Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 09.06.1994, Az.: 10 W 26/93
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 09.06.1994
- Aktenzeichen
- 10 W 26/93
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 25381
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1994:0609.10W26.93.0A
Rechtsgrundlagen
- HöfeO § 1 Abs. 3
Amtlicher Leitsatz
Verlust der Hofeigenschaft ohne Löschung des Hofvermerks bei Aufgabe der Bewirtschaftung
Gründe
Die fehlende Hofeigenschaft der verfahrensgegenständlichen landwirtschaftlichen Besitzung ergab sich aus der Einnahme des Augenscheins von der Besitzung durch den Senat in Verbindung mit der Anhörung des Sachverständigen F.
Bei der Besitzung des Erblassers bestehen allerdings keine Bedenken in bezug auf die Geeignetheit des Wohngebäudes. Der Stallteil des Wirtschaftsgebäudes selbst befindet sich aber in einem schlechten technischen und zum Teil auch nicht mehr verkehrssicheren, baufälligen Zustand; an den Wänden sind Risse, der Strohboden über dem Stall ist nicht mehr tragfähig. Alle erforderlichen Vorrichtungen zur Viehhaltung müßten erneuert, beziehungsweise erst geschaffen werden. Ein weiteres Gebäude, welches zur Maschinenunterstellung, als Werkstatt und zur Geflügelhaltung gedient hat, ist baufällig und nicht mehr nutzbar.
Die noch vorhandenen Maschinen sind mit Ausnahme des Schleppers veraltet und müßten ersetzt werden. Lebendes oder Feldinventar ist nicht mehr vorhanden. Eine landwirtschaftliche Besitzung ist jedoch nur ein Hof nach § 1 HöfeO, wenn es sich um ein land- oder forstwirtschaftliches Anwesen handelt mit einer zu seiner Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle, die im Alleineigentum einer natürlichen Person steht. Allerdings tritt in den Fällen, in denen die Hofstelle lediglich ihre Eignung verliert, der Verlust der Hofeigenschaft erst mit der Löschung des Hofvermerks ein, § 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO. Geht dagegen die Hofstelle vollständig und definitiv verloren, so trit der Verlust der Hofeigenschaft trotz des Wortlautes des § 1 Abs. 3 HöfeO als Folge einer vorzunehmenden verfassungskonformen Auslegung schon vor einer Löschung des Hofvermerks ein. Eine Vererbung des Anwesens zu Vorzugsbedingungen ist nämlich dann nicht möglich, da sie dem Gleichbehandlungsgebot widerspricht, wenn der Betrieb nicht mehr schutzwürdig ist (Beschl. d. BVerfG v. 16.10.1984 1 BvR 17/80). Dies ist der Fall, wenn das landwirtschaftliche Vermögen im Zeitpunkt des Erbfalles nur noch aus Grund und Boden besteht, der im Wege der Verpachtung wirtschaftlich genutzt wird, und bei realistischer Betrachtungsweise keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daB der gesetzlich berufene "Hoferbe" den Hof in Zukunft wieder bewirtschaften könnte. Denn nur aktive und leistungsfähige Betriebe sind sonderrechtsfähig und genießen die Privilegierung der HöfeO. Diese Voraussekungen für einen Wegfall der Hofeigenschaft ohne Löschung des Hofvermerks sind hier edüllt. Wesentliche Indizien für den Wegfall der Hofstelle sind im vorliegenden Fall die Aufgabe der Bewirtschaftung des Hofes über Jahre hinweg durch den Erblasser, das größtenteils fehlende Maschineninventar, das gänzliche Fehlen von lebendem und Feldinventar sowie insbesondere die parzellierte Verpachtung des Hoflandes, durch die die Verbindung der Hofstelle mit den zum Hof gehörenden Ländereien aufgehoben worden ist. Hinzu kommt der augenfällig schlechte bauliche Zustand der zur Hofstelle gehörenden Baulichkeiten, insbesondere der Wirtschaftsgebäude. Diese sind so beschaffen, daß mit der der Wiederherstellung einer zur Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Besitzung geeigneten Hofstelle auf Pauer nicht mehr gerechnet werden kann. Schon bisher hat die Rechtsprechung (vgl. OLG Celle RdL 1965, 238) angenommen, daß der Verlust der Hofeigenschaft auch ohne eine Löschung des Hofvermerks dann eintritt, wenn in elnem solchen Fall die Hofstelie völlig wegfällt, und daß ein schlechter baulicher Zustand der Hofstelle einer Besichtigung Besitzung dann die Hofeigenschaft nimmt, wenn der Verfall so weit fortgeschritten ist, daß hierdurch die Benutzung der Wohn- und Wirtschaftsgebäude ausgeschlossen und dieser Zustand nach Lage der Dinge als dauernder anzusehen ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist nach der seit Erlaß der Entscheidung des OLG Celle eingetretenen Entwicklung nicht allein und nicht einmal ausschlaggebend auf die rein bautechnische Frage abzuheben, ob sich die die Hofstelle bildenden Gebäude wieder baulich so herrichten lassen, daß sie als Hofstelle für den betreffenden Hof dienen können. Beachtung verlangt vielmehr auch in diesem Zusammenhang der durch die Rechtsprechung des BVerfG gezogene verfassungsrechtliche Rahmen, der wie schon oben hervorgehoben die Vererbung eines landwirtschaftlichen Anwesens an einen Erben (unter Ausschluß anderer) nur zuläßt, wenn der Betrieb schutzwürdig ist. Für die Wiederherstellung einer vedallenen Hofstelle bedeutet dies, daß von einem dauernden Verfall auch dann auszugehen ist, wenn zwar die Gebäude bautechnisch wieder hergerichtet werden könnten, die dafür aufzuwendenden Mittel den Hof aber so sehr belasten, daß der nach Wiedererrichtung der Gebäude bestehende Betrieb wegen hoher Belastungen nicht mehr gewinnorientiert bewirtschaftet werden kann, deshalb auf Dauer nicht mehr existenzfähig und damit auch nicht schutzfähig im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG ist. In Fortentwicklung der Rechtsprechung des OLG Celle geht der Senat deshalb unter der gebotenen Berücksichtigung des Zweckes der HöfeO, nämlich der privilegierten Vererbung von landwirtschaftlichen Besitzungen, davon aus, daß die Hofeigenschaft ohne eine Löschung des Hofvermerks ebenfalls verloren geht, wenn die Bewirtschaftung eines Hofes aufgegeben wurde und eine Hofstelle danach nur mit unverhältnismäßig hohen Investitionen, die aus den Erträgnissen des Anwesens selbst nicht zu erwirtschaften sind, wieder für einen rentablen landwirtschaftlichen Betrieb hergerichtet werden kann. Die Hofeigenschaft besteht dementsprechend auch dann nicht mehr, wenn ein Landwirt die Mittel für den Wiederaufbau und die Wiederinbetriebnahme des landwirtschaftlichen Betriebes aus den Erträgen der Besitzung selbst nicht mehr erwirtschaften kann. Für diese Auslegung spricht auch, daß nach § 14 Abs. 1 GrdstVG die Zuweisung eines landwirtschaftlichen Betriebes, der nicht als Hof im Grundbuch eingetragen ist, an einen von mehreren Miterben nur erfolgen darf, wenn die Erträge dieses Betriebes im wesentlichen zum Unterhalt einer bäuerlichen Familie ausreichen und im übrigen Landwirtschaft im Sinne des Höferechts grundsätzlich nur auf Erwerb im Sinne von Gewinnerzielung gerichtete Bodennutzung ist. Die Voraussetzungen, an die diese erweiternde Auslegung den Wegfall der Hofeigenschaft auch ohne Löschung des Hofvermerks knüpft, sind vorliegend erfüllt. Der Sachverständige F. hat während der Einnahme des Augenscheins und bezogen auf den Stichtag 25.11. 1992 überzeugend erläutert, die Mängel an der Hofstelle seien derart gravierend, daß zu ihrer Beseitigung Investitionen in einer Höhe von zumindest 400 000 DM erforderlich wären, deren Schuldtilgung aus den Erträgnissen dieses Hofes nicht zu bedienen wäre: da der Hof keine Milchquote habe, komme als landwirtschaftliche Nutzung nur eine starke Viehhaltung in Betracht, wobei die Einrichtung von 80 Schweinemastplätzen, 60 Bullenplätzen und eines Hühnerstalles mit 500 Hennen, wie von der Beteiligten zu 2) beabsichtigt, denkbar seien. Dann ergäben sich Kosten von 500 DM je Schweinemastplatz, 1500 DM je Bullenmastplatz und 60 DM je Henne sowie für weitere Gebäudeinstandsetzungen von 62.400 DM, mithin 222.400 DM. Für Maschinen müßten außerdem 35.000 DM und für die Grundbestückung mit Vieh 47.600 DM angesetzt werden, wobei die Kosten der Viehbeschaffung von ihm sehr niedrig angesetzt seien. Die Herrichtung der Spargelanlage koste zumindest 15.000 DM je ha. Bei diesen Kosten seien die erforderlichen Investitionen für das Feldinventar noch unberücksichtigt. Bei Auslegung des Betriebes auf 200 Mastschweine, 60 Bullen, 500 Legehennen und je 3 ha Spargel sowie Möhren o. ä. ergebe sich ein Deckungsbeitrag von 100.000 DM, wovon 40 % feste Kosten, 16.000 DM feste Zinsen und ein Betrag von 20 000 DM zur Tilgung sowie ein weiterer in dieser Höhe als Investitionsrücklage abzusetzen seien. Demzufolge verblieben für Privatentnahmen 4.000 DM, woraus sich zwanglos ergebe, daß dieser Betrieb ohne Kapitalzufuhr von dritter Seite keine rentable Wirtschaftseinheit darstellen könne. Soweit der Sachverständige F. in seinem mündlichen Gutachten hinsichtlich der an der Hofstelle vorhandenen Mängel zu anderen Feststellungen gelangt ist als der Sachverständige B. in seinen von der Beteiligten zu 2) eingereichten Privatgutachten, konnte sich der Senat insbesondere mit Hilfe der sachkundigen Beisitzer im Rahmen der Augenscheinseinnahme von der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen F. überzeugen. Selbst die Beteiligte zu 2) hat insoweit im Termin die Ausführungen des Sachverständigen F. nicht mehr angegriffen. Sie hat nur dargelegt, daß sie persönlich keinen so großen Kapitalbedarf für Investitionen hätte, da alle erforderlichen Maschinen bereits auf dem heute von ihr gemeinsam mit ihrem Ehemann bewirtschafteten Hof vorhanden seien, und einer ihrer erwachsenen Söhne, der Landwirtschaftsmeister sei, auf die Hofstelle ziehen und diese nach und nach instandsetzen könnte.
Im Rahmen der Prüfung eines Wegfalls der Hofeigenschaft ist aber grundsätzlich nicht von den konkreten Möglichkeiten des im jeweiligen Fall in Betracht kommenden Hoferben auszugehen, also hier gerade nicht darauf abzustellen, daß die Beteiligte zu 2) die Möglichkeit hat, durch eine Instandsetzung der Gebäude und Maschinen mit Hilfe elnes Ihrer Söhne, eine kostengünstigere Herrichtung der Hofstelle durchzuführen, oder aber möglicherweise Eigenkapital für die notwendigen Investitionen hat. Vielmehr ist diese Frage losgelöst von der Person des in Frage kommenden Hoferben zu entscheiden. Denn andernfalls würde die Hofeigenschaft je nach der Person des mögliche Hoferben bejaht oder verneint werden.