Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 10.10.1994, Az.: 5 T 83/94

Haftung nach dem Wohnungseigentümergesetz bei Veräußerung von Wohnungseigentum; Eigentümerwechsel während Beschlußfassung über eine Sonderumlage; Haftung des Veräußerers für künftig fällig werdende Forderungen

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
10.10.1994
Aktenzeichen
5 T 83/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 19040
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:1994:1010.5T83.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Soltau - 08.08.1994 - AZ: 3 UR II 7/94 WEG

Fundstelle

  • WuM 1995, 129-130 (Volltext mit amtl. LS)

In der Wohnungseigentumssache
erkennt das Landgericht Lüneburg
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ... und
den Richter ...
im schriftlichen Verfahren
am 10.10.1994
für Recht:

Tenor:

  1. 1.

    Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Soltau vom 08.08.1994 (Aktenzeichen: 3 UR II 7/94 WEG) wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Zahlung aus einer Sonderumlage in Anspruch.

2

Mit Vertrag vom 26.03.1993 verkaufte der Antragsgegner sein zur Wohnungseigentümergemeinschaft ... (Grundbuch von ... Band ... Blatt ...) gehörendes Wohnungseigentum an die Streitverkündeten. § 3 des Vertrages bestimmt, daß die Übergabe des Objektes am 01.05.1993 erfolgt, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß der Gesamtkaufpreis auf dem Notaranderkonto eingegangen ist. Ansonsten erfolgt die Übergabe am Tage des Einganges des Gesamtkaufpreises auf dem Notaranderkonto. Vom Zeitpunkt der Übergabe an sollen nach dem Vertrag auch die Nutzungen, öffentlichen Abgaben, Lasten und Steuern auf die Käufer übergehen.

3

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 13.05.1993 wurde eine Sanierung der Balkonverkleidungen zum Angebotspreis von DM 3.500,- pro Balkon beschlossen. Die Kosten hierfür sollten von den Eigentümern per Umlage getragen werden.

4

Die Streitverkündeten zahlten den Kaufpreis am 23.05.1993 auf das Notaranderkonto, die Eigentumsumschreibung erfolgte am 29.07.1993.

5

Mit Rechnung vom 03.11.1993 stellte der Unternehmer der Antragstellerin für die durchgeführten Arbeiten DM 50.111,25 in Rechnung. Unter dem 05.11.1993 forderte die Verwalterin den Antragsgegner zur Zahlung seines Anteils in Höhe von DM 3.131,95 bis zum 20.11.193 auf. Der Antragsgegner verweigerte die Zahlung.

6

Durch Beschluß vom 08.08.1994 hat das Amtsgericht Soltau den Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner zur Zahlung von DM 3.131.95 nebst 2 % Zinsen über dem Diskontsatz seit dem 22.11.1993 zu verurteilen, abgewiesen. Gegen den am 10.08.1994 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin am 23.08.1994 sofortige Beschwerde eingelegt.

7

Die Antragstellerin behauptet,

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der Antragsgegner habe sie nicht Ober den Verkauf der Wohnung informiert. Vielmehr habe sie erst nach der Beschlußfassung über die Sonderumlage vom Verkauf der Wohnung erfahren.

9

Die Antragstellerin vertritt ferner die Auffassung, der Antragsgegner sei zur Zahlung verpflichtet, da es alleine darauf ankomme, wer im Zeitpunkt der Beschlußfassung im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sei. Auf die Fälligkeit der Forderung könne es demgegenüber nicht ankommen, da die Kostentragungspflicht dann davon abhänge, wann der beauftragte Unternehmer seine Arbeiten in Rechnung stelle. Der Antragsgegner habe die Möglichkeit, sich in dem Kaufvertrag mit den Erwerbern hinreichend abzusichern. Ansonsten bestünde die Gefahr, daß die Kosten weder auf den den Antragsgegener als Verkäufer noch auf die Streitverkündeten als Käufer umgelegt werden könnten.

10

Schließlich vertritt die Antragstellerin die Auffassung, der Anspruch auf Zahlung der DM 3.500,- für jeden Balkon sei bereits mit dem Beschluß der Eigentümerversammlung fällig geworden. Lediglich wegen einer der Höhe nach noch nicht feststehenden Versicherungszahlung sei aus Gründen der Praktikabilität darauf verzichtet worden, zunächst den gesamten Betrag einzufordern und später wieder einen Teil zu erstatten.

11

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluß des Amtsgerichts Soltau aufzuheben und den Antragsgegner zu verurteilen, an die Antragstellerin DM 3.131,95 nebst Zinsen von 2 % über dem Diskontsatz ab dem 22.11.1993 zu zahlen.

12

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

13

Der Antragsgegner behauptet,

14

er habe die Antragstellerin Ende April/Anfang Mai 1993 über den Eigentümerwechsel unterrichtet.

15

Er vertritt die Ansicht, es komme auf die Eigentümerstellung im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung an. Der Unternehmer habe seine Arbeiten indessen erst im Oktober 1993 durchgeführt und im November 1993 abgerechnet. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgt.

16

Die Forderung sei auch nicht bereits mit dem Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft fällig geworden. Bei der Beschlußfassung habe lediglich ein Angebot vorgelegen. Fälligkeit sei erst nach Erstellen der Unternehmerrechnung eingetreten.

17

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

18

II.

Die sofortige Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.

19

Das Amtsgericht hat im Ergebnis zutreffend darauf abgestellt, daß der Antragstellerin gegen den Antragsgegner kein Anspruch zusteht, weil die Fälligkeit der Forderung erst nach Eigentumsumschreibung im Grundbuch eingetreten ist.

20

1.

Gemäß § 16 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen. Für den Fall der Veräußerung von Wohnungseigentum hat der BGH mit Beschluß vom 24.03.1983 entschieden, daß es für die Haftung aus § 16 Abs. 2 WEG auf den Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung im Grundbuch ankommt (BGHZ 87, 138, 142) [BGH 24.03.1983 - VII ZB 28/82].

21

Dieser Beschluß gibt indessen für den vorliegenden Fall nichts her, da dort die Beitragsschuld vor Eigentumsumschreibung begründet und fällig war. Hier ist die Eigentumsumschreibung demgegenüber nach dem Beschluß über die Erhebung der Sonderumlage, aber vor der konkreten Abrechnung seitens der Verwalterin erfolgt.

22

2.

In einem weiteren Beschluß vom 21.04.1988 vertritt der BGH die Auffassung, daß es für die Haftung von Veräußerer bzw. Erwerber im Ansatz auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung ankomme (BGHZ 104, 197, 201) [BGH 21.04.1988 - V ZB 10/87]. Dort erfolgten Abrechnungen für Zeiträume vor der Eigentumsumschreibung in einem Beschluß nach dem Eigentümerwechsel.

23

Ausdrücklich offengelassen hat der BGH aber die im vorliegenden Fall einschlägige Fallgestaltung, in der die Beschlußfassung noch vor der Eigentumsumschreibung erfolgte der Beitrag aber erst für einen späteren Zeitpunkt fälliggestellt wird (BGHZ 104, 197, 204) [BGH 21.04.1988 - V ZB 10/87].

24

3.

Für diese Fallgestaltung vertritt die überwiegende Meinung die Auffassung, der Veräußerer hafte nur für die bis zum Eigentumsverlust begründeten und fälligen Beitragsschulden, während der Erwerber auch für Beiträge aus Umlagebeschlüssen vor der Eigentumsumschreibung hafte, wenn diese erst nach seinem Erwerb fällig werden (Palandt. BGB, § 16 WEG Rdn 22 ff.; Weitnauer, WEG, § 16 Rdn 13 a; Kammergericht, WuM 1991, 61; BayObLG NJW-RR 1990, 81; anderer Ansicht Soergel-Stürner. BGB, § 16 WEG Rdn 8 c).

25

Auch die Kammer vertritt die Auffassung, daß der Veräußerer nur für die bis zu seiner Eigentumsumschreibung begründeten und fälligen Forderungen der Eigentümergemeinschaft haftet. Daran fehlt es hier, da die Umlage für die Balkonsanierung zwar vor der Eigentumsumschreibung beschlossen wurde, die konkrete Abrechnung gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern mit der entsprechenden Zahlungsaufforderung aber erst danach erfolgt ist.

26

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin tritt hier auch keineswegs eine "Haftungslücke" ein. Die Streitverkündeten als Erwerber der Wohnung sind nämlich gemäß § 10 Abs. 3 WEG auch an frühere Beschlüsse gebunden. Sofern hier Beiträge erst im Zeitpunkt ihrer Eigentümerstellung fällig werden, müssen sie diese begleichen (so auch Kammergericht, WuM 1991, 61).

27

Dieses Ergebnis ist hier auch interessengerecht. Die Streitverkündeten haben die Wohnung in Kenntnis des schadhaften Balkons erworben. Zum Zeitpunkt der Vertragsschlusses gab es auch noch keinen Beschluß der Eigentümergemeinschaft zur Sanierung der Balkone. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, daß sich der Gesamtzustand der Wohnung, und damit auch der des Balkons, entsprechend auf den Kaufpreis ausgewirkt hat. Infolgedessen wäre es nicht sachgerecht, wenn der Antragsgegner als Veräußerer noch die Kosten für die Sanierung des Balkons tragen soll, obwohl ihm diese Sanierung selbst nicht mehr zugute kommt, da sie erst nach der Eigentumsumschreibung im Grundbuch durchgeführt wurde. Näher liegt es vielmehr, daß die Streitverkündeten als Erwerber, die den alleinigen Nutzen von der Balkonsanierung haben, auch die Kosten hierfür tragen.

28

4.

Schließlich ist die Umlage auch nicht bereits mit dem Grundlagenbeschluß der Eigentümerversammlung am 14.05.1993 fällig geworden.

29

Zwar hat das Kammergericht entschieden, daß bei akutem Reparaturbedarf und nach objektiven Maßstäben bestimmbarer Einzelbeiträge im Zweifel die sofortige Fälligkeit einer konkret beschlossenen Sonderumlage anzunehmen ist (NJW-RR 1991, 912). Auch im vorliegenden Fall bestand akuter Reparaturbedarf und die Höhe der Umlage wurde im Beschluß mit DM 3.500,- pro Balkon angegeben.

30

Gleichwohl ist hierdurch noch keine sofortige Fälligkeit der Umlage eingetreten. Zum einen hat die Antragstellerin selbst ausgeführt, es sei noch die Frage offen geblieben, in welcher Höhe Versicherungszahlungen anrechenbar sein sollten. Man habe deshalb aus Gründen der Praktikabilität darauf verzichtet, zunächst den gesamten Betrag einzufordern und dann später ... einen Teil wieder zu erstatten. Hieraus folgt indessen, daß in Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Sonderumlage die exakte Höhe der Forderung gerade noch nicht feststand. Mangels hinreichender Bestimmtheit konnte deshalb auch noch keine Fälligkeit eintreten.

31

Zum anderen sollte nach dem Willen der Eigentümerversammlung offensichtlich auch noch keine sofortige Fälligkeit eintreten. Im Beschluß heißt es lediglich, daß die Kosten per Umlage zu tragen sind. Die entsprechende Endabrechnung ist denn durch die Verwalterin auch erst nach Durchführung der Arbeiten erfolgt. Vorherige Zahlungen wurden von den Eigentümern gerade nicht gefordert. Die Eigentümergemeinschaft wollte die Umlage deshalb ersichtlich erst nach Rechnungslegung des Unternehmers und der Feststellung der Höhe der Versicherungsleistung erheben. Vorher ist sie mithin nicht fällig geworden.

32

Ein anderes Ergebnis wäre im vorliegenden Fall auch nicht sach- und interessengerecht. Würde man von einer Fälligkeit der Umlage bereits mit Beschlußfassung am 14.05.1993 ausgehen, so müßte der Antragsgegner nach den oben geschilderten Grundsätzen anteilig für die Umlage aufkommen. Diese Kosten könnte er indessen nicht auf die Streitverkündeten als Erwerber umlegen. Stichtag für den Übergang der Lasten ist gemäß § 3 des Kaufvertrages nämlich der Zeitpunkt des Eingang des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto. Dies ist hier erst am 23.05.1993 der Fall gewesen, während der Eigentümerbeschluß schon vom 14.05.1993 stammt. Der Antragsgegner müßte dann letztlich alleine für die Kosten der Balkonsanierung aufkommen, obwohl die Streitverkündeten als Erwerber die alleinigen Nutznießer dieser Maßnahme sind.

33

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.