Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 03.02.2003, Az.: AGH 15/02

Irreführende Kurzbezeichnung einer Kanzlei; Standesrechtliche Grenzen hinsichtlich der Namensgebung einer Anwaltskanzlei; Rechtmäßigkeit der Verwendung der Bezeichnung "& Coll." auf einem Kanzleibriefbogen bei tätig sein von lediglich zwei Anwälten; Erteilung einer missbilligenden Belehrung an ein Mitglied der Rechtsanwaltskammer auf Grund dessen berufswidrigen Verhaltens; Anforderungen an die Verwendung einer Kurzbezeichnung für eine Kanzlei; Wettbewerbsrechtliche Relevanz der Vorstellung des Verkehrs über die Anzahl der in einer Kanzlei zur gemeinsamen Berufsausübung tätigen Rechtsanwälte

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
03.02.2003
Aktenzeichen
AGH 15/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 31349
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BRAK-Mitt 2003, 239 (red. Leitsatz)
  • SJ 2004, 40

Prozessführer

Rechtsanwalt A. S., E-Straße 23, H.

Prozessgegner

Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle
vertreten durch den Präsidenten, Bahnhofstraße 5, 29221 Celle

Der 1. Senat des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs in Celle hat
nach mündlicher Verhandlung am 3. Februar 2003
durch
den Rechtsanwalt Dr. R. als Vorsitzenden
Rechtsanwältin N. und Rechtsanwalt L. als anwaltliche Beisitzer sowie
die Richter am Oberlandesgericht Dr. D. und K. als richterliche Beisitzer
im schriftlichen Verfahren
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 5. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die sofortige Beschwerde wird nicht zugelassen.

Der Geschäftswert wird auf EUR 15.000,00 festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Kanzleibriefbogen des Rechtsanwaltes W. R. und des Antragstellers als ihren Beruf in H. gemeinschaftlich ausübende Rechtsanwälte enthält im Briefkopf die Kopfzeile "R. S. & Coll.". Auf dem Briefkopf sind sonst nur diese beiden Rechtsanwälte mit ihrem vollen Namen aufgeführt.

2

Mit einem solchen Kanzleibriefbogen machte der Antragsteller am 6. Februar 2002 der Antragsgegnerin Mitteilung von seinem Ausscheiden aus der Kanzlei Dr. K. & Partner in H. sowie von der gemeinsamen Berufsausübung mit Rechtsanwalt R. ab 1. Januar 2002 im Hause E-Straße 23 in H. Gleichzeitig bat er um Übersendung von Antragsformularen für den Antrag auf Simultanzulassung bei dem Oberlandesgericht Celle für beide Kollegen. Die Antragsgegnerin wies Rechtsanwalt R. und den Antragsteller am 8. Mai 2002 darauf hin, dass die Verwendung der Kurzbezeichnung "R. S. & Coll." irreführend und unzulässig sei, sowohl nach dem Berufsrecht der Rechtsanwälte als auch nach dem UWG, da es neben den beiden Kollegen keine weiteren mehr gebe. Gleichzeitig bat die Antragsgegnerin die beiden Rechtsanwälte, bis zum 05.04.2002 anzuzeigen, dass sie diese Kurzbezeichnung auf ihren Briefbögen und sonstigen Publikationen nach außen nicht mehr benutzen. Der Antragsteller antwortete der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 8. April 2002 - zugleich für Rechtsanwalt R. - dass ihre Auffassung nicht richtig sei. Seit dem Eintritt des Rechtsanwaltes S. in die bestehende Kanzlei des Rechtsanwaltes R. kooperierten sie mit Rechtsanwalt H. L. aus G., der hinsichtlich verschiedener Spezialgebiete Mandate in ihrem Hause übernehme bzw. intern die Mandate mitbearbeite. Er übernehme - vertretungsweise - auch für sie Terminswahrnehmungen. Die Kooperation sei aus versicherungstechnischen Gründen (bislang) nicht auf ihrem Briefpapier vermerkt. Es sei "angedacht", dass Rechtsanwalt L. unter Verlegung seiner Kanzlei nach H. im Laufe des Jahres in ihre Kanzlei miteintrete.

3

Es gebe daher sehr wohl einen weiteren Kollegen, der jedoch aus den vorgenannten Gründen namensmäßig nach außen hin (noch) nicht in Erscheinung trete. Sie meinten daher, dass die Kurzbezeichnung ihrer Kanzlei nicht irreführend, sondern zulässig sei. Da sich die Verhältnisse im Verlaufe dieses Jahres darüber hinaus nach dem Vorgesagten "wohl" ändern würden, gingen sie davon aus, dass seitens der Antragsgegnerin keine weiteren Einwendungen gegen die gewählte Kurzbezeichnung mehr erhoben würden. Man bitte um Rückbestätigung.

4

Die Antragsgegnerin entgegnete dem Antragsteller mit Schreiben vom 10. April 2002, die jetzt mitgeteilten internen Begebenheiten kenne keiner. Für Anwaltsbriefköpfe gelte nicht nur auf Grund des Berufsrechts, sondern auch nach dem UWG der Grundsatz der Klarheit. Selbstverständlich sei der Zusatz "& Coll." irreführend, wenn nicht ein dritter Rechtsanwalt auf dem Briefkopf geführt werde. Es wurde erneut eine Frist zur Anzeige gesetzt - bis zum 25.04.2002 -, dass diese Kurzbezeichnung nicht mehr benutzt werde. Mit Schreiben vom 30. April 2002 erinnerte die Antragsgegnerin den Antragsteller an die Erledigung bis zum 10.05.2002.

5

Mit Schreiben vom 13. Mai 2002 verteidigte der Antragsteller seinen Standpunkt mit dem Umkehrschluss, wenn nur zwei Namen im Briefkopf geführt würden, besage das auch nicht, dass nur zwei Anwälte in der Kanzlei tätig seien, zum Beispiel dann, wenn Angestellte oder freie Mitarbeiterin in der Kanzlei tätig wären, ohne im Briefkopf namentlich genannt zu werden. Deshalb sei eine berufliche Zusammenarbeit mit einem Kollegen in sonstiger Weise, also nicht in Sozietät oder Bürogemeinschaft, nicht dadurch kenntlich zu machen, dass dieser auf dem Briefkopf erscheinen müsse. Der Zusatz "& Coll." dürfte insoweit ausreichen. Abgesehen von speziellen Mandaten, bei denen Rechtsanwalt L. eingeschaltet und auf dessen Einschaltung hingewiesen werde, habe es bislang keinen Mandanten interessiert, wer oder was sich hinter dem Zusatz verberge. Außerdem gebe es hinsichtlich der Namensgebung einer Anwaltskanzlei keine standesrechtlichen Grenzen mehr. Die Anwälte seien in ihrer Namensgebung frei.

6

Weil dem Antragsteller und Rechtsanwalt R. nicht an einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der Antragsgegnerin gelegen sei, schlage man vor, die Kooperation mit Rechtsanwalt L. mit im Briefkopf aufzunehmen, jedoch nicht auf der rechten Leiste bei den Namen der Rechtsanwälte R. und S., sondern in der Fußzeile. Man bitte um Mitteilung, ob damit die Bedenken gegen die Namensführung ausgeräumt seien.

7

Die Antragsgegnerin forderte letztmalig gemäß § 56 BRAO i.V.m. § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO am 24. Mai 2002 den Antragsteller auf unter Fristsetzung bis zum 20.06.2002 bei Androhung eines berufsrechtlichen Aufsichtsverfahrens, den Zusatz "& Coll." zu entfernen unter Hinweis auf §§ 9 und 10 BORA; denn der Antragsteller und Rechtsanwalt R. seien nur zu zwei Anwälten, die bereits in der Kurzbezeichnung aufgeführt seien, und weitere freie Mitarbeiter und/oder angestellte Anwälte seien nicht namentlich aufgeführt, was nach dem neuen Berufsrecht möglich sei.

8

Mit Schreiben vom 26. Juni 2002 widersprach der Antragsteller erneut der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin und teilte mit, ab dem 01.07.2002 werde ein anderer Kollege als freier Mitarbeiter in der Kanzlei tätig sein, der nicht in dem Briefkopf geführt werde. Damit sei der Zusatz "& Coll." auch nach der Ansicht der Antragsgegnerin zulässig.

9

Mit Verfügung an den Antragsteller vom 5. Juli 2002, zugestellt am 8. Juli 2002, erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller durch den Abteilungsvorsitzenden folgende Belehrung:

"Ich belehre Sie, dass Sie auf Ihrem Briefkopf, Kanzleischild usw. den Zusatz nach Ihren Namen "& Coll." nicht verwenden dürfen, solange Sie nur zu zweit arbeiten. Das gilt auch dann, wenn Sie einen weiteren Kollegen beschäftigen, diesen aber nicht auf den Briefkopf nehmen."

10

Es folgt unter Angabe der Adresse des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs der Hinweis, dass gegen den Bescheid gemäß § 223 Abs. 1 BRAO innerhalb eines Monats nach der Zustellung die Entscheidung des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs beantragt werden kann.

11

In dem Bescheid wird ausgeführt, die Entfernung des Zusatzes "& Coll." aus dem Briefkopf sei zu Recht von dem Antragsteller verlangt worden. Das gelte auch dann, wenn die Anwälte einen weiteren Kollegen in ihrem Büro beschäftigen und diesen nicht auf den Briefkopf nehmen wollten. Insoweit werde auf § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA verwiesen. Auf Nachfrage in der Geschäftsstelle sei im Übrigen festgestellt worden, dass kein weiterer Kollege unter der Adresse der Rechtsanwälte R. und S. arbeite. Im Übrigen müssten dieser Kollege und der Antragsteller auch dies der Geschäftsstelle anzeigen.

12

Am 31. Juli 2002 teilte der Antragsteller unter Benutzung des bisherigen Kanzleibriefbogens mit der Kopfzeile R. S. & Coll.", darunter namentlich aufgeführt nur Rechtsanwalt W. E. R. und der Antragsteller mit vollem Namen, der Antragsgegnerin mit, seit dem 01.07.2002 sei der Kollege H. L. als freier Mitarbeiter bei ihnen tätig. Rechtsanwalt L. unterhalte eine Anwaltskanzlei unter der Anschrift H-Straße 386 in G., die er weiterhin betreiben werde, sodass die Tätigkeit als freier Mitarbeiter eine Nebentätigkeit darstelle.

13

Am 8. August 2002, eingegangen am gleichen Tage, stellte der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er wiederholte seine Auffassung, um den Zusatz "& Coll." hinter den Familiennamen R. und S. in der Kopfleiste des Briefbogens zu rechtfertigen, reiche es aus, dass mehr als zwei Anwälte in der Kanzlei tatsächlich tätig seien. Es sei der Antragsgegnerin angezeigt worden, dass Rechtsanwalt L., der in G. eine Anwaltskanzlei betreibe, seit dem 01.07.2002 nebenberuflich als freier Mitarbeiter in der Kanzlei des Antragstellers tätig sei. Dieser weitere in der Kanzlei tätige Anwalt brauche nicht auf dem Briefbogen zu erscheinen.

14

Der Antragsteller trug zur mündlichen Verhandlung weiter noch vor, Rechtsanwalt L. habe den Sitz seiner Kanzlei von G. nach H.-B. verlegt und sei weiterhin als freier Mitarbeiter ihrer Kanzlei tätig. Der Antragsteller führte ergänzend aus, die Belehrung sei auch deshalb rechtswidrig, weil sie nur an ihn gerichtet sei, nicht aber auch an seinen Kollegen R., demgegenüber er auf Grund der Vereinbarungen zur Zusammenarbeit verpflichtet sei, den beanstandeten Kanzleinamen zu verwenden.

15

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erschien für den Antragsteller als Bevollmächtigter dessen Sozius Rechtsanwalt R.

16

Der Antragsteller beantragt,

den Bescheid der Rechtsanwaltskammer Celle vom 05.07.2002 aufzuheben.

17

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

18

Sie meint, die Belehrung gegen den Antragsteller zu Recht ausgesprochen zu haben. In § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA sei geregelt, dass eine der Kurzbezeichnung entsprechende Zahl von Gesellschaftern, Angestellten oder freien Mitarbeitern auf den Briefbögen namentlich aufgeführt werden müsse. Die Kurzbezeichnung "R. S. & Coll." suggeriere das Vorhandensein von mindestens drei Kollegen, während auf dem streitigen Briefbogen als Mitglieder der Sozietät nur W. E. R. und A. S. aufgeführt würden. Selbst wenn Rechtsanwalt L. als freier Mitarbeiter in der Kanzlei des Antragstellers tätig sei, ändere das an der Sachlage nichts, weil er auf dem Briefkopf als freier Mitarbeiter nicht geführt werde.

19

Abgesehen davon, dass Rechtsanwalt L. eine eigene Kanzlei an einem anderen Ort führe, habe dieser der Antragsgegnerin trotz gesonderter Rückfrage durch deren Geschäftsstelle mit Frist bis zum 16.08.2002 die freie Mitarbeit nicht angezeigt. Damit sei zunächst einmal davon auszugehen, dass der Kollege L. nicht als freier Mitarbeiter in der Kanzlei des Antragstellers arbeite.

20

In der mündlichen Verhandlung trug der Vertreter der Antragsgegnerin vor, dass Rechtsanwalt L. zwischenzeitlich seine freie Mitarbeit in der Kanzlei des Antragstellers angezeigt habe.

21

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 11. September 2002 erklärt, auf mündliche Verhandlung nicht zu verzichten.

22

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist fristgerecht gestellt und zulässig. Er ist jedoch unbegründet, da die Belehrung zutreffend ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten beeinträchtigt.

23

Die Ermächtigungsgrundlage für die Belehrung durch die Antragsgegnerin vom 5. Juli 2002 ergibt sich aus § 73 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BRAO. Hiernach obliegt es dem Kammervorstand bzw. dessen Abteilungen (§ 77 BRAO), die Mitglieder der Kammer in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren sowie die Erfüllung der den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammer obliegenden Pflichten zu überwachen. Diese Überwachungspflicht des Vorstandes erstreckt sich auf den gesamten Pflichtenkreis des Rechtsanwalts (Feuerich/Braun, Kommentar zur BRAO, 5. Aufl. 2000, § 73 Rdnr. 32). Auf Grund dieses Aufsichtsrechts steht dem Vorstand der Kammer auch die Befugnis zu, Mitglieder über die ihnen obliegenden Pflichten zu belehren.

24

Stellt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer in Wahrnehmung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwalt berufswidrig verhält und erteilt er dem Kammermitglied eine missbilligende Belehrung, so stellt diese nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen. Als solche ist sie nach § 223 Abs. 1 BRAO anfechtbar (so zuletzt Beschluss vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 8/02 - NJW 2003/504 - und vom 17. Dezember 2001 - AnwZ (B) 12/01 - NJW 2002/608). Andernfalls wäre der belehrte Rechtsanwalt gezwungen, wenn er die Auffassung der Kammer nicht teilt, bewusst gegen die erteilte Belehrung zu verstoßen, um schließlich im Rahmen eines berufsrechtlichen Disziplinarverfahrens die Rechtmäßigkeit der Auffassung der Kammer und seiner Auffassung überprüfen zu lassen (Feuerich/Braun, a.a.O., Rdnr. 20).

25

Die in der Kopfzeile der Kanzleibriefbögen des Antragstellers verwendete Kurzbezeichnung "R. S. & Coll. verstößt sowohl gegen das sich aus § 43 BRAO i.V.m. § 3 UWG ergebende Verbot der irreführenden Werbung wie auch gegen § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA i.V.m. § 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO.

26

Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA muss bei Verwendung einer Kurzbezeichnung "mindestens" eine der Kurzbezeichnung entsprechende Zahl von Gesellschaftern, Angestellten oder freien Mitarbeitern auf den Briefbögen namentlich aufgeführt werden. Nach der gewählten Kurzbezeichnung für die Kanzlei des Antragstellers beträgt die Zahl der in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälte mindestens drei, wenn nicht eigentlich vier Anwälte. Die Namen R. und S. werden in der Kurzbezeichnung genannt, gefolgt von dem Zusatz "& Coll.". Der Zusatz hinter den beiden Namen könnte den Anschein erwecken, als sei außer diesen beiden Rechtsanwälten noch mehr als nur ein weiterer Anwalt in der Kanzlei tätig. Diese Frage kann hier dahingestellt bleiben, weil nicht einmal der Name des einzigen freien Mitarbeiters namentlich auf dem Briefbogen aufgeführt wird. Dieser freie Mitarbeiter, Rechtsanwalt L., kann indessen auf dem Briefbogen nicht aufgeführt werden, weil er anderswo eine eigene Kanzlei unterhält. Die Gründe, weshalb der freie Mitarbeiter nicht aufgeführt wird oder nicht aufgeführt werden kann, sind unbeachtlich. Entscheidend ist, dass die Zahl der auf dem Briefbogen namentlich aufgeführten Rechtsanwälte nicht der Kurzbezeichnung entspricht, sondern geringer ist.

27

Die Kurzbezeichnung "R. S. & Coll." stellt eine irreführende Werbung dar, weil dadurch für das rechtsuchende Publikum der falsche Eindruck entsteht, in der Kanzlei der Rechtsanwälte sei außer den beiden genannten Rechtsanwälten ständig mindestens ein weiterer Anwalt erreichbar, wenn nicht gar zwei weitere Anwälte, die in denselben Räumen ihre Kanzlei gemäß § 27 BRAO eingerichtet haben. Das ist aber gerade nicht der Fall.

28

Die Vorstellung des Verkehrs über die Anzahl der in einer Kanzlei zur gemeinsamen Berufsausübung tätigen Rechtsanwälte ist wettbewerbsrechtlich relevant, da die Größe der Praxis namentlich für Geschäftsleute und Gewerbetreibende unter dem Aspekt von Bedeutung ist, dass in dringenden Fällen jedenfalls einer von einer größeren Anzahl in gemeinsamer Praxis tätiger Rechtsanwälte jederzeit greifbar ist und für eine Auskunft zur Verfügung steht. Ferner wird von dem rechtsuchenden Publikum erwartet, je größer die Zahl der Anwälte sei, desto fortgeschrittener die Spezialisierung auf den verschiedenen Gebieten sein müsse. Bei größeren Praxen haben die Mandanten auch andere Haftungserwartungen, sodass sie eher geneigt sind, Mandate von höherem wirtschaftlichem Wert den größeren Praxen anzuvertrauen. Wegen der wettbewerblichen Relevanz wird Bezug genommen auf einen unveröffentlichten Beschluss des OLG Hamm vom 13.6.1991 - 4 U 97/91 -.

29

Die Belehrung des Antragstellers ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nicht auch dem Rechtsanwalt R. erteilt worden ist. Sollte der Antragsteller sich nicht entsprechend der ihm erteilten Belehrung verhalten, weil sein Sozius auf den gegen das Berufsrecht verstoßenden Kanzleibriefbogen nicht verzichten will, ist das seine Angelegenheit, die er zu vertreten hat und berührt nicht die Rechtmäßigkeit der ihm erteilten Belehrung. Außerdem ist nach den Äußerungen des Rechtsanwaltes R. im Verhandlungstermin davon auszugehen, dass dieser die gegen den Antragsteller ergehende berufsrechtliche Entscheidung respektieren wird.

30

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 223 Abs. 4, 201 BRAO i.V.m. einer entsprechenden Anwendung des § 91 ZPO.

31

Die sofortige Beschwerde wird nicht zugelassen, da die zu entscheidende Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung besitzt (§ 223 Abs. 3 BRAO).

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert wird auf EUR 15.000,00 festgesetzt.

Der Geschäftswert wurde entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller festgelegt.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 202 Abs. 2 BRAO, § 30 Abs. 2 KostO.