Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 01.07.2010, Az.: 11 B 2749/10

Ermessen; Feiertag; Feiertagsschutz; Gartencenter; Kleinbedarf; Ladenschluss; Reisebedarf; Schutz; Sonntag; Sonntagsöffnung; Topfblume; Verkaufsstelle; Zwangsgeld; Öffnung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
01.07.2010
Aktenzeichen
11 B 2749/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 47982
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Überwiegend für den Außenbereich vorgesehene Blumen sind nicht als Topfblumen im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziffer 3 NLöffVZG anzusehen und damit nicht als Waren des täglichen Kleinbedarfs vom Verbot nach § 3 Abs. 2 NLöffVZG bezüglich des Verkaufs an Sonn- und Feiertagen ausgenommen.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 EURO festgesetzt.

Gründe

1

Der am 18.06.2010 von der Antragstellerin gestellte Antrag mit dem Begehren,

2

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (Az.: 11 A 2764/10) gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 10.06.2010 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

3

ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin wendet, entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und hinsichtlich der Androhung des Zwangsgeldes gemäß § 80 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO i. V. m. § 64 Abs. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG).

4

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der unter Androhung eines Zwangsgeldes ausgesprochenen Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 10.06.2010 überwiegt das besondere Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer hiergegen gerichteten Klage vom 18.06.2010 (Az.: 11 A 2764/10). Bei summarischer Prüfung erweist sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.

5

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.0000,00 Euro und Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzugeben, das gesetzliche Verbot nach § 3 Abs. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über die Ladenöffnungszeiten (NLöffVZG) zu beachten und ab sofort ihr Gartencenter in C. sonntags und feiertags geschlossen zu halten, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

6

Zur Begründung wird in vollem Umfang gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen Verfügung der Antragsgegnerin vom 10.06.2010 Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.

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Die Antraggegnerin hat ihre Ordnungsverfügung zutreffend auf § 3 Abs. 2 NLöffVZG i.V.m. § 11 Nds. SOG gestützt und das ihr eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie ist zu recht davon ausgegangen, dass kein Ausnahmefall des § 4 Abs. 1 Ziffer 3 a NLöffVZG zugunsten der Antragstellerin angenommen werden kann, weil ihre Verkaufsstelle in C. nach ihrer Größe und ihrem Sortiment nicht auf den Verkauf von täglichem Kleinbedarf ausgerichtet ist. Waren des täglichen Kleinbedarfs sind nach der Definition in § 2 Abs. 2 Ziffer 3 NLöffVZG Schnitt- und Topfblumen, Pflanzengestecke, Kränze und Weihnachtsbäume. Die Aufzählung der zum Warenkorb des täglichen Kleinbedarfs gehörenden Artikel ist nach der Begründung des Gesetzesentwurfs des NLöffVZG (Niedersächsischer Landtag, Drucks. 15/3276 S. 9) abschließend.

8

Dieses Sortiment ist bereits nach dem eigenen Auftritt der Antragstellerin in der Werbung überschritten. In den mit den Verwaltungsvorgängen von der Antragsgegnerin vorgelegten Beilagen zum Anzeigenblatt "Deister aktuell" vom 08.05.2010, 22.05.2010 und 05.06.2010 wirbt die Antragstellerin außerhalb der von der Antragsgegnerin nach § 5 NLöffVZG zugelassenen verkaufsoffenen Sonntage im Zusammenhang mit dem rot umrandeten Hinweis "Unser Gartencenter in C. hat jeden Sonntag für Sie von 10-13 Uhr geöffnet" neben verschiedenen XXL-Stauden, Edel- und Beetrosen unter anderem mit Rindenmulch im 60-Liter-Sack, Spielsand (25 kg), Drucksprühgerät (5 Liter), PVC-Gartenschlauch (20 m) und Sonnenschirmen. Die Darstellung suggeriert dem potentiellen Kunden durch ihre Gestaltung, dass zumindest auch die nicht dem Pflanzenbereich der Definition in § 2 Abs. 2 Ziffer 3 NLöffVZG zuzurechnenden und in ihrem Umfang weit über den täglichen Kleinbedarf hinausgehenden Artikel am Sonntag erworben werden können.

9

Selbst wenn sich die sonntags zum Verkauf auf der jeweils 300 m² großen Warm- und Kalthalle und einer weiteren Freifläche angebotenen Waren dem Vorbringen der Antragstellerin folgend fast ausschließlich auf Topfblumen und Pflanzengestecke für den Innen- und Außenbereich beschränken sollte, wäre auch dieses Sortiment nicht von der Ausnahmeregelung für Sonn- und Feiertage erfasst.

10

Der aus der abschließenden Aufzählung der Pflanzen in § 2 Abs. 2 Ziffer 3 NLöffVZG ersichtliche Zusammenhang und die aus der Begründung des Gesetzentwurfs erkennbare Entwicklung und der mit der Neuregelung erstrebte Zweck sprechen vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber als "Topfblumen" im Sinne dieser Ausnahmeregelung nicht umfassend alle im Topf verkauften Blumen in Abgrenzung zur Ballenware verstanden haben will. Allein auf die äußere Form abzustellen, ist unzureichend, da in Gartencentern und Gärtnereien die Pflanzen - auch über den täglichen Kleinbedarf hinaus - überwiegend in Töpfen angeboten werden, um den Transport zu erleichtern.

11

Der Gesetzgeber hat den abschließend definierten Warenkorb des täglichen Kleinbedarfs aus dem Warenkorb des bislang im Ladenschlussgesetz verwendeten "Reisebedarfs" und den in der Verordnung über den Verkauf bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen genannten Waren zusammengesetzt und nach dem Entwurf vom 01.11.2006 um Hygieneartikel, Adventskränze und -gestecke und Weihnachtsbäume ergänzt und dabei zur Anpassung an die veränderten Lebensverhältnisse die Waren von der Verkaufsstelle entkoppelt und bewusst auf den Begriff des "Reisebedarfs" verzichtet, weil dieser Warenkorb nur an Reisende verkauft werden dürfte (Niedersächsischer Landtag, Drucks. 15/3276 S. 9, 10). Eine über diesen Adressatenkreis und die ergänzend aufgeführten Artikel hinausgehende Erweiterung des Warenkorbes des täglichen Kleinbedarfs ist dem Entwurf nicht zu entnehmen und wäre auch nicht mit der Intention vereinbar, die Regelungen zum Ladenschluss den sich in den letzten Jahren nachhaltig veränderten Rahmenbedingungen anzugleichen, dabei aber die Ausnahmen für die Öffnungen an Sonn- und Feiertagen im Interesse des Sonn- und Feiertagsschutzes auf das notwendige Maß zu beschränken (vgl. a.a.O., Drucks. 15/3276 S. 5).

12

Eine diesem Zweck entsprechende Auslegung steht einer Freigabe des Verkaufs aller im Topf angebotenen Blumen an Sonn- und Feiertagen entgegen.

13

Auch wenn die endgültige Fassung des NLöffVZG in § 2 Abs. 2 Ziffer 3 in Ergänzung zu den Schnitt- und Topfblumen "Pflanzengestecke, Kränze und Weihnachtsbäume" nennt, so lässt die im Entwurf vorgesehene Konkretisierung auf "Adventskränze und -gestecke und Weihnachtsbäume" erkennen, dass der Gesetzgeber neben Weihnachtsbäumen in der Regel für den Innenbereich vorgesehene Blumengebinde im Blick hatte, diese in der endgültigen Fassung aber nicht mehr auf die Advents- und Weihnachtszeit beschränken wollte. Da auch die vom Gesetzgeber als Einheit mit den Topfblumen aufgeführten Schnittblumen überwiegend für den Innenbereich erworben werden, kann in diesem Zusammenhang davon ausgegangen werden, dass nur überwiegend für den Innenbereich bestimmte Topfblumen von der Ausnahmevorschrift erfasst werden.

14

Jedenfalls erfüllen die nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin an Sonntagen verkauften Blumen für den Außenbereich, wie Beetpflanzen und Hochstammpflanzen, diese Anforderungen nicht. Sie werden zwar überwiegend aus praktischen Gründen im Topf verkauft, sind aber zum Auspflanzen im Außenbereich vorgesehen. Sie gehören als "Dauerpflanzen" im Außenbereich nicht zum täglichen Bedarf.

15

Wegen der abschließenden Definition der zugelassenen Waren in § 2 Abs. 2 Ziffer 3 NLöffVZG können die aufgeführten Waren auch nicht dadurch zum Kleinbedarf werden, dass der Durchschnitts-Bon pro Kunde nach dem Vortrag der Antragstellerin beim Verkauf an Sonntagen unter 20,00 € beträgt.

16

Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Verkauf an Sonn- und Feiertagen in anderen Gartencentern mit größeren Verkaufsflächen nicht untersagt worden ist. Eine Gleichbehandlung im Unrecht kann die Antragstellerin nicht erwirken.

17

Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehungist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin ist insofern zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und dem privaten Interesse der Antragstellerin an der Sonntagsöffnung das öffentliche Interesse, der Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen unverzüglich und wirksam zu begegnen, überwiegt und dass jeder weitere Verstoß gegen die Ladenöffnungszeiten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht hingenommen werden kann. Im Rahmen der ergänzenden Ermessensausübung hat die Antragsgegnerin im Antragsverfahren zudem darauf abgestellt, dass im Hinblick auf die vorgetragenen wirtschaftlichen Ergebnisse des Sonntagsverkaufs bei einer Schließung der Verkaufsstelle ein beachtlicher Einnahmeverlust nicht zu erwarten und die Anpassung des Werbematerials problemlos möglich ist.

18

Die Androhung des Zwangsgeldes lässt ebenfalls keine Ermessensfehler erkennen.

19

Der Antrag ist mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

20

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Ziffer 54.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (GewArch. 2005, S. 67). Dieser legt abweichend von einer vollständigen Gewerbeuntersagung für die von den Auswirkungen für den Gewerbetreibenden durch die untersagte Sonntagsöffnung für drei Stunden vergleichbare Sperrzeitregelung den Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten zusätzlichen Gewinns, mindestens 7.500,00 Euro, zugrunde. Da die Antragstellerin von dem nach ihrem Vorbringen pro Sonntagsverkauf erzielten zusätzlichen Umsatz in Höhe von mit 500,00 Euro allein die Kosten decken kann, legt die Kammer den Mindeststreitwert zugrunde. Die Androhung des Zwangsmittels bleibt gemäß Ziffer 1.6.2 des Streitwertkatalogs für die Streitwertfestsetzung außer Betracht. Wegen der Vorwegnahme der Hauptsache ist eine Reduzierung des Streitwertes vorliegend nicht gerechtfertigt.