn des zweiten Videos, in dem der Zeuge B. gegenüber mehreren Partygästen den Vorfall mit dem Angeklagten als Angriff bzw. Schlag beschreibt, lediglich drei Minuten liegen. Es erscheint fernliegend, dass die Zeugen B., H., N. Z. und S. innerhalb dieser kurzen Zeitspanne während eines laufenden Polizeieinsatzes, bei dem jeder von ihnen andere Aufgaben wahrzunehmen hat, einen Komplott gegen den Angeklagten beschließen und diesen dann bereits während des weiteren Einsatzes dergestalt umsetzen, dass der Zeuge B. im Einsatzgeschehen zur Unterstützung seiner späteren Glaubwürdigkeit bei laufender Bodycam entsprechende Aussagen tätigt.
Zu bedenken ist hierbei auch, dass die Zeugen B. und H. jeweils erstinstanzlich sogar vereidigt worden sind, Falschangaben für sie mithin über die für die anderen polizeilichen Zeugen hinausgehende erhebliche strafrechtliche und auch beamtenrechtliche Konsequenzen hätten.
Schließlich zeigt auch der durch die Videoaufzeichnung belegte Ausruf des Angeklagten: "So Folgendes, Hunde weg, alle weg...!", der teilweise auch vom Zeugen B. erinnert wurde, dass der Angeklagte nicht nur genau wusste, dass die Polizei (mit Hunden) vor der Tür steht, sondern auch, dass er die Situation nicht hinterfragen, sondern für sich unter Kontrolle bringen wollte und die Polizei quasi vom Hof schicken wollte. Vor diesem Hintergrund ist auch eine bloße versehentliche Berührung des Zeugen B. durch den Angeklagten durch ein zu schwungvolles Hinterlaufen der steilen Treppe und dann nicht mehr möglichem Abbremsen auszuschließen.
Zweifel an einem bewussten Schlag bzw. Stoß des Angeklagten gegen den Oberkörper des Zeugen B. hat die Kammer nach allem nicht.
Die Feststellungen zum Alkoholisierungsgrad und dem Blutalkoholgehalt an der entnommenen Blutprobe beruhen auf dem nach näherer Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls verlesenen Protokolls über die Entnahme von Körperflüssigkeiten vom 14. Juni 2022 Bl. 14, 15 Bd. I und des verlesenen Blutalkoholgutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule H. vom 19. Juni 2020 Bl. 25, 26 Bd. I.
V.
Der Angeklagte hat sich damit des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gem. § 114 StGB strafbar gemacht.
Der Zeuge B. war als Polizeibeamter neben anderen Polizeikräften zur Vollstreckung der geltenden Fassung der Coronaschutzverordnung vor Ort und auch durch das Tragen einer Schutzweste mit dem Aufdruck "Polizei" als Polizeiangehöriger erkennbar. Der Stoß des Angeklagten richtete sich auch unmittelbar gegen den Körper des Zeugen B. und war jedenfalls auch so stark, dass er den Zeugen trotz der getragenen Schutzweste kurzzeitig aus dem Gleichgewicht gebracht hat, also nicht nur eine bloße geringfügige Berührung, die die Grenze zur Strafbarkeit noch nicht erreicht.
VI.
Der Strafrahmen von § 114 Abs. 1 StGB beträgt drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe.
Zu Gunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass dieser bislang unbestraft war, der Stoß den Beamten B. nicht verletzt hat und insgesamt an der unteren Grenze des Strafwürdigen anzusiedeln ist. Zu Lasten des Angeklagten sprach vorliegend kein Aspekt, so dass mit dem Amtsgericht Tostedt unter Umwandlung der Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe gem. § 47 Abs. 1 StGB in eine Geldstrafe eine tat- und schuldangemessene
Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 200 Euro
verhängt wurde.
Hinsichtlich der Einkommenshöhe hat die Kammer diese dabei mit dem Amtsgericht Tostedt gem. § 40 Abs. 3 StGB auf 6.000 Euro netto nach Abzug seiner Unterhaltsverpflichtungen geschätzt, da der Angeklagte hierzu keine Angaben gemacht hat. Hierbei hat die Kammer in ihre Überlegungen einbezogen, dass der Angeklagte nicht nur Geschäftsführer, sondern auch Gesellschafter eines größeren Handwerksbetriebes mit einer gewissen Anzahl von Angestellten ist, deren genaue Anzahl jedoch nicht festgestellt werden konnte und der auch Ausbildungsbetrieb ist. Auch die Größe und Ausstattung der Partyräumlichkeiten erlauben den Rückschluss, dass das Unternehmen des Angeklagten ihm ein derartiges Einkommen sichert.
Dem Angeklagten war dabei auch die vom Amtsgericht Tostedt gewährte Ratenzahlung in Höhe von 600 Euro monatlich gem. § 42 StGB nach dem Grundsatz der Reformatio in peius zu belassen.
Die Berufung war daher insgesamt zu verwerfen.
VII.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.