Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 19.03.2002, Az.: 12 A 3943/99

Begleitbescheinigung; Gesundheitsbescheinigung; Untersuchung, tierseuchenrechtlich

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
19.03.2002
Aktenzeichen
12 A 3943/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43410
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Erhebung von Gebühren für Untersuchungen von Schlachtgeflügel vor dem innergemeinschaftlichen Verbindung steht mit Gemeinschaftsrecht im Einklang

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Kosten (Gebühren und Auslagen) für insgesamt 22 amtstierärztliche Untersuchungen von Schlachtgeflügel.

2

Der Amtstierarzt des Beklagten untersuchte Schlachtgeflügel des Klägers vor ihrer Versendung in die Niederlande. Hierauf erließ der Beklagte entsprechende Kostenbescheide, gegen die der Kläger Widerspruch einlegte. Im Einzelnen:

3

Untersuchung am

4

Anzahl Masthähnchen

5

Gebührenbescheid v.

6

festgesetzte Gebühr

7

Widerspruch erhoben

8

16.04.1996            12.000            02.07.1996      285,20 DM            31.07.1996,

9

10.06.1996            12.000            13.08.1996      285,20 DM            29.08.1996,

10

06.08.1996             6.000             08.11.1996     169,79 DM             12.12.1996,

11

30.09.1996            12.000            27.11.1996      288,07 DM            12.12.1996,

12

26.11.1996            12.000            22.01.1997      283,46 DM            19.02.1997,

13

22.01.1997            12.000            13.03.1997      283,08 DM            10.04.1997,

14

20.03.1997            12.000            04.06.1997      282,32 DM            27.06.1997,

15

13.05.1997            12.000            30.07.1997      284,98 DM            30.08.1997,

16

06.07.1997            12.000            30.09.1997      269,18 DM            03.11.1997,

17

03.09.1997            12.000            20.11.1997      282,70 DM            20.12.1997,

18

04.11.1997            12.000            19.02.1998      282,70 DM            14.03.1998,

19

22.12.1997            14.500            10.03.1998      284,60 DM            25.03.1998,

20

16.02.1998            14.200            03.06.1998      281,94 DM            03.07.1998,

21

13.04.1998            14.500            08.07.1998      269,18 DM            11.08.1998,

22

08.06.1998            13.600            12.08.1998      284,98 DM            11.09.1998,

23

03.08.1998            13.200            01.10.1998      284,60 DM            24.10.1998,

24

24.09.1998            14.000            26.10.1998      284,60 DM            27.11.1998,

25

20.11.1998            13.900            28.12.1998      280,42 DM            16.01.1999,

26

15.03.1999            15.000,

27

24.03.1999            36.600            21.04.1999      563,88 DM            22.05.1999,

28

10.05.1999             15.000,

29

20.05.1999            37.500            13.07.1999      565,40 DM            03.08.1999.

30

Der Kläger begründete seine Widersprüche im Wesentlichen damit, dass die Erhebung von Gebühren für veterinärmedizinische Untersuchungen sich abschließend nach der Richtlinie 85/73/EWG des Rates richte. Daneben dürften keine Gebühren erhoben werden. Die Erhebung zusätzlicher tierseuchenrechtlicher Veterinärgebühren neben den gleichzeitig anfallenden geflügelfleischhygienerechtlichen Gebühren für die Beschau von Schlachtgeflügel, das in einem anderen EG-Mitgliedsstaat geschlachtet werden solle, wirke sich als gemeinschaftsrechtswidriges Handelshemmnis aus. Mit den Bescheiden werde für sein Schlachtgeflügel nur deshalb eine zusätzliche Gebühr erhoben, weil dessen Schlachtung nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in den Niederlanden stattfinde. Das durch die zusätzliche Gebührenerhebung verursachte Handelshemmnis sei auch nicht gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt. Eine gesonderte tierseuchenrechtliche Untersuchung des Schlachtgeflügels sei neben der geflügelfleischhygienerechtlichen Untersuchung nicht notwendig und finde in der Praxis auch nicht statt. Es sei daher nicht gerechtfertigt, für die tierseuchenrechtliche Untersuchung, die neben der geflügelfleischhygienerechtlichen Untersuchung keine besonderen Kosten verursache, eine zusätzliche Gebühr zu erheben. Hierdurch würden die in der Richtlinie 85/37/EWG gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Höchstbeträge für die geflügelfleischhygienerechtlichen Gebühren umgangen.

31

Die Bezirksregierung .... wies mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 1999 die Widersprüche des Klägers zurück. Die vom Beklagten durchgeführten Untersuchungen seien nicht nach dem Geflügelfleischhygienerecht, sondern nach dem Tierseuchenrecht erfolgt. Die hierfür entstandenen Kosten habe der Kläger als Veranlasser der amtstierärztlichen Maßnahme zu tragen. Die Erforderlichkeit einer derartigen tierseuchenrechtlichen Untersuchung einschließlich der Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung ergebe sich aus § 8 Abs. 1 der Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung. Die Gebühren seien zu Recht gemäß der Gebührenordnung für die Veterinärverwaltung erhoben worden. Neben der Erhebung der tierseuchenrechtlichen Gebühr sei auch keine weitere Gebühr für eine geflügelhygienerechtliche Untersuchung oder Bescheinigung erhoben worden. Die Gebührenerhebung verstoße auch nicht gegen das bestehende Gemeinschaftsrecht. Die Höhe der festgesetzten Gebühren sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

32

Der Kläger hat am 28. Oktober 1999 Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen und macht ergänzend geltend, die tierseuchenrechtlichen Untersuchungsgebühren stellten verbotene Abgaben mit zollgleicher Wirkung dar, deren Erhebung nicht gerechtfertigt sei: Zum einen übersteige die erhobene Gebühr die tatsächlichen Kosten. Auch bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Betrag der Gebühr und der konkreten Untersuchung, für die die Gebühr erhoben werde, weil die Gebühr entsprechend der Stückzahl der untersuchten Tiere berechnet worden sei; insoweit handele es sich um eine unzulässige Pauschalierung. Zum anderen habe die Gebührenerhebung keine begünstigende Wirkung auf den freien Warenverkehr. Bei der tierseuchenrechtlichen Beschau vor dem innergemeinschaftlichen Verbringen des Schlachtgeflügels handele es sich um die gleiche Untersuchungsmaßnahme mit dem gleichen Untersuchungsgegenstand wie bei der hygienerechtlichen Lebendbeschau des Geflügels im Ursprungsbetrieb. Es werde daher durch die Beschau vor dem innergemeinschaftlichen Verbringen keine höhere Sicherheit erzeugt und es entstehe daher auch kein höherer, zusätzlicher Aufwand als bei den ohnehin bei jeder im Inland stattfindenden Schlachtung erforderlichen hygienerechtlichen Lebendbeschau des Geflügels im Ursprungsbetrieb.

33

Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Bescheide dahin abgeändert hat, dass lediglich Gebühren in Höhe der für den Ursprungsbetrieb geltenden Gebühren für die geflügelfleischhygienische Untersuchung erhoben werden, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

34

Der Kläger beantragt,

35

die in der Klageschrift genannten zwischen Juli 1996 und Juli 1999 ergangenen Gebührenbescheide des Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 27. September 1999 und in der in der mündlichen Verhandlung geänderten Fassung aufzuheben.

36

Der Beklagte beantragt,

37

die Klage abzuweisen.

38

Zur Begründung trägt er vor, dass er allein für die tierseuchenrechtliche Untersuchung des vom Kläger verbrachten Schlachtgeflügels sowie für die ausgestellten Tiergesundheitsbescheinigungen Gebühren erhoben habe. Eine zusätzliche Geltendmachung von Untersuchungsgebühren für eine geflügelfleischhygienerechtliche Untersuchung der Tiere sei nicht erfolgt. Auch im Hinblick auf eine Gebührenerhebung in den Niederlanden für die nach der Verbringung des Geflügels in den dortigen Schlachtbetrieben durchgeführten Geflügelfleischhygieneuntersuchungen  liege keine „doppelte Gebührenerhebung“ vor. Es sei nicht zutreffend, dass die von den niederländischen Schlachtbetrieben erhobene geflügelfleischhygienerechtliche Pauschalgebühr nach dem Sinn und Zweck der EG-Richtlinie 85/73/EWG sämtliche im Zusammenhang mit der Schlachtung des Geflügels durchgeführten Untersuchungsmaßnahmen einschließlich der Beschau des Geflügels im Ursprungsbetrieb abdecke und daher eine darüber hinausgehende tierseuchenrechtliche Gebühr nicht erhoben werden dürfe. Dem stehe bereits der klare Wortlaut der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EWG entgegen, da die Erhebung von Gebühren für tierseuchenrechtliche Untersuchungen in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 der genannten Richtlinie ausdrücklich zugelassen worden sei. Die Beschau des Geflügels im Ursprungsbetrieb sei nach dem Willen der Kommission danach regelmäßig nicht Teil der im Schlachtbetrieb erfolgenden geflügelfleischhygienerechtlichen Untersuchung. Auch liege kein Verstoß gegen das Verbot zollgleicher Abgaben (Art. 28 EGV) vor, da insoweit die Durchführung der Untersuchungen und damit die Erhebung entsprechender Gebühren in Anwendung europäischer Rechtsakte erfolgt sei. Im Übrigen wäre die entsprechende Regelung durch Art. 30 EGV gerechtfertigt, da die Untersuchungen dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Tieren dienten.

39

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

40

Das Verfahren ist entsprechend §  92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

41

Die angefochtenen Bescheide in der in der mündlichen Verhandlung geänderten Fassung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

42

Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten ist davon auszugehen, dass Gegenstand der Amtshandlung des Beklagten und damit Grundlage für die Kostenfestsetzung die Untersuchung des Schlachtgeflügels vor dem Verbringen in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union gemäß § 7 Abs. 1 Tierseuchengesetz (in der Fassung der Neubekanntmachung vom 20. Dezember 1995, BGBl. I S. 2038; betreffend Untersuchungen seit dem 1. Januar 1998 in der Fassung des SchiedsVfG vom 22. Dezember 1997 - BGBl. I S. 3224) in Verbindung mit §§ 3, 8 Abs. 1 in Verbindung mit lfd. Nr. 10.3 der Anlage 3 Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung war, die insoweit die Richtlinie Nr. 90/539/EWG des Rates vom 15. Oktober 1990 (ABl. EG Nr. L 303 S. 6) in der Fassung der Richtlinie 93/120/EG des Rates vom 22. Dezember 1993 (ABl. EG Nr. L 340 S. 35) sowie die Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 (ABl. EG Nr. L 224 S. 29) in der Fassung der Richtlinie 92/60/EWG des Rates vom 30. Juni 1992 (ABl. EG Nr. L 268 S. 75) umsetzen. Hiernach ist beim Verbringen von Schlachtgeflügel von mehr als 19 Tieren in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union eine amtstierärztliche Gesundheitsbescheinigung nach Muster 5 des Anhangs IV der Richtlinie 90/539/EWG mitzuführen (vgl. Art. 10, 17 Richtlinie 90/539/EWG; Art. 3 Richtlinie 90/425/EWG). Die Amtshandlung des Beklagten bestand in der nach diesen Regelungen vorgesehenen tierseuchenrechtlichen Untersuchung des Schlachtgeflügels vor dem Verbringen in die Niederlande und die Ausstellung der hiernach erforderlichen tierseuchenrechtlichen Begleitbescheinigung. Dementsprechend setzte der Beklagte die Kosten dieser Amtshandlung fest.

43

Der Beklagte kann für vom Kläger selbst beantragte amtstierärztliche Untersuchungen von lebendem Geflügel Gebühren auf Grundlage des § 3 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit § 1 und 4 ff. Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz (NVwKostG, vom 7. Mai 1962 - Nds. GVBl. S. 43 -, betreffend Untersuchungen bis 31. Dezember 1996 in der Fassung des ÄndG vom 7. November 1991 - Nds. GVBl. S. 295 -, vom 1. Januar 1997 bis 18. Juni 1997 in der Fassung des Gesetzes vom 13. Dezember 1996 - Nds. GVBl. S. 494 -, vom 19. Juni 1997 bis 31. Dezember 1997 in der Fassung Zweiten Gesetzes zur Änderung des NVwKostG vom 5. Juni 1997 - Nds. GVBl. S. 263, seit dem 1. Januar 1998 in der Fassung des Gesetz vom 17. Dezember 1997 - Nds. GVBl. S. 539), § 1 der Gebührenordnung für die Veterinärverwaltung (GOVet, vom 22. März 1995 - Nds. GVBl. S. 63 -, betreffend Untersuchungen im Zeitraum vom 5. Juli 1997 bis 19. Dezember 1997 in der Fassung der Verordnung zur Änderung der GOVet vom 2. Juli 1997 - Nds. GVBl. S. 308 -, vom 20. Dezember 1997 bis 18. Dezember 1998 in der Fassung der 2. Verordnung zur Änderung der GOVet vom 10. Dezember 1997 - Nds. GVBl. S. 524 - und seit dem 19. Dezember 1998 in der Fassung der 3. Verordnung zur Änderung der GOVet vom 2. Dezember 1998 - Nds. GVBl. S. 705 -) erheben.

44

Die Regelung über die Bemessung der Gebühr für die tierseuchenrechtliche Untersuchung gemäß § 1 GOVet in Verbindung mit Abschnitt II B Nr. 1.4.1 der Anlage (Gebührenverzeichnis) hierzu ist mit höherangigem Recht vereinbar: Sie verstößt nicht gegen vorrangiges Gemeinschaftsrecht.

45

Dem steht nicht entgegen, dass sich eine ausdrückliche gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung zur Gebührenerhebung für die hier in Rede stehenden Amtshandlungen weder in der Richtlinie 90/539/EWG noch in der Richtlinie 90/425/EWG zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt findet. Einer solchen Ermächtigung bedarf es nicht. Vielmehr sind die Mitgliedstaaten solange und soweit zur Gebührenerhebung berechtigt, wie das Gemeinschaftsrecht diese Befugnis nicht wirksam beschränkt. Ob im Falle gemeinschaftsrechtlicher Verordnungen wegen ihrer allgemeinen und unmittelbaren Geltung demgegenüber die Vermutung besteht, dass sie eine bestimmte Materie abschließend regeln, so dass ergänzende nationale Regelungen nur noch aufgrund einer ausdrücklichen Ermächtigung zulässig sind, bedarf keiner Erörterung, da vorliegend lediglich Richtlinien als Gemeinschaftsquellen in Betracht kommen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Februar 2001 - 12 A 11745/00 -, V.n.b.; BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2001 - 3 B 38.01 -, V.n.b.).

46

Gemeinschaftsrechtlich ist die Erhebung von Gebühren für Untersuchungen von Schlachtgeflügel vor dem innergemeinschaftlichen Verbringen indessen nicht beschränkt. Eine solche Sperrwirkung ergibt sich Insbesondere nicht aus Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 (ABl. EG Nr. L 32 S. 14) in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG des Rates vom 26. Juni 1996 (ABl. EG Nr. L 162 S. 1). Nach Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 der genannten Richtlinie treten allerdings unbeschadet der Wahl der Behörde, die zur Erhebung der Gemeinschaftsgebühr ermächtigt ist, diese Gemeinschaftsgebühren an die Stelle jeder anderen nationalen Abgabe oder Gebühr, die von den staatlichen, regionalen oder kommunalen Behörden der Mitgliedstaaten für die Untersuchungen und Kontrollen nach Art. 1, 2 und 3 Richtlinie 85/73/EWG und die Ausstellung der entsprechenden Bescheinigung erhoben wird. Indes sind für die vom Beklagten durchgeführten tierseuchenrechtlichen Untersuchungen und Kontrollen keine Gemeinschaftsgebühren gemeinschaftsrechtlich festgelegt worden. Es ist davon auszugehen, dass Gemeinschaftsgebühren für Untersuchungen und Kontrollen von lebenden Tieren im Sinne der Richtlinie 90/425/EWG nach Art. 3 Richtlinie 85/73/EWG nur nach Maßgabe ihres Anhanges C erhoben werden können, der in Kapitel 1 Ziffer 2 aber lediglich bestimmt, in welchem Verfahren der Geltungsbereich, die Höhe der Gebühr, die Einzelheiten für ihre Anwendung und insbesondere die Personen, welche die Gebühren zu entrichten haben, sowie die Ausnahmen festgelegt werden. Dass Schlachtgeflügel im Sinne des Art. 2 Nr. 6 Richtlinie 90/539/EWG zu den von Art. 1 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 90/425/EWG erfassten lebenden Tieren zählt, kann Art. 30 Abs. 2 lit. a Richtlinie 90/539/EWG entnommen werden, wonach in Anhang A der Richtlinie 90/425/EWG der Hinweis auf die Richtlinie 90/539/EWG aufgenommen wurde. Erst wenn Gemeinschaftsgebühren nach Anhang C Kapitel I Nr. 2 der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG festgelegt worden sind, wird die bislang bestehende landesrechtliche Regelung, auf die der Beklagte seine Gebührenerhebung stützt, wegen der Sperrwirkung des Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 1 Richtlinie 85/73/EWG in der genannten Fassung an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben anzupassen sein. Erst dann wird man die Ausnahmeregelung in Art. 5 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Richtlinie 85/73/EWG in der genannten Fassung einschränkend dahin verstehen können, dass Gebühren für die Bekämpfung von Tierseuchen nur insoweit erhoben werden dürften, als für solche Amtshandlungen nicht schon Gemeinschaftsgebühren festgelegt worden sind. Diese Voraussetzungen liegen aber für den entscheidungserheblichen Zeitraum nicht vor, da eine Festlegung von Gemeinschaftsgebühren insoweit fehlt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2001, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Februar 2001, a.a.O.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. Juni 2000 - 2 K 8/98 -, V.n.b.).

47

Als finanzielle Belastung, die ausschließlich im Falle des grenzüberschreitenden Handels für tierseuchenrechtliche Untersuchungen entsteht, haben die hier im Streit befindlichen Gebühren allerdings die gleiche Wirkung wie ein Ausfuhrzoll (vgl. EuGH, Urteil vom 22. April 1999 - C-109/98 -, Slg. 1999 I, 2237, Rz. 19, Urteil vom 2. Mai 1990 - C-111/89 -, Slg. 1990 I, 1735, Rz. 9 ff. und Urteil vom 27. September 1988 - 18/87 -, Slg. I, 5427, Rz 5; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Februar 2001, a.a.O.) und unterliegen damit dem Verbot des Art. 25 EGV (Art. 9, 12 EGV a.F.), auf das sich der Kläger unmittelbar berufen kann (vgl. Beschel/Vaulont, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Art. 12 Rdnr. 12). Das Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung findet seine Rechtfertigung darin, dass finanzielle Belastungen, die ihren Grund allein im Überschreiten der Binnengrenzen in der Europäischen Union haben - auch wenn sie noch so gering sind - eine Behinderung des freien Warenverkehrs darstellen; eine den Waren wegen des Überschreitens der Grenze einseitig auferlegte finanzielle Belastung stellt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, auch wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, unabhängig von ihrer Bezeichnung und Art ihrer Erhebung eine Abgabe gleicher Wirkung im Sinne des Art. 25 EG-V (Art. 12 EG-V a.F.) dar, selbst wenn sie nicht zugunsten des Staates erhoben wird (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Mai 1990, a.a.O.; Urteil vom 22. Juni 1994 - C-426/92 -, Slg. 1994 I, 2757, Rz. 50 m.w.N.; Beschel/Vaulont, a.a.O., Rdnr. 6). Jede Ausnahme von diesem grundlegenden Prinzip des Gemeinsamen Marktes ist eng auszulegen (EuGH, Urteil vom 22. Juni 1994, a.a.O., Rdnr. 51). Von diesem Verbot ist eine Ausnahme nur dann zu machen, wenn die Abgabe mit Untersuchungen zusammen hängt, die zur Erfüllung von nach dem Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Verpflichtungen vorgenommen werden, die Gebühren die tatsächlichen Kosten der Kontrollen nicht übersteigen, die Kontrollen für alle betroffenen Erzeugnisse in der Gemeinschaft obligatorisch und einheitlich sowie vom Gemeinschaftsrecht im allgemeinen Interesse der Gemeinschaft vorgesehen sind und wenn sie den freien Warenverkehr begünstigen (vgl. EuGH, Urteil vom 27. September 1988, a.a.O., Rz. 8 f. und Urteil vom 2. Mai 1990, a.a.O., Rdnr. 9 ff.).

48

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die gemeinschaftsrechtliche Notwendigkeit tierseuchenrechtlicher Untersuchungen von lebendem Schlachtgeflügel in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union ergibt sich aus Art. 5 lit. b in Verbindung mit Art. 10 lit. c Richtlinie 90/539/EWG. Ferner sieht das Gemeinschaftsrecht gemäß Anhang C Kapitel I Nr. 1 Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG vor, hierfür eine Gebühr zu erheben. Es gibt auch keinen Anhalt, dass die vom Beklagten zuletzt festgesetzten Kosten die tatsächlichen Untersuchungskosten übersteigen. Das Erfordernis, dass die geltend gemachten Gebühren nicht höher als die tatsächlichen Kosten sind, ist zwar nur dann gewahrt, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Betrag der Gebühr und der konkreten Untersuchung besteht, für die die Gebühr erhoben wird. Ein solcher Zusammenhang besteht, wenn beispielsweise der Gebührenbetrag anhand der Dauer der Untersuchung, der Anzahl der dafür erforderlichen Personen, der Materialkosten, der allgemeinen Unkosten oder gegebenenfalls anderer ähnlicher Faktoren berechnet wird, was eine pauschale Bewertung der Untersuchungskosten, zum Beispiel durch einen festen Stundentarif, nicht ausschließt. Dagegen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der konkreten Untersuchung und dem Gebührenbetrag, wenn dieser allein anhand des Gewichts oder des Rechnungsbetrages der ausgeführten Erzeugnisse berechnet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Mai 1990, a.a.O., Rz. 13 f.; Beschel/Vaulont, a.a.O., Rdnr. 28). Die vorliegend erfolgte Bemessung der Gebühr anhand der Anzahl der Schlachttiere stellt einen unmittelbaren Zusammenhang der erhobenen Gebühr und den tatsächlichen Kosten der Untersuchung im vorgenannten Sinne her. Der Aufwand der Untersuchungen und damit der tatsächlichen Untersuchungskosten ist (zumindest auch) von der Anzahl der zu untersuchenden Tiere abhängig. Dabei berücksichtigt der Verordnungsgeber auch in hinreichender Weise, dass mit größerer Anzahl des zu untersuchenden Schlachtgeflügels die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht linear, sondern geringer ansteigen; insoweit liegt eine in Anknüpfung an den praktischen Erfordernissen zulässige Pauschalierung vor. Nachdem der Beklagte die Höhe der geltend gemachten Gebühren für die tierseuchenrechtliche Untersuchung auf die Höhe der Gebühren für die hygienerechtliche Untersuchung im Ursprungsbetrieb reduzierte, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die nunmehr festgesetzten Gebühren die tatsächlichen Kosten übersteigen. Schließlich begünstigen die tierseuchenrechtlichen Untersuchungen den freien innergemeinschaftlichen Warenverkehr und dienen dem allgemeinen Interesse der Gemeinschaft. Durch Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 90/539/EWG ist der innergemeinschaftliche Handel mit Schlachtgeflügel den Regelungen des Art. 1 S. 1 in Verbindung mit Anhang A der Richtlinie 90/425/EWG unterworfen worden, wonach die veterinärrechtlichen Grenzkontrollen gerade im Hinblick auf den Binnenmarkt durch amtstierärztliche Untersuchungen vor Ort ersetzt wurden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Februar 2001, a.a.O.). Insoweit werden handelsbeschränkende Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Art. 30 EGV, die zum Schutze des Lebens von Tieren gerechtfertigt wären, vermieden, so dass die gemeinschaftsrechtlich vorgesehene Kontrolle geeignet ist, den freien Warenverkehr zu fördern (vgl. EuGH, Urteil vom 27. September 1988, a.a.O., Rz. 12).

49

Soweit der Kläger geltend macht, dass der Schlachtbetrieb in den Niederlanden weiterhin die gemeinschaftsrechtlichen Gebühren für die geflügelfleischhygienerechtlichen Untersuchungen zur Gänze entrichten müsse, weil die Niederlande nicht von der Möglichkeit des Art. 1 Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG in Verbindung mit deren Anhang A, Kapitel I Nr. 6 lit. a S. 3 Gebrauch gemacht habe, bei Untersuchungen im Ursprungsbetriebes Untersuchungsgebühren in Höhe von 20 % der Pauschalbeträge (Anhang A Kapitel I Nr. 1 lit. e.) von diesem Betrieb zu erheben, und dass insoweit in der Erhebung von Untersuchungskosten des Beklagten für die im Wesentlichen identische Untersuchung des Schlachtgeflügels eine unzulässige "doppelte" Gebührenerhebung erfolge, rechtfertigt dies keine abweichende Entscheidung. Vorliegend hat der Beklagte die Gebühren für die in den o.a. gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vorgesehenen tierseuchenrechtlichen Untersuchungen erhoben. Wie bereits zuvor dargelegt, sieht das Gemeinschaftsrecht gerade vor, dass neben der hygienerechtlichen Untersuchung eine tierseuchenrechtliche Untersuchung zu erfolgen hat und dass hierfür gemäß Anhang C Kapitel I Nr. 1 Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG eine (gesonderte) Gebühr zu erheben ist. Selbst bei Annahme, dass der Beklagte für hygienerechtliche Untersuchungen Gebühren erhoben haben sollte, wäre dies insoweit rechtlich nicht zu beanstanden. Der Landesgesetzgeber hat von der Möglichkeit des Anhangs A Kapitel I Nr. 6 lit. a Richtlinie 85/73/EWG in der genannten Fassung Gebrauch gemacht. Selbst wenn in den Niederlanden trotz der hiesigen Gebührenerhebung für die Untersuchung im Ursprungsbetrieb die im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen hygienerechtlichen Untersuchungsgebühren im Schlachtbetrieb vollumfänglich erhoben werden sollte, berührt dies nicht die hiesige Gebührenerhebung. Allenfalls kann dies zur Rechtswidrigkeit der Gebührenerhebung vom Schlachtbetrieb in den Niederlanden führen.

50

Da eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Gebührenerhebung für die tierseuchenrechtliche Amtshandlung gegeben ist, darf es keiner Entscheidung, ob daneben für die zugleich erfolgte geflügelfleischhygienerechtliche Untersuchung des Schlachtgeflügels im Ursprungsbetrieb nebst Ausstellung einer Gesundheitsbescheinigung gemäß § 5 Geflügelfleischhygienegesetz in Verbindung mit §§ 3, 4 Geflügelfleischhygiene-Verordnung die Gebührenerhebung des Beklagten auch auf Grundlage des § 26 Abs. 2 Geflügelfleischhygienegesetz, § 3 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit §§ 1 und 4 ff.  1 NVwKostG, § 1 GOVet, Abschnitt VII D Nr. 1 ("Untersuchung des Schlachtgeflügels im Ursprungsbetrieb") in der jeweils genannten Fassung erfolgen konnte.

51

Die angefochtenen Kostenbescheide beruhen hinsichtlich der Kosten für Zeitaufwand (An- und Abfahrt) auf § 1 GOVet in Verbindung mit Abschnitt XIII Nr. 3 der Anlage hierzu in der Fassung der GOVet vom 22. März 1995 betreffend Untersuchungen bis 3. Juli 1997 und gemäß Abschnitt XVI Nr. 3 der Anlage hierzu in der Fassung der Änderungsverordnung vom 2. Juli 1997 für Untersuchungen nach dem 4. Juli 1997. Auch die Festsetzung der Auslagen in Form einer Wegstreckenentschädigung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie sind nach § 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 13 Abs. 2 lit. e NVwKostG als Auslagen zu erstatten, soweit sie nicht in den Gebührensätzen für Leistungen des Veterinärdienstes enthalten sind. Auch hinsichtlich der nunmehr reduzierten Höhe der Gebühren sind die Festsetzungen rechtlich nicht zu beanstanden.