Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.09.1995, Az.: SS 257/95

Vorliegen eines Fortsetzungszusammenhangs bei der andauernden wiederholten Benutzung eines Kraftfahrzeugs ohne bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrag über einen längeren Zeitraum

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.09.1995
Aktenzeichen
SS 257/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 28983
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0915.SS257.95.0A

Fundstellen

  • NJW 1996, 1072 (amtl. Leitsatz)
  • NZV 1996, 83 (Volltext mit amtl. LS)
  • VRS 1996, 435

Amtlicher Leitsatz

D. über einen längeren Zeitraum andauernde wiederholte Benutzung eines KfZ ohne bestehenden Haftpflichtvers.vertrag rechtfertigt weder d. Annahme einer Dauerstraftat noch des Fortsetzungszusammenhanges.

Gründe

1

Der Angeklagte fuhr in dem Zeitraum vom 25. März 1992 bis zum 29. November 1993 mit seinem PKW auföffentlichen Straßen, obwohl das Fahrzeug nicht haftpflichtversichert war. Auf Grund dieses Sachverhalts, den der Angeklagte nicht in Abrede nimmt, hat das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl erlassen, in dem wegen vorsätzlichen fortgesetzten Vergehens nach "§§ 1, 6 PflVersG, § 52 StGB" eine Geldstrafe festgesetzt worden ist. In der auf Einspruch des Angeklagten anberaumten Hauptverhandlung hat die Richterin den rechtlichen Hinweis erteilt, dass auch ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Dauerstraftat in Betracht komme. Dementsprechend hat das Amtsgericht den Angeklagten wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz zu einer im Vergleich mit dem Strafbefehl milderen Geldstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat vorläufig Erfolg.

2

...

3

Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, weil dem Schuldspruch die Annahme einer fahrlässigen Dauerstraftat zu Grunde liegt, die Voraussetzungen hierfür aber nicht vorliegen (vgl. Dreher, Tröndle, StGB, 47 Aufl., Rn. 41 vor § 52). Es fehlt nämlich an einer einheitlichen Verwirklichung des mit Strafe bedrohten Tatbestandes, der darin besteht, dass jemand ein Fahrzeug auf öffentlichen Wegen ... gebraucht, obwohl der nach § 1 erforderliche Haftpflichtversicherungsvertrag nicht ... besteht (§ 6 Abs. 1 PflVersG). Zwar fehlte es in dem gesamten Tatzeitraum von mehr als eineinhalb Jahren ununterbrochen an dem in § 1 PflVersG tritt jedoch erst ein, wenn mit einem Kraftfahrzeug ohne wirksamen Versicherungsvertrag gefahren wird. Insofern mangelt es an der einheitlichen Verwirklichung des Tatbestandes (vgl. auch BGH StV 1995, 84, 85). Denn der Angeklagte hat das Fahrzeug zwar immer wieder, aber naturgemäß nach mehr oder weniger langen Unterbrechungen benutzt, sodass diesbezüglich jeweils ein neuer Entschluss erforderlich war. Diese vielfältigen Zäsuren hindern an der Annahme eines Dauerdeliktes.

4

Dementsprechend wird, soweit möglich, in der neuen Hauptverhandlung festzustellen sein, in wie vielen Fällen (mindestens) der Angeklagte mit seinem Fahrzeug in den in der Anklage genannten Zeitraum ohne Versicherungsvertrag gefahren ist, mithin wie oft er sich (mindestens) strafbar verhalten hat. Da die Annahme vom Fortsetzungszusammenhang nicht mehr in Betracht kommt (BGH St 40, 138 ff), werden die Einzelakte als selbstständige Taten im Sinne von Tatmehrheit nach § 53 StGB zu bewerten sein.