Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.10.1995, Az.: 2 UF 111/95

Erfordernis der "schweren Härte" für Anordnung der alleinigen Nutzung einer Ehewohung bei Reihenhaus

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
18.10.1995
Aktenzeichen
2 UF 111/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 11127
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1995:1018.2UF111.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG ... - AZ: 21 F 2391/94

Fundstelle

  • NJW-RR 1996, 578-579 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Wohnungszuweisung

Prozessführer

des Herrn ...

Prozessgegner

Frau ...

In dem Rechtsstreit hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts ...
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ...
sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 18. Oktober 1995 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Amtsgerichts ... vom 15. Mai 1995 in Ziffer 2. der Beschlußformel abgeändert.

Der Antrag der Antragstellerin auf Zuweisung der gesamten Ehewohnung zur alleinigen Nutzung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses, soweit darin das Reihenhaus der Parteien der Antragstellerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen worden ist.

2

Die alleinige Zuweisung des Hauses zur Nutzung an die Antragstellerin ist nicht möglich, da die Voraussetzungen des § 1361 b Abs. 1 BGB nicht vorliegen. Danach kann das Gericht die Überlassung der Ehewohnung an einen Ehegatten zur alleinigen Benutzung nur dann anordnen, wenn dies notwendig ist, um eine schwere Härte zu vermeiden. Der Begriff "schwere Härte" zeigt, daß an die Zuweisungsvoraussetzungen hohe Anforderungen zu stellen sind. Nur gravierende Umstände, die zu besonders starker Belastung eines Ehegatten führen, können die Zuweisung der gesamten Wohnung an diesen Ehegatten zur alleinigen Nutzung rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung zu § 1361 b BGB fehlt es an einer schweren Härte bei Unannehmlichkeiten und Belästigungen, wie sie im Zusammenhang mit einer in Auflösung befindlichen Ehe regelmäßig auftreten, bei dauernden Streitigkeiten der in der gemeinsamen Wohnung getrennt lebenden Ehegatten sowie dann, wenn sich ein Ehegatte einseitig aus der Ehe lösen will und hierzu die alleinige Weiterbenutzung der ehelichen Wohnung anstrebt (Palandt-Diederichsen, BGB, 54. Aufl. 1995, § 1361 b Rdn. 5 m.w.N.). Weder der Vortrag der Antragstellerin noch die im angefochtenen Beschluß vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen lassen Tatsachen erkennen, die über diesen Rahmen hinausgehen. Dies gilt auch für die depressiven Verstimmungen und psychovegetativen Erschöpfungszustände, die der Arzt Dr. ... der Antragstellerin attestiert hat. Den von der Antragstellerin in der Beschwerdeerwiderung behaupteten tätlichen Angriff am 04.06.1995 hat der Antragsgegner bestritten; das Attest des Arztes Dr. ... das als Beweis vorgelegt wird, läßt keinen hinreichend sicheren Schluß darauf zu, daß die Verletzung auf Tätlichkeiten des Antragsgegners zurückzuführen ist. Zu einer schweren Härte, die die alleinige Zuweisung des Hauses an die Antragstellerin rechtfertigen würde, könnte es allerdings kommen, wenn sich der Antragsgegner ständig und schwerwiegend über die vom Amtsgericht in Ziffer 1. des angefochtenen Beschlusses getroffene Aufteilung, die er nach seiner Beschwerdebegründung akzeptiert hat, hinwegsetzt und sich im Wohnzimmer aufhält. Die beiden von der Antragstellerin hierzu vorgetragenen und unter Beweis gestellten Vorgänge am 11.9. und am 21.09.1995 reichen aber hierfür noch nicht aus.

3

Da eine schwere Härte für die Antragstellerin nach allem zum jetzigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden kann, ist ihr Zuweisungsantrag zurückzuweisen, ohne daß es auf die Frage ankommt, ob der Antragsgegner die Möglichkeit gehabt hätte, in seiner Wohnung in ... zu wohnen.

4

Sollte der Antragsgegner sich allerdings künftig nicht an die vom Amtsgericht getroffene Aufteilung halten und sich Zutritt zum Wohnzimmer verschaffen, so wird er damit rechnen müssen, daß ein neuer Antrag der Antragstellerin auf Zuweisung des Reihenhauses Erfolg hat, weil er dann durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 1361 b Abs. 1 Satz 1 BGB selbst herbeigeführt hat. Der Senat weist hierzu daraufhin, daß der Antragsgegner nicht das Recht hat, das Wohnzimmer des gemeinsamen Hauses auch nur zu betreten.

5

Da die Beschwerde Erfolg hat, entspricht es der Billigkeit, der Antragstellerin gemäß § 20 Satz 1 Hausrats VO die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Hingegen sieht der Senat keinen Anlaß, gemäß § 20 Satz 2 HausratsVO die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen. Für die erste Instanz bleibt es bei der im angefochtenen Beschluß getroffenen Kostenentscheidung.

6

Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 21 Abs. 3 HausratsVO. Da es jedoch lediglich um eine Nutzungsregelung geht, ist regelmäßig nur der Mietwert für ein halbes Jahr zugrunde zu legen. Zur Höhe des Mietwerts haben die Parteien nichts vorgetragen; jedoch hat das Amtsgericht offenbar 1.000,00 DM monatlich als angemessen angesehen. Hiervon geht auch der Senat aus, so daß der Beschwerdewert wie der Geschäftswert in erster Instanz 6.000,00 DM beträgt.

Streitwertbeschluss:

Der Beschwerdewert wird auf 6.000,00 DM festgesetzt.