Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 19.12.2023, Az.: 9 OH 111/23

Kostenprüfungsverfahrens wegen Gebührenansprüche aus notarieller Tätigkeit des Antragstellers im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Erbscheinsantrags

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
19.12.2023
Aktenzeichen
9 OH 111/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 54535
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • DNotZ 2024, 602-604
  • ZEV 2024, 566-567

In dem Notarkostenverfahren
des Notars
- Antragsteller -
sowie
des Präsidenten des Landgerichts Osnabrück, Neumarkt 2, 49074 Osnabrück
- Beteiligter -
hat das Landgericht Osnabrück - 9. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin und den Richter am Landgericht am 19.12.2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Notarkostenrechnung des Antragstellers vom 05.01.2023 zur UrkundenverzeichnisNr. 479/2022 wird bestätigt.

  2. 2.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Gegenstand des Kostenprüfungsverfahrens sind Gebührenansprüche aus notarieller Tätigkeit des Antragstellers im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Erbscheinsantrags aus dem Dezember 2022.

Mit Schreiben vom 05.10.2023 beantragte der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung über die vom Beteiligten - seiner Dienstaufsichtsbehörde - beanstandete Rechnung vom 05.01.2023 (UVZ-Nr. 479/2022). Dem liegt zugrunde, dass er vom Beteiligten die Weisung bekommen hat, die gerichtliche Entscheidung nach § 130 Abs. 2, § 127 Abs. 1 GNotKG herbeizuführen, sofern er die vorbezeichnete Rechnung nicht zu korrigieren gewillt sei. In der beanstandeten Rechnung hat der Antragsteller neben der Verfahrensgebühr nach KV-Nr. 23300 GNotKG zum Geschäftswert von 143.500 Euro und weiteren hier keine Rolle spielenden Gebühren eine Gebühr nach KV-Nr. 22114 GNotKG für den elektronischen Vollzug und XML-Strukturdaten ("Extensible Markup Language") in Höhe von 70,80 Euro nach demselben Geschäftswert erhoben. Der Antragsteller hat den Erbscheinsantrag notariell beurkundet, darin die Richtigkeit der Angaben an Eides statt versichern lassen sowie die XML-Strukturdaten erfasst und dem Empfängergericht zur Verfügung gestellt.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Gebühr nach KV-Nr. 22114 GNotKG für den elektronischen Vollzug und XML-Strukturdaten angefallen ist, wenn der Antrag gemäß § 14b FamFG übermittelt wurde. Eine Beauftragung sei nicht erforderlich. Ob das Empfängergericht mit den XML-Strukturdaten weiter arbeiten, sie also automatisch verarbeiten könne, sei unerheblich. Es komme lediglich auf die generelle Nutzbarkeit an. Auch nach Auffassung der Bundesnotarkammer falle die Gebühr bei einer elektronischen Übermittlung unter Hinweis auf § 14b FamFG i.V.m. § 2 Abs. 3 ERVV (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung) an (siehe deren Rundschreiben vom 17.11.2021 - Nr. 15/2021).

Dagegen hält der Beteiligte die Gebühr für nicht angefallen. Die Gebühr entstehe für die Erzeugung von strukturierten Daten in XLM-Form zur automatisierten Weiterverarbeitung durch die Empfängerstelle. Der Notar werde im Regelfall beauftragt, die Anmeldeinhalte (derzeit: für das Registergericht und das Grundbuchamt) in XML-Strukturen zu überführen und an das Gericht weiterzuleiten, welche dort dann verwendet werden könnten. Diese Datenaufbereitung diene der Arbeitsersparnis beim Empfängergericht. Dies komme vorliegend jedoch nicht zum Tragen, weil eine Schnittstelle, welche das Auslesen und die Weiterverarbeitung der XML-Daten beim Nachlassgericht ermögliche, nicht vorhanden sei; vielmehr erfolge eine händische Übernahme der Daten. Erbscheinsanträge würden nicht in einem Register gespeichert.

Zudem sei ratio der Gebühr, dass die Datenaufbereitung in XML-Struktur für den Notar regelmäßig mit einem erheblichen Aufwand verbunden sei. Es sei eine qualifizierte juristische Interpretationsarbeit notwendig. Allerdings werde vorliegend lediglich das örtlich und sachlich zuständige Gericht ausgewählt sowie die Angaben der Beteiligten und der Verfahrensgegenstand eingegeben, was gerade keine qualifizierte juristische Interpretationsarbeit erfordere.

Sollte der Auffassung des Notars gefolgt werden, falle - so der Beteiligte - keine Gebühr nach KV-Nr. 22114 GNotKG an, sondern eine solche nach KV-Nr. 22125 GNotKG, weil die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung im Zusammenhang mit einem Erbscheinsantrag - wie hier - kostenrechtlich kein Beurkundungsverfahren, sondern ein sonstiges notarielles Verfahren sei, das den Bereich des Vollzugs in besonderen Fällen gemäß KV-Nr. 22125 GNotKG eröffne.

II.

Der Antrag ist gemäß § 130 Abs. 2, § 127 Abs. 1 GNotKG zulässig.

Die Notarkostenrechnung ist zu bestätigen. Eine unrichtige Sachbehandlung (§ 21 GNotKG) durch den Antragsteller liegt nicht vor.

1.

a) Der Gebührentatbestand Nr. 22114 GNotKG - im Wortlaut identisch mit Nr. 22125 - lautet:

"Erzeugung von strukturierten Daten in Form der Extensible Markup Language (XML) oder in einem nach dem Stand der Technik vergleichbaren Format für eine automatisierte Weiterbearbeitung"

Danach ist nicht ersichtlich, dass die Erzeugung von strukturierten Daten auf bestimmte Bereiche, beispielsweise das Handelsregister, beschränkt ist.

b) Das Gebührensystem der XML-Strukturdaten wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 - KostRÄG 2021; BGBl. I Seite 3229) neu geordnet. Zur Begründung der Neufassung des Gesetzes hat der Bundesrat u.a. ausgeführt (BR-Drs. 565/20, Seite 68):

"[...] (Nummern 22114 und 22115 KV GNotKG) Die Gebühr 22114 KV GNotKG für die Erzeugung von strukturierten Daten in Form der Extensible Markup Language (XML) oder in einem nach dem Stand der Technik vergleichbaren Format für eine automatisierte Weiterbearbeitung wird allgemein als zu hoch empfunden. Waren zunächst nur Handelsregistersachen mit zum Teil mehreren Anmeldungen, zahlreichen Beteiligten und entsprechend hohem Erfassungsaufwand betroffen, rücken als Anwendungsbereich der Gebühr mit der fortschreitenden Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs die Grundbuchangelegenheiten zunehmend in den Vordergrund. In diesem Bereich ist der Aufwand der Notariate für die Erzeugung der strukturierten Daten regelmäßig geringer. Die derzeitige Gebühr erscheint vor diesem Hintergrund zu hoch. Es wird daher vorgeschlagen, den Gebührensatz der Gebühr 22114 KV GNotKG von 0,3 auf 0,2 und den Höchstbetrag der Gebühr von 250 Euro auf 125 Euro zu reduzieren. Erhält die Notarin oder der Notar bereits eine andere Gebühr für den Vollzug des Geschäfts nach den Nummern 22110 bis 22113 KV GNotKG, soll sich nach Nummer 22115 KV GNotKG-E die Gebühr 22114 KV GNotKG unter Beibehaltung des Gebührenhöchstbetrags von 125 Euro auf einen Gebührensatz von 0,1 ermäßigen. Die Regelung orientiert sich an der bei der Vollzugsgebühr geltenden Systematik, dass diese Gebühr für jedes Beurkundungsverfahren auch dann nur einmal anfällt, wenn mehrere die Gebühr auslösende Tätigkeiten ausgeübt werden. Es erscheint daher angemessen, die neben einer Vollzugsgebühr anfallende Gebühr 22114 KV GNotKG zu ermäßigen. Die technischen Rahmenbedingungen bei der Erzeugung der XML-Datensätze sowie die Beanspruchung der Notariate im Hinblick auf Anzahl und Komplexität der insbesondere in Grundstücksangelegenheiten zu fertigenden Strukturdatensätze sind derzeit stark im Fluss. Daher werden die XML-Gebühren mittelfristig erneut zu überprüfen sein. Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, inwieweit die von den Notariaten eingesetzte Fachsoftware künftig die Übernahme von Daten in die Eingabemasken zur Erzeugung der XML Datensätze unterstützen wird.

[...] (Nummer 22125 KV GNotKG) Nummer 22125 KV GNotKG regelt die XML-Gebühr für die Fälle, in denen die Notarin oder der Notar keine Gebühr für ein Beurkundungsverfahren oder für die Fertigung eines Entwurfs erhalten hat. Durch die im Vergleich zu Nummer 22114 KV GNotKG deutlich höhere Gebühr wollte der Gesetzgeber insbesondere in Handelsregisterangelegenheiten einen Anreiz schaffen, die Formulierung der Anmeldungen der jeweiligen Notarin oder dem jeweiligen Notar zu überlassen, um die Arbeit der Gerichte zu erleichtern und arbeits- und zeitaufwändige Zwischenverfügung zu vermeiden. Diese Maßnahme zur Verhaltenssteuerung hat sichbewährt und soll daher grundsätzlich beibehalten werden. Der Gebührensatz soll lediglich (entsprechend der Reduzierung der Gebühr 22114 KV GNotKG) um 0,1 auf einen von Wert 0,5 angepasst werden. Kritisiert wird indes, dass im Falle einer Grundpfandrechtslöschung derzeit zwar die Gebühr für die Beglaubigung der Eigentümerzustimmung lediglich 20 Euro beträgt (Nummer 25101 KV GNotKG), die XML-Gebühr nach Nummer 22125 KV GNotKG sich aber nach dem Nennwert des Grundpfandrechts richtet. Damit kommt es regelmäßig zu einer erheblichen Diskrepanz zwischen Beglaubigungs- und XML-Gebühr, die den Beteiligten kaum zu vermitteln ist. Es wird daher vorgeschlagen, dass in den Fällen, in denen eine Beglaubigungsgebühr nach Nummer 25101 KV GNotKG entsteht, keine XML-Gebühr anfällt. Zum Ausgleich soll in den verbleibenden Anwendungsfällen der Nummer 22125 KV GNotKG - anders als bei der Gebühr 22114 KV GNotKG - der Höchstbetrag der Gebühr von 250 Euro beibehalten werden."

Auch hiernach ist keine Beschränkung ersichtlich, auch wenn die Begründung maßgeblich auf Handelsregistersachen und die Grundbuchangelegenheiten abstellt. Vielmehr eröffnet die Formulierung "rücken als Anwendungsbereich der Gebühr mit der fortschreitenden Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs die Grundbuchangelegenheiten zunehmend in den Vordergrund" den Anwendungsbereich auch für andere Verfahrensarten.

c) Eine Beauftragung des Notars - hier: durch das Nachlassgericht - ist nach KV GNotKG Vorbemerkung 2.2 Abs. 1 Halbsatz 2 nicht erforderlich (so auch Bormann/Diehn/Sommerfeldt, 4. Aufl. 2021, GNotKG KV 22114 Rn. 13). Vielmehr soll der Notar die XML-Strukturdaten gemäß § 14b FamFG i.V.m. § 2 Abs. 3 ERVV von sich aus übermitteln.

d) Es kommt auch nicht darauf an, dass der Antragsteller weiß, dass das von ihm angegangene Nachlassgericht über keine technischen Möglichkeiten zur Erfassung und Verarbeitung der XML-Daten verfügt; ausreichend ist, dass diese sich eignen (unklar insoweit Korintenberg/Tiedtke, 22. Aufl. 2022, GNotKG KV 22114 Rn. 1). Denn ansonsten könnte der "ortsnahe" Notar, dem diese Praxis "seines" Nachlassgerichts bekannt ist, von der Erfassung und Übermittlung der XML-Daten und der Gebührenerhebung absehen und dadurch günstiger sein als "ortsferne" Notare, was gegen den Grundsatz bundeseinheitlicher Notargebühren verstieße.

e) Ferner kommt es nicht darauf an, wie umfangreich die erzeugten XML-Strukturdaten sind, sondern nur darauf, dass überhaupt welche erstellt wurden und sich diese zur automatisierten Weiterverarbeitung generell eignen (so auch Bormann/Diehn/Sommerfeldt, 4. Aufl. 2021, GNotKG KV 22114 Rn. 8). Im elektronischen Verkehr werden teils nur wenige, andererseits aber auch zunehmend Daten erfasst und verarbeitet. Gerade vor diesem Hintergrund hat das KostRÄG 2021 die Gebührensätze zum Teil - so auch für die hier streitige Gebührennummer - ermäßigt (siehe oben). Es findet eine Mischkalkulation statt: In bestimmten Registersachen etwa hat der Notar viele Parameter zu beachten und in die XML-Strukturdaten einzupflegen, während in anderen Sachen, beispielsweise der vorliegenden, nur wenige Daten (das örtlich und sachlich zuständige Gericht sowie die Angaben der Beteiligten und der Verfahrensgegenstand) eingepflegt werden müssen.

Dass es darüber hinaus auf eine qualifizierte juristische Interpretationsarbeit ankommt, lässt sich dem Gebührentatbestand Nr. 22114 GNotKG nicht entnehmen. Dieser spricht einzig von der "Erzeugung von strukturierten Daten". Im Übrigen war im Gesetzgebungsverfahren durchaus bekannt, dass in den Notariaten zunehmend die dort eingesetzte Fachsoftware die Übernahme von Daten in die Eingabemasken zur Erzeugung der XML Datensätze unterstützen wird (siehe oben).

f) Vor dem Hintergrund all dieser Erwägungen vermag die Kammer nicht zu ersehen, dass der Antragsteller eine unrichtige Sachbehandlung vorgenommen hat. Die vom Beteiligten für seine Auffassung ergänzend ins Feld geführte Entscheidung der Kammer vom 27.05.2020 - 9 OH 26/19 - steht dem nicht entgegen; vielmehr steht die vorgenannte Entscheidung in einer Linie mit der hiesigen.

Allerdings ist der Gebührentatbestand Nr. 22114 GNotKG regelmäßig nur dann einschlägig, wenn eine Beurkundung ohne eidesstattliche Versicherung vollzogen wird. Erfolgt indes eine eidesstattliche Versicherung - wie hier zur Richtigkeit der getätigten Angaben -, richtet sich die Gebühr KV-Nr. 23300 GNotKG im Grundsatz nach der eidesstattlichen Versicherung, weil diese insoweit Abgeltungswirkung hinsichtlich des Beurkundungsverfahrens hat (so Vorbemerkung 2.3.3 Abs. 2 GNotKG). Daraus folgte, dass der Gebührentatbestand Nr. 22125 GNotKG für ein sonstiges notarielles Verfahren eröffnet wäre.

Jedenfalls vorliegend erachtet die Kammer gleichwohl die vom Antragsteller abgerechnete KV-Nr. 22114 GNotKG für zutreffend. Denn die in KV-Nr. 22125 GNotKG im Vergleich zu KV-Nr. 22114 GNotKG erhöhte Gebühr rechtfertigt sich dadurch, dass sich der Notar regelmäßig in eine Fremdurkunde einarbeiten muss, was nur mit erhöhtem Arbeitsaufwand möglich ist (vgl. hierzu Korintenberg/Tiedtke, 22. Aufl. 2022, GNotKG KV 22125 Rn. 4); dieser erhöhte Arbeitsaufwand soll durch die deutlich höhere Gebühr (0,5 statt 0,2 Gebühr) honoriert werden. Hier ist es indes so, dass der Notar die Urkunde (Erbscheinsantrag) selbst errichtet hat und lediglich in einem kleinen Passus, die Richtigkeit der Angaben hat eidesstattlich versichern lassen. Dies steht ausweislich der Ausführungen im Gesetzgebungsverfahren in Einklang mit den gesetzgeberischen Intentionen ("...Durch die im Vergleich zu Nummer 22114 KV GNotKG deutlich höhere Gebühr wollte der Gesetzgeber insbesondere inHandelsregisterangelegenheiten einen Anreiz schaffen, die Formulierung der Anmeldungen der jeweiligen Notarin oder dem jeweiligen Notar zu überlassen, um die Arbeit der Gerichte zu erleichtern und arbeits- und zeitaufwändige Zwischenverfügung zu vermeiden...").

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 130 Abs. 2 Sätze 3 und 4 GNotKG.