Landgericht Braunschweig
Urt. v. 08.03.1983, Az.: 6 S 356/82
Feststellung des Bestehens eines als Grunddienstbarkeit auf einem Nachbargrundstück eingetragenenÜberfahrtrechts für zwei Pkw's; Bewilligung einer Baulast zur Sicherung der Zufahrt zu einer Doppelgarage über ein Nachbargrundstück; Durchsetzung des Überfahrrechts durch Erlaß und Vollziehung von Verwaltungsakten durch die Baubehörde
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 08.03.1983
- Aktenzeichen
- 6 S 356/82
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1983, 13440
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:1983:0308.6S356.82.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 29.09.1982 - AZ: 17 C 403/82
Rechtsgrundlagen
- § 5 NBO
- § 256 Abs. 1 ZPO
- § 875 BGB
In dem Rechtsstreit
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 1983
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... und
die Richter am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 29.09.1982 wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, daß die im Grundbuch von Braunschweig Band ... Blatt ... in Abteilung laufende Nummer ... eingetragene Grunddienstbarkeit zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks der Kläger - Überfahrtrecht für zwei Pkw - besteht und vor den Klägern als den Eigentümern des begünstigten Grundstücks ausgeübt werden kann.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
- 3.
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat jedoch nur teilweise Erfolg.
Die Kläger verlangen zum einen die Feststellung, daß das zu Gunsten ihres Grundstücks auf dem Grundstück der Beklagten als Grunddienstbarkeit eingetragene Überfahrtrecht für zwei Pkw besteht und von den Klägern ausgeübt werden kann. Die Kläger begehren ferner die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung einer Baulast zur Sicherung der Zufahrt zu einer Doppelgarage auf dem Grundstück der Kläger über das Grundstück der Beklagten, weil das Bauordnungsamt der Stadt Braunschweig die Genehmigung der Verlegung der Öffnungen der Garage zum Grundstück der Beklagten hin mit der aufschiebenden Bedingung erteilte, daß vor Baubeginn eine solche Baulast gemäß § 5 NBO begründet wird. Der Feststellungsantrag der Kläger ist begründet, nicht jedoch der Antrag, die Beklagten zur Bewilligung der Baulast zu verurteilen.
Die Grunddienstbarkeit verpflichtet die Beklagten und ihre Rechtsnachfolger nur auf privatrechtlicher Grundlage, die Überfahrt über ihr Grundstück zu dulden. Die Bewilligung der Baulast würde darüber hinaus zu öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Beklagten führen. Nach überwiegender Meinung könnte die Baubehörde aufgrund der Baulast unabhängig vom Willen der Eigentümer des begünstigten Grundstücks die freie Überfahrt über das Grundstück der Beklagten durch den Erlaß und die Vollziehung von Verwaltungsakten durchsetzen (vgl. BGH NJW 81, 980 [BGH 09.01.1981 - V ZR 58/79] und Blumenbach/Groschupf NBO Kommentar 1977, § 92 Anm. Randz. 15 jeweils m.w.N.). Auch läge eine etwaige Entscheidung über die Aufhebung der Baulast gem. § 92 Abs. 3 NBO allein bei der Behörde. Die Baulast ist also unabhängig von den Interessen, die zu ihrer Entstehung führten, der privaten Dispositionsbefugnis entzogen (BGH Verwaltungsrechtsprechung 79, 52), über Durchsetzung und Aufhebung der Baulast entscheidet die Behörde allein und nur unter öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten. Es läßt sich demnach nicht ausschließen, daß die Behörde die Beklagten oder ihre Rechtsnachfolger als Grundstückseigentümer im Einzelfall stärker in Anspruch nimmt als es die Kläger oder deren Rechtsnachfolger tun oder überhaupt wünschen. Der Umfang der Grunddienstbarkeit gibt demnach den Klägern nicht das Recht, von den Beklagten zu verlangen, daß sie sich derartigen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, auch wenn diese im einzelnen nicht vorhersehbar sind, unterwerfen.
Eine Verpflichtung der Beklagten, die Baulast zu bewilligen, könnte allenfalls angenommen werden, wenn die privatrechtliche Verpflichtung der Beklagten, die überfahrt mit zwei Pkw zu dulden, gerade den Zweck verfolgte, die An- und Abfahrt zu und von der damals schon auf dem Grundstück der Kläger vorhandenen Doppelgarage zu ermöglichen. Für einen solchen eingeschränkten Zweck der Bestellung der Grunddienstbarkeit sprechen aber weder der eingetragene Wortlaut noch die Umstände ihrer Begründung. Die Parteien haben nicht vorgetragen, daß im Zusammenhang mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit von einer Verlegung der Garagenöffnungen zum Grundstück der Beklagten hin gesprochen worden wäre. Deshalb sind die Beklagten nicht verpflichtet, gerade diejenige Art der Ausnutzung der Grunddienstbarkeit zu ermöglichen, die die Kläger jetzt wünschen. Die Beklagten sind demnach auch nicht verpflichtet, zur Erreichung dieser besonderen Art der Nutzung weitergehende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen einzugehen. Aus der Tatsache, daß sich die Grunddienstbarkeit nicht im Dulden des An- und Abfahrens zu und von der vorhandenen Garage auf dem Grundstück der Kläger erschöpft, folgt aber auch, daß die Grunddienstbarkeit durch die Weigerung der Beklagten, die Baulast zu bewilligen, nicht völlig entwertet wird, so daß auch nicht mit dieser Begründung die Bewilligung der Baulast verlangt werden kann.
Der Feststellungsantrag der Kläger ist hingegen zulässig und sachlich begründet. Insbesondere ist das rechtliche Interesse der Kläger an der Feststellung im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen. Es ergibt sich daraus, daß die Beklagten nicht nur die Bewilligung der Baulast verweigern, sondern sich auch den Klägern gegenüber auf den Standpunkt gestellt haben, daß die Grunddienstbarkeit nicht mehr bestehe, weil die Kläger auf sie verzichtet hätten. Eine förmliche Aufhebung der im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit würde gem. § 875 BGB eine Löschung im Grundbuch voraussetzen. Sie ist nicht erfolgt. Es bestehen aber auch keine Gründe, die Ausübung der Grunddienstbarkeit durch die Kläger als Eigentümer des begünstigten Grundstücks als unzulässig anzusehen (vgl. Palandt-Bassenge, BGB Kommentar 40. Aufl. 1981, § 1018 Anm. 4 b). Keinesfalls reicht hierfür die Tatsache, daß die Kläger noch vor der Bestellung der Grunddienstbarkeit die bislang bestehende Einfahrt auf ihrem eigenen Grundstück neu pflasterten und die zu dieser Einfahrt hinweisenden Garagentore erneuerten. Die Ausübung der Grunddienstbarkeit ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Kläger in die vorhandene Garage nicht über das Grundstück der Beklagten fahren können. Diese Art der Ausnutzung der Grunddienstbarkeit dürfte daran scheitern, daß die Baugenehmigung für die Verlegung der Öffnungen der Garage zum Grundstück der Beklagten hin von der Bewilligung einer Baulast durch die Beklagten abhängt und die Beklagten nicht verpflichtet sind, diese Baulast zu bewilligen. Die Kläger sind aber, wie oben dargelegt, nicht gehindert, die Grunddienstbarkeit in jeder anderen Weise auszunützen. Deshalb war dem Feststellungsantrag der Kläger stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97 ZPO.