Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.06.2009, Az.: 32 Ss 28/09

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.06.2009
Aktenzeichen
32 Ss 28/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 41696
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2009:0630.32SS28.09.0A

Fundstelle

  • StV 2010, 134-135

In der Strafsache

...

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Meier, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Ferber und die Richterin am Landgericht Mack am 30.06.2009 einstimmig beschlossen:

Tenor:

  1. Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

  2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch aber die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hannover zurückverwiesen.

Gründe

1

I.

Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 03.11.2008 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt deren Vollstreckung zur Bewahrung ausgesetzt wurde.

2

Zur Sache hat das Amtsgericht ausgeführt, der Angeklagte habe am 02.02.2008 in der Diskothek "Soap Club" 60 Ecstasy-Tabletten, ca. 0.93 g Amphetamin brutto und ca. 0.87 g Marihuana zum gewinnbringenden Verkauf bei sich geführt. Er sei auf der Tanzfläche von diversen Gästen angesprochen worden, was dem Thekenpersonal aufgefallen sei. Als er daraufhin vom Sicherheitspersonal der Diskothek kontrolliert worden sei, habe er die Betäubungsmittel ausgehändigt. Die Überzeugung, der Angeklagte habe die bei ihm vorgefundenen Betäubungsmittel in der Diskothek gewinnbringend verkaufen wollen, stützt das Amtsgericht auf die Menge der Betäubungsmittel, die der Angeklagte bei sich geführt habe, und seine auffälligen Gespräche mit anderen Gästen auf der Tanzfläche. Zudem sei die Einlassung des Angeklagten, er habe die Ecstasy-Tabletten in der Diskothek angekauft, weil er sie an die Gäste seiner Geburtstagsparty habe verschenken wollen, angesichts seines Verbleibs in der Diskothek über den angeblichen Drogenankauf hinaus und seines geringen Einkommens als Kommissionierer einer Zeitarbeitsfirma nicht glaubwürdig. Die Tatsache, dass er von verschiedenen Personen auf der Tanzfläche angesprochen worden sei, spreche vielmehr dafür, dass er die Tabletten vor Ort veräußert habe.

3

Bei der Strafzumessung hat das Amtsgericht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er den Besitz der Betäubungsmittel eingestanden habe und bislang nicht einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Zu seinem Nachteil hat es die nicht unerhebliche Menge von Ecstasy-Tabletten gewertet und die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten für tat- und schuldangemessen angesehen. Eine Geldstrafe komme nicht mehr in Betracht, weil das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schwerer wiege als deren Besitz und es sich um eine erhebliche Menge an Ecstasy-Tabletten gehandelt habe.

4

Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Zur Begründung führt er aus, dass bereits unklar sei, ob das Amtsgericht den Angeklagten wegen tatsächlich schon getätigter Verkäufe von Betäubungsmitteln verurteilt oder auf Verkaufsbemühungen abgestellt habe. Zudem könnten die Feststellungen eine Verurteilung wegen vollendeten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht tragen. Das Aufsuchen eines Lokals, um Rauschgiftgeschäfte abzuwickeln, sei bloße Vorbereitungshandlung.

5

Auch eine allgemeine unverbindliche Unterhaltung über Drogen stelle noch kein Handeltreiben dar. Hinreichende Feststellungen dazu, dass der Angeklagte einem Kaufinteressenten ein verbindliches und ernsthaftes Kaufangebot unterbreitet habe, seien nicht getroffen worden. Zudem habe das Amtsgericht strafschärfend ausgeführt, dass der Angeklagte eine nicht unerhebliche Menge von Ecstasy-Tabletten zur Veräußerung bei sich geführt habe, aber keine Feststellungen zu Wirkstoff und Wirkstoffgehalt getroffen. Die Qualität des gehandelten Betäubungsmittels sei für die Strafzumessung aber von entscheidender Bedeutung. Zu dem ließen die Begründungen zur Strafzumessung besorgen, dass das Amtsgericht entgegen dem Strafrahmen des § 29 BtMG beim Handeltreiben mit einer nicht unerheblichen Menge Geldstrafen nicht in Betracht gezogen habe.

6

II.

Die Sprungrevision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

7

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu ausgeführt:

" 1.

Die Revision rügt zu Recht, dass die Feststellungen des Amtsgerichts Hannover den Schuldspruch nicht zu tragen vermögen.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Nach der Rechtsprechung des BGH, die durch die Entscheidung des Großen Senats des BGH vom 26.10.2005 (NJW 2005, S 3790 ff. [BGH 26.10.2005 - GSSt 1/05]) nochmals bestätigt wurde, meint Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtmG jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern (vgl. Körner, BtmG, 6. Auflage 2007, § 29 Rn. 233 m.w.N.). Ein vollendetes Handeltreiben liegt dabei bereits dann vor, wenn der Täter ernsthafte, eigennützige und verbindliche Ankaufs- oder Verkaufserklärungen abgegeben hat (so im Ergebnis BGH NJW 2005, S 3790 ff. [BGH 26.10.2005 - GSSt 1/05] gegen den 3. Strafsenat). Nicht genügend sind hingegen allgemeine Antragen nach Betäubungsmitteln (BGH NJW 2005, S 3790, 3793 [BGH 26.10.2005 - GSSt 1/05]). Unterhaltungen allgemeiner Art über Drogen, den Drogenmarkt oder die Drogenqualität oder auch die bloße Nachfrage, ob jemand über Betäubungsmittel verfügt (vgl. Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, 3. Auflage 2008, Rn. 138, Körner, BtmG. 6. Auflage 2007, § 29 Rn. 300, 327-329).

Die Feststellungen des Amtsgerichts Hannover in dem angefochtenen Urteil genügen nicht, um eine Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in dem vorbezeichneten Sinn zu begründen.

Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass der Angeklagte im Besitz von Betäubungsmitteln war. Weiterhin hat es ausgeführt, der Angeklagte habe diese Betäubungsmitteln zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bei sich geführt (UA Seite 3, 4. Absatz von unten). Diese Feststellungen vermögen den Schuldspruch nicht zu tragen. Das Amtsgericht hätten entweder Feststellungen dazu treffen müssen, dass der Angeklagte tatsächlich Betäubungsmitteln eigennützig verkauft hat, oder es hätte zumindest feststellen müssen, dass der Angeklagte ernsthafte und verbindliche Verkaufsgespräche geführt hat. Insoweit hat das Amtsgericht zwar ausgeführt, der Angeklagte sei von mehreren Personen auf der Tanzfläche in auffälliger Weise angesprochen worden. Das Amtsgericht hat jedoch keine Feststellungen zu dem Inhalt dieser Gespräche getroffen. So bleibt offen, ob der Angeklagte evtl. nur ganz allgemein danach gefragt wurde, ob er Betäubungsmitteln verkauft und ggf. zu welchen Preis, oder ob er sich tatsächlich ernsthaft und verbindlich gegenüber Konsumenten verpflichtet hat, Betäubungsmittel nicht nur zum Selbstkostenpreis zu verkaufen. Gerade diese Feststellungen wären jedoch sowohl für die Abgrenzung von Vorbereitung und Vollendung hinsichtlich eines Handeltreibens als auch für die Abgrenzung der Tatalternativen des Handeltreibens und des Besitzes von Betäubungsmitteln unerlässlich gewesen.

Die Annahme des Amtsgerichts, der Angeklagte habe die Betäubungsmittel zum Zwecke des Weiterverkaufs bei sich geführt, ist zudem nicht durch Tatsachen begründet. Es gibt keinen Erfahrungssatz, nach dem von der Menge des Betäubungsmittel, dem Tatort (hier: Diskothek) oder der Häufigkeit von Gesprächskontakten auf ein unerlaubtes Handeltreiben geschlossen werden könnte (vgl. dazu BGH StV 1993, S. 570).

2.

Auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils begegnet rechtlichen Bedenken. Das Amtsgericht hat sich bei der Bemessung der verhängten Freiheitsstrafe maßgeblich davon leiten lassen, der Angeklagte habe eine "nicht unerhebliche Menge von Ecstasy-Tabletten" bei sich geführt und diese nicht einfach nur "schlicht besessen", sondern zum Zwecke des Weiterverkaufs bei sich gehabt (UA, Seite 4-5).

Zwar kann die Menge der Betäubungsmittel, ihre Art und ihr jeweiliges Gefährdungspotential bei der Strafzumessung berücksichtigt werden (vgl. Körner, BtmG, 6. Auflage 2007, § 29 Rn. 541). Dann sind jedoch regelmäßig Feststellungen zu der Qualität bzw. zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel erforderlich. Solche Feststellungen hat das Amtsgericht nicht getroffen. Dies wäre nach der Rechtsprechung des BGH ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn auszuschließen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehaltes das Strafmaß zugunsten des Angeklagten beeinflussen kann (vgl.z.B. BGH NStZ 1990, S 395 [BGH 25.04.1990 - 3 StR 57/90]; Körner, BtmG, 6. Auflage 2007, § 29 Rn. 542). Das Amtsgericht hat indes die "nicht unerhebliche Menge an Ecstasy-Tabletten" strafschärfend berücksichtigt. Insoweit ist zu beachten, dass die "nicht geringe Menge" im Sinne des § 29a BtmG bei Ecstasy-Tabletten nicht nach der Tablettenanzahl, sondern nach dem Wirkstoffgehalt der dann enthaltenen Amphetaminderivate zu bestimmen ist. Bei MDMA, dem häufigsten Inhaltsstoff von Ecstasy-Tabletten beträgt der durchschnittliche Wirkstoffgehalt 0,068 g je Tablette (vgl Weber, BtmG, 2. Auflage 2003, S. 1623). Bei 60 Tabletten errechnet sich hieraus ein Wirkstoffgehalt von 4,08 g. Eine "nicht geringe Menge" im Sinne des § 29a BtmG ist nach der Rechtsprechung bei 30 g MDMA-Base anzunehmen (vgl. Körner, BtmG, 6. Auflage 2007, § 29a Rn. 80 ff.). Die Strafzumessungserwägungen in dem angefochtenen Urteil sind vor diesem Hintergrund zu beanstanden, weil sie nicht erkennen lassen, dass das Amtsgericht diese Zusammenhänge bei der Strafzumessung zutreffend berücksichtigt hat (vgl. zu der Formulierung "in nicht unerheblicher Menge" im Rahmen der Strafzumessung beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auch das Urteil des BGH vom 12.06.1985, Az. 2 StR 271/85 - zitiert nach juris, dort insb. Rn. 9; Körner, BtmG, 6. Auflage 2007, § 29 Rn. 723).

Überdies hat das Amtsgericht in unzulässiger Weise das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens auch bei der Strafzumessung berücksichtigt. Insoweit liegt ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsgebot des § 46 Abs. 3 StGB vor (vgl. dazu OLG Frankfurt, StV 1997, S. 639 f.; Leipziger Kommentar, 12. Auflage, § 46 Rn. 275; Fischer, 56. Auflage 2009, § 46 Rn. 78)."

8

Dem schließt sich der Senat an. Erganzend weist der Senat daraufhin, dass eine Untersuchung auf den tatsächlichen Wirkstoff und den tatsächlichen Wirkstoffgehalt noch möglich sein dürfte, weil die Ecstasy-Tabletten von dem Angeklagten herausgegeben wurden. Sollte sich in der neuen Hauptverhandlung der Vorwurf des Handeltreibens nicht zur Überzeugung des Gerichts erweisen, dürfte zumindest eine Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG in Betracht kommen. Das neue Tatgericht wird im Fall einer Verurteilung auch eine Gesamtstrafenbildung mit dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 05.02.2008 zu erwägen haben, weil die hier zugrunde liegende Tat am 02.02.2008 begangen sein soll.

Dr. Meier
Dr. Ferber
Mack