Landgericht Hildesheim
Urt. v. 31.08.1989, Az.: 5 O 66/89

Bewertung des Vorkaufsrechts mit 2 % des Grundstückswerts; Abweichung von der Bewertung des Vorkaufsrechts in Ausnahmefällen

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
31.08.1989
Aktenzeichen
5 O 66/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 20126
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:1989:0831.5O66.89.0A

Fundstellen

  • KTS 1990, 455
  • Rpfleger 1990, 87 (Volltext mit red. LS)
  • ZIP 1990, 200-201

Verfahrensgegenstand

Widerspruch im Verteilungsverfahren

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die mündliche Verhandlung
vom 17. August 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ...
und den Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2 400,- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen des Herrn ... Alfeld. Zu Gunsten des Gemeinschuldners waren im Grundbuch von ... in Abt. II unter den lfd. Nrn. 14 u. 15 zwei dingliche Vorkaufsrechte für alle Verkaufsfälle eingetragen. Dieses Grundstück (Flurstück 40/16 mit der Größe 38 m2 sowie Flurstück 40/24 mit der Größe 20 a 43 m2) wurde zwangsversteigert. Nach dem Gutachten des Sachverständigen ... vom 11. April 1985 betrug der Verkehrswert des Flurstücks 40/24 465 000,- DM, der des Flurstücks 40/16 1 500,- DM. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 25 ff der Beiakten 5 K 2/88 des Amtsgerichts Alfeld verwiesen.

2

Den Zuschlag erhielt in der Zwangsversteigerung Herr ... aus Alfeld zu einem Gebot von 285 000,- DM.

3

Durch den Zuschlag sind die dinglichen Vorkaufsrechte des Klägers erloschen, § 90, 91 ZVG. Der Kläger machte daraufhin im Verteilungsverfahren Wertersatz gemäß § 92 ZVG in Höhe von insgesamt 39 329,33 DM geltend. Hiervon hat das Amtsgericht im vorläufigen Teilungsplan vom 17.4.1989 (Bd.. II Bl. 69 ff. der Beiakten) lediglich 9 300,- DM für das Flurstück 40/24 sowie 30,- DM für das Flurstück 40/16 berücksichtigt. Diese Festsetzung entspricht 2 % des nach dem Sachverständigengutachten anzunehmenden Verkehrswerts.

4

Der Kläger hat gegen den vorläufigen Teilungsplan vom 17.4.1989 Widerspruch eingelegt und verfolgt nunmehr im Klageverfahren sein Begehren fort. Nachdem die Beklagte, für die im vorläufigen Teilungsplan vorrangig 153 480,66 DM berücksichtigt worden sind, einer anderweitigen Verteilung widersprochen hatte, ist der streitige Differenzbetrag in Höhe von 29 999,33 DM hinterlegt worden. Diesen beansprucht der Kläger mit der Behauptung, die Vorkaufsrechte hätten das belastete Grundstück in erheblichem Maße behindert. Dies sei bei der Bewertung der Vorkaufsrechte zu berücksichtigen. Er meint, der Wert des Vorkaufsrechts habe sich an dem Schaden zu orientieren, den der Kläger dadurch erleide, daß er infolge des Erlöschens in künftigen Fällen der Veräußerung das Vorkaufsrecht nicht mehr geltend machen kann.

5

Der Kläger beantragt:

Der Widerspruch des Klägers gegen den Teilungsplan des Amtsgerichts Alfeld vom 17. April 1989 im Verteilungsverfahren - ... - ist begründet. Der Teilungsplan wird dahin geändert, daß der Kläger mit seiner Forderung in Höhe von 29 999,33 DM vor derjenigen der Beklagten zu befriedigen ist. Die Beklagte wird verurteilt, einer Auszahlung dieses Betrages vom Sonderkonto bei der Volksbank ... Konto-Nr. ... an den Kläger zuzustimmen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

7

Sie hält die Wertfestsetzung mit 2 % des Verkehrswerts für die weggefallenen Vorkaufsrechte für zutreffend.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie der von ihnen überreichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist nicht begründet. Die infolge der Zwangsversteigerung weggefallenen Vorkaufsrechte des Gemeinschuldners sind mit 9 300,- DM bzw. 30,- DM, was einem Anteil von 2 % des im Gutachten ermittelten Verkehrswerts der Grundstücke entspricht, zutreffend bewertet worden.

10

Gemäß § 92 Abs. 1 VG tritt an die Stelle des durch Zuschlag erloschenen Vorkaufsrecht der Anspruch auf Ersatz des Wertes aus dem Versteigerungserlös. Das Gericht hat die Höhe dieses Anspruchs auf Wertersatz zu ermitteln, wobei bei der Ersatzwertfestsetzung das tatsächliche Interesse am Fortbestehen des Rechts zu berücksichtigen ist.

11

Die Kammer schließt sich der herrschenden Auffassung (vgl. etwa Steiner/Eickmann, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl. Bd. 1 § 92 Rdnr. 49; Stoll, BB 1953, S. 49; Sichtermann, BB 1953, S. 543, jeweils m.w.N.) an, wonach im Normalfall der Wert des Vorkaufsrechts mit 2 % des Grundstuckswerts anzusetzen ist. Dies rechtfertigt sich daraus, daß das Vorkaufsrecht im Regelfall keinen besonderen wirtschaftlichen Vorteil darstellt, da der Vorkaufsberechtigte gemäß § 505 Abs. 2 BGB nur zu den vom Verpflichteten mit einem Dritten ausgehandelten Bedingungen das Grundstück erwerben kann, regelmäßig also nur zum Marktpreis.

12

Etwas anderes könnte lediglich dann gelten, wenn das Grundstück für den Vorkaufsberechtigten eine besondere Bedeutung hätte, etwa deshalb, weil gerade ihm eine besondere Nutzung des Grundstücks möglich ist, er bereits vorhandenen Grundbesitz arrondieren könnte oder weil andere, nur ihn besonders begünstigende Umstände gegeben sind. Hiervon kann im gegebenen Fall jedoch nicht ausgegangen werden. Der Kläger hat keinerlei Anhaltspunkte dargetan, die eine Abweichung vom Regelfall rechtfertigen würden. Soweit der Kläger unter Hinweis auf Zeller, ZVG, § 92 Rdn. 3 (11) darauf hinweist, der Wert des Vorkaufsrechtes sei wohl der Grundstückswert abzüglich dessen, was der Berechtigte dafür hätte aufwenden müssen und meint, dementsprechend sei das Vorkaufsrecht mit der Differenz zwischen dem Bargebot, das den Zuschlag erhielt (hier 285 000,- DM) und dem ermittelten Verkehrswert (hier 466 500,- DM) zu bewerten, hält die Kammer diese Art der Wertermittlung für nicht zutreffend. Die Ersteigerung eines Grundstücks unter dem ermittelten Verkehrswert zeigt gerade, daß für das entsprechende Grundstück kein besonderes Interesse vorhanden ist. Solange auch der Kläger diese nicht dartut, kann von einem besonderen wirtschaftlichen Verlust durch Wegfall des Vorkaufsrecht nicht ausgegangen werden.

13

Der Kläger kann damit nur die im Zahlungsplan bereits berücksichtigte, "übliche" Entschädigung beanspruchen. Die auf eine weitergehende Entschädigung gerichtete Klage war damit abzuweisen.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.