Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.07.2018, Az.: 17 UF 64/18

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.07.2018
Aktenzeichen
17 UF 64/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 42026
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Uelzen - 16.03.2018 - AZ: 3a F 305/17

In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für
1. C. T., geboren am 00.00.2006,
2. M. T., geboren am 00.00.2008,
3. G. T., geboren am 00.00.2010,
Verfahrensbeistand:
B. S.,
Beteiligte:
1. H. M.-T., geb. S.,
Kindesmutter, Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte: pp.
2. C. T.,
Kindesvater, Antragsgegner und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte: pp.
3. Landkreis U.
hat der 17. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht F.., den Richter am Oberlandesgericht K. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. M. am 3. Juli 2018 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Uelzen vom 16. März 2018 geändert und der Antrag der Kindesmutter auf Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zur Durchsetzung eines etwaigen Anspruches der Kinder auf Darlehenszinsen gegen den Kindesvater zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt € 1.000,-, der Wert des Verfahrens erster Instanz wird gleichfalls auf € 1.000,- festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kindesvater wendet sich gegen einen Beschluss, durch den die alleinige Befugnis der Kindesmutter begründet worden ist, über die Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruches der Kinder gegen den Kindesvater zu entscheiden.

Die Kindeseltern waren miteinander verheiratet. Ihrer seit 2013 rechtskräftig geschiedenen Ehe entstammen die hier betroffenen Kinder C. T., geb. am 00.00.2006, M. T., geb. am 00.00.2008, und G. T., geb. am 00.00.2010, für die beide Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt sind.

Der Kindesvater unterzeichnete am 22. Oktober 2012 ein Schriftstück, in dem es heißt:

"Hiermit bestätige ich, dass ich am 15.10.2012 von meinen Kindern C. 10.000,- €, M. 7.000,- €, G. 3.000,- € als Betriebskredit auf mein Kanzleikonto erhalten habe. Die Summe zahle ich bis zum 15.10.2014 mit 5% Zinsen p.a. zurück.

..."

Auf Antrag der Kindesmutter, die der Meinung ist, der Kindesvater schulde die auf die genannten Beträge angefallenen Zinsen und diesen Anspruch namens der Kinder gerichtlich durchsetzen möchte, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Uelzen, nach Anhörung der Kindeseltern und eines bestellten Verfahrensbeistandes, der Kindesmutter die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Durchsetzung des Anspruches auf Darlehenszinsen einschließlich der Befugnis, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, übertragen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters, die dieser damit begründet, dass die Übertragung dem Kindeswohl nicht entspreche; zudem sei § 1628 BGB auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche mangels erheblicher Bedeutung nicht anwendbar.

II.

Die nach § 58 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet. Das Amtsgericht hat zu Unrecht die alleinige Befugnis der Kindesmutter begründet, über die gerichtliche Durchsetzung der hier gegenständlichen Zinsansprüche gegen den Kindesvater zu entscheiden. Anders als das Amtsgericht meint, ist § 1628 BGB auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen einen Elternteil im Grundsatz nicht anwendbar; dafür bedarf es vielmehr der Bestellung eines Ergänzungspflegers.

1. § 1628 BGB ermöglicht es gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bei Streit über eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, die die Eltern nach § 1687 Satz 1 BGB gemeinsam zu entscheiden haben, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Die Vorschrift dient dazu, in einzelnen, von der gemeinsamen Entscheidungsbefugnis umfassten Angelegenheiten eine vom Kindeswohl geforderte Entscheidung auch dann zu ermöglichen, wenn den Eltern entgegen § 1627 BGB eine Einigung nicht gelingt (vgl. Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, BGB; Neubearb. 2015, § 1628 Rz, 11 ff.). Voraussetzung für die gerichtliche Befugnis, in einer einzelnen Angelegenheit eine Verteilung der elterlichen Sorge vorzunehmen, ist dementsprechend, dass beide Elternteile in der fraglichen Angelegenheit gemeinsam entscheidungsbefugt sind. Die durch § 1628 BGB begründete gerichtliche Entscheidungsbefugnis richtet sich darauf, aufgrund einer Kindeswohlprüfung (§ 1697 a BGB) einen der zuvor gleichermaßen und gemeinsam entscheidungsbefugten Elternteile auszuwählen, der die streitige Entscheidung sodann allein vornimmt.

Eine solche Entscheidung zwischen zwei entscheidungsbefugten Elternteilen ist hier nicht zu treffen. Die Kindesmutter begehrt die Entscheidungsbefugnis, um die Kinder bei Durchsetzung eines behaupteten Anspruches gegen den Kindesvater allein zu vertreten. Dafür gilt § 1628 BGB nicht. Zwar begründet die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil auch dessen alleinige Vertretungsmacht nach außen (vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB), so dass die begehrte Alleinvertretungsmacht auch über § 1628 BGB, als Reflex der Entscheidungszuständigkeit, herbeigeführt werden kann. Das setzt aber voraus, dass beide Kindeseltern für einen Rechtsstreit zwischen Kind und einem Elternteil grundsätzlich entscheidungs- und vertretungsbefugt sind. Das ist nicht der Fall; dementsprechend kann das Gericht auch nicht einen Elternteil auswählen, dem die alleinige Vertretungsmacht zugewiesen werden kann.

Nach § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB vertreten gemeinsam sorgeberechtigte Elternteile das Kind gemeinschaftlich. Keine Vertretungsmacht der Eltern bzw. eines Elternteiles besteht nach § 1629 Abs. 2 BGB für Rechtsgeschäfte, bei denen ein Vormund gemäß § 1795 Abs. 1 BGB von der Vertretung ausgeschlossen wäre. Dazu gehört auch die gerichtliche Durchsetzung einer Forderung gegen den Vormund (statt aller: Spickhoff in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1795 Rz. 38 m. w. N.), so dass der in Anspruch genommene Elternteil das Kind im Verfahren nicht vertreten kann (vgl. Veit, Beck´scher Onlinekommentar, BGB, Stand 2018, § 1629 Rz. 50). Vor diesem Hintergrund ist der Kindesvater schon kraft Gesetzes von der Vertretung der Kinder ausgeschlossen. Bereits dies schließt die von § 1628 BGB vorausgesetzte gemeinsame Entscheidungsbefugnis beider Eltern aus, so dass der Konflikt nicht unter die Vorschrift fällt.

2. Darüber hinaus erfasst der Ausschluss des Kindesvaters von der Vertretung des Kindes im beabsichtigten Verfahren aufgrund des gemeinsamen Sorgerechts auch die Vertretungsmacht der Kindesmutter. Ist nur einer von gemeinschaftlich vertretungsbefugten Elternteilen von der Vertretung nach den §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB ausgeschlossen, so erstarkt die zuvor nur gemeinschaftliche Vertretungsmacht des anderen Elternteiles nicht etwa zur Alleinvertretungsmacht. In einem solchen Falle sind vielmehr beide Eltern von der Vertretung ausgeschlossen, so dass nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist (vgl. BGH FamRZ 1972, 498 ff., Tz. 15 f.; FamRZ 2009, 861 ff., Tz. 30). Sind daher im Verfahren zur Durchsetzung einer Forderung des Kindes gegen einen (mit-) sorgeberechtigten Elternteil beide Eltern schon kraft Gesetzes von der Vertretung ausgeschlossen, so liegt ein von § 1628 BGB vorausgesetzter Konflikt zwischen zwei gleichermaßen entscheidungsbefugten Elternteilen von vorneherein nicht vor. Die Bestimmung eines zuständigen Elternteiles scheidet daher von vorneherein aus.

3. Soweit der gesetzliche Ausschluss der Vertretungsmacht sich nicht auf die (keine Vertretungsmacht nach außen voraussetzende) Entscheidung erstreckt, ob überhaupt ein Ergänzungspfleger zur Einleitung eines Verfahrens bestellt werden soll (vgl. dazu Spickhoff, in: Münchener Kommentar, a. a. O., § 1795 Rz. 39), findet auf diese Entscheidung § 1628 BGB gleichfalls keine Anwendung. Denn auch insofern fehlt es an der von § 1628 BGB vorausgesetzten Möglichkeit, einen entscheidungsbefugten Elternteil aufgrund einer Kindeswohlprüfung auszuwählen.

Die Entscheidungsbefugnis darüber, ob ein Elternteil in Anspruch genommen werden soll, kann von vorneherein nicht auf den in Anspruch zu nehmenden Elternteil übertragen werden, weil dieser sich in einem Interessenkonflikt befindet. Ergäbe etwa die nach den §§ 1697 a, 1628 BGB gebotene Kindeswohlprüfung hier, dass die Entscheidungsbefugnis über die Durchsetzung der Forderung nicht der Kindesmutter, sondern dem Kindesvater zu übertragen wäre (etwa weil das Gericht meint, ein Rechtsstreit entspräche nicht dem Kindeswohl), so müsste diesem sodann entsprechend § 1796 BGB aufgrund des bestehenden Interessenkonfliktes nach § 1796 Abs. 2 BGB die elterliche Sorge dafür entzogen werden (vgl. insofern Spickhoff, in: Münchener Kommentar, a. a. O:, § 1796 Rz. 39). Folge wäre nach § 1680 Abs. 1 und 3 BGB, dass die Alleinsorge des anderen Elternteiles dann entgegen der auf Grundlage der nach § 1628 BGB getroffenen Entscheidung auf diesem Wege einträte - eine am Maßstab des Kindeswohles ausgerichtete Auswahl eines entscheidungsbefugten Elternteiles, die § 1628 BGB vorsieht, ist daher für die Durchsetzung einer Forderung gegen einen (mit-) sorgeberechtigten Elternteil von vorneherein nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund bedarf es für die Durchsetzung einer Forderung gegen einen sorgeberechtigten Elternteil in jedem Falle der Bestellung eines Ergänzungspflegers, der sowohl über die Durchsetzung als solche zu entscheiden als auch das Kind gegebenenfalls im Verfahren zu vertreten hat. § 1628 BGB, der lediglich eine Entscheidung zwischen zwei gleichermaßen und gemeinsam zur jeweiligen Entscheidung berufenen Elternteilen ermöglicht, ist aber nicht einschlägig.

4. Soweit in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass im Falle eines echten Wechselmodells, in dem keiner der Elternteile nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB allein vertretungsbefugt ist, um Unterhaltsansprüche des Kindes durchzusetzen, die Vertretungsbefugnis eines der Elternteile über § 1628 BGB begründet werden kann (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2017, 289 f.; OLG Hamburg FamRZ 2015, 591 f.; OLG Celle FamRZ 2015, 590 f.; vgl. auch BGH FamRZ 2014, 917 ff.), führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Nach herrschender Auffassung besteht auch im Wechselmodell ein Anspruch des Kindes auf Barunterhalt, der aus einer Verrechnung des von den Elternteilen jeweils geschuldeten und nicht durch Naturalleistungen erbrachten Unterhaltes folgt (vgl. etwa BGH FamRZ 2017, 437 ff.). Dabei dient dieser Anspruch dazu, "eine angemessene, an der jeweiligen Leistungsfähigkeit orientierte Beteiligung der Eltern am Kindesunterhalt zu erzielen" (vgl. ausdrücklich BGH FamRZ 2017, 437 ff., Tz. 44).

Vor diesem Hintergrund dient der Kindesunterhalt im Wechselmodell allenfalls dazu, die mit der Kinderversorgung verbundene finanzielle Belastung entsprechend dem Maßstab des § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB unter den Eltern zu verteilen. Da diese Verteilung das Kindeswohl nicht unmittelbar tangiert, ist der Maßstab des Kindeswohles durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Elternteile ersetzt - die Entscheidung über die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen kann von vorneherein und ohne Rücksicht auf weitere Aspekte des Kindeswohles nur dem insofern ausgleichsberechtigten Elternteil übertragen werden (vgl. etwa OLG Nürnberg NZFam 2017, 257 ff.).

Ob § 1628 BGB im Wechselmodell anzuwenden ist, um es dem ausgleichsberechtigten Elternteil zu ermöglichen, namens des Kindes Barunterhalt durchzusetzen, mag hier dahinstehen. Das Erfordernis, vor der Durchsetzung eines Unterhaltsanspruches erst ein Kindschaftsverfahren durchzuführen, bei dem darüber hinaus die über die Begründetheit des Anspruchs hinausgehenden Aspekte des Kindeswohles außer Betracht zu bleiben haben, lässt eher die grundsätzliche Annahme eines Barunterhaltsanspruches im Wechselmodell zweifelhaft erscheinen. Jedenfalls aber ist die Anwendung des § 1628 BGB, soweit sie allein dazu dient, die Vertretungsmacht zur Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruches zu begründen und eine dem Kindeswohl entsprechende Auswahl unter zwei entscheidungsbefugten Elternteilen nicht voraussetzt, auf den Unterhalt im Wechselmodell zu beschränken.

Im Wechselmodell ist insbesondere die Frage, welcher Elternteil über gezahlten Unterhalt in welcher Form für das Kind verfügen kann, problematisch und (bei Annahme eines entsprechenden Barunterhaltsanspruches im Wechselmodell) auf Grundlage der bestehenden gesetzlichen Vorschriften kaum zu lösen. Dies mag dort die Anwendung des § 1628 BGB über seinen eigentlichen Regelungsgegenstand hinaus rechtfertigen; eine generelle Anwendung des § 1628 BGB zur Begründung von Vertretungsmacht in zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kind und einem Elternteil scheidet aber aus. Insofern steht vielmehr in Gestalt der Ergänzungspflegschaft nach den §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795, 1909 Abs. 1 BGB eine gesetzliche Regelung zur Verfügung, die ein angemessenes Ergebnis sicherstellt.

Angesichts dessen besteht vorliegend - unabhängig von der Frage, ob ein entsprechender Anspruch überhaupt in Betracht kommt, zu der sich der angefochtene Beschluss nicht verhält - keine Möglichkeit, die Entscheidungsbefugnis zur Durchsetzung des behaupteten Anspruches auf die Kindesmutter zu übertragen. Der hier gegenständliche Beschluss des Amtsgerichts ist daher aufzuheben und der Antrag insgesamt zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG; die Entscheidung über den Verfahrenswert ist in § 45 Abs. 3 FamGKG begründet, wobei die geringe Bedeutung der Angelegenheit einen höheren Wert als € 1.000,- nicht rechtfertigt. Gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 FamGKG ist der Wert für die erste Instanz daher ebenfalls auf bis zu € 1.000,- festzusetzen.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt aus § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Zum Unterhaltsanspruch im Wechselmodell ist teilweise anerkannt, dass § 1628 BGB auch zur Begründung der Vertretungsmacht bei Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen einen (mit-) sorgeberechtigten Elternteil dienen kann (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2017, 289 f., entgegen AG Westerstede FamRZ 2017, 967 ff.). Die Frage, ob dies auch über Unterhalt im Wechselmodell hinaus gelten kann, oder ob es sonst stets der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Da dies in getrenntlebenden Familien von nicht geringer Bedeutung sein kann, ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wünschenswert.