Staatsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 29.06.2004, Az.: StGH 2/04

Melderegister; Wahlprüfungsbeschwerde; Wahlprüfungsverfahren; Wählerverzeichnis

Bibliographie

Gericht
StGH Niedersachsen
Datum
29.06.2004
Aktenzeichen
StGH 2/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 51092
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Niedersächsischen Landtags vom 21. Januar 2004 wird verworfen.

Gründe

A.

I.

Der Beschwerdeführer greift die am 2. Februar 2003 durchgeführte Wahl zum Niedersächsischen Landtag der 15. Wahlperiode an und bezweifelt deren Gültigkeit. Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer zum Niedersächsischen Landtag wahlberechtigt ist, sind nicht erkennbar.

II.

Mit Schreiben vom 17. und 19. Februar sowie 10. März 2003 erhob der Kläger beim Niedersächsischen Landtag Einspruch gegen die Gültigkeit der am 2. Februar 2003 durchgeführten Wahl zum Niedersächsischen Landtag mit der Begründung, er habe keine Wahlunterlagen erhalten und sei so an der Ausübung seines Wahlrechts gehindert worden.

Der Niedersächsische Landtag holte daraufhin Stellungnahmen des Niedersächsischen Innenministers und des Niedersächsischen Landeswahlleiters ein. Im Einvernehmen mit dem Landeswahlleiter berichtete der Innenminister am 4. April 2003, nach den Vorschriften des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes könnten nur Wahlberechtigte wählen, die in ein Wählerverzeichnis eingetragen seien oder einen Wahlschein ausgestellt bekommen hätten. Die Führung des Wählerverzeichnisses und die Ausstellung von Wahlscheinen obliege nach den Vorschriften des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes den Gemeinden, in denen die Wahlberechtigten nach den Vorschriften des Melderechts angemeldet seien. Eine wahlberechtigte Person, die in keinem Wahlbezirk melderechtlich gemeldet sei, werde auf ihren Antrag in das Wählerverzeichnis desjenigen Wahlbezirks eingetragen, für den sie sich bis zum 16. Tag vor der Wahl anmelde.

Der Beschwerdeführer, der niemals eine Wohnanschrift angebe, sondern seinen Schriftwechsel unter einer Postfach-Anschrift führe, sei an dem für die Eintragung in ein Wählerverzeichnis maßgeblichen 16. Tag vor der Wahl, das heißt am 17. Januar 2003, in keiner niedersächsischen Gemeinde gemeldet gewesen. Seine frühere Anschrift „Eversen, Dorfstraße 25“ sei am 17. Oktober 2002 aus dem Melderegister der Stadt Bergen gestrichen worden, weil Schriftstücke der Stadt Bergen und anderer Behörden, die an den Beschwerdeführer adressiert waren, mit dem Stempel „Empfänger unbekannt“ zurückgelangt seien. Dies habe die Stadt Bergen zu der Annahme veranlasst, der Beschwerdeführer sei unbekannt verzogen. Spätere Nachprüfungen der Stadt Bergen hätten allerdings zu dem Ergebnis geführt, dass sich der Beschwerdeführer vermutlich doch in der Wohnung “Eversen, Dorfstraße 25“ aufhalte. Die Nichtaufnahme des Beschwerdeführers in das Wählerverzeichnis des zuständigen Wahlbezirks der Stadt Bergen beruhe ausschließlich auf dem Verhalten des Beschwerdeführers. Obwohl er vom Niedersächsischen Landeswahlleiter rechtzeitig über die Voraussetzungen für das Ausstellen eines Wahlscheines und von Briefunterlagen unterrichtet worden sei, habe er sich nicht an seine Wohnsitzgemeinde gewendet und habe damit seinen Ausschluss vom Wahlrecht zur Landtagswahl 2003 durch sein Verhalten herbeigeführt. Im Übrigen sei die Nichtaufnahme des Beschwerdeführers in ein Wählerverzeichnis nicht durch die Wahlbehörde veranlasst, sondern eine Folge dessen, dass der Beschwerdeführer aus dem Melderegister der Stadt Bergen gestrichen worden sei, was ihm bekannt gewesen sei, und sich auch an keinem anderen Ort in Niedersachsen mit einem Wohnsitz angemeldet habe.

Der Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses folgend hat der Niedersächsische Landtag den Wahleinspruch des Beschwerdeführers in seiner 23. Sitzung am 21. Januar 2004 einstimmig als unzulässig zurückgewiesen. Er ist der Auffassung, dem Beschwerdeführer mangele es an der Einspruchsberechtigung, weil er sich mit dem von ihm beanstandeten Ausschluss vom Wahlrecht zur Wahl des Niedersächsischen Landtages 2003 nicht gegen eine Maßnahme einer Wahlbehörde wende, sondern dies die Folge seines Verhaltens gegenüber der für seinen Wahlbezirk zuständigen Meldebehörde sei. Dem an den Niedersächsischen Landeswahlleiter gerichteten Wunsch des Beschwerdeführers, ihm einen Wahlschein und Briefwahlunterlagen zu übersenden, habe nicht entsprochen werden können, weil dies ausschließlich Aufgabe der Gemeinden sei. Hierauf habe der Niedersächsische Landeswahlleiter den Beschwerdeführer rechtzeitig hingewiesen und ihn aufgefordert, sich an seine Wohnsitzgemeinde zu wenden. Da sich der Wahleinspruch nicht gegen eine Maßnahme einer Wahlbehörde wende, sei er unzulässig.

III.

Gegen den Beschluss des Niedersächsischen Landtags vom 21. Januar 2004 hat der Beschwerdeführer mit einem am 24. Februar 2004 bei dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz Beschwerde erhoben. Mit ihr wiederholt er den Vorwurf, er sei rechtsmissbräuchlich daran gehindert worden, an der Wahl zum Niedersächsischen Landtag am 2. Februar 2003 teilzunehmen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass ihn die Stadt Braunschweig, in der er seinen Wohnsitz habe, zweimal aus dem Melderegister gestrichen habe. Weder sei ihm dies mitgeteilt worden, noch habe er von der Stadt Braunschweig erfahren, wo er nunmehr seinen „amtlichen“ Wohnsitz habe. In der Stadt Bergen habe er keinen Wohnsitz, weil das in ihrem Gebiet gelegene Grundstück Eversen, Dorfstraße 25, nicht bewohnt sei. Der Anregung des Landeswahlleiters, sich vor der Wahl zum Niedersächsischen Landtag am 2. Februar 2003 rechtzeitig polizeilich zu melden und damit die Voraussetzungen für seine Eintragung in ein Wählerverzeichnis zu schaffen, sei er nicht nachgekommen, weil er keinen Anlass gesehen habe, seine rechtswidrige Streichung aus dem Melderegister durch irgendein „Wohlverhalten“ rückgängig zu machen.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass er verbotswidrig gehindert gewesen sei, sein Wahlrecht bei der am 2. Februar 2003 durchgeführten Wahl zum Niedersächsischen Landtag auszuüben und die Wahl deswegen für ungültig zu erklären.

IV.

Dem Niedersächsischen Landtag ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Der Präsident des Niedersächsischen Landtags bezieht sich gegenüber dem Beschwerdevorbringen auf den Beschluss des Niedersächsischen Landtags vom 21. Januar 2004.

B.

I.

Die Beschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen die Wahlprüfungsentscheidung des Niedersächsischen Landtags richtet.

Nach § 8 Nr. 1 des Gesetzes über den Niedersächsischen Staatsgerichtshof (StGHG) vom 1. Juli 1996 (Nds. GVBl. S. 342) entscheidet der Staatsgerichtshof über die Anfechtung von Entscheidungen des Landtags, die die Gültigkeit einer Wahl betreffen. Diese Vorschrift entspricht der Bestimmung des Art. 11 Abs. 4 NV, wonach die Wahlprüfungsentscheidungen des Landtags beim Staatsgerichtshof angefochten werden können.

Die Frist des § 22 Abs. 1 StGHG ist gewahrt.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Der Niedersächsische Landtag hat den Einspruch des Beschwerdeführers gegen die am 2. Februar 2003 durchgeführte Wahl zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen als unbegründet zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer rügt eine individuelle Rechtsverletzung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Prüfung der Wahl zum Niedersächsischen Landtag vom 6. März 1955 (Nds. GVBl. S. 39) i.d.F. des Gesetzes vom 12. Juni 1981 (Nds. GVBl. S. 125) - WPG -. Diese sieht er darin, dass er an der Ausübung seines Wahlrechts - aus seiner Sicht missbräuchlich - dadurch gehindert sei, dass er trotz Bemühens keine Wahlbenachrichtigung oder einen Wahlschein erhalten habe. Beides sei unterblieben, weil er von der in Betracht kommenden Meldebehörde - nach seinem neuesten Vorbringen ist das die Stadt Braunschweig - rechtswidrig im Melderegister gelöscht worden sei und der Landeswahlleiter sich geweigert habe, ihm unmittelbar einen Wahlschein auszustellen.

Mit dem ersten von ihm angeführten Argument verkennt der Beschwerdeführer, dass Gegenstand und Zweck des Wahlprüfungsverfahrens nur ist, die rechtsfehlerfreie Vorbereitung der Wahl und den nicht durch Rechtsverletzung behinderten oder beeinflussten Ablauf der Wahlhandlung sicherzustellen. Andere Rechte, so auch das Recht, an seinem Wohnsitz in das örtliche Melderegister aufgenommen zu werden, sichert das Wahlprüfungsverfahren auch dann nicht, wenn sie Bedeutung für die Vorbereitung der Wahl haben.

Deswegen ist es für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, ob der Beschwerdeführer zu Recht oder zu Unrecht aus den Melderegistern der Stadt Bergen und, wie er nunmehr behauptet, auch aus denen der Stadt Braunschweig, in die er eingetragen war, gelöscht worden ist. Denn selbst wenn das fälschlich geschehen sein sollte, hatte der Beschwerdeführer die Möglichkeit, bis zum 16. Tage vor der Wahl die (Wieder-)Eintragung in das Melderegister und damit die Aufnahme in das Wählerverzeichnis zu erreichen. Hierauf ist er von dem Landeswahlleiter rechtzeitig hingewiesen worden. Wenn er sich diesem Hinweis aus einer nicht erklärbaren Abneigung gegenüber der in Betracht kommenden Behörde verschlossen hat, so beruht das auf seiner persönlichen Entscheidung, nicht auf einem Fehlverhalten der mit der Vorbereitung der Wahl betrauten Behörden.

Sein Verlangen, der Landeswahlleiter hätte ihm vor der Wahl einen Wahlschein ausstellen sollen, musste aus Rechtsgründen scheitern. Die Aufgaben und Befugnisse des Landeswahlleiters sind im Niedersächsischen Landeswahlgesetz abschließend geregelt. Zu ihnen gehört nicht, die Wahlberechtigung (§ 2 NLWG) eines einzelnen Bürgers auf dessen Wunsch zu prüfen und ihm - unter Umgehung der dafür nach dem Gesetz zuständigen Stellen - Unterlagen auszustellen, die ihn zur Teilnahme an der Wahl berechtigen. Dazu wäre er im Übrigen auch außerstande, soweit es die Voraussetzung des § 2 Nr. 2 NLWG (Wohnsitz im Land Niedersachsen seit 3 Monaten) anbelangt. Denn ob sie erfüllt ist, kann nur die Meldebehörde des Wohnsitzes beurteilen. Fehlt es aber - wie beim Beschwerdeführer - an einem gemeldeten Wohnsitz, so musste der von ihm eingeschlagene „Umweg“ zum Lande swahlleiter - von den anderen bereits genannten Aspekten abgesehen - auch daran scheitern.

II.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist. Sie konnte deswegen nach § 12 StGHG i.V.m. § 24 BVerfGG ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss des Staatsgerichtshofs verworfen werden.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.