Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.12.2016, Az.: 5 U 96/16
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.12.2016
- Aktenzeichen
- 5 U 96/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 33213
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2016:1221.5U96.16.0A
Rechtsgrundlagen
- AUB 2008
Fundstellen
- AiSR 2017, 103-104
- VK 2017, 107
- VersR 2017, 682
- VuR 2017, 279
- ZAP EN-Nr. 319/2017
- ZAP 2017, 505
- r+s 2017, 261-262
- zfs 2017, 162-164
Amtlicher Leitsatz
Hat sich der Versicherer nach den AUB 2008 das Recht auf Neubemessung bei der Erstfestsetzung der Invaliditätsentschädigung nicht vorbehalten, kann er später, wenn sich im Prozess des Versicherungsnehmers eine geringere Invalidität ergibt, eine Überzahlung nicht kondizieren (Anschluss an OLG Frankfurt, Urteil vom 18.09.2008, Az. 3 U 206/06 - juris Rn.15).
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts O. vom 13.05.2016 dahingehend geändert, dass die Widerklage abgewiesen wird.
Im Übrigen werden die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages für die Beklagte vollstreckbar, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus einer privaten Unfallversicherung Invaliditätsleistungen geltend. Die Beklagte hat widerklagend eine "überzahlte" Invaliditätsleistung zurückgefordert.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte gemäß § 1 VVG i.V.m. Ziff. 1.1, 2.1 der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen 2008 (AUB 2008) und Ziff. 1.1, 3.3 Abschnitt B der Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung 2008 der Beklagten (im Folgenden: BUB 2008) aufgrund eines Unfall des in den Versicherungsschutz einbezogenen Ehemanns der Klägerin K. am 27.05.2013 (Umknicken mit dem Sprunggelenk des rechten Fußes) zur Zahlung einer Invaliditätsleistung verpflichtet ist. Streit besteht zwischen den Parteien über das Ausmaß der Leistung, d.h. über die Bemessung des Invaliditätsgrades.
Die Beklagte hat ein fachchirurgisches Gutachten des Arztes für Chirurgie, Unfallchirurgie und Visceralchirurgie, Dr. S., Medizinisches Gutachtenbüro O. vom 31.12.2014 (Anlage K 11, Anlagenband) eingeholt. Der Gutachter Dr. S. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund des Unfalls bei Norbert K. die Funktionsbeeinträchtigung mit 5/20 Fußwert rechts zu bemessen sei. Es sei eine messbare Bewegungseinschränkung am rechten oberen Sprunggelenk und eine nachweisbare verbleibende Außenknöchelband-Instabilität des rechten oberen Sprunggelenks im lateralen Bandapparat nach unvollständiger Heilung des knöchernen Abrisses der Sehne an der Wadenbeinspitze als Dauerschaden gegeben.
Daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.01.2015 (Anlage K 12, Anlagenband) eine Invaliditätsleistung von 6.862,50 € (Fußwert nach Gliedertaxe von 45 % x Versicherungssumme von 61.0000,- € x Fußwert/Funktionsbeeinträchtigung von 5/20) berechnet und an die Klägerin gezahlt. Eine Neubemessung hat die Beklagte sich hierbei nicht vorbehalten.
Mit ihrer Klage vom 24.08.2015 hat die Klägerin sich gegen diese Erstfeststellung gewandt und die Zahlung einer Invaliditätsleistung von 34.312,50 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 1.474,89 € begehrt.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass unfallbedingt eine knöchel-narbig-synoviale Impingement Konstellation, eine eingetretene beginnende Arthrose, vorliege. Sie hat gemeint, dass ein Fußwert rechts von 15/20 anzusetzen sei. Hilfsweise hat sie geltend gemacht, dass auch eine Beeinträchtigung des Beines über der Mitte des Oberschenkels gegeben sei, so dass von einem Beinwert von 15/20 auszugehen sei.
Das Landgericht hat ein orthopädisch-traumatologisches Gutachten des Sachverständigen Dr. C., Facharzt für Orthopädie, vom 20.01.2016 (Bl. 51 d.A.) eingeholt. Nach eigener Untersuchung des Geschädigten Norbert K. am 19.01.2016 ist der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. C. zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks eingeschränkt sei und eine Bandinstabilität im oberen Sprunggelenk rechts nach vollständiger Konsolidierung der Außenknöchelbandfraktur rechts mit medialer und lateralen Narbenbildung nicht feststellbar sei (S. 10 SV-GA, Bl. 60 d.A.), eine Versteifung des oberen oder unteren Sprunggelenks liege nicht vor (S. 15 SV-GA, Bl. 65 d.A.), eine signifikante Muskelminderung oder weitere Funktionsminderung am rechten Bein sei nicht feststellbar (S. 14 SV-GA, Bl. 64 d.A.). Danach bemisst er die Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks mit einem Fußwert von 3/20.
Bei der mündlichen Erläuterung und Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens hat der Sachverständige Dr. C. erklärt, dass die Röntgenbilder eine typische Arthrose zeigten, die aber nicht als Unfallfolge einzuordnen sei; die neue CT gemäß Bericht vom 15.04.2016 zeige keine Arthrose; eine vorhanden gewesene Arthrose hätte zudem allenfalls einen Aufschlag auf den festgestellten Fußwert von 1/20 gerechtfertigt (Bl. 129 und Bl. 130 d.A.).
Das Landgericht hat mit am 13.05.2016 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen und auf die Widerklage unter Abweisung im Übrigen die Klägerin zur Zahlung von 1.372,50 € nebst Zinsen an die Beklagte verurteilt.
Das Landgericht hat dabei unter Zugrundelegung der Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. C. im Hinblick auf die Klageforderung angenommen, dass von keinem höheren Invaliditätswert als einem 5/20 Fußwert und nicht von einem Invaliditätsgrad bezüglich des rechten Beins auszugehen sei. Im Hinblick auf die Widerklage hat das Landgericht wegen der im Rahmen des § 812 BGB gegebenen Beweislastverteilung unter Zugrundelegung des vorgerichtlichen Gutachtens des Dr. S., dessen Ergebnis ebenso überzeugend sei wie das des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. C., einen Invaliditätsgrad von 4/20 angenommen.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Wegen der erstinstanzlichen Klageanträge sowie der Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung und ihrer Begründung wird ebenfalls auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen das Urteil wenden sich beide Parteien unter Weiterverfolgung ihrer erstinstanzlichen Klageziele mit der Berufung.
Die Klägerin macht mit der Berufung geltend, dass die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen verfahrensfehlerhaft getroffen worden seien. Sie rügt, dass das von dem Landgericht zugrunde gelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. C. die tatsächliche gesundheitliche Situation des Geschädigten Norbert K. nicht zutreffend wiedergebe. (...) Die Klägerin meint, dass aufgrund der von dem Privatgutachter Prof. Dr. O. festgestellten völligen Versteifung des rechten Fußes im oberen und unteren Sprunggelenk, die einer vollständigen Funktionsunfähigkeit des Fußgelenks gleichstehe, ein Fußwert von 20/20 anzusetzen sei. Nach Ziff. 3.3.2 BUB 2008 errechnet sie eine Invaliditätsleistung von 76.200,- € abzüglich bereits gezahlter 6.862,50 €, also 69.337,50 €, den sie im Berufungsverfahren nunmehr verlangt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts O. vom 13.05.2016 zum Aktenzeichen 13 O 2080/15 zu ändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 69.337,50 € zu zahlen zuzüglich Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2016,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere, nicht streitwerterhöhende vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.474,89 € zu zahlen zuzüglich Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (09.03.2016),
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1.815,61 € zu zahlen zuzüglich Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punken über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des vorliegenden Antrags (18.08.2016).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil dahingehend abzuändern, dass der Tenor zu 3. entfällt und der Tenor zu 2. lautet "Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 2.745,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.03.2016 zu zahlen.",
die Berufung des Kläger zurückzuweisen.
Die Beklagte rügt unter Hinweis auf ein Recht auf Neubemessung der Invaliditätsleistung bis zum Stichtag 3 Jahre nach dem Unfall nach Ziff. 7.2.1 AUB 2008, dass das Landgericht im Hinblick auf die Widerklage den Fußwert des Gutachter Dr. S. und nicht den des Sachverständigen Dr. C. zugrunde gelegt hat.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen Dr. C.. Auf die Niederschrift der Sitzung vom 07.12.2016 wird verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung auf die Widerklage der Beklagten wendet. Im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg, wie auch die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte hat keinen Bereicherungsanspruch gegen die Klägerin, weil die Neubegutachtung im gerichtlichen Verfahren mit 3/20 Fußwert einen um 2/20 niedrigeren Fußwert als bei Erstbemessung ergeben hat, denn die Beklagte hat sich bei Erstfestsetzung die Neubemessung nicht vorbehalten.
Nach den im vorliegenden Fall geltenden AUB 2008 der Beklagten kann der Versicherer - anders als der Versicherte - die Neubemessung nur unter der zusätzlichen, erschwerenden Bedingungen verlangen, dass er sich dieses Recht bei Erstbemessung vorbehalten hat (vgl. Ziff. 7.2.1., Anlagenband).
Umstritten ist, welche Bedeutung dieser Klausel beigemessen wird, wenn - wie hier - der Versicherer sich dieses Recht im konkreten Fall nicht vorbehalten hat, sich aber im Prozess, den der Versicherte innerhalb der Dreijahresfrist angestrengt hat, weil er mit der Erstbemessung nicht einverstanden war, zu Gunsten des Versicherers ein niedrigerer Wert als bei Erstfestsetzung ergibt. Während die herrschende Meinung der Ansicht ist, dass der fehlende Vorbehalt einer Rückforderung nicht entgegenstehe, und deswegen der Versicherer die Überzahlung im Wege der Widerklage kondizieren könne (Jacobs VersR 2010, 39, 40; ders. Unfallversicherung, Ziff.9 Rn. 113; ihm folgend: Prölss/Martin-Knappmann, VVG, 28. Aufl., AUB 2008 Nr. 9 Rn. 11; Bruck/Möller-Leverenz, VVG, 9. Aufl., § 188 Rn. 34 a.E.; Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl., 9 AUB Rn.2,) hat das OLG Frankfurt (Urteil vom 18.09.2008, 3 U 206/06 - juris Rn.15; zustimmend Kloth, jurisPR-VersR 4/2009 Anm. 5) die Ansicht vertreten, der Versicherer sei auch in diesem Fall an die Erstfestsetzung gebunden, wenn er sich das entsprechende Recht nicht bei Erstfestsetzung vorbehalte habe.
Der Senat, der in der Vergangenheit der herrschenden Meinung gefolgt ist (OLG Oldenburg VersR 1998, 1274), hält an dieser Auffassung nicht weiter fest und schließt sich der Ansicht des OLG Frankfurt an. Sie erscheint dem Senat vorzugswürdig.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92 - zitiert nach juris Rn. 14). Der solchermaßen umschriebene Versicherungsnehmer wird angesichts des Wortlauts der Klausel regelmäßig nicht auf die Idee verfallen, dass er sich durch sein Neufestsetzungsverlangen im Prozess dem Risiko einer Verböserung aussetzt, wenn sich der Versicherer sein eigenes Recht nicht ausdrücklich vorbehalten hat. Nach dem Wortlaut der Klauseln wird der Versicherungsnehmer nach Erstfestsetzung ohne Vorbehalt vielmehr annehmen dürfen, dass er im Verhältnis zum Versicherer hinsichtlich der Erstfestsetzung eine unanfechtbare Position erlangt hat, denn - ist ein Vorbehalt des Versicherers nicht erfolgt - hat der Versicherungsnehmer eine Rückforderung durch den Versicherer nicht zu fürchten. Es dürfte insoweit nach Ansicht des Senats - unabhängig von der Frage, ob der Erstbemessung die Qualität eines Anerkenntnisses zukommt oder nicht - außer Streit stehen, dass jedenfalls jener Versicherer, der sich die Neubemessung nicht vorbehalten hat, eine Überzahlung später nicht eigeninitiativ mit dem Argument kondizieren kann, die Invalidität sei zu hoch bemessen; wollte man auf diese letzte Konsequenz verzichten, wäre die Regelung über den Vorbehalt jedes Sinns entkleidet - eine Erklärung, welchen Sinn der in den AUB 2008 geregelte Vorbehalt andernfalls haben sollte, wenn der Versicherer trotz Vorbehalts eigeninitiativ kondizieren könnte, bleiben jene Autoren, welche die Entscheidung des OLG Frankfurt als "falsch" (so Grimm a.a.O.) bezeichnen, schuldig. Erlangt indessen der Versicherungsnehmer durch die vorbehaltlose Erstfestsetzung eine durch den Versicherer eigenständig nicht mehr zu beseitigende Position, mutet es überraschend an, dass der Versicherungsnehmer diese Position nun verlieren soll, weil er die Erstfestsetzung für zu niedrig erachtet und in der Neubemessungsfrist Klage erhebt. Der unbefangene Leser des Klauselwerks darf nach Ansicht des Senats vielmehr erwarten, dass eine derartige Konsequenz des Neubemessungsverlangens angesichts der ganz erheblichen Bedeutung für die Rechtsposition des Versicherungsnehmers explizit geregelt sein würde. Nach der Lesart der herrschenden Meinung setzt der Versicherungsnehmer, der z.B. die Erstfestsetzung einer Invalidität von 15/20 erreicht hat und wegen eines weiteren Zwanzigstels Klage in der Dreijahresfrist erhebt, 15/20 aufs Spiel, ohne dass er auf diesen Umstand durch die Bedingungen in irgendeiner Weise hingewiesen worden wäre.
Nach alledem ergibt schon die allgemeine an §§ 133, 157 BGB orientierte Auslegung des Klauselwerks, dass der Versicherer, der sich die Neubemessung nicht vorbehalten hat, mit Rückforderungsansprüchen grundsätzlich und unabhängig von einem etwaigen Rückforderungsverlangen des Versicherungsnehmers ausgeschlossen ist.
Selbst wenn man dem indessen nicht folgen wollte und meinte, der Wortlaut ließe gleichberechtigt die Auslegung zu, dass mit dem Vorbehalt nur das formelle Recht beschrieben ist, die Neubemessung einzuleiten, ohne dass damit eine inhaltliche Bindung an die Erstfestsetzung verbunden wäre, greift hier jedenfalls die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB. Denn die letztgenannte Auslegung wäre angesichts der asymmetrischen Regelung der AUB, die nur dem Versicherer die Obliegenheit auferlegt, sich die Neubemessung vorzubehalten, die dem Versicherungsnehmer ungünstigere Auslegung. Dies bedeutet, dass jedenfalls gemäß § 305 c Abs. 2 BGB die eingangs genannte Auslegung zugrunde zu legen ist.
Diese am Wortlaut der Norm ausgerichtete Auslegung durch den Senat ist auch keineswegs unbillig. Der Versicherer hat es in der Hand durch den Ausspruch des Vorbehalts sich das Recht auf Neubemessung zu bewahren. Da im Übrigen die Regelung asymmetrisch ist, nur der Versicherer erleidet einen Rechtsverlust, wenn der Vorbehalt nicht ausgesprochen wurde, kann die von Jacobs befürchtete Folge (a.a.O., S. 41), dass im umgekehrten Fall der Versicherungsnehmer gleichsam leer ausginge, nicht eintreten. Da sich der Versicherungsnehmer das Recht auf Neubemessung nicht vorbehalten muss, ist er auch nicht gehindert, etwaige Rechte geltend zu machen, die sich zu seinen Gunsten aus einem vom Versicherer initiierten Neubemessungsverfahren ergeben.
Im Übrigen bleibt der Berufung der Klägerin der Erfolg versagt. Es ist nicht bewiesen, dass der Versicherte zu mehr als 5/20 Fußwert infolge des Unfalles invalide wäre. Da die Beklagte die Klägerin auf der Grundlage der Erstbemessung (5/20 Fußwert) vorprozessual entschädigt hat, bestehen weitere Ansprüche der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag wegen dieses Ereignisses nicht.
(...)
Die Revision war entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zuzulassen. Der Senat hat seine alte Rechtsprechung aufgegeben und sich dem OLG Frankfurt angeschlossen. Anderweitige obergerichtliche Entscheidungen, welche die Bedeutung des Vorbehalts in den AUB 2008 für das Rückforderungsbegehren des Versicherers explizit abweichend erörtern, sind nicht erkennbar. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des LG Bonn (r+s 2014, 622 [LG Bonn 04.09.2013 - 5 S 52/13]) ist nicht übertragbar; sie betrifft die Auslegung von § 11 AUB 1994; in dieser Regelung ist für beide Parteien ein Vorbehalt der Neubemessung vorgesehen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.