Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 22.10.2014, Az.: 6 A 4893/13
Berufssoldat; Ermessen; Ruhestand
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.10.2014
- Aktenzeichen
- 6 A 4893/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42613
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 SKPersStruktAnpG
- § 114 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ob ein Berufssoldat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn.
2. Private Interessen der Soldaten daran, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, sind nicht zu berücksichtigen. Dementsprechend sieht das Gesetz auch kein Antragserfordernis, sondern nur ein Zustimmungserfordernis vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, über seinen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 2 des Gesetzes zur Anpassung der personellen Struktur der Streitkräfte (Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetz - SKPersStruktAnpG) erneut zu entscheiden.
Der am … geborene Kläger trat am 1. Oktober 1982 in den Dienst der Bundeswehr ein und wurde am 11. Juli 1989 in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen. Er wird zurzeit als Sanitätsfeldwebel und Rettungsassistent in Leer verwendet. Seine Zurruhesetzung nach der besonderen Altersgrenze wird voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2015 erfolgen.
Am 1. August 2012 bekundete der Kläger sein Interesse, nach Vollendung des 50. Lebensjahres zum Ende des Monats März 2013, alternativ zum Ende des Monats Dezember 2012, gemäß § 2 SKPersStruktAnpG in den Ruhestand versetzt zu werden.
Zu dieser Interessenbekundung teilte der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte / Vorgesetzte mit, er befürworte den Antrag des Klägers. Zwar sei er ein wichtiger Faktor in der Ausbildung der präklinischen Versorgung. Er habe es aber nicht versäumt, in den vergangenen Jahren geeigneten Nachwuchs heranzuziehen. Seine Lebensarbeitsleistung solle mit der vorzeitigen Beendigung einer jahrelangen Wochenendehe gewürdigt werden.
In der Stellungnahme des nächsten Disziplinarvorgesetzten / Vorgesetzten zu dieser Interessenbekundung heißt es, der Kläger sei ein überaus erfahrener Portepeeunteroffizier, der insbesondere in seinem jetzigen Aufgabenbereich eine Säule der Kompanie sei. Aufgrund eines Pflegefalls in der Familie habe er in den letzten Monaten eine hohe Flexibilität bei der Vereinbarung seiner privaten und der dienstlichen Interessen an den Tag legen müssen. Bisher habe dies gut gewährleistet werden können. Für die Zukunft sei dies ungewiss. Daher empfehle er mit besonderem Nachdruck, den Antrag dieses verdienten Unteroffiziers zu befürworten.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2012 teilte die Stammdienststelle der Bundeswehr dem Kläger mit, dass seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht zugestimmt werde. Zur Begründung führte sie aus, mit dem SKPersStruktAnpG werde das Ziel verfolgt, eine einsatzorientierte und schnelle Anpassung des Personalkörpers unter Beachtung sozialverträglicher Gesichtspunkte zu erreichen. Einsatzorientierte Personalplanung beschreibe dabei den Umbau zu einem auftragsgerechten und ausgewogenen Personalkörper. Dieser Umbau bedinge eine Verjüngung des Personalkörpers durch Abbau lebensälteren Personals zugunsten bedarfsgerechter Neueinstellungen. Vor diesem Hintergrund könnten Berufssoldaten bis zum 31. Dezember 2017 mit ihrer Zustimmung vor Überschreiten der für sie maßgeblichen Altersgrenze unter Umständen in den Ruhestand versetzt werden. In der Folge bedeute dies, dass ausschließlich dienstliche Zwänge eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand hinreichend begründen könnten. Ein dienstliches Interesse an einer Ausgliederung bemesse sich an dem Bedarf. Auch ohne detaillierte AVR-Betrachtung werde aus Sicht des Bedarfsträgers InspSan grundsätzlich kein Bedarf an vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand für Feldwebel im Sanitätsdienst gesehen.
Der Kläger legte am 20. November 2012 Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus: Der Bescheid vom 5. Oktober 2012 sei rechtswidrig. Soweit die Ablehnung damit begründet werde, dass kein dienstliches Interesse an seiner Ausgliederung bestehe, handele es sich um einen Ermessensfehler. Entscheidend sei nach dem eindeutigen Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SKPersStruktAnpG nicht, ob ein dienstliches Interesse an einer Ausgliederung bestehe, sondern ob dienstliche Gründe einer Versetzung in den Ruhestand entgegenstünden. Das sei jedoch nicht der Fall. Zudem sei keine detaillierte Betrachtung seiner AVR durchgeführt worden. Es sei lediglich ausgeführt worden, dass der Bedarfsträger keinen Bedarf für vorzeitige Versetzungen in den Ruhestand für Feldwebel des Sanitätsdienstes sehe. Hierauf komme es jedoch nicht an.
Mit Beschwerdebescheid vom 15. März 2013 wies das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Beschwerde zurück. Ob ein Berufssoldat nach § 2 SKPersStruktAnpG in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen sei, stehe im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen personalbearbeitenden Stelle. Es bedürfe hierfür lediglich der Zustimmung des Berufssoldaten. Liege diese Zustimmung vor, habe sich die Entscheidung allein an den Belangen der Bundeswehr zu orientieren. Der Betroffene könne nur verlangen, dass über seinen Antrag ermessensfehlerfrei entschieden werde. Aus dem Kreis der Portepeeunteroffiziere, die ihr Interesse an einer vorzeitigen Zurruhesetzung nach § 2 SKPersStruktAnpG bekundet hätten, würden anhand von dienstlichen Kriterien die Soldaten identifiziert, die für eine vorzeitige Zurruhesetzung in Frage kämen. Hierbei werde zunächst geprüft, inwieweit im Rahmen eines Soll-/Ist-Vergleichs ein Überhang in der Verwendung des Soldaten bestehe. Der Kläger sei als Sanitätsfeldwebel und Rettungsassistent der Ausbildungs- und Verwendungsreihe (AVR) 85908 Assistenzpersonal Rettungsdienst zugeordnet. Aufgrund der Personallage in dieser AVR sei eine Kompensation der Vakanz nicht möglich. Derzeit bestehe in der AVR 85908 ein Bedarf, da von den derzeit 2.142 zu besetzenden Dienstposten (Soll) tatsächlich nur 1.798 Dienstposten (Ist) besetzt seien. Angesichts dessen sei durch den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr mit Weisung des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr vom 15. Oktober 2012 festgelegt worden, dass in den Jahren 2012 bis 2014 grundsätzlich kein Bedarf bestehe. Begründete Einzelfallentscheidungen seien davon ausgenommen. Aufgrund der dargestellten Personallage rechtfertige der Soll-/Ist-Vergleich in der AVR des Klägers kein dienstliches Interesse an seiner vorzeitigen Zurruhesetzung.
Der Kläger hat am 29. April 2013 Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend: Die Klage sei zulässig. Auch wenn § 2 SKPersStruktAnpG keinen Anspruch des Soldaten auf eine Versetzung in den Ruhestand vermittle, so habe er einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Möglichkeit der Verletzung dieses Anspruchs sei gegeben. Das reiche für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO aus. Die angefochtenen Bescheide seien rechtwidrig, denn sie verletzten ihn in seinem Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. Die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 SKPersStruktAnpG seien unproblematisch erfüllt. Seine Versetzung in den Ruhestand sei zur Verringerung der Zahl der Soldaten erforderlich, weil die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 SKPersStruktAnpG genannte Zahl von 2.170 Berufssoldaten noch nicht erreicht sei. Allein streitig sei das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SKPersStruktAnpG. Ein Ermessensfehler liege darin, dass die Beklagte seinen Antrag daran gemessen habe, ob ein dienstliches Interesse an einer Ausgliederung bestehe. Das sei jedoch nicht entscheidend. Vielmehr komme es darauf an, ob dienstliche Gründe einer Versetzung in den Ruhestand entgegenstünden. Das sei vorliegend jedoch nicht der Fall, da sich aus der Stellungnahme seines nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten ergebe, dass ausreichend Nachwuchs für den Ausgleich eines etwaigen Mangels vorhanden sei. Wie aus dem Bescheid vom 5. Oktober 2012 ersichtlich sei, seien Ermessenserwägungen vor dem Hintergrund der falschen Betrachtungsweise überhaupt nicht angestellt worden. Dort werde ausdrücklich eingeräumt, dass eine detaillierte AVR-Betrachtung nicht durchgeführt worden sei. Sofern im Beschwerdebescheid vom 15. März 2013 ein Soll-/Ist-Vergleich vorgenommen worden sei, sei darauf hinzuweisen, dass zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des dienstlichen Interesses ein solcher formaler Soll-/Ist-Vergleich der Dienstposten und Planstellen in einer AVR nicht ausreichend sei. Vielmehr sei in die Beurteilung einzubeziehen, ob durch die begehrte Dienstzeitverkürzung der Gesetzeszweck erfüllt werde. Da solche Erwägungen überhaupt nicht angestellt worden seien, liege ein Ermessensfehler vor. Vorsorglich würden die im Beschwerdebescheid genannten Zahlen mit Nichtwissen bestritten. Zudem wechsele die Beklagte den Maßstab der Ermessensentscheidung, die sie nach ihren Angaben getroffen haben wolle, wiederholt aus: Während sie im Bescheid vom 5. Oktober 2012 noch darauf abgestellt habe, ob ein dienstliches Interesse an einer Ausgliederung bestehe und im Beschwerdebescheid vom 15. März 2013 ausgeführt habe, dass kein dienstliches Interesse an seiner vorzeitigen Zurruhesetzung gegeben sei, behaupte sie nunmehr, dass die durch ihn vorgetragenen persönlichen Gründe bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden seien. Da die angefochtenen Bescheide ausschließlich auf ein dienstliches Interesse an einer vorzeitigen Zurruhesetzung abstellten, werde bestritten, dass persönliche Gründe berücksichtigt worden seien. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte im Rahmen des Beschwerdebescheides noch ausgeführt habe, dass das Interesse des einzelnen an einer vorzeitigen Zurruhesetzung unerheblich sei, sei der jetzige Vortrag der Beklagten nicht nachvollziehbar. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass es § 114 Satz 2 VwGO der Beklagten nicht ermögliche, im gerichtlichen Verfahren ihre Ermessenserwägungen beliebig auszutauschen. Da die Beklagte mithin einen nicht dem Wortlaut des § 2 SKPersStruktAnpG entsprechenden Ermessensmaßstab angewendet habe, ergebe sich bereits hieraus die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide. Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass in seiner AVR mindestens fünf Soldaten vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden seien, unter anderem OSF Steiger. Die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 5. Oktober 2012, wonach überhaupt kein Bedarf an vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand für Feldwebel des Sanitätsdienstes bestehe, seien daher unzutreffend. Weiter werde darauf hingewiesen, dass - wenn dem Vortrag der Beklagten entsprechend überhaupt keine Feldwebel des Sanitätsdienstes vorzeitig in den Ruhestand versetzt und daher § 2 SKPersStruktAnpG auf diese überhaupt nicht angewendet würde - dies ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstelle. Es werde bestritten, dass es sich bei den vorzeitig in den Ruhestand versetzenden Soldaten um begründete Einzelfallentscheidungen handele, bei ihm jedoch nicht. Ausführungen hierzu fehlten im Beschwerdebescheid.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 5. Oktober 2012 in Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 15. März 2013 zu verpflichten, über seinen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden und
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend trägt sie vor: Die Klage sei unzulässig, da die notwendige Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehle. § 2 SKPersStruktAnpG diene nicht auch dem Schutz eines Individualinteresses. Das SKPersStruktAnpG diene dazu, im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr den Personalkörper deutlich zu reduzieren und bedarfsorientiert anzupassen. Zweck sei damit die Effizienzsteigerung, Kostenreduzierung und Transformation der Bundeswehr in eine Einsatzarmee, weshalb das SKPersStruktAnpG allein politische Ziele fördere, ohne dass hierbei individuelle Ansprüche begründet würden. Darüber hinaus sei die Klage unbegründet. Vor dem Hintergrund des genannten Gesetzeszwecks müssten sämtliche Maßnahmen nach dem SKPersStruktAnpG im dienstlichen Interesse liegen. Das dienstliche Interesse bemesse sich dabei grundsätzlich am konkreten Bedarf im Rahmen des reduzierten Personalkörpers. Den Vorbemerkungen der Ausführungsbestimmungen zum SKPersStruktAnpG sei insofern zu entnehmen, dass jede der im SKPersStruktAnpG beschriebene Maßnahme nur dann zu realisieren sei, wenn dienstliche Gründe nicht entgegen stünden, wobei die personalbearbeitenden Dienststellen nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung personalstruktureller Vorgaben zu entscheiden hätten. Diese personalstrukturellen Vorgaben würden für den Bereich des Sanitätsdienstes der Bundeswehr durch die „Weisung Personalstärkesteuerung 2012 der Unteroffiziere und Mannschaften im SanDstBw und FWDL im MilOrgBer ZSanDstBw“ vom 15. Oktober 2012 konkretisiert. Danach bestehe im Bereich des Sanitätsdienstes in den Jahren 2012 bis 2014 grundsätzlich kein Bedarf, Anträgen nach den Ausführungsbestimmungen zum BwRefBeglG stattzugeben. Begründet werde dies mit der deutlichen Personalunterdeckung in sämtlichen Bereichen der Sanität, welche für die Laufbahn der Feldwebel bereits im Beschwerdeverfahren dargestellt worden sei. Diese Weisung fülle als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift den ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff der „Reduzierung“ im Lichte der Vorbemerkungen zum SKPersStruktAnpG für den Bereich des Sanitätsdienstes aus. Damit werde klar, dass die Voraussetzungen des § 2 SKPersStruktAnpG bereits tatbestandlich nicht vorlägen, da die Zurruhesetzung des Klägers nicht der bedarfsorientierten Reduzierung des Personalkörpers entspreche. Es liege auch kein begründeter Ausnahmefall vor, da auch die vom Kläger vorgetragenen persönlichen Gründe nicht geeignet seien, eine abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Begründete Ausnahmeentscheidungen könnten nur dann vorliegen, wenn persönliche Umstände vorgetragen würden, die im Rahmen einer Interessenabwägung geeignet seien, das Interesse des Klägers an einer Zurruhesetzung gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an einer weiteren Dienstleistung überwiegen zu lassen. Angesichts der angespannten Personallage im Sanitätsdienst seien hohe Maßstäbe an diese persönlichen Gründe anzulegen. Ohne Erfolg weise der Kläger in diesem Zusammenhang auf einen Pflegefall in der Familie hin. Die Bundeswehr sei gehalten, vorrangig ihren Auftrag als Einsatz- und Verteidigungsarmee wahrzunehmen. Dies setze ohnehin ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität voraus und erfordere Bereitschaft zur bundesweiten Versetzbarkeit, auch mit der Folge räumlicher Trennung zum familiären Umfeld. Die damit verbundenen Unannehmlichkeiten stellten mithin keinen Ausnahmefall dar. Bisher seien 163 Interessenbekundungen von Feldwebeln des Sanitätsdienstes auf eine vorzeitige Zurruhesetzung (Stichtag: 4. Dezember 2013) gestellt worden. Lediglich in begründeten Ausnahmefällen sei es möglich, positive Einzelfallentscheidungen zu treffen. Dabei gründe sich ein Ausnahmefall immer auf ein entsprechendes Gutachten des beratenden Arztes, welches auf die Anerkennung von schwerwiegenden persönlichen Gründen gerichtet sei. Von den genannten Interessenbekundungen habe in fünf Fällen (davon zwei in der AVR des Klägers) eine positive Einzelfallentscheidung getroffen werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die die Kammer gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 5. Oktober 2012 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 15. März 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Daher hat er nicht Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, über seinen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 2 SKPersStruktAnpG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Nach dieser Regelung ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Klagebefugnis ist gegeben, wenn eine Verletzung der Rechte des Klägers durch den angefochtenen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, § 42 Rn. 65).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Denn es steht nicht fest, dass die Ablehnung der beantragten Zurruhesetzung den Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in seinen Rechten verletzen könnte. Mit seiner Klage begehrt er eine Änderung seiner Rechtsstellung als Soldat und hat mit seiner Klage die Frage nach den Grenzen des gerichtlich im Interesse des Berufssoldaten nicht überprüfbaren Auswahl- und Organisationsermessens aufgeworfen. Dass solche Grenzen vorliegend unter Verletzung subjektiver Rechte des Klägers überschritten sein könnten, ist jedenfalls nicht eindeutig ausgeschlossen. Das reicht für die Klagebefugnis aus (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. November 2004 - 2 C 46.03 -, zitiert nach juris, zu § 1 des Gesetzes zur Anpassung der Personalstärke der Streitkräfte - PersAnpassG). Auch wenn § 2 SKPersStruktAnpG nicht dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist, verbleibt zudem die Möglichkeit der Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG (VG München, Beschlüsse vom 27. Januar 2014 - M 21 E 14.56 - und vom 2. Juli 2014 - M 21 K 13.2357 -, jeweils zitiert nach juris), die vom Kläger vorliegend auch geltend gemacht wird und dazu führt, dass die Klagebefugnis auch unter diesem Gesichtspunkt gegeben ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Kammer versteht das Begehren des Klägers dahin, dass er zum nächstmöglichen Zeitpunkt vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden möchte, denn schon im Zeitpunkt der Klageerhebung am 29. April 2013 war sein unter dem 1. August 2012 bekundetes Interesse, zum 31. März 2013, alternativ zum 31. Dezember 2012, in den Ruhestand versetzt zu werden, nicht mehr umsetzbar. Der Bescheid der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 5. Oktober 2012 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 15. März 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ermessensfehler liegen entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor. Er hat daher keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 2 SKPersStruktAnpG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1,1. Halbsatz SKPersStruktAnpG können bis zum 31. Dezember 2017 bis zu 2.170 Berufssoldatinnen und Berufssoldaten in den Ruhestand versetzt werden, wenn dies zur Verringerung der Zahl der Soldatinnen und Soldaten erforderlich ist (Nr. 1), eine zumutbare Weiterverwendung bei einer Bundesbehörde oder bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn nicht möglich ist (Nr. 2), sonstige dienstliche Gründe einer Versetzung in den Ruhestand nicht entgegenstehen (Nr. 3) und die Berufssoldatinnen und Berufssoldaten das 40. Lebensjahr vollendet und eine Dienstzeit von mindestens 20 Jahren abgeleistet haben (Nr. 4). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 SKPersStruktAnpG gilt dies für Berufsunteroffiziere, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, und Berufsoffiziere, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, mit der Maßgabe, dass eine Versetzung in den Ruhestand abweichend von Satz 1 Nr. 1 auch zur Verjüngung des Personalkörpers erfolgen kann.
Ob ein Berufssoldat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen ist, steht ausweislich des klaren Wortlauts („können“) im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2014 - 1 WB 9.14 -, zitiert nach juris). Sie bedarf hierfür lediglich - was im Tatbestand ebenfalls ausdrücklich vorgesehen ist - der Zustimmung des Berufssoldaten, weil dessen Dienstverhältnis grundsätzlich auf Lebenszeit begründet ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 SG) und deshalb grundsätzlich nicht gegen seinen Willen vorzeitig beendet werden kann. Der Ermessenscharakter ergibt sich auch aus der zahlenmäßigen Begrenzung der Zurruhesetzungen, die nicht einzuhalten wäre, wenn alle interessierten Soldaten, die die subjektiven Voraussetzungen erfüllen, einen Anspruch auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand hätten (zur vergleichbaren Rechtslage hinsichtlich des PersAnpassG: BVerwG, Urteil vom 25. November 2004 - 2 C 46.03 -, a.a.O.).
Wie insbesondere die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/9340, S. 23 ff) zeigt, sollen mit dem Bundeswehrreform-Begleitgesetz, dessen Bestandteil (Artikel 1) das SKPersStruktAnpG ist, allgemein die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der Strukturreform der Bundeswehr geschaffen werden und dabei die Ziele einer einsatzorientierten Verjüngung des Personalkörpers, einer deutlichen Reduzierung der Personalumfänge sowie eines einsatzorientierten Umbaus des Personalkörpers verfolgt werden. Insbesondere § 2 SKPersStruktAnpG soll nach dem gesetzgeberischen Willen in Ergänzung des PersAnpassG die rechtlichen Voraussetzungen zur Anpassung des militärischen Personalkörpers mit den Zielen Einsatzausrichtung, Effizienzsteigerung und Verschlankung schaffen (BT-Drs. 17/9340, S. 30). Ebenso wie bereits beim PersAnpassG hat sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung nach § 2 SKPersStruktAnpG allein an den Belangen der Bundeswehr, mithin ausschließlich an eigenen Interessen, zu orientieren. Private Interessen der Soldaten daran, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, sind nicht zu berücksichtigen. Dementsprechend sieht das Gesetz auch kein Antragserfordernis, sondern nur ein Zustimmungserfordernis vor. Die Initiative, von dem Gesetz Gebrauch zu machen, geht allein von der Beklagten aus.
Damit scheidet ein Anspruch des einzelnen Soldaten auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 2 SKPersStruktAnpG von vornherein aus. Der Kläger hat auch keinen Neubescheidungsanspruch. Auch insoweit gelten die für das PersAnpassG vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 25. November 2004 - 2 C 46.03 -, a.a.O.) entwickelten Grundsätze für § 2 SKPersStruktAnpG: Zur Kontrolle über die Ermessensausübung sind die Verwaltungsgerichte nur insoweit befugt, wie die Klagebefugnis des Klägers reicht, denn nur insoweit unterliegt das Verhalten der Beklagten einer materiell-rechtlichen Nachprüfung. Deshalb kann die Ermessensausübung der Beklagten nur insoweit überprüft werden, als sich das Ermessen auf seine subjektive Rechtsstellung auswirkt. Der Kläger kann somit zwar geltend machen, die Beklagte habe über seinen Antrag unter Verletzung des Gleichheitssatzes nach sachlich unzulässigen, willkürlichen Gesichtspunkten entschieden. Er kann jedoch nicht zur Nachprüfung des Verwaltungsgerichts stellen, ob die Beklagte die Ziele des jeweils geltenden Personalstrukturmodells mit zutreffenden Mitteln angestrebt, erreicht oder verfehlt hat.
Ungeachtet dessen ist die Ermessensentscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Dabei unterstellt die Kammer zugunsten des Klägers - wie offenbar auch die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden -, dass die Tatbestandsvoraussetzungen von § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG erfüllt sind. Zweifelhaft könnte im Hinblick auf den fehlenden Bedarf sein, ob der begehrten vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand dienstliche Gründe i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 SKPersStruktAnpG entgegenstehen und damit der geltend gemachte Anspruch auf erneute Ermessensentscheidung schon deshalb nicht besteht. Unterstellt, die Tatbestandsvoraussetzungen von § 2 Abs. 1 SKPersStruktAnpG lägen vor, ist die Ermessensentscheidung der Beklagten am Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO zu messen. Danach prüft das Verwaltungsgericht, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Das ist nicht der Fall. Weder überschritt die Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessens noch machte sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch. Zur Begründung der Antragsablehnung verwies die Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf einen nach wie vor vorhandenen Bedarf an Sanitätsfeldwebeln und Rettungsassistenten. Ausgehend vom Gesetzeszweck (s.o.) ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte ein dienstliches Interesse an einer Ausgliederung, hier in Form der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand, von der Bedarfslage abhängig macht (vgl. Ziffer 7, 2. Spiegelstrich der Ausführungsbestimmungen zur Anwendung der Maßnahmen zur Personalanpassung gemäß Bundeswehrreform - Begleitgesetz vom 30. Juli 2012). Einen dementsprechenden Bedarf stellte das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr im Erlass vom 15. Oktober 2012 fest. Dort (unter 1.) heißt es, in den Jahren 2012 bis 2014 bestehe hiesigerseits grundsätzlich kein Bedarf, Anträgen nach den Ausführungsbestimmungen des BwRefBeglG stattzugeben. Bei dieser die Ermessensausübung der Beklagten lenkenden Erlasslage durfte das Begehren des Klägers auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 2 SKPersStruktAnpG in den angefochtenen Bescheiden unter Hinweis auf einen fehlenden Bedarf ermessensfehlerfrei abgelehnt werden. Denn wenn nach der gerichtlich nicht überprüfbaren Organisationsgrundentscheidung der Bundeswehr nach wie vor ein Bedarf an Sanitätsunteroffizieren - wie dem Kläger - besteht, besteht kein dienstliches Interesse an seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand.
Ohne Erfolg bestreitet der Kläger, dass die Bundeswehr einen im Beschwerdebescheid näher dargestellten Bedarf im Sanitätsdienst hat. Bei der Frage, ob und wenn ja, welchen Bedarf die Bundeswehr in einzelnen Bereichen hat, handelt es sich nicht um einen gerichtlicher Nachprüfung unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff. Eine derartige Bedarfsermittlung dient vielmehr der Verwirklichung planerischer Vorstellungen und ist eine organisatorische Maßnahme, mit deren Hilfe die Beklagte den Verteidigungsauftrag der Bundeswehr realisieren will. Solche planerischen Vorstellungen und organisatorischen Maßnahmen stehen grundsätzlich außerhalb des Vorwurfs der Rechtswidrigkeit. Es handelt sich hierbei in erster Linie um Zweckmäßigkeitsfragen, die - wenn sie ein dienstliches Bedürfnis für eine bestimmte Verwendung eines bestimmten Soldaten begründen oder ausschließen - bei der richterlichen Kontrolle einzelner Personalmaßnahmen als vorgegeben hingenommen werden müssen (BVerwG, Beschlüsse vom 24. April 1990 - 1 WB 125.89 - und vom 19. Dezember 2001 - 1 WB 59.01 -, jeweils zitiert nach juris).
In ebenfalls rechtlich nicht zu beanstandender Weise lässt die Beklagte trotz des nach wie vor vorhandenen Bedarfs Ausnahmen in begründeten Ausnahmefällen zu (vgl. Ausführungsbestimmungen zur Anwendung der Maßnahmen zur Personalanpassung gemäß Bundeswehrreform - Begleitgesetz vom 30. Juli 2012, dort IV. 3. bzw. Weisung Personalstärkesteuerung 2012 der Unteroffiziere und Mannschaften im SanDstBw und FWDL im MilOrgBer ZSanDstBw, Ergänzende Maßnahmen zur Stärkesteuerung 2012, Erlass des Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr vom 15. Oktober 2012, dort unter 1.). Die Kammer kann nicht erkennen, dass im Fall des Klägers ein solcher begründeter Ausnahmefall vorliegen könnte. Überzeugend weist die Beklagte im gerichtlichen Verfahren darauf hin, dass begründete Ausnahmeentscheidungen nur dann vorliegen könnten, wenn persönliche Umstände vorgetragen würden, die im Rahmen einer Interessenabwägung geeignet seien, das Interesse des jeweiligen Berufssoldaten an einer Zurruhesetzung gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit bzw. der Bundeswehr an einer weiteren Dienstleistung überwiegen zu lassen. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist die weitere Auffassung der Beklagten, dass wegen des vom Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr festgestellten bestehenden Personalbedarfs im Sanitätsdienst insoweit hohe Maßstäbe anzulegen seien.
Ohne Erfolg verweist der Kläger insoweit auf einen Pflegefall in der Familie. Dieses Vorbringen ist gänzlich unsubstantiiert. Ein Ausnahmefall läge insoweit allenfalls vor, wenn infolge der Pflegebedürftigkeit eines nahen Familienangehörigen seine Anwesenheit am Wohnort zwingend erforderlich wäre. Der Kläger trägt jedoch weder das konkrete Verwandtschaftsverhältnis, noch die Art oder die Schwere der Pflegebedürftigkeit, den insoweit notwendigen Zeitaufwand oder anderweitige Versorgungsmöglichkeiten des Angehörigen vor. Unbestritten weist die Beklagte insoweit schließlich darauf hin, dass der Kläger diesen Umstand bislang nicht zum Anlass genommen hat, eine heimatnahe Versetzung zu beantragen.
Ohne Erfolg rügt der Kläger schließlich einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Er trägt vor, im Rahmen eines Besuchs durch den Dezernatsleiter im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, Oberstarzt Dr. …, im März 2013 habe dieser mitgeteilt, dass fünf der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Interessenbekundungen an einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand umgesetzt worden seien und dass beispielsweise der Interessenbekundung des OSF …, der in derselben AVR wie er selbst sei, entsprochen worden sei. Dazu trägt die Beklagte vor, lediglich in begründeten Ausnahmefällen sei es ihr möglich, positive Einzelfallentscheidungen zu treffen. Dabei gründe sich ein Ausnahmefall immer auf ein entsprechendes Gutachten des beratenden Arztes, welches auf die Anerkennung von schwerwiegenden persönlichen Gründen gerichtet sei. Auf dieser Grundlage habe in insgesamt fünf Fällen, davon zwei in der AVR des Klägers, eine positive Einzelfallentscheidung getroffen werden können. Diesen Ausführungen tritt der Kläger nicht entgegen, so dass die Kammer einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht feststellen kann.