Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.03.2013, Az.: 1 Ss 43/13
Anforderungen an die Annahme der Gewerbsmäßigkeit i.S. des § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 11.03.2013
- Aktenzeichen
- 1 Ss 43/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 34658
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2013:0311.1SS43.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 14.01.2013 - AZ: 13 Ns 523/12
Rechtsgrundlage
- § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB
Fundstelle
- StRR 2013, 195
Amtlicher Leitsatz
Zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit i.S. des § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB.
In der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls,
Verteidiger: Rechtsanwalt Czech, Oldenburg,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 11. März 2013
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 14. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Wildeshausen hatte den Angeklagten am 11. Oktober 2012 wegen "gemeinschaftlich begangenen Diebstahls im besonders schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte, in der Hauptverhandlung auf das Strafmaß beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Oldenburg - 13. kleine Strafkammer - mit Urteil vom 14. Januar 2013 mit der Maßgabe verworfen, dass es den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt hat.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Ange-klagten.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat Erfolg. Sie führt auf die allein erhobene Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1.
Das Amtsgericht hatte ausweislich der Liste der angewendeten Vorschriften das Regelbeispiel gewerbsmäßigen Handelns (§ 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB) angenommen. Hierzu hatte es - im Rahmen der Beweiswürdigung - festgestellt, es gehe davon aus, dass die Angeklagten den Dieselkraftstoff abgezapft hätten, um diesen zu veräußern, um hierdurch ihren kargen Lebensunterhalt aufzubessern (UA AG S. 4).
Das Landgericht hat diesbezüglich ausgeführt, die Kammer folgere aus der Menge des Diebesgutes von gut 100 l Dieselkraftstoff, den Umständen der Tat und der Beteiligung von vier Personen in Verbindung mit dem gleichgelagerten Verhalten des Angeklagten vier Jahre zuvor, dass der Angeklagte und seine Mittäter beabsichtigten, den Kraftstoff zu veräußern, um sich daraus eine zusätzliche nicht unerhebliche weitere Einkommensquelle zu verschaffen. Ein Anlass, trotz Verwirklichung dieses Regelbeispiels keinen besonders schweren Fall des Diebstahls nach § 243 StGB anzunehmen, bestehe nach Auffassung der Kammer weder im Hinblick auf die Tatumstände noch angesichts der Person des - einschlägig vorbestraften und unter Bewährung stehenden - Angeklagten noch im Hinblick auf den vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB (UA S. 4 oben).
2.
Zu Recht hat das Landgericht trotz der Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß das Vorliegen gewerbsmäßigen Handelns selbständig geprüft.
Ob es sich bei dem Merkmal der Gewerbsmäßigkeit um eine sog. "doppelrelevante Tatsache" handelt, ist zwar nicht unstreitig.
Dagegen könnte etwa sprechen, dass die Gewerbsmäßigkeit des Vorgehens durch ein subjektives Moment außerhalb des Tatbestandes, nämlich die Absicht der Verschaffung einer dauerhaften Einnahmequelle durch wiederholte Tatbegehung, begründet wird. Daraus wird gefolgert, dass entsprechende Feststellungen das Berufungsgericht nicht binden könnten (so OLG Köln, Beschluss v. 23.05.2003, Ss 202/03, NStZ-RR 2003, 298). Andererseits sind aber ebenso wie die die Tatbegehung selbst beschreibenden Umstände auch die Beweggründe für die Tatbegehung bei einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch einer erneuten Beweiserhebung nicht mehr zugänglich (vgl. BGH, Urteil v. 14.01.1982, 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340), so dass unter diesem Gesichtspunkt im Falle einer derartigen Beschränkung der Berufung auch eine Neubeurteilung des Merkmals der Gewerbsmäßigkeit als nicht mehr zulässig anzusehen wäre (so OLG Karlsruhe, Beschluss v. 02.12.2003, 1 Ss 123/03, NStZ-RR 2004, 271).
Auch letzteres gilt indessen nur dann, wenn Beweggründe der Tat festgestellt sind, die deren rechtliche Einordnung als gewerbsmäßig auch rechtfertigen (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.11.2002, 2 SIRR 152/02, NStZ-RR 2003, 209 [BayObLG 20.11.2002 - 2 St RR 152/02]). Allein die durch das Amtsgericht getroffene Feststellung, der Angeklagte habe die Tat begangen, um den Treibstoff zu veräußern und hierdurch seinen kargen Lebensunterhalt aufzubessern, reicht hierzu nicht aus. Denn ein gewerbsmäßiges Handeln im Sinne von § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich aus wiederholten Diebstählen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen. Die bloße Absicht der Veräußerung von Diebesgut im Einzelfall genügt nicht (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 243 Rz. 18 m.w.N.).
Indessen tragen auch die Ausführungen des Landgerichts zu den Beweg-gründen des Angeklagten nicht die Annahme des Regelbeispiels gemäß § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Denn auch die Strafkammer hat eine entsprechende Vorstellung des Angeklagten, nämlich zukünftig weitere Diebstahlstaten zu begehen, nicht festgestellt. Allein die Feststellung, der Angeklagte und seine Mittäter hätten beabsichtigt, den Kraftstoff (also die konkrete Tatbeute) zu veräußern, um sich daraus eine zusätzliche, nicht unerhebliche weitere Einkommensquelle zu verschaffen, sowie die Begehung einer gleichgelagerten Tat durch den Angeklagten vier Jahre zuvor, belegen ein derartiges Tatmotiv nicht.
Auf diesem Rechtsfehler beruht auch das Urteil. Die Strafkammer hat bei der Strafzumessung ersichtlich den - gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten (UA S. 3) - Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt.
Das angefochtene Urteil war daher auf die Revision des Angeklagten aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückzuverweisen.