Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 26.10.2018, Az.: 2 A 154/17

Ahmadiyya; Asyl; Rabwah

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
26.10.2018
Aktenzeichen
2 A 154/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74252
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bekennende Ahmadis aus Pakistan haben Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Anschluss an VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12.6.2013 - 1 A 11 S 757/13 -, juris).
2. Rabwah ist keine interne Fluchtalternative für bekennende Ahmadis.

Tatbestand:

Die Kläger, ein verheiratetes Ehepaar, nach ihren Angaben pakistanische Staatsangehörige von punjabischer Volkszugehörigkeit und der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya zugehörig, reisten, ebenfalls nach eigenen Angaben, am 13. April 2015 auf dem Luftweg in Deutschland ein und stellten am 4. Dezember 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.

In der Anhörung vor dem Bundesamt, die am 12. Juli 2016 stattfand, gaben die Kläger an, zuletzt in Lahore gelebt zu haben. Sie hätten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya Probleme gehabt. Der Kläger zu 1) habe ein Spielwarengeschäft betrieben. Ein Mitglied des Khatam-e-Nabuwwat habe zum Boykott des Geschäfts des Klägers zu 1) aufgerufen. Sein Geschäft sei dann deutlich zurückgegangen. Im Juni 2013 sei das Ganze noch schlimmer geworden. Er sei bei der Auslieferung von Waren von drei oder vier Mullahs mit dem Tod bedroht worden, sollte er nicht, wie von den Mullahs gefordert, zum Islam konvertieren. Umstehende Polizisten – das Ganze sei unmittelbar neben der Polizeistation Thana Mochi Gate passiert – hätten nicht eingegriffen. Später – im Januar 2015 – habe dann noch ein weiterer wichtiger Geschäftspartner den Kontakt mit ihm abgebrochen und ihn ebenfalls bedroht; er, der Kläger, habe dabei das Geld, das er im Rahmen dieses Geschäftskontakts investiert habe, verloren. Die Klägerin zu 1) führte zur Begründung ihrer Flucht ebenfalls ihre Schwierigkeiten aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit an. Ihnen sei es deshalb wirtschaftlich sehr schlecht gegangen und ihr Leben sei in Gefahr gewesen. Sie selbst und auch ihr Bruder, der mittlerweile ebenfalls in Deutschland lebe, seien attackiert worden.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger ab (Ziff. 1-3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4), forderte die Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Pakistan zur Ausreise auf (Ziff. 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6). Zur Begründung führte es aus, die Kläger hätten nicht angegeben, dass ihnen die Verbreitung ihres Glaubens ein besonderes Anliegen sei. Weder hätten sie Nachweise zu derartigen Betätigungen in Pakistan vorgelegt, noch seien sie in Deutschland religiös aktiv geworden. Es sei darum nicht davon auszugehen, dass sie bei ihrer Rückkehr nach Pakistan religiöse Betätigungen vornehmen würden, die sie einer tatsächlichen Verfolgungsgefahr aussetzten. Die Kläger seien auch nicht vorverfolgt ausgereist. Ihr Vortrag zu angeblichen Bedrohungen durch Mullahs sei oberflächlich geblieben. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie aus Furcht vor einer derartigen Bedrohung ausgereist seien. Dafür spreche insbesondere auch ihre späte Ausreise. So habe sich nach ihrem Vortrag der letzte Vorfall zum Jahreswechsel 2014/2015 ereignet, sie seien jedoch erst Mitte April 2015 ausgereist. Zudem stehe ihnen insbesondere in den Großstädten eine interne Fluchtalternative zur Verfügung.

Hiergegen haben die Kläger am 31. Oktober 2016 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage verweisen sie auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bereits ein Eingriff in die Religionsfreiheit eine asylrelevante Verfolgungshandlung darstellen könne. In Pakistan müsse letztlich jeder Ahmadi aufgrund der dort geltenden Gesetzeslage und des dort herrschenden gesellschaftlichen Klimas um Leib und Leben fürchten. Sie selbst seien hiervon auch betroffen, da sie ihre Religion im Bundesgebiet öffentlich ausübten und es Teil ihrer religiösen Identität sei, sich zu ihrem Glauben zu bekennen, ihn zu praktizieren und auch über ihn zu informieren.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Ziffern 1 und 3-6 des Bescheides vom 27. Oktober 2016 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise ihnen subsidiären Schutz zu gewähren,

weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf den angefochtenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage, über die die Einzelrichterin trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann, da hierauf in der Terminsladung hingewiesen wurde (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.

Die zulässige Klage ist zulässig und begründet. Die Entscheidung des Bundesamts, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen, ist rechtswidrig. Die Kläger haben als sog. „bekennende Ahmadis“ Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern keine Ausschlussgründe vorliegen. Flüchtling ist gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund eines Verfolgungsgrundes i. S. d. § 3b Abs. 1 AsylG – wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

a) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 gelten zum einen gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist, oder zum anderen – nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG – Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in § 3a Abs. 1 Nr. 1 AslyG beschriebenen Weise betroffen ist.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts kann auch ein Eingriff in die Religionsfreiheit als Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) bzw. der gleichlautenden Vorschrift des § 3a Abs. 1 AsylG angesehen werden, wenn dieser die erforderliche Schwere aufweist. Dabei kann schon das Verbot der Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich für sich genommen eine hinreichend gravierende Handlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a Qualifikationsrichtlinie bzw. § 3a Nr. 1 AsylG darstellen, sofern dieser Beschränkung in objektiver Hinsicht – z. B. aufgrund der im Fall der Zuwiderhandlung drohenden Bestrafung – hinreichend gravierend ist. Dies gilt jedoch nur dann, wenn auch subjektive Gesichtspunkte hinzutreten, wenn also die Ausübung der Religion für den betreffenden Antragsteller „besonders wichtig“ ist. Ist das nicht der Fall, kommt dem Eingriff in die Religionsfreiheit nämlich nicht die für die Annahme einer Verfolgungshandlung erforderliche Schwere zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 -, juris Rn. 28 und 35; EuGH, Urt. v. 5.9.20120 - Rs. C-71/11 -, juris).

Liegt keine Verfolgungshandlung nach Art. 9 Abs. 1 lit. a) Qualikationsrichtlinie bzw. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG vor, ist weiter zu prüfen, ob sich eine solche aus einer Gesamtbetrachtung nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG ergibt. Diese Tatbestandsalternative ermöglicht, in einer erweiterten Perspektive die Berücksichtigung einer Kumulation unterschiedlicher Eingriffshandlungen, wie sie beispielhaft in § 3 Abs. 2 AsylG aufgeführt sind. In diese danach erforderliche Gesamtbetrachtung können insbesondere verschiedenartige Diskriminierungen gegenüber den Angehörigen einer bestimmten Glaubensgemeinschaft einbezogen werden, z. B. beim Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, aber auch existentielle berufliche oder wirtschaftliche Einschränkungen (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 -, juris 36).

b) Die Situation der Ahmadis in Pakistan ist zum einen gekennzeichnet durch massive staatliche Eingriffe. Zu nennen sind hier an vorderster Stelle verfassungsrechtliche sowie gesetzliche Vorschriften, die unmittelbar und in unzulässiger Weise die Ahmadis diskriminieren und sie in ihrer – nicht nur öffentlichen – Glaubensbetätigung einschränken (dazu m. w Nachw. VGH BW, Urt. v. Urt. v.12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn. 85). So wurden die Ahmadis durch eine Verfassungsänderung – trotz der grundsätzlich bestehenden Religionsfreiheit – zu Nicht-Muslimen erklärt, was Auswirkungen auf ihr Wahlrecht hat. Sie dürfen nur – und auch nur in einem besonderen Wahlregister – wählen, wenn sie sich – in Widerspruch zu ihrem Glauben – zum Nicht-Muslim erklären. Das Wahlregister gilt nur für Ahmadis, andere Gruppen werden in einem vereinten Register geführt, was es extremistischen Gegnern erleichtert, Ahmadis als solche zu identifizieren (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, S. 22). Zudem gibt es strafrechtliche Vorschriften, die speziell an Ahmadis gerichtet sind und bestimmte religiöse Betätigungen verbieten. So ist es Ahmadis beispielsweise verboten, sich direkt oder indirekt als Muslim zu bezeichnen. Bei Zuwiderhandlung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren und ein Bußgeld (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 16). Zu nennen ist weiter der Straftatbestand der Blasphemie, von dem Ahmadis überproportional oft betroffen sind. So wurden am 12. Oktober 2017 drei Ahmadis wegen Blasphemie zum Tode verurteilt (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 8; IHRC, Press Release v. 18.10.2017). Im März 2017 wurden zwei Ahmadis wegen Blasphemie angeklagt, weil sie ihren Glauben gepredigt hatten. Ihr Antrag, auf Kaution freizukommen, wurde abgelehnt, so dass sie bis auf weiteres inhaftiert sind (US Department of State, 2017 Report on International Religious Freedom – Pakistan, Stand: 29. Mai 2018). Aufgrund der genannten Gesetze ist es Ahmadis praktisch auch verwehrt, sich gegen Vorwürfe, sie seien Feinde des Islams und Pakistans, argumentativ zur Wehr zu setzen; denn auch das zur Verteidigung ihrer Glaubensposition Vorgebrachte wird als eine verbotene Form der öffentlichen Glaubensbetätigung angesehen (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 29). Faire Gerichtsverfahren sind nicht garantiert; Strafverfahren, insbesondere wegen Verstößen gegen die Blasphemiebestimmungen, können sich mit erheblichen Folgen für die persönliche Freiheit über Jahre und Jahrzehnte hinziehen (VGH BW, Urt. v.12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn. 91 f.). Zudem betätigen sich Amtsträger in einer gegen die Ahmadiyya gerichteten Rhetorik. Von derartigen Vorfälle wurden sowohl 2016 als auch 2017 berichtet (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 8).

Es ist nur bedingt möglich, die Glaubenszugehörigkeit zu den Ahmadis vor den Behörden und der Öffentlichkeit geheim zu halten. Zwar ist auf der National Identity Card (CNIC) die Religionszugehörigkeit als Information – bislang – nicht aufgeführt (https://en.wikipedia.org/wiki/Computerised_National_Identity_Card). Diese Angabe befindet sich aber bereits in Reisepässen und ist nunmehr, nach einem Urteil des High Court Islamabad vom 9. März 2018, auch auf der CNIC anzugeben (https://www.worldwatchmonitor.org/2018/03/pakistan-court-orders-citizens-declare-religion/; Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. S. 19). Ein Verzicht auf Identitätsdokumente kommt nicht in Betracht, denn für zahlreiche Aktivitäten ist eine Identifizierung durch die CNIC erforderlich. So ist die Vorlage der CNIC etwa bei der Anmietung oder dem Kauf einer Wohnung, der Eröffnung eines Bankkontos, dem Erwerb eines Mobiltelefons oder für den Zugang zum Gesundheitssystem Voraussetzung (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. S. 19 ff.). Ebenso wenig wäre für gläubige Ahmadis ein Ausweg, vor den Behörden fälschlicherweise anzugeben, sie seien Muslime. Denn das wäre ein Verstoß gegen die strafrechtlichen Vorschriften, die es Ahmadis verbieten, sich als Muslim zu bezeichnen; zudem wird als Muslim nur geführt, wer den Propheten der Ahmadiyya verleugnet (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. S.20).

Aufbauend auf diesem staatlicherseits bereiteten Nährboden sind Ahmadis seit Jahren überproportional oft Opfer religiös motivierter Straftaten und werden auch im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich diskriminiert. In der Presse der Mehrheitsgesellschaft wurden sie wiederholt als „schlimmste Feinde des Islams und Pakistans“ bezeichnet (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 29). Die gegen die Ahmadi gerichtete Gesetzgebung, deren Bestimmungen oft sehr vage sind, wird dabei von Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft genutzt, Ahmadis zu bedrohen und zu schikanieren.

c) Angesichts dieses Lebenssachverhalts ist – der soweit ersichtlich herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung folgend – von Folgendem auszugehen:

aa) Eine Gruppenverfolgung ist – jedenfalls – anzunehmen bei „bekennenden Ahmadis“, also solchen, die ihren Glauben in einer verfolgungsrelevanten Weise praktizieren und das Bekenntnis aktiv in die Öffentlichkeit tragen (VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn. 116; VG München, Urt. v. 16.3.2017 - M 23 K 16.30422 -, juris Rn. 33; VG Cottbus, Urt. v. 10.7.2018 - VG 4 K 410/17.A -, juris UA S. 5; VG Osnabrück, Urt. v. 19.4.2018 - 5 A 1533/17 -, Veröff. n. b.).

Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar. Ein Antragsteller kann auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen eine beachtliche Verfolgungsgefahr für sich herleiten, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (BVerwG, Urt. v. 5.7.1994 - 9 C 158/94 -, juris 17). Erforderlich sind zum einen gegen die Gruppe gerichtete Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG sowie eine hinreichende Verfolgungsdichte.

Im Hinblick auf die Gruppe der „bekennenden Ahmadis“ in Pakistan, für die ihre Glaubensbetätigung besonders wichtig ist, liegt die maßgebliche Verfolgungshandlung bereits in einem Eingriff in die Religionsfreiheit, nicht hingegen in der Verletzung der erst im Falle der Praktizierung bedrohten Rechtsgüter (z. B. Leib, Leben und/oder persönliche Freiheit) (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 -10 C 23/12 -, Rn. 21, 22, 28; vgl. auch VG Osnabrück, Urt. v. 19.4.2018 - 5 A 1533/17 -, Veröff. n. b.). Für sie ist bereits die ihre öffentliche religiöse Betätigung beschränkende Gesetzgebung, die erhebliche nachteilige Folgen an ihre Glaubenszugehörigkeit und -ausübung knüpft, ein schwerwiegender Eingriff, denn bei (vermeintlicher) Zuwiderhandlung drohen nicht nur mehrjährige Inhaftierung, sondern auch Folter bzw. unmenschliche Haftbedingungen. Ob dieser – staatliche – Eingriff schon für sich genommen von hinreichender Schwere für die Annahme einer Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, kann dahinstehen, denn zu berücksichtigen ist insoweit auch das Ahmadis gegenüber extrem feindselige gestimmte gesellschaftliche Klima, das durch diese Gesetze geschaffen wurde, und die damit zusammenhängenden zahlreichen Übergriffe privater Akteure (VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn. 116).

Auch die erforderliche Verfolgungsdichte liegt bei den „bekennenden Ahmadis“ vor. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die sog. mittelbare, d. h. nicht unmittelbar vom Staat ausgehende Gruppenverfolgung die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Im Unterschied zur mittelbaren Gruppenverfolgung kann allerdings eine staatliche Gruppenverfolgung schon dann anzunehmen sein, wenn zwar „Referenz“- oder Vergleichsfälle durchgeführter Verfolgungsmaßnahmen zum Nachweis einer jedem Gruppenmitglied drohenden „Wiederholungsgefahr“ nicht im erforderlichen Umfang oder überhaupt (noch) nicht festgestellt werden können, aber hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht (BVerwG, Urt. v. 18.7.2006 - 1 C 15/05 -, juris Rn. 20).

Nach diesen Vorgaben beruht die hier zu bejahende Verfolgungsdichte grundlegend auf den verfassungs- bzw. strafrechtlichen Vorschriften, die unmittelbar an die Glaubenszugehörigkeit bzw. -ausübung anknüpfen, so dass tatsächlich jeder Gruppenangehörige betroffen ist. Jedenfalls liegt insoweit ein staatliches Verfolgungsprogramm vor. Das würde allerdings dann nicht zur Begründung der erforderlichen Verfolgungsdichte genügen, wenn Verstöße gegen die Verbote tatsächlich nicht durchgesetzt würden, denn ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, begründet keine Verfolgungsgefahr (BVerwG, Urt. v. 2.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn. 28). Dafür, dass bezogen auf die bekennenden Ahmadis in Pakistan ein solcher Sachverhalt vorliegt, ist aber nichts ersichtlich. Insoweit ist allerdings die Anzahl gegen Ahmadis eingeleiteter Verfahren nur bedingt aussagekräftig (VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn. 115; VG Osnabrück, Urt. v. 19.4.2018 - 5 A 1533/17 -, Veröff. n. b.). Denn zum einen wird ein strafbewehrtes Verbot auch dann „durchgesetzt“, wenn es keine Verfahren gibt, weil das Verbot aus Angst vor Bestrafung beachtet wird. Auch ein erzwungener Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann ein Eingriff in die Religionsfreiheit sein (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 -10 C 23/12 -, juris Rn. 26), und um einen solchen geht es hier (nur). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ist davon auszugehen, dass die seit Jahrzehnten bestehende Gesetzgebung tatsächlich entsprechende „Früchte“ getragen hat und verfolgungsträchtige öffentliche Glaubensbetätigungen kaum mehr stattfinden (VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn. 119). Zum anderen kann es im Fall der Ahmadis in Pakistan nicht allein auf durchgeführte Strafverfahren angekommen, weil die Verfolgungsintensität maßgeblich auch auf unzweifelhaft zahlreichen strafrechtlich bzw. ordnungsrechtlich nicht geahndeten Verfolgungsakten privater Akteure beruht und Ahmadis in Pakistan in einem Klima großer Feindseligkeit leben (VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn. 115).

bb) Bei den übrigen Ahmadis, für die nicht davon auszugehen ist, dass sie zu der oben beschriebenen Gruppe der „bekennenden“ Ahmadis gehören, liegt zwar nicht bereits ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit vor. Jedoch können sie durch Verfolgungshandlungen, die in andere Rechtsgüter, wie insbesondere Leib und Leben, eingreifen, betroffen sein. Dabei sind ebenfalls alle Akte zu berücksichtigten, denen der Antragsteller ausgesetzt war oder ausgesetzt zu werden drohte, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bzw. § 3a Abs. 1 AsylG gelten können. Insoweit kann insbesondere die nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG erforderliche Kumulationsbetrachtung Bedeutung erlangen. Einzustellen sind danach sowohl schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG) als auch Diskriminierungen, die für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen (BVerwG, Urt. v.20.2.2013 -10 C 23/12 -, juris Rn. 34).

Bei dieser Prüfung ist im Fall der Ahmadis in Pakistan sozusagen als „Hintergrundrauschen“ zu berücksichtigen, dass die oben erwähnten Gesetze, welche die Glaubensgemeinschaft der Ahmadis einschränken, teilweise auch „nicht bekennende“ Ahmadis treffen (VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn. 122). Insofern ist zu prüfen, ob dieses „Hintergrundrauschen“ in Kombination mit den von dem Antragsteller erfahrenen weiteren Eingriffshandlungen, wie insbesondere sonstigen Diskriminierungen, aber auch Eingriffen bzw. Gefährdungen von Leib und Leben durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure, den erforderlichen Schweregrad für eine Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG erreicht.

d) Gemessen daran haben die Kläger Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Sie haben zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft vorgetragen, dass sie „bekennende Ahmadis“ sind, denen aufgrund ihres Glaubens eine Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG droht, und dass sie aus begründeter Furcht hiervor Pakistan verlassen haben.

aa) Es ist Sache des Asylbewerbers, die Umstände, aus denen sich die Verfolgung bzw. die Gefahr eines ernsthaften Schadens ergibt, in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts (vgl. VGH BW, Urt. v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 -; Hess. VGH, Urt. v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A -; VG Augsburg, Urt. v. 16.2.2017 - Au 5 K 16.32161 -, jeweils juris). Geht es – wie hier – um die Feststellung der religiösen Identität eines Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass sich die religiöse Identität als innere Tatsache nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen lässt. Dafür ist das religiöse Selbstverständnis eines Asylbewerbers grundsätzlich sowohl vor als auch nach der Ausreise aus dem Herkunftsland von Bedeutung.

Bei Ahmadis aus Pakistan ist nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 -, juris Rn. 31) zunächst festzustellen, ob und seit wann sie der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft angehören. Hierbei dürfte sich die Einholung einer Auskunft der Zentrale der Glaubensgemeinschaft in Deutschland anbieten, die ihrerseits auf die Erkenntnisse des Welt-Headquarters in London – insbesondere zur religiösen Betätigung des Betroffenen in Pakistan – zurückgreifen kann. Zusätzlich kommt die Befragung eines Vertreters der lokalen deutschen Ahmadi-Gemeinde in Betracht, der der Asylbewerber angehört. Schließlich erscheint im gerichtlichen Verfahren eine ausführliche Anhörung des Betroffenen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung in aller Regel unverzichtbar.

bb) Das Gericht ist auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie insbesondere der durchgeführten informatorischen Befragung der Kläger davon überzeugt, dass die Kläger zu der Gruppe der „bekennenden Ahmadis“ gehören, bei denen die Verfolgungshandlung schon in einem hinreichend schweren Eingriff in die Religionsfreiheit liegt, von dem sie bereits kraft ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der bekennenden Ahmadis betroffen sind. Für sie ist der Aspekt des aktiven Bekenntnisses zu ihrem Glauben „besonders wichtig“.

Erforderlich ist insoweit nicht, dass der Betroffene innerlich zerbrechen oder jedenfalls schweren seelischen Schaden nehmen würde, wenn er auf eine entsprechende Praktizierung seines Glaubens verzichten müsste. Jedoch muss die konkrete Glaubenspraxis für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 -, juris Rn. 30).

Die Kläger haben zur Überzeugung der Einzelrichterin glaubhaft gemacht, dass für sie die nach oben Gesagtem verfolgungsträchtige Glaubenspraxis der Ahmadiyya ein zentrales Element ihrer Identität und in diesem Sinne für sie unverzichtbar ist.

Für beide Kläger liegen Mitgliederbescheinigungen der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland vor. Danach sind beide seit ihrer Geburt Mitglieder der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya. Der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland hat auf entsprechende gerichtliche Verfügung schriftlich bestätigt, dass beide Kläger schon in Pakistan gute Kontakt zu ihrer Gemeinde gehalten und ehrenamtliche Aufgaben übernommen hätten. So sei der Kläger zu 1) als Gruppenleiter der lokalen Jugendorganisation und die Klägerin zu 2) als Sekretärin für Finanzen der lokalen Frauenorganisation tätig gewesen. Der Kläger zu 1) sei überdies Musi, d. h. er spendet ein Zehntel seines monatlichen Netto-Einkommens an die Gemeinschaft. Auch in Deutschland hätten beide ihre religiösen Aktivitäten fortgesetzt. So unterstützten sie die örtliche Gemeinde in F., deren Veranstaltungen sie regelmäßig besuchten, bei ehrenamtlichen Aufgaben wie der Mithilfe von Informationsständen, sozialen und karitativen Tätigkeiten.

Die Kläger haben umfangreiches Fotomaterial vorgelegt, das diese Angaben unterstützt. Die Aufnahmen zeigen die Kläger bei der Vorbereitung von Informationsständen sowie bei Treffen mit Geistlichen der Ahmadiyya-Gemeinschaft.

Schließlich hat die informatorische Befragung der Kläger zur Überzeugung der Einzelrichterin ergeben, dass der Glauben und die auch öffentliche gelebte Glaubenspraxis zentrales Element ihrer Identität sind. So haben beide Kläger anschaulich und mit „leuchtenden Augen“ von ihren religiösen Aktivitäten berichtet und so glaubhaft gemacht, dass ihr Leben in besonderer Weise religiös geprägt ist. Ihre religiösen Aktivitäten beginnen bei alltäglichen Ritualen wie Morgengebet und Koranstudium, und reichen bis hin zu großem Einsatz für ihre Gemeinde. So bekleideten beide Kläger schon in ihrer Gemeinde in Pakistan Ehrenämter. Der Kläger zu 1) war Zaim Halka Darusalam, die Klägerin zu 2) Finanzsekretärin. Beide wussten dabei auch zu berichten, dass diese ihre Aktivitäten in Pakistan mit Argwohn beäugt würden und nur mit Einschränkungen möglich seien. So berichtete etwa die Klägerin zu 2), sie habe ihre Aufgaben als Finanzsekretärin zuletzt primär nur noch telefonisch verrichten können, weil der öffentliche Auftritt kaum noch möglich gewesen sei. Zu den Aufgaben des Klägers zu 1) gehörte u. a. der Sicherheitsdienst bei ihrer Moschee, der aufgrund der gegenüber den Ahmadiyya feindlich eingestellten Gesellschaft nach den Anschlägen auf eine Ahmadi-Moschee im Jahr 2010 in Lahore erforderlich war. Beide Kläger berichteten, dass sie ihren Glauben in Deutschland nunmehr befreit von den Beschränkungen in Pakistan leben können. Befragt zu den Möglichkeiten, als Ahmadiyya in Pakistan zum Islam überzutreten, lachte der Kläger zu 1) nur kurz auf und betonte unter Verweis auf einen zentralen Glaubenssatz der Ahmadiyya, eine Konversion komme für ihn keineswegs in Betracht. Der Vortrag der Kläger in der mündlichen Verhandlung zu ihren religiösen Aktivitäten und Überzeugungen war authentisch und detailreich. Die Einzelrichterin ist aufgrunddessen überzeugt, dass den Klägern ihr Glauben und auch das aktive Bekenntnis hierzu besonders wichtig sind und darum als „bekennende Ahmadis“ einen Schutzanspruch haben.

2. Den Klägern steht keine interne Fluchtalternative zur Verfügung.

Gemäß § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Im Fall verfolgter Ahmadis in Pakistan fehlt es insoweit bereits an der nach § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG erforderlichen Verfolgungssicherheit in einem Teil des Heimatlandes. Denn bei den Ahmadis ist die diskriminierende Gesetzeslage in Pakistan die grundlegende Eingriffshandlung, die den Nährboden für die Bedrohung der Ahmadis durch nicht-staatliche Akteure darstellt. Diese Gesetzeslage gilt aber in ganz Pakistan (vgl. VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris Rn.121; VG Wiesbaden, Urt. v. 17.5.2018 - 3 K 478/17.WI.A -, juris, UA S. 15).

Namentlich scheidet auch die (Klein-)Stadt Rabwah als sicherer Zufluchtsort für Ahmadis aus. Rabwah ist eine pakistanische Kleinstadt in der Nähe von Chiniot. Etwa 90 bis 95 % der Bevölkerung gehören der Glaubensgemeinschaft der Ahmadis an.

Zwar ist Rabwah für Ahmadis vergleichsweise sicher. Auch dort gelten aber die oben genannten Gesetze, wobei nicht unterstellt werden kann, die Gesetze würden dort nicht angewandt. Bereits zweimal – 1998 und 2008 – wurde gegen sämtliche Einwohner der Stadt Rabwah, die der Glaubensgemeinschaft der Ahmadis angehören, Strafverfahren auf Grundlage dieser Bestimmungen eingeleitet (VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris, Rn. 121; Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 29). Zudem ist auch in Rabwah die religiöse Betätigung von Ahmadis beschränkt. Größere Ansammlungen von Gläubigen sind verboten (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 25). Ebenso fehlt es an Verfolgungssicherheit im Hinblick auf die Bedrohung durch nicht-staatliche Verfolger; denn zwar sind die Ahmadis in Rabwah weitgehend unter ihresgleichen, zugleich aber für ihre Gegner auch in besonderem Maße sichtbar (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand: 21.8.2018, S. 20; VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris, Rn. 121). Dementsprechend kommt es auch in Rabwah immer wieder zu Übergriffen. Mehrfach im Jahr finden Anti-Ahmadi-Treffen statt, bei denen religiöse Extremisten nach Rabwah reisen und mit Lautsprechern Anti-Ahmadi-Slogans verbreiten, während sich die Ahmadis zu Hause verbarrikadieren (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 25). Das tägliche Leben findet insofern in einem Klima ständiger unterschwelliger Bedrohung statt (Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 12: „underlying sense of threat“).

Da der staatliche „Verfolgungsrahmen“ als Nährboden für sämtliche Eingriffshandlungen gegenüber Ahmadis in Rabwah in gleicher Weise gegeben ist wie im übrigen Land, kann schon insofern schwerlich davon ausgegangen werden, dass in Rabwah Verfolgungssicherheit i. S. d. § 3e Abs. 1 AsylG besteht; dies gilt auch dann, wenn die staatliche Verfolgung ggfs. erst im Zusammenspiel mit der Bedrohung durch nicht-staatliche Akteure den für die Annahme einer Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG erforderlichen Schweregrad erreicht. Denn der pakistanische Staat tritt im Hinblick auf die Ahmadis gerade nicht als „mehrgesichtiger Staat“ auf (vgl. zu diesem Begriff BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, juris, Rn. 62 ff.). Insofern bestehen auch grundsätzliche Bedenken, in dieser Gemengelage vom Bestehen einer internen Fluchtalternative in Rabwah auszugehen. Denn gedacht als staatliche Maßnahme, wäre die Anordnung, alle Ahmadis in die Kleinstaadt Rabwah zu verbringen, ihrerseits eine schwerwiegende Verfolgungshandlung anknüpfend an die Religionszugehörigkeit, die zu einer Segregation der Glaubensgruppe der Ahmadiyya von der übrigen Bevölkerung führte. Angesichts dieser Sachlage erscheint es mit Sinn und Zweck des Instituts des „internen Schutzes“ nicht vereinbar, Rabwah als interne Fluchtalternative für Ahmadis anzusehen. Dies gilt umso mehr, als Rabwah auch kein „Landesteil“ ist, sondern lediglich eine Kleinstadt, was auch Zweifel an der Fähigkeit der Stadt aufwirft, Ahmadis in wirtschaftliche Hinsicht eine tragfähige Lebensgrundlage bieten zu können (vgl. VGH BW, Urt. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 -, juris, Rn. 121). Hinzukommt, dass Ahmadis schon in den benachbarten Städten Faisalabd und Chiniot erhebliche Diskriminierungen erfahren (z. B. durch Schilder, die Ahmadis den Zutritt zu Geschäften verwehren, s. Home Office UK, Country Policy and Information Note, Pakistan: Ahmadis, Stand: Juni 2018, S. 26).

 3. Die Klage ist auch begründet, soweit die Aufhebung der Nummern 3 bis 6 des angefochtenen Bescheids begehrt wird. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lässt die negative Feststellung des Bundesamts hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG gegenstandslos werden, so dass der ablehnende Bescheid auch insoweit aufzuheben ist. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf den Ausspruch zum Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten in Ziff. 4, die Ausreiseaufforderung mitsamt Abschiebungsandrohung in Ziff. 5 sowie die Bestimmung der Frist für ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziff. 6 des angefochtenen Bescheids.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.