Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 23.07.2021, Az.: 2 T 275/21

Herausgabevollstreckung aus einer notariellen Urkunde

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
23.07.2021
Aktenzeichen
2 T 275/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 37840
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lingen - 28.04.2021 - AZ: 5 M 209/21

In der Zwangsvollstreckungssache
__________ - Beschwerdeführerin -
Verfahrensbevollmächtigte:
__________
gegen
__________
Obergerichtsvollzieherin __________
hat das Landgericht Osnabrück - 2. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht ________ als Einzelrichter am 23.07.2021 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lingen vom 28.04.2021 (5 M 209/21) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 793 ZPO, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die zuständige Obergerichtsvollzieherin hat mit zutreffenden Erwägungen die Durchführung des Zwangsvollstreckungsauftrages der Beschwerdeführerin vom 09.04.2021 abgelehnt.

Der Herausgabevollstreckung steht § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO entgegen. Danach findet die Vollstreckung auch aus notariellen Urkunden statt, sofern der zugrundeliegende Anspruch nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft. Gemeint sind insoweit Räumungs- und Herausgabeansprüche (OLG Oldenburg, Urteil vom 22.07.2014, 12 U 46/14, Rn. 12, juris). Um ein solches Rechtsverhältnis geht es vorliegend.

Gegenstand der notariellen Vereinbarung vom 03.02.2012 war jedenfalls - auch - ein Mietverhältnis über Wohnraum. Für die Nutzung der Einliegerwohnung sollte eine Entschädigung von 300,00 € monatlich gezahlt werden. Damit handelte es sich nicht um eine bloße leihweise Überlassung von Wohnraum, die vom Anwendungsbereich ausgenommen wäre.

Ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, den Gebrauch einer Sache gegen Entrichtung eines Entgelts zu gewähren, stellt sich rechtlich als Mietvertrag im Sinne des § 535 BGB dar, was selbst dann gelten kann, wenn das vereinbarte Entgelt sehr niedrig ist, denn die Miete braucht dem Mietwert der Sache nicht zu entsprechen. Vielmehr stellt auch ein weit unter der Marktmiete liegendes Entgelt für den Gebrauch einer Sache eine Miete dar (BGH, Urteil vom 20.09.2017, VIII ZR 279/16, Rn. 17, juris). Es kommt nicht darauf an, wie das Entgelt oder das Vertragsverhältnis von den Parteien bezeichnet wird. Zwar war Anlass und Inhalt der notariellen Urkunde vom 03.02.2012 zunächst die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Ausweislich § 2 Abs. 6 sollte nur die aufsummierte Differenz der Nutzungsentschädigung zum wirklichen Mietwert dem Nettowert des Anteils des Beschwerdegegners am Nachlass entsprechen und unter Berücksichtigung weiterer Rechnungspositionen abgegolten sein. Wenn aber so wie hier jedenfalls ein über die rein erbrechtliche Regelung hinausgehendes monatliches Entgelt von 300,00 € für die Nutzung einer Wohnung vereinbart wird, lässt sich schon hieraus der übereinstimmende Wille der Parteien zur Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung gegen Zahlung einer Gegenleistung ableiten, was für sich genommen den Tatbestand des § 535 BGB erfüllt. Insoweit muss nicht entschieden werden, ob auch die bloße - kostenlose - Nutzungsüberlassung einer Wohnung als wirtschaftlicher Gegenwert für die Übertragung eines Erbanteils ebenfalls noch von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO erfasst wäre.

Insgesamt ist damit - auch - ein Mietverhältnis im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO anzunehmen, was die Herausgabevollstreckung aus der Urkunde hindert und weshalb die Erinnerung keinen Erfolg hat. Dass ein Mietverhältnis vorliegt, sieht die Beschwerdeführerin wohl ebenso, weil sie mit ihrem Antrag vom 09.04.2021 darauf hinweist, dass sie ihr Vermieterpfandrecht an allen in der Wohnung befindlichen Sachen des Schuldners geltend macht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.