Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 23.10.1987, Az.: 1 WF 115/87

Bestimmung des anzuwendenden Sachrechts bei Unterhaltszahlungen an Personen im Ausland; Ermittlung der Höhe von Unterhaltszahlungen nach polnischem Recht; Anwendbarkeit der Vorgaben der Düsseldorfer Tabelle auf Personen im Ausland

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
23.10.1987
Aktenzeichen
1 WF 115/87
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1987, 15132
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1987:1023.1WF115.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG ... - 18.09.1987 - AZ: 246 F 1135/87

Fundstelle

  • IPRspr 1987, 75

Prozessführer

Der am 9. März 1983 geborene ...,
vertreten durch seine Mutter ... geboren ..., Volksrepublik Polen

Prozessgegner

Arbeiter ...

Der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 23. Oktober 1987
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengerichts - ... vom 18. September 1987 dahingehend abgeändert, daß dem Kläger Prozeßkostenhilfe bewilligt wird, soweit er begehrt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zu Händen seiner Mutter über die freiwillig gezahlten monatlichen 70,00 DM hinaus weitere 90,00 DM Unterhalt, insgesamt also 160,00 DM, beginnend ab dem 1. Juli 1987 zu zahlen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Im Umfang der Bewilligung wird dem Kläger Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Der Kläger trägt 4/13 der Gerichtskosten nach einem Beschwerdewert von 650,00 DM; im übrigen werden Gerichtskosten nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Beschwerde ist überwiegend begründet.

2

Nach Art. 18 Abs. 1 S. 1 EGBGB sind auf Unterhaltspflichten die Sachvorschriften des am jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltenden Rechts anzuwenden, hier also polnisches Recht. Danach ist der Beklagte gemäß Art. 128, 133 des polnischen Familienkodexes zu Unterhaltsleistungen gegenüber dem Kläger als seinem Sohn verpflichtet. Der Umfang der Unterhaltsleistungen hängt gemäß Art. 135 § 1 des polnischen Familienkodexes von den gerechtfertigten Bedürfnissen des Berechtigten und den Erwerbs- und Vermögensmöglichkeiten des Verpflichteten ab. Der Unterhaltsbetrag bemißt sich nach polnischem Recht also so, wie es auch Art. 18 Abs. 7 EGBGB fordert.

3

Mit diesen Anforderungen stimmt der Beschluß des Amtsgerichts nicht überein, weil er nur auf die Bedürfnisse des Klägers abstellt. Entscheidend sind aber gerade auch die Einkommensverhältnisse des Beklagten. Beiden Gesichtspunkten trägt die Düsseldorfer Tabelle für den Fall, daß Unterhaltsverpflichteter und Unterhaltsberechtigter in der Bundesrepublik Deutschland leben, Rechnung, und wird deshalb vom Senat insoweit in ständiger Rechtsprechung angewendet. Von ihr kann aber auch, wie sich dies weitgehend in der Rechtsprechung durchgesetzt hat (OLG Düsseldorf FamRZ 1986, 587, 589;  1987, 195; vgl. auch OLG Frankfurt IPRax 1986, 388), ausgegangen werden, wenn der Bedarf des im Ausland lebenden Kindes nach den dort maßgebenden Verhältnissen ermittelt werden muß. Die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten können dann dadurch Berücksichtigung finden, daß der Tabellensatz der Düsseldorfer Tabelle in geeigneter Weise umgerechnet wird.

4

In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird dabei teilweise die Umrechnungsquote des Bundesministers der Finanzen (vgl. DAVorm 1984, 370, 371) zugrunde gelegt, die für, die steuerliche Behandlung von Unterhaltsleistungen an Angehörige im Ausland gilt (vgl. OLG Hamburg FamRZ 1986, 813; OLG Düsseldorf FamRZ 1987, 195). Danach wäre ein dem deutschen vergleichbarer Lebenszuschnitt in Polen mit 2/3 des hier angemessenen Betrages zu finanzieren. Dieser Umrechnungssatz ist für eine steuerrechtliche Bewertung von Unterhaltsleistungen sicherlich praktikabel, seine Berechnung (vgl. dazu DAVorm 1980, 841) ist aber äußerst grob.

5

Genauere Näherungswerte erhält man durch einen Vergleich der Kosten für, die Lebenshaltung in beiden Staaten anhand der Zahlen des Statistischen Jahrbuchs 1987 für, die Bundesrepublik Deutschland. Danach entsprachen im Jahre 1986 100 Zloty in der Verbrauchergeldparität 2,34 DM und nach dem Devisenkurs 1,26 DM. Dem unterschiedlichen Lebensbedarf in Polen trägt man Rechnung, wenn man den Tabellensatz nach der Düsseldorfer Tabelle an die sich auf diesen Zahlen widerspiegelnden Kaufkraftverhältnisse anpaßt.

6

Der Kläger geht davon aus, daß der Kindesunterhalt der Gruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen ist. Dies wird einer überschlägigen Berechnung des Einkommens des Beklagten nach der Verdienstbescheinigung des VW-Werks vom 15. September 1987 und der Annahme, daß der Beklagte nur einer Person unterhaltsverpflichtet ist, gerecht. Der Tabellensatz, von dem mangels irgendwelcher Informationen über die Zahlung von Kindergeld auszugehen ist, beträgt unter Berücksichtigung des Alters des Klägers 295,00 DM. Dieser Betrag entspricht in Polen der Kaufkraft von (295: 2,34 × 100 =) 12.607 Zloty. Unter Berücksichtigung des zugrunde zulegenden Devisenkurses errechnet sich so ein monatlicher Unterhaltsbetrag von (12.607 × 1,26: 100,-) 158,85 DM oder rund 160,00 DM.

7

Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt man im vorliegenden Fall im übrigen auch, wenn man den vom Amtsgericht herangezogenen Ausführungen von Bytomski, FamRZ 1987, 511 folgt. Bytomski geht bei einem monatlichen Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten in Höhe von 1.800,- bis 2.500,00 DM bei einem Kurs von 1,00 DM - 130 Zloty von einem monatlichen Kindesunterhaltsbetrag von 150,00 DM aus (vgl. Bytomski, a.a.O., S. 515).

8

Da der Kläger im übrigen nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann, war ihm in dem genannten Umfang Prozeßkostenhilfe zu bewilligen (§ 114 ZPO).

9

Die Nebenentscheidungen sind unter Beachtung von § 97 Abs. 1 ZPO, 11 GKG i.V.m. Nr. 1181 KostVerz und § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO getroffen.