Amtsgericht Gifhorn
Urt. v. 19.10.2004, Az.: 2 C 920/03

Abstammung; Befruchtungsfähigkeit; Beschaffenheitsvereinbarung; Deckfähigkeit; Gewährleistungsanspruch; Haftung; Körung; Mangelfolgeschaden; Mangelhaftigkeit; positive Vertragsverletzung; Sachmangel; Schadenersatzanspruch; Untersuchungspflicht; vereinbarte Beschaffenheit; Verkäufer; Vertragspflichtverletzung; Viehhandel; Viehkaufvertrag; Zeugungsfähigkeit; Zeugungsunfähigkeit; Zuchtbulle; Zuchttauglichkeit; Zuchtverband; Zuchtzulassung; äußerliche Eigenschaft

Bibliographie

Gericht
AG Gifhorn
Datum
19.10.2004
Aktenzeichen
2 C 920/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50901
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits und der Streitverkündeten zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus den Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streitverkündete vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche wegen der Zeugungsunfähigkeit eines Bullen.

2

Der Kläger kaufte bei der Beklagten im Mai 2002 einen Zuchtbullen namens „Lucky“ zum Preis von 1.701,30 €. Dieser sollte die 21 Kühe des Klägers decken. Die Beklagte verschaffte sich den Bullen bei der Streitverkündeten und verkaufte diesen an den Kläger.

3

Tatsächlich kam es zu einer Vielzahl von Deckakten, keine der Kühe des Klägers wurde jedoch tragend. Nach 5 Monaten ließ der Kläger den Bullen tierärztlich untersuchen, wobei sich dessen Zeugungsunfähigkeit herausstellte. Der Kläger verwertete den Bullen als Schlachttier.

4

Er wendete sich an die Beklagte, die ihm neben der Differenz zwischen Kauf- und erzieltem Schlachtpreis auch die Kosten für die tierärztliche Untersuchung ersetzte, sich jedoch schriftlich weigerte (Bl. 5 d. A.), die vom Kläger weiter geltend gemachten Kosten für die Fütterung des Bullen, seiner Kühe und der Kälber für die 5 Monate bis zur Feststellung der Zeugungsunfähigkeit des Bullen in Höhe von 4.655,12 € zu zahlen. Hinsichtlich der Berechnung des geltend gemachten Schadens wird auf die Klageschrift (Bl. 1 ff. d. A.) verwiesen.

5

Der Kläger hat am 14.10.2003, zugestellt am 28.10.2003, die Beklagte am 22.01.2004, zugestellt am 28.01.2004, der Streitverkündeten den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit am 24.02.2004 auf Seiten der Beklagten beigetreten. Die Klageschrift ist der Beklagten am 18.07.2003 zugestellt worden.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, 4.655,12 € nebst 8% Zinsen seit dem 16.01.2003 an ihn zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Streitverkündete beantragt ebenfalls,

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die Klage abzuweisen.

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Der Kläger behauptet, die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den Bullen vor dem Verkauf auf seine Zeugungsfähigkeit zu untersuchen. Er ist der Ansicht, dass sich bereits aus dem Wort „Zuchtbulle“ ergäbe, dass es sich um einen zur Zucht geeigneten, d. h. zeugungsfähigen Bullen handle. Schon daraus könne auf die o. g. Untersuchungspflicht geschlossen werden.

13

Im übrigen habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 18.11.2002 (Bl. 5 d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, den Anspruch dem Grunde nach anerkannt, in dem sie sich bereit erklärt habe, die Differenz zwischen Kauf- und Schlachtpreis des Bullen und die Tierarztkosten zu erstatten.

14

Die Beklagte und die Streitverkündete bestreiten die o. g. Untersuchungspflicht. Diese stehe im Widerspruch zu den absolut üblichen Gepflogenheiten im Viehhandel. Ein Zwischenhändler wie die Beklagte habe danach einen Bullen nicht auf die Zeugungsfähigkeit zu untersuchen. Sie sind der Ansicht, eine Garantie der Zeugungsfähigkeit könne dem Wort „Zuchtbulle“ nicht entnommen werden, schon weil diese niemals, selbst im Fall der erfolgten Untersuchung, gegeben werden könne. Dies gelte umso mehr, als die Qualität des Spermas von diversen äußeren Faktoren abhänge, die der Verkäufer nach der Übergabe des Tieres nicht mehr beeinflussen könne. Nach ihrer Ansicht bedeute das Wort „Zuchtbulle“ lediglich, dass das Tier zuchtfähig, d. h. mit einer Zuchtbescheinigung versehen sei. Eine solche habe der Bulle jedoch besessen (Bl. 24 d. A.).

15

Die Beklagte ist der Ansicht, dass den Kläger jedenfalls an der Höhe des eingetretenen Schadens ein erhebliches Mitverschulden treffe, weil er volle 5 Monate gewartet habe, bis er die Zeugungsunfähigkeit habe untersuchen lassen. Bereits 3 Wochen nach dem Deckakt sei die Aufnahme der Kuh bei Untersuchung feststellbar und am Brunftverhalten erkennbar.

16

Zudem habe der Kläger keine Nacherfüllung verlangt.

17

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sachverständigen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2004 (Bl. 86 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

19

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Schäden für die Fütterung des Bullen, seiner Kühe und die Fütterung und Stallhaltung der Kälber.

20

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 433, 434 Abs. 1 S. 1, 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1 BGB.

21

Ein Mangel des von der Beklagten an den Kläger verkauften Zuchtbullen „Lucky“ i. S. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB liegt nicht vor. Das steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Sachverständige hat nämlich klargestellt, dass der Begriff des „Zuchtbullen“ in Fachkreisen lediglich so verstanden werde, dass der Bulle gekört sei. Dies bedeutete lediglich, dass der Zuchtverband auf einer Körung festgestellt habe, dass der Bulle von seiner Abstammung und seinen äußerlichen Eigenschaften her für das Zuchtziel wünschenswerte Eigenschaften mitbringe und daher zur Zucht zugelassen werde. Dies habe keinerlei Aussagekraft für die Zeugungsfähigkeit des Bullen, d. h. weder für seine Deck- noch für seine Befruchtungsfähigkeit. Diese werde nicht überprüft. Nicht einmal die früher vorgeschriebene Untersuchung durch den Kreisveterinär auf die äußerliche Tauglichkeit finde dabei noch statt.

22

Selbst wenn man - was allerdings die Bedeutung des Begriffs „Zuchtbulle“ und dessen Verwendung beim Viehkauf völlig aufweichen würde - unterstellen wollte, dass sich die Parteien konkludent darauf verständigt hätten, dass der Bulle nach dem Vertragszweck zum Decken verwendet werden sollte und dies auch mit Erfolg können sollte, so käme man ebenfalls nicht zu einer Schadensersatzpflicht.

23

Denn eine solche Haftung setzt bei der Geltendmachung vom Mangelfolgeschäden gem. § 280 Abs. 1 BGB voraus, dass der Verkäuferin eine i. S. des § 276 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB schuldhafte Pflichtverletzung zur Last fällt. Die insoweit beweisbelastete Beklagte (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) hat sich aber hinreichend exkulpiert. Die Beklagte musste die Zeugungsfähigkeit des Zuchtbullen nicht kennen, so dass ihr keine fahrlässige Unkenntnis eines Mangels vorgeworfen werden kann, weil sie keine Untersuchungspflicht hinsichtlich der Zeugungsfähigkeit des verkauften Zuchtbullen traf. Auch hiervon ist das Gericht nach der Aussage des Sachverständigen überzeugt. Der Sachverständige hat anhand der Gepflogenheiten im Viehhandel in den großen norddeutschen Zuchtverbänden dargelegt, dass eine solche Untersuchung absolut unüblich ist. Im hier maßgeblichen Zuchtverband, nämlich der Streitverkündeten, ist es absolut unüblich, eine solche Untersuchung vorzunehmen. Vielmehr werden auf Wunsch des Käufers sog. Garantieversicherungen angeboten, die im Fall der Zeugungsunfähigkeit für den Kaufpreis des Tieres einstehen. Dies habe den Grund, dass lediglich ein Prozentsatz von maximal 4% aller Tiere zeugungsunfähig, die Untersuchung aber aufwändig und nicht von 100%iger Aussagekraft sei.

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Die Beklagte hat den Anspruch auch nicht dem Grunde nach anerkannt. Sie hat in ihrem Schreiben vom 18.11.2002 ausdrücklich davon gesprochen, dass die Tierarztkosten „aus Kulanz“ übernommen werden. Hätte die Beklagte aber die Mangelhaftigkeit des Bullen anerkennen wollen, so hätte sie diese Kosten in jedem Fall als Mangelfolgeschaden auch ersetzen müssen. Dass sie dies nur „auf Kulanz“ getan hat zeigt, dass sie davon ausging, im Grunde zu Zahlungen nicht verpflichtet zu sein. Letztlich ist sie dem Kläger insoweit entgegengekommen, wie eine sog. Garantieversicherung das Risiko abgedeckt haben würde, wäre sie abgeschlossen worden. Diese Versicherungen werden aber, wie der Sachverständige erläutert hat, gerade für die Fälle abgeschlossen, in denen der Bulle zwar zucht-, jedoch nicht zeugungsfähig sei und so der Verkäufer gerade nicht hafte, weil der Verkehr davon ausgehe, dass die Zeugungsfähigkeit nicht geschuldet sei. Dass die Beklagte außerdem gerade nicht für alle Schäden, die dem Kläger entstanden sind, einstehen wollte, zeigt auch ihre ausdrückliche Ablehnung der Zahlung für die mit der Klage geltend gemachten Positionen. Aus der Formulierung „Die von Ihnen geltend gemachten zusätzlichen Haltungskosten können wir jedoch nicht anerkennen“ im Umkehrschluss folgern zu wollen, dass alle anderen Ansprüche im rechtlichen Sinne anerkannt werden, überstrapaziert die augenscheinlich laienhaft gewählte Formulierung. Dies unterstreicht auch die Betreffzeile, in der es ebenso laienhaft heißt: „Reklamation des Zuchtbullen“. Unter Reklamation versteht aber der allgemeine Sprachgebrauch nicht nur die Fälle der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten, sondern jedwede Kundgabe von Unzufriedenheit mit dem Kaufgegenstand. Das gesamte Schreiben entstammt, wie an der Formulierung des ersten Absatzes deutlich erkennbar ist, dem Bemühen, einen Kunden nicht zu verprellen. Dies hat im übrigen offenbar auch der Kläger erkannt, wie aus dem Schriftsatz des Klägervertreters vom 08.01.2004 deutlich wird, in dem dieser ebenfalls davon ausgeht, dass die Untersuchungspflicht der Beklagten streitentscheidende Bedeutung haben dürfte. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn es an einem Anerkenntnis fehlt.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.