Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 29.06.1994, Az.: 2 U 79/94

Diebstahl des versicherten Pkw; Beweis des äußeren Bildes

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
29.06.1994
Aktenzeichen
2 U 79/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 16547
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1994:0629.2U79.94.0A

Fundstellen

  • VersR 1995, 1232 (Volltext mit red. LS)
  • r+s 1994, 406
  • zfs 1996, 20 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zu den Anforderungen an den Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls des versicherten Pkw.

Amtlicher Leitsatz

Fahrzeugversicherung - "Äußeres Bild": Beweisanforderungen bei der Entwendung nur einer mit dem Fahrzeug an sich festverbundenen Inneneinrichtung.

Gründe

1

Die Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß § 12 Abs. 1 Nr. I b AKB auf Versicherungsleistungen wegen des von ihm behaupteten Diebstahls, da er den ihm obliegenden Beweis der Entwendung von Teilen der Inneneinrichtung seines Fahrzeugs BMW 520 i nicht geführt hat.

2

Zwar sind an die Beweisführung des Versicherungsnehmers in einem Diebstahlsfall keine zu strengen Anforderungen zu stellen, weil der Wert einer Diebstahlsversicherung sonst in vielen Fällen bei fehlenden Tataufklärung von vornherein in Frage gestellt und der Versicherungsnehmer sehr oft entgegen dem Zweck der Versicherung schutzlos wäre (grundlegend BGH VersR 1984, 29; Prölss-Martin, 25. Aufl., § 12 AKB Anm. 3 b m.w.N.). Deshalb braucht der Versicheungsnehmer nur Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, aus denen sich das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung ergibt. Nicht die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für den Schluß des Tatrichters auf den Eintritt des Versicherungsfalls, sondern nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür muß aus den feststehenden Umständen sich ergeben. Steht das äußere Bild fest, kann der Versicherer seinerseits konkrete Tatsachen vortragen und ggfls. beweisen, aus denen sich die erhebliche, nicht nur die hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, daß der Versicherungsfall doch nicht eingetreten ist.

3

Der Kläger hat den Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls nicht erbracht. Insoweit kann aufgrund der Aussage der Zeugen J und T davon ausgegangen werden, daß das Fahrzeug des Klägers am Abend des 04.06.1992 in der Hofeinfahrt vor dem Hause unversehrt abgestellt worden ist, am nächsten Morgen die feststehende Dreieckscheibe der hinteren rechten Tür des Fahrzeugs eingeschlagen war und Teile der Inneneinrichtung, nämlich zwei lederbezogene Vordersitze, die lederbezogene Rücksitzbank, das lederbezogene Lenkrad sowie der dazugehörige Lederschaltknüppel, die Mittelarmlehne, der Bordcomputer und das Radio mit CD-Spieler nicht mehr vorhanden waren. Zwar passen diese Umstände zu einem Diebstahl, sie reichen jedoch angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falls allein nicht aus, um das äußere Bild der Entwendung der Fahrzeugteile zu beweisen. Dagegen sprechen vielmehr eine Reihe von Umständen, die für einen Diebstahl untypisch sind:

4

Schon die Tatsache, daß der oder die Täter sich bei der Entwendung auf die Inneneinrichtung des Fahrzeugs beschränkt haben sollen, spricht erheblich gegen das Vorliegen des äußeren Bildes einer Entwendung (vgl. auch OLG Karlsruhe, R+S 1990, 79; OLG Hamm, R+S 1988, 161 und 356). Es ist nicht erkennbar, daß ein Dieb ein verständliches Interesse an einer derartigen Entwendung von Fahrzeug- teilen haben könnte. Teile einer solchen Einrichtung sind in der Regel nur für einen sehr begrenzten Kreis von Personen zur Weiterbenutzung überhaupt von Interesse. In Betracht kommen lediglich Besitzer des gleichen Fahrzeugtyps, wobei aber zu bedenken ist, daß die Fahrzeuge regelmäßig vollständig eingerichtet sind. Selbst wenn ein Dieb ausnahmsweise die Inneneinrichtung des Fahrzeugs hätte sinnvoll verwerten können, ist kein Grund dafür erkennbar, warum er sich bei dem Diebstahl auf Teile der Inneneinrichtung beschränkt haben sollte und nicht den gesamten, wesentlich wertvolleren PKW entwendet hat. Dies gilt umsomehr, als die Entfernung der Inneneinrichtung einen erheblichen Zeitaufwand erfordert und somit das Risiko der Entdeckung für einen Dieb sehr groß gewesen wäre. Es hätte daher nahegelegen, die Einrichtung des Fahrzeugs nicht vor dem vom Kläger bewohnten Haus auszubauen, sondern das Fahrzeug zunächst an einen sicheren Ort zu verbringen. Anhaltspunkte dafür, daß dies einem Dieb nicht möglich gewesen wäre, sind nicht vorhanden.

5

Gegen das äußere Bild eines Diebstahls spricht hier ferner die Tatsache, daß - abgesehen von einer zerstörten Dreieckscheibe - keine Beschädigungen am Fahrzeug vorhanden waren, die auf einen Diebstahl schließen lassen, sondern daß beim Ausbau der Einrichtung jede sonstige Beschädigung des Fahrzeugs vermieden worden ist. Ein Grund für eine derartig "schonende" Behandlung des Fahrzeugs durch einen Dieb, der am Fahrzeug selbst nicht interessiert ist, ist nicht erkennbar.

6

Die Tatsache, daß die Türen nicht mit Gewalt aufgebrochen worden sind, spricht hier ebenfalls gegen das äußere Bild eines Diebstahls. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Hitzemann vom 26.10.1993 steht fest, daß ein Öffnen der Türen bei aktivierter sogenannte "Safe-Schließung" der Zentralverriegelungseinheit des Fahrzeugs ohne passenden Schlüssel nur nach Demontage einer Türverkleidung möglich gewesen wäre und dies Spuren von Gewaltanwendung hinterlassen hätte. Derartige Spuren waren ausweislich der Aussage des Zeugen Teckemeyer und der Feststellungen des Sachverständigen nicht vorhanden. Der Sachverständige hat ferner ermittelt, daß die Safe-Schließung funktionstüchtig war. Da der Kläger im Besitz aller Fahrzeugschlüssel verblieben ist, wäre das Eindringen in das Fahrzeug durch Unbefugte ohne passenden Schlüssel nur plausibel, wenn der Kläger die Safe-Schließung nicht aktiviert hätte. Ein derartiges Versehen ist zwar denkbar, jedoch unwahrscheinlich, da der Kläger nach seinem Vortrag regelmäßig bei Verschließen des Fahrzeugs auch die Safe-Schließung betätigt hat. Zudem erfordert das Einschalten dieser besonderen Diebstahlssicherung lediglich das Drehen des Schlüssels im Schloß um 90 Grad. Nur wenn während des normalen Schließvorgangs vorzeitig innegehalten worden wäre, wäre die Diebstahlssicherung nicht betätigt worden.

7

Dem äußeren Bild eines Diebstahls widerspricht schließlich die Tatsache, daß auch das Lenkrad ohne Spuren von Gewaltanwendung entfernt worden ist. Dies war, wie der Sachverständige ausgeführt hat, normalerweise nur unter Verwendung eines passenden Fahrzeugschlüssels möglich. Zwar hat der Sachverständige weiter angegeben, es sei theoretisch denkbar, daß in einem solchen Fall die Stahl- schraube der Lenkradnabe in der geometrischen Einbaulage des Sperrbolzens weggefräst werde, werde dies äußerst sorgfältig gemacht, so sei es möglich, durch diesen Vorgang keine Spuren am Bolzen zu hinterlassen. Praktisch ist dem Sachverständigen ein solcher Fall aber nicht bekannt worden. Dies zeigt, daß eine spurenlose Entfernung des Lenkrads ohne Verwendung eines passenden Fahrzeugschlüssels jedenfalls sehr unwahrscheinlich ist.