Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 24.07.1986, Az.: 3 W 55/86

Beschluss der Mitgliederversammlung einer Wohnungseigentümergemeinschaft über die Regelung der Hausruhe; Interessenabwägung der Wohnungseigentümer untereinander; Gesetzlich nicht gedeckte Regelung der Hausruhe; Anfechtung eines Wohnungseigentümer-Mehrheitsbeschlusses

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
24.07.1986
Aktenzeichen
3 W 55/86
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1986, 15914
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1986:0724.3W55.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - 10.06.1986 - AZ: 8 T 241/86
AG ... - AZ: 34 II 59/85

Fundstellen

  • NJW-RR 1987, 845-846 (Volltext mit red. LS)
  • WuM 1986, 353-354 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Regelung der Hausruhe

Tenor:

wird die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß der Beschwerdekammer des Landgerichts ... vom 10. Juni 1986 auf Kosten der Antragsgegner zurückgewiesen.

Gründe

1

Die aus den Antragstellern und den Antragsgegner bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft ... beschloß am 01.10.1985 mit den Stimmen der Antragsgegner und gegen die Stimmen der Antragsteller mit dementsprechender Mehrheit, die Hausruhe an Samstagen und Sonntagen wie folgt festzulegen:

2

Samstags bis 8 Uhr, von 13 bis 15 Uhr und ab 22 Uhr, Sonntags bis 10 Uhr und ab 13 Uhr.

3

Das Amtsgericht ... hat den am 29. Oktober 1985 gestellten Antrag, den Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären, am 26. Februar 1986 zurückgewiesen. Die Antragsteller haben gegen den am 7. April 1986 zugestellten amtsgerichtlichen Beschluß am 14. April 1986 sofortige Beschwerde eingelegt, auf die das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung am 10. Juni 1986 abgeändert und den Eigentümerbeschluß vom 01.10.1985 insoweit für ungültig erklärt hat, als er die Zeiten von 19 bis 22 Uhr an Samstagen sowie von 10 bis 13 Uhr an Sonntagen von der Hausruhe ausnahm. Das Landgericht hat unter Bezug auf die §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 3 und 5 WEG unter anderem ausgeführt, die Antragsgegner hätten bei dem Mehrheitsbeschluß ihre Regelungsbefugnis überschritten. Die Interessenabwägung der Wohnungseigentümer untereinander gebiete im Vergleich zum Schutz der Öffentlichkeit durch das NFeiertagsG vom 29. April 1969 (Nieders. GVBl. S. 113), die Verordnung zur Bekämpfung des Lärms vom 23. August 1962 (Nieders. GVBl. S. 146) und die Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt ... vom 15. Juni 1983 (Amtsblatt S. 31) ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme.

4

Die Antragsgegner haben gegen den am 18. Juni 1986 zugestellten Beschwerdebeschluß am 2. Juli 1986 sofortige weitere Beschwerde erhoben, zu der die Antragsteller Stellung genommen haben.

5

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie hat aber keinen Erfolg.

6

Zurecht rügen die Antragsgegner zwar das zweitinstanzliche Verfahren, in dem entgegen § 44 Abs. 1 WEG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen wurde. Indes machen die Antragsgegner gerade nicht geltend, daß die angefochtene Entscheidung auf dieser Verfahrensverletzung beruht (§ 27 FGG). Insbesondere lassen sie auch nicht erkennen, daß in einer Beschwerdeverhandlung durch Nachgeben eine gütliche Einigung zu erzielen gewesen wäre.

7

In der Sache selbst begegnet der landgerichtliche Beschluß keinen rechtlichen Bedenken, Dabei geht es nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, um "die grundsätzliche Frage, die für alle Hausordnungsbestimmungen, auch in Miethäusern, von Bedeutung ist, ob eine von der städtischen Verordnung abweichende Ruhezeitenregelung zulässig ist" oder gar um den Fall "einer analogen Anwendung einer Bußgeldvorschrift". Es geht auch nicht um die Gültigkeit von Vereinbarungen oder von mangels Anfechtung (§ 23 Abs. 4 WEG) verbindlich gewordenen Beschlüssen, in denen die Wochenend- und Feiertagsruhe geregelt ist. Vielmehr handelt es sich darum, daß ein rechtzeitig angefochtener Wohnungseigentümer-Mehrheitsbeschluß, der für die Hausordnung eine zu weitgehende, nämlich durch § 14 Nr. 1 WEG nicht gedeckte Einschränkung der Hausruhe vorsieht, gerichtlicher Änderung unterliegt, die aufgrund einer Interessenabwägung gemäß § 43 Abs. 2 WEG nach billigem Ermessen vorzunehmen ist (vgl. OLG Hamm MDR 1971, 662 [OLG Hamm 26.02.1971 - 15 W 547/70]). Hier hat das Landgericht die in dem Mehrheitsbeschluß vom 01.10.1985 vorgesehene Einschränkung der Sonntagsruhe sowie teilweise (ab 19.00 Uhr) den Umfang der samstäglichen Ruhebegrenzungen (8 bis 13 Uhr und 15 bis 22 Uhr) für ungültig erachtet (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG) und damit ersichtlich das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme, das für Wohnungseigentümer und Mieter gleichermaßen gilt (§ 14 Nr. 1 und 2 WEG, vgl. ferner z.B. Bärmann/Pirk WEG 5. Auft. (1983) § 13 Rz. 55), nach billigem Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise für die Beteiligten grundsätzlich konkretisiert. Durchaus zutreffend sind dabei öffentlich-rechtliche auch vorinstanzliche maßgebende Vorschriften nicht übersehen, sondern als Anhaltspunkte in die Überlegungen einbezogen worden. Soweit nach dem wiederholten Vorbringen der Antragsgegner allerdings Maschinenlärm mit der landwirtschaftlichen Nutzung der Umgebung verbunden ist, kann dies eher für als gegen ein Ruhebedürfnis der Beteiligten wenigstens innerhalb ihres Mehrfamilienhauses sprechen. Dem Hinweis der Rechtsbeschwerde auf eine erhebliche Renovierungsbedürftigkeit des ca. 120 Jahre alten Gebäudes steht entgegen, daß die Renovierung nach einer erstinstanzlichen Stellungnahme des damaligen Verwalters bereits im Herbst vergangenen Jahres zum Großteil abgeschlossen war. Zudem kann daraus ein Nachholbedarf an Ruhe folgen.

8

Selbstverständlich sind die Antragsteller ungeachtet der nunmehr festlegten grundsätzlichen Regelung gemäß ihrer erstinstanzlichen Ankündigung gehalten, unter besonderen Umständen angezeigte Ausnahmen hinzunehmen, damit keinem der Mehrfamilienhausbewohner über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Andererseits kann ständiges Sägen, Bohren usw. selbst dann berechtigte schutzwürdige Interessen beeinträchtigen und deshalb unzulässig sein, wenn die Hausordnungsruhezeiten eingehalten werden (siehe Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums (1986 S. 65 und zur rechtlichen Begrenzung häuslichen Musizierens BayOBLG MDR 1985, 676 sowie OLG Hamm NJW 1981, 465, 466) [OLG Hamm 10.11.1980 - 15 W 122/80]. Im übrigen könnte es auch zur gebotenen Rücksichtnahme gehören, zwischen der Wohnung der Antragsteller und dem benachbarten Werkstattraum eine bessere Schalldämmung vorzunehmen (vgl. BayObLG, Der Wohnungseigentümer 1982, 30).

9

Die Kostenentscheidung entspricht § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.