Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.10.2016, Az.: 2 W 49/16
Tätigkeit zweier Rechtsanwälte derselben Partnergesellschaft für zwei einfache Streitgenossen ; Berücksichtigung der fiktiven Gebühren für die Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten im Kostenfestsetzungsverfahren; Beauftragung einer Partnerschaft von Rechtsanwälten durch einen Mandanten; Umfang der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten im Streitgenossenprozess
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 04.10.2016
- Aktenzeichen
- 2 W 49/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 28060
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2016:1004.2W49.16.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 03.08.2016 - AZ: 8 O 1221/15
Rechtsgrundlagen
- § 59 ZPO
- § 60
- § 61 ZPO
- § 7 RVG
- Nr. 1008 VV RVG
- RVG § 7
Fundstellen
- JurBüro 2017, 34-36
- MDR 2017, 179
- NJW 2017, 9
- Rpfleger 2017, 242-243
Amtlicher Leitsatz
1. Werden zwei einfache Streitgenossen verklagt und werden für sie zwei Rechtsanwälte derselben Partnergesellschaft tätig, kann die Auslegung ergeben, dass beide Streitgenossen denselben Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit beauftragt haben, so dass im Kostenfestsetzungsverfahren lediglich die fiktiven Gebühren für die Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zuzüglich des Mehrvertretungszuschlages zu berücksichtigen ist.
2. Ein Streitgenosse kann in diesem Fall gegen den unterlegenen Prozessgegner grundsätzlich nur den seinem Anteil am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteil geltend machen.
In der Beschwerdesache
G ... J ... , .................., ..... W .... ,
Klägerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Dr. M ... & Partner, ...................., ..... W .... ,
Geschäftszeichen: ...............
gegen
1. Firma M ... T ... , Inhaber der Firma W ... E .... , ......................, ....
S ....,
2. M ..... S ... , ...................., ...... S .... ,
Beklagte und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Dr. S ... & Partner, ....................., ...... S .... ,
Geschäftszeichen: ...............
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den ................................als
Einzelrichter
am 4. Oktober 2016
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg - Rechtspflegerin - vom 03.08.2016 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zurückverwiesen.
- 2.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.261,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin nahm zunächst den Beklagten zu 1) auf Grundlage des § 831 Abs. 1 BGB in Anspruch, weil dessen Verrichtungsgehilfe, der Beklagte zu 2), bei Abrissarbeiten Schäden an einem in ihrem Eigentum stehenden Gebäude verursacht habe. In der Verteidigungsanzeige des Beklagten zu 1) vom 17.07.2015 trug der Rechtsanwalt D ...... vor "Hiermit bestellen wir uns zu Prozessbevollmächtigten der beklagten Partei ...". Der Rechtsanwalt ist Partner der Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG Dr. S ...." und Partner. Im Laufe des Rechtsstreits erweiterte die Klägerin ihre Klage auf den Beklagten zu 2). Für diesen ließ Rechtsanwalt W .... am 24.11.2015 vortragen: "Hiermit zeigen wir an, dass wir den Beklagten M ....S .... vertreten. ...". Dieser Rechtsanwalt ist Angestellter der Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG Dr. S .... und Partner.
Nach Rücknahme der Klage sprach das Landgericht durch Beschluss vom 07. März 2016 aus, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Rechtsanwalt D ..........beantragte am 15. März 2016 Kostenfestsetzung in Bezug auf den Beklagten zu 1). Auf den Schriftsatz wird verwiesen. Das Landgericht erließ daraufhin einen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. April 2016. Der Höhe nach entsprach der Beschluss dem Antrag. Allerdings bezog das Landgericht ihn auf beide Beklagte. Am 19. April 2016 beantragte Rechtsanwalt W ....die Kostenfestsetzung für den Beklagten zu 2). Mit Schriftsatz vom 26.04.2016 beantragte Rechtsanwalt D .... die Berichtigung des Beschlusses vom 12. April 2016 dahin, dass er allein den Beklagten zu 1) betrifft. Hilfsweise legte er sofortige Beschwerde gegen den Beschluss ein. Nachdem die Klägerin und die Beklagten in der Folge Schriftsätze zu der Frage ausgetauscht hatten, ob beide Beklagte im Rahmen der Kostenfestsetzung die vollen Rechtsanwaltsgebühren gegenüber der Klägerin festgesetzt erhalten könnten oder sich auf eine Erhöhungsgebühr beschränken müssten, beschloss das Landgericht am 03. August 2016, die von der Klägerin an den Beklagten zu 2) zu erstattenden Kosten auf die vollen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.261,00 € nebst Zinsen festzusetzen. Über die Berichtigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 12. April 2016 bzw. die dagegen durch den Beklagten zu 1) hilfsweise erhobene sofortige Beschwerde hat das Landgericht noch nicht befunden.
Gegen den Beschluss vom 03. August 2016 hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, es fielen für beide Beklagte lediglich einmal Gebühren an zuzüglich einer Erhöhungsgebühr.
II.
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1, 568 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.08.2016 hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Nach der Kostengrundentscheidung des Landgerichts im Beschluss 07. März 2016 hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dies bedeutet, dass die Klägerin die jedem der Beklagten entstandenen Kosten zu erstatten hat. Werden - wie hier - einfache Streitgenossen (§§ 59, 60, 61 ZPO) verklagt, steht es zwar grundsätzlich jedem von ihnen frei, sich von einem eigenen Anwalt vertreten zu lassen mit der Folge, dass im Falle des Obsiegens die jedem Streitgenossen entstandenen Anwaltskosten erstattet werden können (vgl. BVerfG NJW 1990, 2124 [BVerfG 03.04.1990 - 1 BvR 269/83]). Werden mehrere Anwälte tätig, könnte die Erstattungsfähigkeit der Kosten lediglich nur aus Gründen des Rechtsmissbrauchs scheiten.
Vorliegend haben die Beklagten sich allerdings nicht von verschiedenen Anwälten, sondern von einem Anwalt im Rechtssinne in derselben Angelegenheit vertreten lassen.
Mandatiert war von beiden Beklagten lediglich ein Rechtsanwalt, nämlich die Partnergesellschaft Dr. S .... und Partner. Dies hat seine Grundlage in der rechtlichen Erwägung, dass alle Mitglieder einer Partnerschaft nach dem PartGG die Ausführung des Auftrages gesamtschuldnerisch schulden. Denn soweit eine Partnerschaft von Rechtsanwälten durch einen Mandanten beauftragt wird, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Partnerschaft selbst sowie alle Partner verpflichtet sind und nicht der einzelne Partner bzw. der Angestellte, der den Auftrag entgegengenommen hat (vgl. Meilicke / Graf v. Westphalen / Hoffmann / Lenz / Wolff, PartGG, 2. Auflage, § 8 Rn.16). Anhaltspunkte für eine grundsätzlich denkbare Einzelbeauftragung der Rechtsanwälte D ...........und W ......... sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr haben beide in ihren ersten Schriftsätzen zu erkennen gegeben, dass die Partnergesellschaft mandatiert ist, indem sie vorgetragen haben, die Beklagten hätten "uns" - und damit die Partnergesellschaft - mit der Interessenvertretung beauftragt. An der damit feststehenden Beauftragung der Partnergesellschaft ändert sich weder dadurch etwas, dass die Sache in Bezug auf den Beklagten zu 1) vom Rechtsanwalt D ............und hinsichtlich des Beklagten zu 2) von Rechtsanwalt W ...... bearbeitet sowie abgeschlossen wurde, noch dass die Aufträge zeitlich nacheinander übertragen worden sind (vgl. Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, 22. Auflage, Rn.32).
Die Beauftragung durch die Beklagten erfolgte in derselben Angelegenheit, weil angesichts des identischen Sachverhalts sowie des übereinstimmenden Klagegrundes in Bezug auf beide beklagte Streitgenossen ein innerer Zusammenhang bestand und die Angelegenheit sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung weitgehend übereinstimmte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - VI ZR 214/10 -, zitiert nach Rn.22).
In der Konsequenz ist im Kostenfestsetzungsverfahren keine doppelte Festsetzung der vollen Rechtsanwaltsgebühren für beide Beklagte möglich, sondern es kommt lediglich eine Kostenfestsetzung unter Einschluss des Mehrvertretungszuschlages nach § 7 RVG in Verbinndung mit RVG-VV Nr.1008 in Betracht.
In Bezug auf den sich so ergebenden fiktiven Gesamtbetrag kann der Beklagte zu 2) lediglich den seinem Anteil am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteil gegenüber der Klägerin geltend machen. Dieser beträgt 50 %, weil beide Beklagte gleichermaßen am Rechtsstreit beteiligt waren. Mithin kann der Beklagte zu 2) auch nur die Hälfte der fiktiven Anwaltskosten festgesetzt verlangen. Denn nach inzwischen allgemeiner Meinung sind die obsiegenden Streitgenossen kostenrechtlich nicht Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB, sondern Teilgläubiger im Sinne von § 420 BGB (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - I-24 W 61/09, 24 W 61/09 -, Rn.19 m.w.N.). Dementsprechend ist für den einzelnen Streitgenossen der Anteil der Gebühren und Auslagen des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu erstatten, der dem Verhältnis der Beteiligung am Rechtsstreit entspricht und im Zweifel ist nach § 420 BGB jeder zum gleichen Anteil berechtigt (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Dass der Beklagte zu 2) im Innenverhältnis zur Tragung der gesamten Kosten - mit Ausnahme der Erhöhungsgebühr - verpflichtet sei, ist weder ersichtlich noch dargelegt. In einem für beide obsiegenden Streitgenossen erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss wären die Teilbeträge gesondert auszuweisen (vgl. OLG Koblenz Rpfleger 1977, 216).
Allerdings ist dem Senat eine eigene Sachentscheidung auf dieser theoretischen Berechnungsgrundlage derzeit nicht möglich. Einen gemeinsamen Kostenfestsetzungsbeschluss für beide Beklagte kann er nicht erlassen, weil ihm eine Entscheidung gegenüber dem Beklagten zu 1) nicht angetragen ist. Eine Entscheidung allein für den Beklagten zu 2) scheidet aus, weil das Landgericht mit seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. April 2016 zugunsten des Beklagten zu 2) bereits Kosten festgesetzt hat. In Bezug auf diesen Beschluss hat der Beklagte zu 1) Berichtigung beantragt sowie hilfsweise sofortige Beschwerde eingelegt. Bevor in Bezug auf diesen Beschluss keine Rechtskraft eingetreten ist, kann der Senat die Höhe der zugunsten des Beklagten zu 2) festzusetzenden Kosten nicht sicher ermitteln.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgende Umstände hin: Es dürfte zutreffend sein, wenn das Landgericht den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. April 2016 gem. § 319 ZPO dahin berichtigt, dass er sich allein auf den Beklagte zu 1) bezieht. Denn zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beschlusses lag allein der Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten zu 1) vor, so dass es nahe liegt, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss sich nur auf diesen beziehen sollte. Damit wäre die hilfsweise eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) gegenstandslos. Es steht zu erwarten, dass die Klägerin gegen den so berichtigten Beschluss in Ansehung dieses Senatsbeschlusses ihrerseits die sofortige Beschwerde erhebt, weil auch dem Beklagten zu 1) nur 50% der fiktiven Kosten unter Berücksichtigung der Erhöhungsgebühr zustehen. Diese sofortige Beschwerde dürfte nicht verfristet sein, weil unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Koblenz, Beschluss vom 26. Oktober 2007 - 14 W 754/07 -, die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung des Berichtigungsbeschlusses zu laufen beginnen dürfte. Denn auch vorliegend dürfte gelten, dass der ursprüngliche Beschluss vom 12. April 2016 nicht deutlich genug war, um der beschwerten Klägerin eine sachgemäße Entschließung über die Anfechtung zu ermöglichen, so dass erst mit der Bekanntgabe des Berichtigungsbeschlusses eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen begönne. Weil nach der Senatsentscheidung auch der Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten zu 2) noch offen steht, würde diese sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss vom 12.04.2016 in Gestalt des Berichtungsbeschlusses dem Landgericht Gelegenheit geben, umfassend in einem Kostenfestsetzungsbeschluss über beide Kostenfestsetzungsanträge und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats (S. 5, 1. und 2. Absatz) zu entscheiden.